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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 14.02.2008
Aktenzeichen: 3 K 3767/04
Rechtsgebiete: UStG, RL 77/388/EWG


Vorschriften:

UStG § 4
RL 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1c)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Umsätze des Klägers aus "Schönheitsoperationen" der Umsatzsteuer unterliegen, soweit es sich um medizinisch nicht indizierte Leistungen handelt.

I. Der Kläger ist Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie; er führte selbständig in einer eigenen Praxis in den Streitjahren 1998 bis 2002 chirurgische Eingriffe im Bereich des Gesichtes, der Brust, der Arme und Beine und des Bauchraumes durch.

Der Kläger unterwarf die von ihm erzielten Umsätze in den Streitjahren 1998 bis 2002 nicht der Umsatzsteuer.

II. Soweit ersichtlich, hatte in der Vergangenheit eine tatsächliche Übung der Finanzverwaltung bestanden, ärztliche Leistungen von "Schönheitschirurgen" gemäß § 4 Nr. 14 UStG nicht der Umsatzbesteuerung gemäß § 4 Nr. 14 UStG zu unterziehen.

Auch eine starke Literaturmeinung hatte eine "Tätigkeit als Arzt" bereits dann umsatzsteuerlich privilegieren wollen, wenn die Tätigkeit nur durch einen Arzt erfolgen konnte (vgl. Sauer in Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, 10. Aufl., Stand März 1999, Köln/Berlin/Bonn/ München, § 4 Nr. 14 Rz. 70).

Im Jahr 2000 hatte der Europäische Gerichtshof ( Urteil vom 14.09.2000 - C-384/98, UR 2000, 432) dagegen entschieden, dass medizinische Leistungen, die nicht in der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung bestehen, sondern auf der auf biologische Untersuchungen gestützten Feststellung einer anthropologisch-erbbiologischen Verwandtschaft, nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen.

Auch nach Ergehen dieser Entscheidung hatten die Finanzverwaltungen verschiedener Länder - allerdings nicht des Landes Nordrhein-Westfalen - entschieden, ärztliche Leistungen der Schönheitschirurgen seien weiterhin von der Umsatzsteuer befreit (vgl. z.B. OFD Karlsruhe v. 25.03.2002 - S 7170, UR 2002, 383; OFD Stuttgart v. 25.03.2002 - S 7170, UR 2002, 383).

Mit Urteil vom 12.11.2002 entschied das Finanzgericht Berlin (7 K 7264/02, DStRE 2003, 376; bestätigt durch BFH-Urteil vom 15.07.2004 - V R 27/03, BStBl II 2004, 862 - Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG-Beschluss vom 4.7.2006 - 1 BvR 2241/04) unter Verweis u.a. auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes Urteil vom 14.09.2000 (a.a.O.), dass medizinisch nicht indizierte Schönheitsoperationen der Umsatzsteuer unterliegen. Der Steuerpflichtige könne sich nicht auf die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG bzw. Art. 13 Teil A Abs. 1 c) der 6. Richtlinie 77/388/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuer - 6. RLEWG - berufen. In richtlinienkonformer Auslegung sei die Steuerbefreiung nach den vorbezeichneten Vorschriften beschränkt auf Leistungen, die der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen. Leistungen, die keinem solchen therapeutischen Ziel dienen, seien von der Umsatzsteuerbefreiung ausgeschlossen.

Im Weiteren war die Frage, ob die Tätigkeit eines ästhetisch-plastischen Chirurgen bei so genannten Schönheitsoperationen als ärztliche Heilbehandlung anzusehen ist und damit zur Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG führt, Gegenstand einer Erörterung zwischen den Vertretern der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder. Dabei wurde beschlossen, dass ästhetisch-plastische Leistungen eines Chirurgen (Schönheitsoperationen) grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig sind. Nach den Umständen des Einzelfalles sollten diese Leistungen umsatzsteuerbefreit sein, wenn eine medizinische Indikation vorliegt. Indiz für das Vorliegen einer medizinischen Indikation sollte die regelmäßige Kostenübernahme durch die Krankenkassen sein (vgl. OFD Nürnberg v. 07.04.2003 - S 7170 - 130/St 43, UR 2003, 555).

III. Im Jahr 2003 wurde bei dem Kläger eine Außenprüfung für die Streitjahre 1998 bis 2000 durchgeführt. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass die ästhetisch-plastischen Leistungen des Klägers größtenteils nicht der Behandlung von Krankheiten dienten und damit umsatzsteuerpflichtig seien. Seinen Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG sei der Kläger nicht nachgekommen. Die Höhe der umsatzsteuerpflichtigen Leistungen schätzte der Beklagte dergestalt, dass er die Privatliquidationen um die über die Dr. ... KG abgerechneten beihilfefähigen Leistungen kürzte und die Differenz zu 75 v.H. der Umsatzsteuer unterwarf.

