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Gericht: Finanzgericht Köln
Beschluss verkündet am 30.04.2008
Aktenzeichen: 2 V 1158/08
Rechtsgebiete: BGB, AO, EGAHiG


Vorschriften:

BGB § 1004 Abs. 1 S. 1 analog
AO § 30
AO § 30 Abs. 4 Nr. 2
AO § 117 Abs. 2
EGAHiG § 1 Abs. 2 n.F.
EGAHiG § 2 Abs. 2 S. 1 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

2 V 1158/08

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe:

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit einer Spontanauskunft der deutschen Finanzbehörden an die Steuerverwaltung des Vereinigten Königreichs von Großbritannien.

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit Sitz im Inland, die in der X-Branche tätig ist. Sie ist eine Tochtergesellschaft der A- Holdings Europe Ltd. (Im Folgenden: A-Holding) mit Sitz in Großbritannien.

Im Rahmen einer vom Finanzamt Cc bei der Antragstellerin durchgeführten Außenprüfung wurden folgende Sachverhalte bekannt:

1. Mit Vertrag vom 18. April 2002 veräußerte die A-Holding die Urheberrechte an F-Produkten zum Preis von 400.000 EUR an die Antragstellerin. Die Kaufpreisforderung wurde i.H.v. 255.000 EUR mit einer Kaufpreisforderung der Antragstellerin aus einem Verkauf eines Grundstücks in N an die A-Holding verrechnet. Der Restkaufpreis wurde durch zwei Teilzahlungen i.H.v. 95.000 EUR und i.H.v. 50.000 EUR auf ein Konto der A- Europe Ltd. (im Folgenden: A-Europe), welche ebenfalls eine Tochtergesellschaft der A-Holding ist, beglichen. Das Konto der A-Europe wird in Deutschland bei der Sparkasse P geführt.

2. Die Antragstellerin hat an die A-Holding folgende Gewinne ausgeschüttet:

im Jahr 2003: 70.000 EUR

im Jahr 2004: 107.976 EUR

im Jahr 2005: 115.000 EUR

Die Ausschüttungen wurden größtenteils auf ein Konto der A-Europe ausgezahlt.

3. Die A-Holding erzielte aus der Vermietung von mehreren im Inland gelegenen Grundstücken folgende Mieteinnahmen:

im Jahr 2002: 54.468 EUR

im Jahr 2003: 79.406 EUR

im Jahr 2004: 88.508 EUR

im Jahr 2005: 112.451 EUR

Dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung liegt die "Mitteilung im zwischenstaatlichen Auskunftsverkehr in Steuersachen" des Finanzamtes Cc vom 11. Februar 2008 zu Grunde. Mit dieser dem Antragsgegner über die Oberfinanzdirektion - OFD - D zugeleiteten Mitteilung will das Finanzamt Cc nach erfolgter Anhörung der Antragstellerin den zuständigen britischen Steuerbehörden u.a. eine Spontanauskunft über die im Rahmen der Außenprüfung festgestellten Sachverhalte erteilen.

Mit Schreiben vom 3. März 2008 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass u.a. eine Weiterleitung der vom Finanzamt Cc übersandten Spontanauskunft an die britische Steuerverwaltung beabsichtigt sei. Die Weiterleitung der Spontanauskunft sei nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des EG-Amtshilfegesetzes - EGAHiG - und Art. XIX des Doppelbesteuerungsabkommens - DBA - Großbritannien zulässig, da die dem Finanzamt vorliegenden Erkenntnisse für die Durchsetzung des Besteuerungsrechts in Großbritannien geeignet seien. Die zu übermittelnden Informationen sollten die britischen Steuerbehörden in die Lage versetzen zu überprüfen, ob die Zahlungen an die A-Holding in Großbritannien korrekt erklärt und versteuert worden seien. Außerdem kündigte der Antragsgegner eine Weiterleitung der Spontanauskunft am 4. April 2008 an, wenn die Antragstellerin nicht vor diesem Termin anzeige, dass sie im Zusammenhang mit einer Unterlassungsklage einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Finanzgericht Köln gestellt habe.

