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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 20.01.2005
Aktenzeichen: 3 K 2096/03
Rechtsgebiete: AO 1977, ErbStG


Vorschriften:

AO 1977 § 227 Abs. 1
AO 1977 § 240 Abs. 1
ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

3 K 2096/03

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Erlass von Einkommen- und Umsatzsteuer sowie Säumniszuschlägen hierzu.

Der zu fünfzig Prozent schwerbehinderte Kläger lebt mit kurzzeitiger Unterbrechung seit Januar 1991 von Arbeitslosenhilfe. Nach seinen Angaben ist er hoch verschuldet und wegen fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht in der Lage, seine Verbindlichkeiten zu begleichen. Zu den Einzelheiten wird auf sein Schreiben an den Beklagten vom 04.04.2003 (Blatt 83 d. A.) verwiesen.

Ausweislich eines Kontoauszugs vom 10.02.2003 schuldete der Kläger Einkommensteuer 1988, 1989 und 1993 sowie Umsatzsteuer 1991 bis 1993 nebst Säumniszuschlägen zu den zuvor genannten Hauptforderungen und zur Einkommensteuer 1987 i.H.v. insgesamt 6.967,16 EUR. Auf Antrag des Klägers hatte der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 16.06.1997 die bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Säumniszuschläge i.H.v. 4.611,00 DM zur Hälfte erlassen. Die hiergegen gerichtete Klage, mit der der Kläger den Erlass der gesamten Säumniszuschläge begehrt hatte, wies das Finanzgericht Köln mit Urteil vom 24.11.1998 3 K 5458/97 als unbegründet ab.

Wegen o.g. Steuerrückstände pfändete der Beklagte mit Verfügungen vom .....2002 und ......2002 beim Bruder des Klägers und dessen Anwälten die sich aus dem Schlussurteil des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom ......2002 11 U 23/00 ergebenden Erbschaftsansprüche des Klägers gegen seinen Bruder aus dem Erbe nach der verstorbenen Großmutter (.....,50 Euro nebst Zinsen). Die hiergegen eingelegten Einsprüche vom ......2002 wies er durch bestandskräftige Einspruchsentscheidung vom .......2003 als unbegründet zurück.

Daraufhin beantragte der Kläger am .....2003 den Erlass der o.g. Abgabenforderungen. Zur Begründung führte er aus, es widerspreche der Zweck-Mittel-Relation, wenn er sich als Arbeitsloser wachsenden Steueransprüchen ausgesetzt sehe, obwohl ein Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit fehle. Seit 1993 sei er wegen der Unterhaltslast gegenüber seiner Tochter, hoher Mietaufwendungen von 840,00 DM mtl., Werbungskosten zur Arbeitsplatzbeschaffung sowie Anwalts- und Gerichtskosten und Aufwendungen für Zahnersatz zahlungsunfähig und überschuldet. Hinzu komme, dass seine Leistungsfähigkeit behinderungsbedingt eingeschränkt sei. Monatlich wende er 100 bis 120 EUR für die Suche nach einem Arbeitsplatz auf. Insgesamt habe er seit 1993 hierfür ca. 18.000,00 DM ausgegeben, die er nicht wie Erwerbstätige steuerlich habe absetzen können. Das widerspreche dem Gleichheitsprinzip. Allein dieser Betrag überschreite die Steuerschuld, so dass eine komplette Steuertilgung möglich gewesen wäre, wenn er die Gelder hierfür hätte einsetzen können. Auch sei die Kürzung der Arbeitslosenhilfe um den nichtabziehbaren Arbeitsförderungsbetrag (§ 136 Abs. 2 SGB III) eine Benachteiligung. Da er nie einen verschwenderischen Lebenswandel geführt habe, treffe ihn an seiner fehlenden Leistungsfähigkeit kein Verschulden, so dass er erlasswürdig sei. Auch sei er erlassbedürftig. Denn das Absehen von einer Steuererhebung eröffne ihm die Möglichkeit, seine wirtschaftliche Situation durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zu verbessern, was gerade im fortgeschrittenen Alter zu befürworten sei.