Eine beim Kläger durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung für das Jahr 2001 und für das 1. bis 4. Quartal 2002 kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Leistungen des Klägers aus den gleichen Gründen wie in den Vorjahren zum Teil der Umsatzsteuer unterlagen.

Wegen der Einzelheiten der Berechnungen wird auf die Betriebsprüfungsberichte vom 24.09.2003 und vom 07.11.2003 verwiesen.

Wegen der angenommenen Umsatzsteuerpflicht des Klägers erließ der Beklagte am ...2003 geänderte Gewinnfeststellungsbescheide für die Jahre 1998 bis 2000. Dabei berücksichtigte er, dass die nach seiner Auffassung nunmehr abziehbare Vorsteuer keine Betriebsausgabe bzw. Anschaffungsaufwand mehr darstellen sollte; die bisher gewährten Absetzungen für Abnutzung minderte der Beklagte entsprechend, wodurch sich eine korrespondierende Erhöhung des festgestellten Gewinns ergab.

Mit Bescheiden vom ...2003 wurde der Kläger erstmalig zur Umsatzsteuer veranlagt; die Umsatzsteuer wurde auf ...,00 DM für 1998, auf ...,00 DM für 1999 und auf ...,00 DM für 2000 festgesetzt.

Mit Bescheiden vom ...2004 wurde die Umsatzsteuer auf ...,00 DM für 2001 und auf ...,04 € für 2002 festgesetzt.

Gegen die Umsatzsteuerbescheide 1998 bis 2002 und die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide 1998 bis 2000 legte der Kläger Einsprüche ein, die er im Wesentlichen mit der Rechtsauffassung begründete, die von ihm in den Streitjahren ausgeführten Umsätze - auch, soweit sie nicht medizinisch indiziert seien - unterfielen nicht der Umsatzsteuerpflicht.

Mit Einspruchsentscheidung vom ...2004 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und verwies auf die rechtliche Beurteilung im Rahmen der Prüfungen.

IV. Gegen die bezeichneten Gewinnfeststellungsbescheide, die Umsatzsteuerbescheide und die Einspruchsentscheidung hat der Kläger am ...2004 die vorliegende Klage erhoben. Der Kläger begehrt die Aufhebung der im Hinblick auf eine angenommene Umsatzsteuerpflicht vom Beklagten vorgenommenen Steuerfestsetzungen. Der Kläger meint weiterhin, alle von ihm durchgeführten Behandlungen unterfielen dem Begriff der "Tätigkeit als Arzt" nach § 4 Nr. 14 UStG.

1. Der Kläger betont zunächst, dass die Annahme des Beklagten, ästhetisch-plastische Leistungen eines Chirurgen dienten stets nur dem Wohlbefinden oder der Schönheit, und damit in keinem Fall der Behandlung von Krankheiten, unzutreffend sei. So könnten Nasenkorrekturen Belüftungsstörungen beseitigen, Fettabsaugungen von Hautreizungen befreien und Brustverkleinerungen Rückenschmerzen der Patientinnen vermindern. Unstreitig sei in diesen Fällen die Befreiung von der Umsatzsteuer zu gewähren.

Das Tatbestandsmerkmal in § 4 Nr. 14 UStG "Tätigkeit als Arzt" möchte der Kläger jedoch auf alle Behandlungen angewandt sehen, die ausschließlich in der Befugnis eines approbierten Arztes liegen.

a) Die Notwendigkeit einer solchen Auslegung folgt nach Dafürhalten des Klägers zunächst aus der Anwendung des maßgeblichen nationalen Rechtes.

Wer den ärztlichen Beruf ausüben wolle, bedürfe nach § 2 Abs. 1 Bundsärzteordnung der Approbation als Arzt. Nach der Regelung in § 2 Abs. 5 Bundesärzteordnung sei die Ausübung des ärztlichen Berufs die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin". Die Heilkunde definiere § 1 Abs. 2 Heilpraktikergesetz als jede berufsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen. Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Definitionen gehe der Bundesgerichtshof nach der sog. "Eindruckstheorie" sogar soweit, für die "Ausübung der Heilkunde" lediglich darauf abzustellen, ob der Behandelte den "Eindruck" haben dürfe, dass die fragliche Tätigkeit darauf abziele, ihn zu heilen.