Hiergegen hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, den sie im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der erforderliche Anordnungsanspruch sei gegeben.

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 EGAHiG dürfe eine Spontanauskunft nur dann erteilt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Vermutung rechtfertigten, dass Steuern eines Mitgliedstaates verkürzt worden seien oder werden könnten. An tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Steuerverkürzung durch die A-Holding in Großbritannien fehle es im Streitfall aber. Der vom Bundesfinanzhof - BFH - (BFH-Beschluss 15. Februar 2006 I B 87/05, BFHE 212, 4, BStBl II 2006, 616) geforderte konkrete Bezugspunkt zu einer Steuerfestsetzung in Großbritannien liege nicht vor. Die Ansicht des Antragsgegners, durch eine mögliche Nichterklärung der Einkünfte in Großbritannien könnten Steuern verkürzt worden sein, stelle lediglich eine theoretische Möglichkeit dar. Die Vermutung einer möglichen Steuerverkürzung würde auch der realistischen Erwartung widersprechen. Es sei kein Gesichtspunkt dafür ersichtlich, dass die A-Holding die Erlöse aus dem Verkauf von F-Produkten an die Antragstellerin, die Gewinnausschüttungen der Antragstellerin oder die Einnahmen aus Grundstücksvermietungen in Großbritannien nicht erklärt habe. Allein schon das Bestehen der A-Gruppe seit mehr als 10 Jahren und die Kenntnis der britischen Finanzverwaltung über die Tochterfirma in Deutschland sowie die zwischen den Konzernunternehmen gepflegten Geschäftsbeziehungen sprächen eindeutig gegen eine Vermutung der Steuerverkürzung.

Die Antragstellerin beantragt,

dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 114 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - aufzugeben, es bis zum Abschluss des Klageverfahrens zu unterlassen, der Steuerverwaltung des Vereinigten Königreiches von Großbritannien Auskünfte

über einen Kaufvertrag, der den Verkauf der F-Produkte "MM" durch die Firma "A Holdings Europe Ltd.", S, T, Großbritannien, an die Antragstellerin betrifft,

über in den Jahren 2003 bis 2005 vorgenommene Gewinnausschüttungen der Antragstellerin an die Firma "A Holdings Europe Ltd.",

über in den Jahren 2003 bis 2005 von der Antragstellerin an die Firma "A Holdings Europe Ltd." geleistete Mietzahlungen für Grundstücke in C und N zu erteilen.

Der Antragsgegner beantragt,

1. den Antrag abzulehnen,

hilfsweise

2. die Beschwerde zuzulassen.

Zur Begründung trägt der Antragsgegner im Wesentlichen Folgendes vor:

Der Antrag sei schon mangels Anordnungsgrundes abzulehnen. Die Antragstellerin habe nicht glaubhaft dargelegt, dass ihr wesentliche Nachteile entstünden, die nur durch die einstweilige Anordnung abgewendet werden könnten.

Im Übrigen fehle auch der erforderliche Anordnungsanspruch.

Die geplante Spontanauskunft sei nach § 2 Abs. 2 EGAHiG in seiner ab dem 28. Dezember 2007 geltenden neuen Fassung zulässig. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 EGAHiG n.F. könnten Auskünfte ohne Ersuchen erteilt werden, die für die Besteuerung im anderen Mitgliedstaat geeignet sein können. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt.

Die Mitteilung der Sachverhalte über den "Verkauf von F-Produkten" und über die "Gewinnausschüttungen" könne für die Besteuerung der Antragstellerin in Großbritannien geeignet sein. Das Gleiche treffe im Ergebnis auch für die Mitteilung der Mietzahlungen für "Grundstücke in Deutschland" zu. Dies gelte auch dann, wenn man davon ausgeht, dass das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen abkommensrechtlich in Deutschland liege. Denn eine Vermeidung der Doppelbesteuerung in Deutschland und Großbritannien werde erst durch die Anrechnung der deutschen auf die britische Steuer erreicht. Hierfür sei aber erforderlich, dass auch den britischen Steuerbehörden die Höhe der Mietzahlungen bekannt sei.