Die Säumniszuschläge seien wegen persönlicher und sachlicher Billigkeitsgründe in voller Höhe und nicht nur zur Hälfte zu erlassen, weil auch ihre Erhebung gegen das Übermaßverbot verstoße und sie wie eine Erdrosselungssteuer wirkten.

Mit Schreiben vom .....2003 und ......2003 erließ der Beklagte die Hälfte der noch offenen Säumniszuschläge in Höhe von 1.178,78 EUR und 569,43 EUR (Säumniszuschläge insgesamt: 3.496,42 EUR). Den Erlass der Hauptforderungen lehnte er mit dem zuletzt genannten Schreiben ab.

Zur Begründung führte er aus, ein Erlass aus persönlichen, insbesondere wirtschaftlichen Billigkeitsgründen komme nur in Betracht, wenn die Steuererhebung entweder die Fortführung eines Unternehmens des Steuerpflichtigen ernsthaft gefährde oder die Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts nicht nur vorübergehend in Frage stelle. Die Notlage müsse allein durch die Einziehung der Steuerrückstände verursacht und deshalb allein durch den Steuererlass beseitigt werden können. Das sei beim Kläger, dessen derzeitige wirtschaftliche Notlage nicht allein durch die Abgabenrückstände verursacht sei, zu verneinen. Eine Erlassbedürfigkeit sei nicht schon dann gegeben, wenn sich ein Steuerpflichtiger in Liquiditätsschwierigkeiten befinde oder überschuldet sei. Wirtschafts-, arbeitsmarkt- oder sozialpolitische Ziele könnten nicht durch einen Steuererlass gefördert werden. Sachliche Unbilligkeit sei ebenfalls zu verneinen, weil nicht zu erkennen sei, dass der Gesetzgeber den vom Kläger erfüllten Sachverhalt nicht der Besteuerung habe unterwerfen wollen. Zu den Einzelheiten wird auf die Ablehnungsverfügung vom 11.02.2003 in der Vollstreckungsakte des Beklagtes verwiesen.

Hiergegen legte der Kläger am ......2003 Einspruch ein. Er vertrat die Auffassung, soweit Säumniszuschläge zur Hälfte erlassen worden seien, könne sich das nur auf den Zuwachs vom 06.06.1997 bis zum jetzigen Zeitpunkt beziehen. Der Zuwachs habe bis zum 15.10.2002 2.317,64 EUR betragen, so dass Säumniszuschläge in Höhe von 1.158,82 EUR zu erlassen gewesen seien. Tatsächlich seien die Säumniszuschläge nur um 24,57% erlassen worden (569,43 EUR). Eine Vermengung mit früheren Erlassansprüchen sei unzulässig, weil sich der Erlass immer am zeitlichen Zuwachs zu orientieren habe. Zu den Einzelheiten wird auf das Schreiben des Klägers vom 17.02.2003 in der Vollstreckungsakte des Beklagtes verwiesen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass verwirkte Säumniszuschläge mit dem Erlöschen der Hauptschuld entfielen und ihm bei der Umsatzsteuer keine Pflichtwidrigkeit vorzuwerfen sei. Das sei aber Voraussetzung für die Haftung eines Unternehmers.

Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom ......2003 als unbegründet zurück. Er vertrat die Auffassung, die Einziehung der Forderung sei weder sachlich noch persönlich unbillig. Der Kläger sei nicht erlassbedürftig. Ein Erlass wirke sich auf seine wirtschaftliche Situation nicht aus, weil er bereits auf Sozialhilfeniveau lebe. Ganz offensichtlich verfolge der Antragssteller nur den Zweck, die Pfändung in ein Erbauseinandersetzungsguthaben zu unterlaufen. Das rechtfertige keine Billigkeitsmaßnahme. Auch lasse der Kläger bei seinen Billigkeitserwägungen einen ihm im Jahr 1997 zugeflossenen Erbanteil in Höhe von ca. 60.000,00 DM unberücksichtigt.