Daher seien auch Behandlungen, die nicht der Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten dienten, ärztliche Heilbehandlungen. Ausschlaggebend für den vorliegenden Fall sei, dass damit ästhetisch-plastische Leistungen dem Oberbegriff der ärztlichen Heilbehandlung unterfielen, da sie als ärztliches Tun erlaubnispflichtig seien und der Ausführende einer Approbation bedürfe.

Der Bundesfinanzhof - so der Kläger - differenziere in seinem Urteil vom 15.07.2004 (a.a.O.) nicht zwischen der Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten und der Ausübung der Heilkunde. Das insoweit nicht erschöpfende Urteil kläre nicht, wann eine Gesundheitsstörung als Vorstufe zu einer Krankheit vorliege.

b) Demgegenüber sei der - seitens des Bundesfinanzhofes herangezogene - Begriff der medizinischen Indikation als Maßstab für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG auch aus tatsächlichen Erwägungen ungeeignet.

Angesichts der psychosomatischen Dimension von körperlichen Auffälligkeiten sei eine Abgrenzung in der durch den Bundesfinanzhof intendierten Art nicht möglich.

Schon Maßnahmen wie zum Beispiel Injektionen, die dem Patienten nur nach seinem subjektiven Empfinden "gut täten", seien möglicherweise medizinisch nicht indiziert, aber dennoch Heilbehandlungen. Ebenfalls eine Faltenkorrektur könne als "Rücknahme von Alterung" dem Begriff der Heilbehandlung unterfallen.

Auch aus der Weiterbildungsordnung für plastische Chirurgen ergebe sich, dass es bei der ärztlichen Behandlung nicht nur um die Erkennung, Heilung und Linderung von Krankheiten, sondern auch um die Verbesserung der Körperform zum Beispiel nach Verletzungen, erworbenen Defekten, altersregressiven Veränderungen, Fehlbildungen und Brandverletzungen gehe. Ebenso sei ein weiterer Schwerpunkt die - bereits angesprochene - Linderung psychischer Leiden.

Im übrigen würde eine Nachweisobliegenheit des Arztes über die konkrete Diagnose und Behandlung mit der ärztlichen Schweigepflicht kollidieren.

Abschließend sei zu fragen, ob denn Umsatzsteuer seitens des Arztes nachzuzahlen sei, wenn der Patient den Arzt mit behaupteten Symptomen einer Krankheit aufsuche, der Patient sich aber während der Untersuchung als gesund erweise.

c) Völlig ungeeignet als Abgrenzungskriterium sei die - von der Finanzverwaltung herangezogene - "regelmäßige Kostenübernahme durch die Krankenkassen".

Für gesetzlich versicherte Patienten beurteile sich damit die medizinische Indikation an der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistung. Die Krankenkassen handelten - so der Kläger sinngemäß - letztlich nach "Kassenlage".

2. Im Hinblick auf eine restriktive Interpretation des Tatbestandsmerkmales "Tätigkeit als Arzt" nach § 4 Nr. 14 UStG vor dem Hintergrund des Art. 13 A Abs. 1 c) der 6. RLEWG meint der Kläger zunächst, eine solche Auslegung dürfe vom Grunde her nicht erfolgen: Unter Bezugnahme auf eine Literaturmeinung (vgl. Demme, ArztR 2004, 275) argumentiert der Kläger, der Beklagte sei nicht berechtigt, den Tätigkeiten der ästhetisch-plastischen Chirurgen die Umsatzsteuerbefreiung zu versagen. Für eine Anpassung des nationalen Rechtes an die zitierten Richtlinien der Europäischen Union sei ein Tätigwerden des Gesetzgebers notwendig; ein solches könne gerade nicht im Wege der richtlinienkonformen Auslegung durch die Finanzverwaltung erfolgen. Insbesondere könne die Finanzverwaltung nicht unter dem Vorwand der richtlinienkonformen Auslegung als Steuergesetzgeber tätig werden. Sie überschreite damit ihre Kompetenzen und verletze Art. 20 Abs. 3 GG.

Nehme man aber eine Entscheidungserheblichkeit der zitierten Richtlinien der Europäischen Union an, so sei eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen, da das Gericht bisher nur über die Umsatzsteuerpflicht bei Sachverständigen, die nicht dem Patienten als Subjekt dienten, entschieden habe. Bei der Anwendung der Richtlinien sei zu berücksichtigen, dass im Falle der Umsatzsteuerpflicht deutscher Ärzte eine unzulässige Inländerdiskriminierung vorliege, da in keinem anderen Land der Europäischen Union Umsatzsteuer auf ästhetisch-plastische Operationen erhoben werde.