Außerdem seien im Streitfall auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EGAHiG n.F. erfüllt.

Nach dieser Neuregelung müssten im Gegensatz zur alten Gesetzesfassung für eine Weiterleitung von Spontanauskünften nicht mehr "tatsächliche Anhaltspunkte die Vermutung rechtfertigen, dass Steuern eines Mitgliedstaates verkürzt worden sind oder werden könnten." Nunmehr genügten vielmehr "Gründe für die Vermutung", dass im anderen Mitgliedstaat der objektive Tatbestand einer Steuerverkürzung erfüllt ist oder erfüllt wird.

Auch nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - (vgl. EuGH-Urteil vom 13. April 2000 C-420/98, IStR 2000, 334) reiche nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern (ABl. L 336, S. 15, Im Folgenden: Amtshilfe-Richtlinie) die Vermutung einer Steuerverkürzung aus. Es sollten daher alle Auskünfte erteilt werden können, die für die zutreffende Steuerfestsetzung geeignet sein können.

Im Streitfall vermute der Antragsgegner, dass ohne die streitige Spontanauskunft in Großbritannien eine nicht gerechtfertigte Steuerersparnis bestehe oder noch gewährt werden könne. Diese Vermutung sei in allen drei Sachverhaltskomplexen zu bejahen.

Der beabsichtigten Spontanauskunft stünden auch keine Beschränkungen nach § 3 Abs. 1 EGAHiG entgegen.

Letztlich sei die beabsichtigte Erteilung der Spontanauskunft auch ermessensgerecht.

Sowohl im Rahmen des § 2 Abs. 2 Satz 1 EGAHiG ("kann") als auch im Rahmen des § 2 Abs. 2 Satz 2 EGAHiG ("soll") sei auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteil vom 13. April 2000 C-420/98, a.a.O.) das eingeräumte Ermessen eng auszulegen. Der EuGH habe den Begriff "soll" im Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) der Amtshilfe-Richtlinie sehr eng ausgelegt und mehrmals von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erteilung von Spontanauskünften gesprochen (Tz. 13, 23 des o.g. EuGH-Urteils).

Außerdem läge die Spontanauskunft im überwiegenden Allgemeininteresse, so dass die Ermessensentscheidung des Antragsgegners im Regelfall dahingehend vorgeprägt sei, die Auskunft zu erteilen.

Das danach im Streitfall verbleibende Ermessen sei zutreffend ausgeübt worden. Insbesondere würden es auch die Gegenseitigkeit und Fairness gebieten, auf solche Sachverhalte hinzuweisen, die den Steuerbehörden des anderen Mitgliedstaats wahrscheinlich nicht bekannt seien. Durch die beabsichtigte Spontanauskunft werde auch nicht unverhältnismäßig in die Rechte der Antragstellerin eingegriffen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die weitergeleiteten Informationen zweckwidrig verwendet würden und entgegen der gesetzlichen Regelung an andere Stellen gelangen könnten.

Schließlich sei die geplante Weiterleitung der Spontanauskunft auch gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 2, § 117 Abs. 2 Abgabenordnung - AO - i.V.m. Art. XIX Abs. 1 DBA-Großbritannien zulässig.

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig aber unbegründet.

1. Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern (Regelungsanordnung). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in jedem Fall, dass der im Hauptverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) bezeichnet und glaubhaft gemacht werden ( § 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 1, 2 ZPO). Bezeichnung und Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs bedeuten, dass der Antragsteller den Anspruch rechtlich schlüssig darlegen und dessen tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft machen muss ( § 155 FGO i.V.m. § 294 ZPO).

2. Vorliegend begehrt die Antragstellerin den Erlass einer Regelungsanordnung, denn durch die gerichtliche Anordnung möchte sie verhindern, dass der Antragsgegner sie betreffende steuerliche Verhältnisse einer ausländischen Steuerbehörde mitteilt. Sie möchte damit die Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erreichen.

3. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Antragstellerin fehlt der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch. Denn die Antragstellerin hat keinen Anspruch gegen den Antragsgegner, die beabsichtigte Auskunftserteilung zu unterlassen.

a) Nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung - welcher sich der beschließende Senat anschließt - ist als Grundlage für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch § 1004 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - in analoger Anwendung - i.V.m. § 30 AO anerkannt (BFHBeschluss vom 29. April 1992 I B 12/92, BFHE 167, 11; BStBl II 1992, 645). Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind vorliegend jedoch nicht erfüllt.

Die Antragstellerin hat es analog § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden, dass sich der Antragsgegner an die ausländische Steuerbehörde wendet. Denn die Antragstellerin kann sich gegenüber dieser Mitteilung nicht auf das Steuergeheimnis nach § 30 AO berufen, weil nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO die durch Gesetz ausdrücklich zugelassene Befugnis zur Offenbarung besteht. Eine ausdrückliche gesetzliche Zulassung in diesem Sinne enthält § 117 Abs. 2 AO, wonach die Finanzbehörden u.a. auf Grund innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Vereinbarungen sowie des EG-Amtshilfe-Gesetzes Amtshilfe leisten können. Durch eine Maßnahme, die sich in diesem Rahmen hält, wird deshalb das Steuergeheimnis nicht verletzt (BFHBeschluss vom 29. April 1992 I B 12/92, a.a.O.).

b) Im Streitfall leitet der Antragsgegner seine Befugnis zur Erteilung der beabsichtigten Spontanauskunft hiernach zu Recht aus der am 28. Dezember 2007 in Kraft getretenen Neufassung des § 2 Abs. 2 Satz 1 EGAHiG i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 EGAHiG ab.

aa) Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 EGAHiG n.F. können die zuständigen Finanzbehörden eines anderen Mitgliedstaates die in § 1 Abs. 2 bezeichneten Auskünfte ohne Ersuchen erteilen, die für die zutreffende Besteuerung eines Steuerpflichtigen im anderen Mitgliedstaat geeignet sein können. Gemäß § 1 Abs. 2 EGAHiG n.F. erteilen die Finanzbehörden nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und des § 117 Abs. 4 AO der zuständigen Finanzbehörde eines anderen Mitgliedstaates Auskünfte, die für die zutreffende Steuerfestsetzung sowie die zutreffende Erhebung der indirekten Steuern in diesem Mitgliedstaat erheblich sein können.

bb) Diese tatbestandlichen Voraussetzungen für die Auskunftserteilung sind im Streitfall erfüllt.

(1) § 2 Abs. 2 Satz 1 EGAHiG n.F. erlaubt die Erteilung von Auskünften ohne Ersuchen. Damit sind Spontanauskünfte, wie die im Streitfall beabsichtigte Auskunft des Antragsgegners, grundsätzlich möglich.

(2) Die beabsichtigte Spontanauskunft des Antragsgegners kann auch für die zutreffende Besteuerung der C-Holding in Großbritannien geeignet sein. Diese Voraussetzung ist in allen drei Sachverhaltskomplexen gegeben.

a) Entgegen § 2 Abs. 2 Nr. 1 EGAHiG a.F. können nach der neuen Gesetzesfassung in § 2 Abs. 2 Satz 1 EGAHiG Spontanauskünfte nicht mehr nur dann erteilt werden, wenn "tatsächliche Anhaltspunkte die Vermutung rechtfertigen", dass "Steuern dieses Mitgliedstaates verkürzt worden sind oder werden könnten". Durch die neue Gesetzesfassung wird die Erteilung von Spontanauskünften innerhalb der Europäischen Gemeinschaft unabhängig von dieser einschränkenden Tatbestandsvoraussetzung ermöglicht.

Der Antragsgegner weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass der nationale Gesetzgeber mit der Neuregelung im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2008 (BGBl. I 2007, 3150, BStBl. I 2008, 218) die durch die Amtshilfe-Richtlinie gegebenen Möglichkeiten der Erteilung von Spontanauskünften umfassender als zuvor ausgeschöpft hat.