Säumniszuschläge seien auch bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit nur i.H.v. 50 % zu erlassen, weil sie auch als Gegenleistung für das Hinausschieben der Fälligkeit und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand erhoben würden.

Gegen die Einspruchsentscheidung hat der Kläger am ......2003 Klage erhoben.

Er behauptet, das 1997 erhaltene Erbauseinandersetzungsguthaben habe weniger als 60.000,00 DM betragen und sei durch erforderliche Neuanschaffungen für Gegenstände des täglichen Lebens verbraucht worden. Soweit er mit diesem Geld Reisen unternommen habe, hätten seine Ärzte ihm diese zu Erholungszwecken empfohlen. Der gepfändete Erbanspruch sei ausschließlich seiner Altersversorgung zugedacht gewesen, so dass die Vollstreckung seinen wirtschaftlichen Ruin bedeute. Einem betagten und nicht mehr erwerbstätigen Steuerpflichtigen seien die Steuern zu erlassen, wenn die zur Zahlung erforderlichen Mittel zur angemessenen Gestaltung seines Lebensabends bestimmt seien. Außerdem sei das Erbe für den Eigenanteil einer Zahnbehandlung bestimmt. Notwendige Mittel für Kranken-, Sozial-, Pflege-, Lebens- und Zusatzversicherungsbeiträge für zahnärztliche Leistungen und Zahnersatz sowie zur Altersvorsorge dürfe ihm der Beklagte nicht wegnehmen. Zum Nachweis nimmt der Kläger Bezug auf einen Heil- und Kostenplan des Zahnarztes Dr. ................, ........., vom ........2003, in dem der Eigenanteil für Zahnersatzimplantate mit 4.118,50 EUR ausgewiesen ist. Zu den Einzelheiten wird auf den Heil- und Kostenplan (Blatt 74, 75 d. A.) verwiesen.

Ferner vertritt der Kläger die Auffassung, den Steuerforderungen müsse der ihm nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) für die Abwicklung des Nachlasses seiner Großmutter zustehende Erbfallkostenpauschbetrag in Höhe von 5.150,00 EUR "gegengerechnet" werden. Alles in allem sei die Entscheidung des Beklagten daher ermessensfehlerhaft.

Die Ladung zur mündlichen Verhandlung ist dem Kläger am 03.01.2005 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 06.01.2005 hat der Kläger Terminsverlegung beantragt und zur Begründung mitgeteilt, er müsse sich aus gesundheitlichen Gründen am 20.01.2005 einer längerfristigen auswärtigen Reha-Maßnahme unterziehen (Bl. 158 d. A.). Mit Verfügung vom 10.01.2005 hat der Vorsitzende den Kläger gebeten, den Verhinderungsgrund durch Vorlage einer Einweisung in die Rehabilitationseinrichtung oder sonstige präsente Beweismittel glaubhaft zu machen und zur Begründung auf § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. §§ 227 Abs. 3, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) verwiesen. Da der Kläger hierauf nicht antwortete, hat der Vorsitzende mit Verfügung vom 18.01.2005 den Antrag auf Terminsverlegung mangels Glaubhaftmachung eines Verhinderungsgrundes abgelehnt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen. Er hat schriftsätzlich sinngemäß angekündigt zu beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom ......2003 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom ......2003 zu verpflichten, die Einkommensteuer 1987 - 1989 und 1993 sowie die Umsatzsteuer 1991 - 1993 nebst Säumniszuschlägen zu erlassen,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, den auf Grund der Einspruchsentscheidungen vom 16.06.1997 und 19.03.2003 nicht realisierten Erlass der Säumniszuschläge i.H.v. 1.207,53 EUR zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom ......2004, auf die ergänzend Bezug genommen wird.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung und Verkündung des Urteils hat der Kläger mit Schriftsätzen vom 24.01.2005, 28.01.2005 und 14.02.2005 drei Schreiben der Fachklinik für Psychogene Erkrankungen ............ in .......... vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass er sich seit dem 12.01.2005 in einer voraussichtlich bis 04.03.2005 andauernden stationären Heilbehandlung befindet. Zu den Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 24.01.2004, 28.01.2005 und 14.02.2005 (Bl. 161 - 165 d.A.) verwiesen. Mit Schriftsatz vom 24.01.2005 hat der Kläger "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften der FGO und die Gewährung rechtlichen Gehörs" beantragt und zur Begründung ausgeführt, die üblichen Fristen zur Beibringung von Nachweisen und zur Glaubhaftmachung seien nicht berücksichtigt worden. In dem Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 10.01.2005, das seinem Postbevollmächtigten erst am 17.01.2005 zugegangen sei, sei keine Vorlagefrist aufgeführt gewesen. Die Ablehnung der Terminsverlegung vom 18.01.2005 habe seinen Postbevollmächtigten erst am 22.01.2005 erreicht.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