3. Schließlich liege ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor, da durch nachhaltige Übung der Finanzverwaltung eine Selbstbindung der Verwaltung eingetreten sei und es daher nicht möglich sein dürfe, Umsatzsteuer für Zeiträume vor Bekanntgabe der geänderten rechtlichen Behandlung zu erheben.

Der Umsatzsteuerbescheid für 2001 ist im Klageverfahren auf eine Deklaration des Klägers vom ...2006 hin durch Bescheid vom ...2007 geändert worden; der Änderungsbescheid ist gemäß § 68 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO - zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide für 1998, 1999 und 2000 vom ...2003 sowie für 2001 vom ...2007 und für 2002 vom ...2004 und die geänderten Feststellungsbescheide für 1998, 1999 und 2000 vom ...2003 sowie die Einspruchsentscheidung vom ...2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, aus dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 15.07.2004 (a.a.O.) ergebe sich, dass eine generelle Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG für ästhetisch-plastische Leistungen eines Chirurgen nicht in Betracht komme. Nach den Umständen des Einzelfalls müsse entschieden werden, ob der jeweiligen Leistung ein therapeutisches Ziel zugrund liege. Steuerfreie Umsätze seien möglich, soweit sie zum Beispiel der Beseitigung von Unfallfolgen oder nachgewiesener psychischer Krankheiten dienten. Dies müsse der Kläger nachweisen und nach § 22 UStG entsprechend seine Umsätze aufzeichnen.

Ärztliche Leistungen seien auch nach den Vorgaben des Rechts der Europäischen Union keinesfalls ohne Rücksicht auf ihre medizinische Indikation umsatzsteuerfrei.

Im Rahmen eines Erörterungstermins am 08.03.2006 im Klageverfahren haben die Beteiligten zur Höhe der medizinisch indizierten Leistungen eine tatsächliche Verständigung dergestalt getroffen, dass entsprechend der Vorgehensweise in der Betriebsprüfung 25 v.H. der pauschal abgerechneten Erlöse (Erlöse Privatpatienten abzüglich Abrechnungen Dr. ... KG) medizinisch indizierte Behandlungen zugrunde liegen. Insoweit ergeben sich hinsichtlich der Berechnung der - nach Auffassung des Beklagten - umsatzsteuerpflichtigen Leistungen keine Abweichungen gegenüber dem Ergebnis der Betriebsprüfung und dem Einspruchsverfahren. Auf die entsprechende Niederschrift in den Gerichtsakten (Bl. 146 ff.) wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind rechtmäßig. Eine Aufhebung der Maßnahmen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO bzw. eine Änderung gemäß § 100 Abs. 2 FGO kommt deshalb nicht in Betracht.

Angesichts der zwischen den Beteiligten getroffenen tatsächlichen Verständigung beschränkt sich der Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites auf die Frage, ob auch die bislang als umsatzsteuerpflichtig behandelten, medizinisch nicht indizierten Leistungen des Klägers der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind.

Der erkennende Senat bejaht diese Frage.

Dieses Ergebnis folgt aus einer - europarechtlich - richtlinienkonformen Auslegung des einschlägigen § 4 Nr. 14 UStG (nachfolgend 1.). Diese Auslegung steht nicht im Widerspruch zur Verfassung (nachfolgend 2.) oder zu sonstigem innerstaatlichen Recht (nachfolgend 3.).

1. Die Vorschrift in § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG in der für die Streitjahre gültigen Fassung lautet auszugsweise:

§ 4 Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen

Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

...

14.

die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker. ...

Nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung (BFH-Urteil vom 15.07.2004 - V R 27/03, BStBl II 2004, 862) und jener des Europäischen Gerichtshofs ( EuGH-Urteil vom 14.09.2000 - Rs. C-384/98, UR 2000, 432), welcher sich der erkennende Senat jeweils anschließt, unterfallen die noch streitig gebliebenen Tätigkeiten des Klägers nicht dieser Befreiungsvorschrift.

Richtiger Ansicht nach ist die nationale Vorschrift der Auslegung zu unterwerfen (nachfolgend a)); die Vorschrift des § 4 Nr. 14 UStG ist danach restriktiv dahin auszulegen, dass nur Tätigkeiten zur Diagnose, Behandlung und - soweit wie möglich - Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen steuerfrei sind (nachfolgend b)). Dieser Art von Tätigkeit unterfallen die noch streitigen Leistungen des Klägers nicht (nachfolgend c)).

a) Die Vorschrift des § 4 Nr. 14 UStG ist auslegungsfähig und -bedürftig.