Nach Art. 4 Abs. 3 der Amtshilfe-Richtlinie können die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sich in allen anderen, d.h. nicht in Art. 4 Abs. 1 und 2 Amtshilfe-Richtlinie genannten Fällen gegenseitig ohne vorheriges Ersuchen die in Artikel 1 Abs. 1 Amtshilfe-Richtlinie bezeichneten Auskünfte erteilen, die ihnen zu Kenntnis gelangen. Nach Art. 1 Abs. 1 Amtshilfe-Richtlinie in der Fassung der Richtlinie 2004/106/EG des Rates vom 16. November 2004 (ABl. Nr. L 359, S. 30, im Folgenden: Amthilfe-Richtlinie n.F.) erteilen sich die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten einander gemäß dieser Richtlinie alle Auskünfte, die für die korrekte Festsetzung der Einkommens- und Vermögenssteuern geeignet sein können, sowie alle Auskünfte in Bezug auf die Festsetzung der in Artikel 3 sechster Gedankenstrich der Richtlinie 76/308/EWG des Rates vom 15. März 1976 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstigen Maßnahmen (ABl. Nr. L 73, S. 18) genannten Steuern auf Versicherungsprämien. Im Ergebnis verlangt damit auch Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Amtshilfe-Richtlinie n.F. für die Rechtmäßigkeit von Spontanauskünften "nur", dass diese für die Besteuerung des Steuerpflichtigen im anderen Mitgliedstaat geeignet sein können.

Die auf der alten Gesetzesfassung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 EGAHiG und der damit verbundenen Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 15. Februar 2006 I B 87/05, a.a.O.) aufbauenden Ausführungen der Antragstellerin sind vor dem Hintergrund des neuen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 EGAHiG damit schon im Grundsatz nicht mehr zutreffend.

b) Der Antragsgegner ist auch zutreffend der Ansicht, dass die beabsichtigte Spontanauskunft zu den drei Sachverhaltskomplexen "Verkauf von F-Produkten", "Gewinnausschüttungen" und "Grundstücke in Deutschland" für die zutreffende Besteuerung der A-Holding in Großbritannien geeignet sein kann.

Diese Geeignetheit der Spontanauskunft für eine mögliche Besteuerung im anderen Mitgliedstaat ist nach Ansicht des erkennenden Senats schon dann zu bejahen, wenn der mitgeteilte Sachverhalt zu einer Besteuerung in dem anderen Mitgliedstaat führen kann. Nicht erforderlich ist hingegeben, dass eine Besteuerung in dem anderen Mitgliedstaat wahrscheinlich oder sogar überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. BFH-Beschluss vom 08. Februar 1995 I B 92/94, BFHE 177, 25, BStBl II 1995, 358 zu einer vergleichbaren Problematik bei einer Spontanauskunft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 5 EGAHiG a.F. nach Italien).

Die Möglichkeit einer Besteuerung der mitgeteilten Sachverhalte in Großbritannien ist im Streitfall gegeben. Die in Großbritannien ansässige A-Holding erzielt in allen drei Sachverhaltskomplexen Einnahmen aus Quellen in der Bundesrepublik Deutschland. Die Informationen über diese Einnahmen, die im Rahmen der bei der Antragstellerin durchgeführten Außenprüfung den deutschen Finanzbehörden bekannt geworden sind, können damit für die zutreffende Ertragsbesteuerung der A-Holding in Großbritannien von Bedeutung sein. Der Antragsgegner weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass Großbritannien für den von der A-Holding aus der Veräußerung der F-Produkte erzielten Veräußerungserlös, für die von der Antragstellerin an die A-Holding ausgeschütteten Gewinne und für die von der A-Holding aus der Vermietung der in Deutschland gelegenen Grundstücke vereinnahmten Mieten nach den Regelungen im DBA-Großbritannien ein Besteuerungsrecht zustehen kann.

(3) Der Antragsgegner hält sich mit der beabsichtigten Weiterleitung der Spontanauskunft auch innerhalb des ihm durch § 2 Abs. 2 Satz 1 EGAHiG eingeräumten Ermessens.