I.

Nach § 227 Abs. 1 AO können Steuern erlassen werden, wenn ihre Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Entscheidung über einen Erlassantrag aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung (Beschluss des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19.10.1971 GmS-OGB 3/70, BStBl. II 1972, 603). Ermessensentscheidungen sind im finanzgerichtlichen Verfahren dahingehend zu überprüfen, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck des Ermessens nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 102 FGO).

Im Streitfall ist die Ablehnung des begehrten Erlasses ermessensfehlerfrei zu Stande gekommen.

1. Sachliche Billigkeitsgründe liegen nicht vor. Solche sind nach höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung dann gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte oder wenn angenommen werden kann, dass die Einziehung der Steuern den Wertungen des Gesetzgebers widerspricht.

Zu Unrecht sieht der Kläger in der steuerlichen Ungleichbehandlung von Arbeitslosenhilfeempfängern und Erwerbstätigen einen sachlichen Billigkeitsgrund. Der Umstand, dass sich Verluste einer arbeitslosen Person mangels Einkünften im Entstehungsjahr steuerlich nicht auswirken, rechtfertigt nicht den Erlass bestandskräftig festgesetzter Steuern. § 10 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) eröffnet die Möglichkeit, nicht ausgeglichene Verluste zeitlich unbeschränkt in die Zukunft vor- und zeitlich begrenzt in die Vergangenheit zurückzutragen. Dadurch können sich Verluste in bestimmten Fallkonstellationen nicht auswirken. Da dies den Wertungen des Gesetzgebers nicht widerspricht, liegt ein sachlicher Billigkeitsgrund nicht vor.

2. Im Streitfall fehlt es auch an persönlichen Billigkeitsgründen.

a) Persönliche Unbilligkeit ist gegeben, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten oder ernstlich gefährden würde. Das ist der Fall, wenn ohne Billigkeitsmaßnahmen der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden kann (BFH-Beschluss vom 24.10.1988 X B 54/88, BFH/NV 1989, 258, m.w.N.). Dies setzt voraus, dass sich der Billigkeitserlass auf die wirtschaftliche Situation des Steuerpflichtigen konkret auswirken kann. Bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit kommt deshalb grundsätzlich weder eine zinslose Stundung noch ein Steuererlass aus persönlichen Billigkeitsgründen in Betracht (BFH-Beschluss vom 21.04.1999 VII B 347/89, BFH/NV 1999, 1440, m.w.N.).

b) So verhält es sich im Streitfall. Nach den Angaben des Klägers im Schreiben vom 04.04.2003 ist er hoch verschuldet und mangels wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht in der Lage, seine Verbindlichkeiten zu begleichen. Aus diesem Grunde bezieht er - mit kurzer Unterbrechung - seit 1991 Arbeitslosenhilfe. Es ist nicht erkennbar, dass der Erlass der verbleibenden Steuerschulden in Höhe von 5.229,34 EUR (Stand 24.04.2003) seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nachhaltig verbessert. Angesichts seiner hohen Verschuldung käme der Erlass dieser Steuerforderungen nicht ihm, sondern anderen Gläubigern zugute.