(1) Bereits zu § 4 Nr. 14 UStG 1967, auf den der Wortlaut des § 4 Nr. 14 UStG 1993 zurückgeht, hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass nicht alle durch einen Arzt ausgeführten Umsätze steuerfrei sind, sondern nur diejenigen, die er in Ausübung seiner heilkundlichen Tätigkeit bewirkt (BFH-Urteil vom 26.05.1977 V R 95/76, BStBl II 1977, 879). Wie weit die heilkundliche Tätigkeit geht, war seit jeher umstritten. Unstreitig war z.B., dass die Gutachtertätigkeit eines Arztes zur Erhaltung und Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit eine nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreie "Tätigkeit als Arzt" ist; streitig war hingegen bereits bei Einführung des § 4 Nr. 14 UStG 1967, ob hierunter auch die Gutachtertätigkeit des Arztes in Wahrnehmung anderer als gesundheitlicher Zwecke gehört (vgl. Salch, UR 1968, 298).

Auch die tatsächliche Besteuerungspraxis hat - wie eingangs dargestellt - in der Vergangenheit gewechselt.

(2) Die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts, durch das Richtlinien der EG umgesetzt worden sind, ergibt sich - entgegen der Vorstellung des Klägers - daraus, dass der nationale Gesetzgeber mit dem Erlass der nationalen Normen die Vorgaben der Richtlinie umsetzen wollte; sie folgt aber auch aus der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung der Gerichte und der sonstigen Träger öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle zur Erreichung des durch eine Richtlinie vorgeschriebenen Zieles erforderlichen Maßnahmen zu treffen (ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. z.B. Urteil vom 18.12.1997 Rs. C-129/96, Inter-Environnement Wallonie, Slg. 1997, I-7411 Randnr. 40).

b) Als Auslegungsergebnis ist festzustellen, dass es für eine umsatzsteuerliche Privilegierung entgegen der Ansicht des Klägers nicht ausreicht, dass Operationen nur von einem Arzt ausgeführt werden dürfen; vielmehr müssen sie der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung und damit dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen; nur dann liegt eine ärztliche Ausübung der Heilkunde vor.

Die Vorschrift des § 4 Nr. 14 UStG beruht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 c) der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG - Richtlinie 77/388/EWG / 6. RLEWG - (so auch die Regierungsbegründung zu § 4 Nr. 14 UStG 1980). Die Richtlinie lautete:

Art. 13 Steuerbefreiungen im Inland

A. Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten

(1) Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

...

c) die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden; ...

Die 6. RLEWG ist heute abgelöst worden durch die Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem - Mehrwertsteuersystemrichtlinie - vom 28.11.2006 (ABl. Nummer L 347 2006, S. 1); die für den Streitfall einschlägige Vorschrift hat jedoch keine sachliche Änderung erfahren:

Art. 132

(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

...

c) Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden;

Diese Bestimmungen sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, welcher der erkennende Senat folgt, dahin auszulegen, dass medizinische Leistungen, die nicht in der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung bestehen, nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen. Befreit sind nur diejenigen Leistungen, deren Zweck der Schutz der menschlichen Gesundheit ist; die befreiten Leistungen müssen der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung dienen ( EuGH vom 14.09.2000 - C-384/98 a.a.O.; vom 06.11.2003 Rs. C-45/01, Christoph-Dornier-Stiftung für Klinische Psychologie, UR 2003, 584 ; vom 20.11.2003 Rs. C-212/01, Margarete Unterpertinger, UR 2004, 70; vom 20.11.2003 Rs. C-307/01, Peter d'Ambrumenil, UR 2004, 7).

Dieses Auslegungsergebnis folgt zunächst bereits aus dem Wortlaut der Richtlinien.

Das Ergebnis wird aber auch dem Zweck der Steuerbefreiung gerecht; dieser besteht darin, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken und den Einzelnen den Zugang zu diesen Leistungen zu erleichtern. Wird eine ärztliche Leistung daher in einem Zusammenhang erbracht, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit ist, so finden die Steuerbefreiungsregelungen auf diese Leistung keine Anwendung.

Die Ansicht, dass "ärztliche" Leistungen der plastischen Chirurgen ohne Rücksicht auf ihre medizinische Indikation steuerfrei sind, ist demnach mit einer richtlinienkonformen Auslegung nicht zu vereinbaren.

c) Die noch streitigen Leistungen des Klägers sind keine Tätigkeiten zur Diagnose, Behandlung und - soweit wie möglich - Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen.

Der Senat legt in diesem Zusammenhang die zwischen den Beteiligten getroffene tatsächliche Verständigung dergestalt aus, dass mit den steuerfrei belassenen Leistungen alle Behandlungen abgegolten wurden, die der Beseitigung von physiologischen und auch psychologischen Störungen bei den Patientinnen und Patienten dienten.