Aus der Gesetzesformulierung "kann" folgt, dass die Auskunftserteilung in das Ermessen des Antragsgegners gestellt ist. Demnach können die Finanzgerichte die Ermessensentscheidung der Finanzbehörde nach § 102 FGO nur auf Ermessensüberschreitung, Ermessensmissbrauch und Ermessensfehlgebrauch hin prüfen.

Im Streitfall ist ein Ermessensfehler des Antragsgegners jedoch nicht ersichtlich.

a) Der Antragsgegner weist zu Recht darauf hin, dass eine Auskunftserteilung in Fällen der vorliegenden Art im überwiegenden öffentlichen Allgemeininteresse liegt. Wenn die Bundesrepublik Deutschland in einem DBA auf die Besteuerung ausländischer Einkünfte im Inland verzichtet, geschieht dies regelmäßig zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und in der Erwartung der Besteuerung der Einkünfte durch den anderen Vertragstaat. Besteuert der andere Vertragstaat die Einkünfte nur deshalb nicht, weil er entweder von der Einkünfteerzielung selbst oder von den konkreten Modalitäten der Einkünfteerzielung keine ausreichende Kenntnis erhält, so widerspricht dies dem Sinn und Zweck des DBA. Die deutsche Finanzverwaltung ist deshalb grundsätzlich gehalten, Kontrollmitteilungen ins Ausland zu versenden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Versendung ohne besonderen Aufwand möglich ist und höherrangige Interessen der Steuerpflichtigen nicht verletzt werden (s.a. BFH-Beschluss vom 08. Februar 1995 I B 92/94, a.a.O.). Eine derartige Verletzung höherrangiger Interessen der Antragstellerin ist im Streitfall jedoch nicht ersichtlich. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung steht der Auskunftserteilung nicht entgegen, da es insoweit durch die bestehenden Gesetze eingeschränkt ist.

b) Darüber hinaus ist auch die Überlegung des Antragsgegners zutreffend, Gegenseitigkeit und Fairness zwischen den Mitgliedstaaten würden es gebieten, die Finanzbehörden eines anderen Mitgliedstaat auf grenzüberschreitende Sachverhalte, die diese selbst entweder nicht kennen oder mit eigenen Ermittlungsmöglichkeiten nicht aufklären können, hinzuweisen. Hierfür spricht auch der in der 6. Begründungserwägung der Amtshilfe-Richtlinie zum Ausdruck kommende Zweck dieser Richtlinie. Danach soll die Richtlinie eben nicht nur dem Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuerflucht dienen, sondern auch die zutreffende Feststellung der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in den verschiedenen Mitgliedstaaten ermöglichen (EuGH-Urteil vom 13. April 2000 C-420/98, a.a.O.).

g) Durch die beabsichtigte Auskunft wird auch nicht unverhältnismäßig in die Rechte der Antragstellerin oder der A-Holding eingegriffen. Die Sicherstellung einer zutreffenden Besteuerung in dem Mitgliedstaat, an den die Spontanauskunft gerichtet ist, ist gerade Zweck des Auskunftsaustauschs. Die mögliche Besteuerung der von der A-Holding aus Quellen im Inland erzielten Einkünfte in Großbritannien kann daher nicht als zu berücksichtigender Nachteil angesehen werden. Im Übrigen sind, worauf der Antragsgegner zu Recht hinweist, keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Informationen in Großbritannien zweckwidrig verwendet werden oder entgegen gesetzlicher Regelungen an andere Stellen gelangen und der Antragstellerin hieraus ins Gewicht fallende Nachteile erwachsen könnten.

c) Da die beabsichtigte Spontanauskunft somit nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO, § 117 Abs. 2 AO i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 1 EGAHiG n.F. rechtmäßig ist, kann der Senat offen lassen, ob die Spontanauskunft auch gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO, § 117 Abs. 2 AO i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 EGAHiG n.F. sowie i.V.m. Artikel XIX Abs. 1 DBA-Großbritannien gerechtfertigt wäre.

4. Da kein Anordnungsanspruch gegeben ist, kommt es auf das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht mehr an.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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