Soweit sich der Kläger darauf beruft, ein Steuererlass ermögliche ihm die Aufnahme einer neuen beruflichen Existenz, rechtfertigt das keine andere Beurteilung. Denn er trägt nicht vor, welche konkreten beruflichen Chancen ihm auf Grund seiner Steuerschulden entgangen sind bzw. entgehen werden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 27.09.2001 X R 134/98, BStBl. II 2002, 176).

c) Auch die Behauptung des Klägers, einen Betrag von 4.118,50 EUR für eine erforderliche Zahnbehandlung zu benötigen, rechtfertigt keinen Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen. Zwar hat der Kläger einen Heil- und Kostenplan des Zahnarztes Dr. ................ vorgelegt, der als Eigenanteil diese Summe ausweist. Ob der Kläger seinen Erbanteil hierfür tatsächlich aufwenden wird, ist hingegen ungewiss. Dagegen spricht sein Vortrag, das Erbe für eine bescheidene Altersvorsorge einsetzen zu wollen. Zudem geht aus dem Heil- und Kostenplan, der Kronen und Brücken mit Metallkeramikverblendungen vorsieht, nicht hervor, dass eine derartige Zahnbehandlung medizinisch tatsächlich notwendig ist und nicht nur vom Kläger persönlich gewünscht wird. Einen solchen Nachweis hat der Kläger auch nicht in anderer Art und Weise geführt, obwohl er im ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss vom 19.08.2004 auf diese Problematik hingewiesen wurde. Schließlich hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass der Sozialhilfeträger die Kosten für eine medizinisch notwendige Zahnbehandlung nicht übernehmen wird. Auf die Leistungen des Sozialhilfeträgers muss sich der Kläger verweisen lassen. Zwar kann in besonderen Fallgestaltungen eine zu einem Steuererlass führende unbillige Härte zu bejahen sein, wenn der Steuerpflichtige ohne den Erlass seinen notwendigen Lebensunterhalt, zu dem auch Krankheitskosten gehören, vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestreiten kann und deshalb Sozialhilfe in Anspruch nehmen müsste (vgl. BFH-Urteil vom 29.04.1981 IV R 23/78, BStBl. II 1981, 726). Es kann dahinstehen, ob diese zu einem Gewinn aus einer Betriebsaufgabe ergangene Rechtsprechung auf den Erlass von Steuern aus laufender Geschäftstätigkeit überhaupt anwendbar ist. Denn durch diese Rechtsprechung soll verhindert werden, dass eine Person auf Grund notwendiger Aufwendungen zum Sozialhilfeempfänger wird. Im Streitfall bezieht der Kläger aber bereits seit 1991 Sozialleistungen in Form von Arbeitslosenhilfe. Durch den Erlass der Steuern wird eine Sozialhilfebedürftigkeit daher nicht vermieden.

d) Persönliche Billigkeitsgründe ergeben sich auch nicht aus der Behauptung des Klägers, er benötige das gepfändete Erbe um eine bescheidene Altersvorsorge aufzubauen. Nach höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung ist älteren, nicht mehr erwerbsfähigen Steuerpflichtigen wenigstens so viel von ihrem Vermögen belassen, dass sie damit für den Rest ihres Lebens eine bescheidene Lebensführung bestreiten können. In diesem Zusammenhang kann es als brauchbare Erwägung angesehen werden, einer solchen Person von ihrem Vermögen so viel zu belassen, dass sie in der Lage ist, eine Versicherung über sofort fällige Leibrentenbezüge gegen eine Einmalprämie abzuschließen, und zwar in einer Höhe, die ihr die Möglichkeit einer bescheidenen Lebensführung gestattet (BFH-Urteil vom 29.04.1981 IV R 23/78, BStBl. II 1981, 726).