Nach dem gewonnenen Auslegungsergebnis sieht der Senat keine Möglichkeit, den Begriff der "Tätigkeit als Arzt" nach § 4 Nr. 14 UStG erweiternd beispielsweise auch auf die "Rücknahme von Alterung", die Verbesserung der Körperform an sich oder auf sonstige Behandlungen anzuwenden, die dem Patienten schlicht "gut tun". Mit der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (vgl. nun auch BFH vom 28.09.2007 - V B 7/06, BFH/NV 2008, 122) geht der Senat davon aus, dass es für die Umsatzsteuerfreiheit nicht ausreicht, wenn ärztliche Behandlungen zu anderen Zwecken wie insbesondere einer reinen Schönheitsoperation oder aus kosmetischen Gründen oder aus Gründen des Wohlbefindens durchgeführt werden. Vielmehr muss die Maßnahme der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung und damit dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen. Ihre innere Rechtfertigung findet diese Feststellung in einer Konkordanz zwischen Behandlung und Steuerfreiheit: Nur die Schwere und Unfreiwilligkeit einer medizinisch indizierten Behandlung rechtfertigt die Freistellung von der Steuer, nicht die - wie möglicherweise aufgrund des schlichten Wortlauts des § 4 Nr. 14 UStG zu vermuten - bloße Ausführung einer dem Arzt vorbehaltenen Tätigkeit.

2. Die vorgenommene Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG verstößt nicht gegen das allgemeine Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG.

a) Das Gleichheitsgebot ist auf den vorliegenden Fall anwendbar, da die vom Kläger vorgebrachte "Inländerdiskriminierung" unter diesen Tatbestand zu subsumieren ist (vgl. BFH-Beschluss vom 22.07.2003 - XI R 5/02, BStBl II 2003, 851).

Denn die Inländerdiskriminierung fällt nicht in den Anwendungsbereich des primären EG-Rechts in Gestalt des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (vom 24. März 1957, u.a. geändert durch Beitrittsakte 2003 vom 16.04.2003, ABl. L 236 2003, S. 33 - EGV -; vgl. hierzu auch Schilling, JZ 1994, 8, 9). Der EGV statuiert das Gebot der Gleichbehandlung von Inländern und Ausländern. Die Diskriminierungsverbote und Grundfreiheiten beziehen sich auf Maßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten; sie erfassen nur grenzüberschreitende Sachverhalte. Aus diesem Grund wird die sog. reine Inländerdiskriminierung vom Regelungsgehalt des EGV nicht erfasst (vgl. Birk, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 2 AO Rz. 181).

Grundsätzlich ist die Möglichkeit der Schlechterstellung eigener Staatsangehöriger damit europarechtlich nicht ausgeschlossen. Die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns ist in diesem Fall aber am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG zu messen (vgl. hierzu BVerfG Beschluss vom 08.11.1989 - 1 BvR 986/89, NJW 1990, 1033).

b) Die Besteuerung von medizinisch nicht indizierten Leistungen, die durch Ärzte erbracht werden, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Denn die Tatsache, dass Schönheitsoperationen, die durch ausländische Ärzte vorgenommen werden, möglicherweise nicht der Umsatzsteuer unterworfen werden, stellt - unbeschadet der weiteren Voraussetzungen gleichheitswidrigen Verhaltens - im Hinblick auf die Besteuerung des Klägers jedenfalls keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar.

Nach den getroffenen Feststellungen stellt sich nicht die Besteuerung, sondern die Nichtbesteuerung der bezeichneten Leistungen als rechtswidrig dar. Aufgrund des Faktums, dass die Erkenntnis über die Umsatzsteuerpflicht im wesentlichen auf einer Anwendung von Richtlinien der Europäischen Union und der korrespondierenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs basiert und der EGV für den Bereich der Umsatzsteuer in Art. 93 ausdrücklich eine Harmonisierung innerhalb der EG vorsieht, muss eine abweichende Besteuerungspraxis in anderen Mitgliedstaaten der EU als rechtswidrig angesehen werden.

Damit steht einer Steuerbefreiung des Klägers der Grundsatz "Keine Gleichheit im Unrecht" entgegen: Der Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG vermittelt nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung, welcher der Senat wiederum folgt - keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis und damit auf "Gleichheit im Unrecht" (dazu z.B. BFH-Entscheidungen vom 13.02.2007 - II B 32/06, BFH/NV 2007, 966; vom 11.01. 2006 II R 12/04, BStBl II 2006, 615, m.w.N.; vom 18.07.2002 V B 112/01, BFHE 199, 77, BStBl II 2003, 675 und - speziell für den vorliegenden Fall der Nichtbesteuerung von Schönheitsoperationen - BFH-Beschluss vom 26.09.2007 - V B 8/06, BFH/NV 2008, 320).

3. Die vorgenommene Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG verstößt auch nicht gegen sonstige Wertungen im innerstaatlichen Recht.

a) Dies gilt zunächst hinsichtlich des vom Kläger zitierten einfachgesetzlichen Arztrechts.

(1) Die Vorschrift in § 2 der Bundesärzteordnung - BÄO - (Neugefasst durch Bek. v. 16. 4.1987 BGBl. I S. 1218) lautet auszugsweise:

§ 2

...

(5) Ausübung des ärztlichen Berufs ist die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin".

Die Vorschrift in § 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung / Heilpraktikergesetzes (v. 17.02.1939, RGBl I 1939, 251, u.a. geändert durch Art. 15 G v. 23.10.2001, BGBl. I S. 2702) lautet auszugsweise:

§ 1

...

(2) Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird.

Diese Vorschriften - und die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung - stellen jedoch entgegen der Meinung des Klägers das gefundene Auslegungsergebnis zu § 4 Nr. 14 UStG nicht in Frage.

(2) Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass der Begriff der "Ausübung der Heilkunde" in den bezeichneten Vorschriften durch die zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Rechtsprechung mitunter recht weit ausgelegt wird.

Hierzu wird u.a. ausgeführt, dass der Begriff Tätigkeiten umfasst, die nach allgemeiner Auffassung besondere ärztliche Fachkenntnisse voraussetzen (vgl. BGH-Urteil vom 29.06.1987 - II ZR 5/87, NJW 1987, 2928; BGH-Urteil vom 06.11.1981 - I ZR 158/79, NJW 1982, 1331; BVerwG-Urteil vom 14.10.1958 - I C 25/56, NJW 1959, 833). Derartige Fachkenntnisse können sowohl im Hinblick auf das mit der Tätigkeit verfolgte Ziel (Feststellung, Heilung oder Linderung einer Krankheit, eines Leidens oder Körperschadens) als auch durch die mit dem Eingriff verbundenen gesundheitlichen Gefahren erforderlich sein, insbesondere auch bei operativen Eingriffen zu kosmetischen Zwecken (vgl. BVerwG-Urteil vom 14. Oktober 1958 a.a.O.).

Unter einer "Ausübung der Heilkunde" im Sinn des § 1 Abs. 2 Heilpraktikergesetz kann sogar jedes Tun zu verstehen sein, das bei dem Behandelten den "Eindruck" erweckt, es ziele darauf ab, sie zu heilen oder ihnen Erleichterung zu verschaffen (vgl. BGH-Urteil vom 13. September 1977 - 1 StR 389/77 -, NJW 1978, 599 - "Eindruckstheorie").

(3) Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich aus den zitierten Vorschriften und der hierzu ergangenen Rechtsprechung jedoch keine andere Entscheidung des vorliegenden Streitfalles ableiten.

Das Ergebnis im vorliegenden Klageverfahren ist aus einer Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG gewonnen. Diese Vorschrift ist - wie jede Norm - maßgeblich anhand des durch den Gesetzgeber verfolgten Zweckes auszulegen. Dies bedeutet, dass die Interpretation von Tatbestandsmerkmalen nur dann "gesetzesübergreifend" vorgenommen werden darf, wenn festgestellt werden kann, dass der Gesetzgeber mit den fraglichen unterschiedlichen Gesetzen einen vergleichbaren Zweck verfolgt hat.

Dies ist im Verhältnis "Umsatzsteuergesetz / Richtlinien zum Heilpraktikergesetz" jedoch keineswegs der Fall.

Während das Umsatzsteuerrecht durch die Steuerbefreiung letztlich sozialnützliche Leistungen i.w.S. subventioniert, dient das Heilpraktikergesetz im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Ordnungsrechts der Gefahrenabwehr. Zu dieser Gefahrenabwehr gehört insbesondere die Verhinderung von gegenwärtigen oder zukünftigen Gesetzesverstößen. Das Gesetz will verhindern, dass es durch die Tätigkeit von Laien zu einer Gefahr für Leib und Leben der Patienten kommt; deshalb ist die Ausübung der Heilkunde ohne entsprechende Erlaubnis sogar strafbar (vgl. § 5 Heilpraktikergesetz). Dieser Gesetzeszweck erfordert eine wesentlich weitere Auslegung des Begriffs der Heilkunde.