Im Streitfall besitzt der Kläger kein Vermögen, das er zur Bildung einer bescheidenen Altersversorgung einsetzen könnte. Dem Zahlungsanspruch i.H.v. 4.027,88 EUR nebst Zinsen sind die nach seinen Angaben hohen sonstigen Schulden gegenzurechnen, weil das Vermögen einer Person nicht nur aus einem Aktivposten besteht, sondern aus der Saldierung aller positiven und negativen Vermögenswerte. Aber selbst wenn es sich bei der Forderung gegen den Bruder um den einzigen Vermögensgegenstand des Klägers handelte, wäre dieser Betrag nicht ausreichend, dem Kläger für den Rest seines Lebens eine bescheidene Lebensführung zu ermöglichen. Insbesondere hält der Senat es für ausgeschlossen, dass er mit diesem Betrag eine Versicherung über sofort fällige Leibrentenbezüge gegen Einmalprämie abschließen kann, die ihm ein Leben ohne Sozialhilfe ermöglichen.

e) Auch das Begehrens des Klägers, den Steuerschulden den ihm nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG zustehenden Freibetrag für die Abwicklung des Nachlasses seiner Großmutter "gegenzurechnen", rechtfertigt keinen Steuererlass. Der Freibetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG bewirkt lediglich, dass steuerpflichtige Erwerbe in Höhe von insgesamt 10.300,00 EUR nicht der Erbschaftssteuer unterworfen werden. Er stellt keinen Zahlungsanspruch gegenüber dem Fiskus dar, mit dem gegen Steuerforderungen aufgerechnet werden könnte. Wäre Letzteres der Fall, würden die Steuern überdies erlöschen, so dass ein Erlass nicht erforderlich wäre und aus diesem Grund nicht in Betracht käme.

f) Zu Recht hat der Beklagte auch den vollständigen Erlass der Säumniszuschläge abgelehnt. Bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung kann ein solcher gerechtfertigt sein, wenn die Voraussetzungen für einen Verzicht auf Festsetzung von Stundungszinsen aus Billigkeitsgründen erfüllt sind oder im Zeitpunkt der Fälligkeit ein Erlass der Hauptforderung gerechtfertigt gewesen wäre (BFH-Urteil vom 27.09.2001 X R 134/98, a.a.O.). Das ist - wie oben dargestellt - zu verneinen.

Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, bislang habe der Beklagte nur 24,57% statt 50% der verwirkten Säumniszuschläge erlassen, verhilft das seiner Klage ebenfalls nicht zum Erfolg. Der Beklagte hat die bis zur Antragstellung am 03.02.2003 entstandenen Säumniszuschläge zur Hälfte erlassen. Das ergibt sich aus der Einspruchsentscheidung vom ......2004 in der ausgeführt ist: "Deshalb sind Säumniszuschläge - wie im Streitfall geschehen - regelmäßig nur zur Hälfte zu erlassen, wenn sie ihren Zweck als Druckmittel verfehlen". Sofern der Beklagte die Höhe des hälftigen Erlasses im Ablehnungsbescheid vom 11.02.2003 falsch berechnet haben sollte und deshalb im Erhebungskonto zuviel Säumniszuschläge ausgewiesen sein sollten, rechtfertigt das nicht den erneuten Erlass dieser Säumniszuschläge, sondern nur die Berichtigung des Erhebungskontos.

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers führt der Umstand, dass die Einkommensteuer 1987 bereits vollständig getilgt ist, weder zum Erlöschen der für diese Steuerschuld entstandenen Säumniszuschläge noch zu einem Erlassanspruch wegen sachlicher Billigkeitsgründe, weil bereits entstandene Säumniszuschläge von etwaigen Steueränderungen oder Steuertilgungen unberührt bleiben (§ 240 Abs. 1 AO).

g) Der Beklagte hat bei seiner Ermessensentscheidung auch die persönlichen Belange des Klägers ausreichend gewürdigt. Als Billigkeitsgründe führte der Kläger im Wesentlichen seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an, mit denen sich der Beklagte sowohl im ablehnenden Verwaltungsakt vom 11.12.2003 als auch in der Einspruchsentscheidung vom 19.03.2003 auseinandergesetzt hat. In diesen Entscheidungen ist zutreffend ausgeführt, dass die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Klägers durch einen Steuererlass nicht verbessert wird. Ferner hat der Beklagt ausgeführt, dass es dem Kläger bei seinem Erlassbegehren erkennbar um die Freigabe des gepfändeten Erbes gehe. Durch die Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vom 19.03.2003, mit der die Einsprüche gegen die Pfändungsverfügungen vom 04.12.2002 und 10.12.2002 bestandskräftig als unbegründet zurückgewiesen wurden, hat er hinreichend deutlich und ermessensfehlerfrei zum Ausdruck gebracht, dass dieses Begehren keinen Steuererlass rechtfertigt. Damit hat der Beklagte in ausreichendem Maße die Interessen des Klägers an der Befreiung von seinen Steuerschulden gegen die Interessen der Allgemeinheit an einer gleichmäßigen Einziehung der Steuern abgewogen.

II.

1. Den Antrag auf Terminsverlegung vom 06.01.2005 hat der Senatsvorsitzende zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat den im Schriftsatz vom 06.01.2005 geltend gemachten Verhinderungsgrund trotz Aufforderung vom 10.01.2005 nicht glaubhaft gemacht. Hierzu wäre er bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Lage gewesen, weil das an ihn gerichtete Schreiben der Fachklinik für Psychogene Erkrankungen ......... vom 16.12.2004 datiert. Unerheblich ist der Vortrag des Klägers, die Aufforderung zur Glaubhaftmachung des Vorsitzenden vom 10.01.2005 sei erst am 17.01.2005 bei seinem Postbevollmächtigten eingegangen ist. Zum einen wäre am 17.01.2005 noch ausreichend Zeit gewesen, eine Kopie der Einweisung in die Rehabilitationseinrichtung als Glaubhaftmachung zu übersenden. Zum anderen hat der Kläger im Schriftsatz vom 06.01.2005 selbst mitgeteilt, dass Schriftverkehr nur an seine Postfachanschrift möglich sei. Wenn er trotz seines Terminsverlegungsantrages für die bevorstehende mündliche Verhandlung nicht dafür Sorge getragen hat, dass dieses Postfach zeitnah geleert wurde, kann er sich nicht auf die verspätete Kenntnisnahme der Aufforderung zur Glaubhaftmachung berufen. Das gilt auch für die Ablehnung der Terminsverlegung vom 18.01.2005, die den Postbevollmächtigten nach Angaben des Klägers erst am 22.01.2005 erreicht haben soll. Solange der Kläger keine Benachrichtigung über die Verlegung der mündlichen Verhandlung erhalten hat, musste er davon ausgehen, dass sein Antrag abschlägig beschieden und die mündliche Verhandlung stattfinden werde (Gräber/Koch, FGO 5. Auflage, § 91 Rz. 7 m.w.N.).

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wie mit Schriftsatz vom 24.01.2005 beantragt, kommt im Streitfall nicht in Betracht. Wiedereinsetzung ist nach § 56 Abs. 1 FGO bei schuldloser Versäumung einer gesetzlichen Frist zu gewähren, wozu die mündliche Verhandlung nicht gehört (vgl. Gräber/Koch, a.a.O. § 91a Rz. 16 m.w.N.). Auch eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 93 Abs. 3 S. 2 FGO ist nicht möglich, weil das Gericht das Urteil am 20.01.2005 verkündet hat und die Verhandlung nur bis zur Urteilsverkündung wiedereröffnet werden kann (ders., ebd. § 93 Rz. 8).

Das Verfahren kann schließlich auch nicht nach § 134 FGO wiederaufgenommen werden, weil das nur bei rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren möglich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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