Lediglich aus diesem Grund, der sich nicht auf das Steuerrecht übertragen lässt, ist sogar das bloße Handauflegen oder kurze Bestreichen einer als krank oder schmerzend bezeichneten Körperstelle "Ausübung der Heilkunde" im Sinne des Heilpraktikergesetzes, wenn sie bei dem Behandelten den Eindruck erweckt, dass seine Heilung bewirkt werde (BGH-Urteil vom 13.09.1977 a.a.O.).

b) Auch sonstige einfachgesetzliche Vorschriften können das Begehren des Klägers nicht rechtfertigen.

Auf das von der Finanzverwaltung herangezogene - und in der Tat zweifelhafte - Abgrenzungskriterium einer Übernahme von Behandlungskosten durch die gesetzlichen Krankenkassen oder sonstige Träger von Sozialleistungen stellt der erkennende Senat seine Entscheidung nicht ab.

Der für eine Inanspruchnahme der Steuerbefreiung notwendige Behandlungsnachweis verstößt nicht gegen die ärztliche Schweigepflicht: Der Senat vermag nicht die Gefahr zu sehen, dass bei Vorlage entsprechender Unterlagen geheimhaltungsbedürftige Daten offen gelegt würden. Denn es ist dem betroffenen Arzt unbenommen, durch organisatorische Maßnahmen an den vorzulegenden Unterlagen sicherzustellen, dass beispielsweise die Identität des Patienten nicht offenbar wird. Davon, dass dies ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist, geht auch die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung aus (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11.12.1957 - II 100/53 U, BStBl II 1958, 86 betreffend Einsichtnahme in die Patientenkartei eines Arztes sowie vom 21.04.1995 - VIII B 133/94, BFH/NV 1995, 954 betreffend die Vorlage von Schriftstücken durch einen Rechtsanwalt).

Letztlich bedarf es keiner weiteren Erörterung, dass für die Frage der Umsatzsteuerpflicht selbstverständlich nicht der Gesundheitszustand des Patienten, sondern dessen Behandlungsanliegen maßgeblich ist.

4. Das Verhalten des Beklagten ist auch nicht im Hinblick auf eine jahrelange entgegenstehende Besteuerungspraxis treuwidrig. Denn weder hat sich der Beklagte zu einem früheren Verhalten in Widerspruch gesetzt, noch liegt ein sonstiger Fall der Selbstbindung vor.

Zwar gebietet der Grundsatz von Treu und Glauben, dass im Rechtsverkehr jeder auf die Belange des anderen Teils angemessen Rücksicht nimmt und sich nicht in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten setzt (Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rn. 139 m.w.N.). Ein Vertrauenstatbestand kann jedoch nur bei einem bestimmten Verhalten entstehen, das bei objektiver Beurteilung erwarten lässt, dass der andere Teil auch künftig an seinem Verhalten festhalten werde (vgl. BFH-Urteil v. 15.12.1999 - XI R 11/99, BFH/NV 2000, 708). Insoweit ist allerdings auch der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung von Bedeutung: Aus einem Steuerbescheid können regelmäßig keine Schlüsse für die Zukunft gezogen werden, da dieser sich nur auf einen Besteuerungsabschnitt in der Vergangenheit bezieht. Bei jeder Veranlagung hat die Behörde den entsprechenden Sachverhalt erneut festzustellen; sie ist an ihre Sachbehandlung in früheren Veranlagungszeiträumen nicht gebunden. Deshalb durfte der Kläger nicht auf eine Beibehaltung der vom Beklagten in der Vergangenheit geübten - rechtswidrigen - Praxis vertrauen.

Eine verbindliche Zusage bzw. eine Verwaltungsanweisung, welche den Beklagten binden könnte, ist nicht ersichtlich.

II. Aus Vorstehendem ergibt sich, dass der Streitfall entscheidungsreif war.

1. Der erkennende Senat konnte über die entscheidungserheblichen Fragen selbst entscheiden und musste das Verfahren nicht gemäß Art. 234 EGV dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorlegen. Zwar ist grundsätzlich nur der Europäische Gerichtshof zur Auslegung des primären Gemeinschaftsrechts - wie die letztlich streitentscheidende 6. RLEWG bzw. die Mehrwertsteuersystemrichtlinie - berufen. Die hieraus resultierende Vorlagepflicht entfällt jedoch bei einem Gericht, dessen Entscheidungen mit einem Rechtsmittel des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, oder wenn feststeht, dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. EuGH-Urteil vom 15. September 2005, Rs C-495/03, HFR 2005, 1236).

2. Beide Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

Die Möglichkeit, die Entscheidung des erkennenden Senates mit Rechtsmitteln anzufechten, bedarf im Hinblick auf die Regelungen in §§ 115 ff. FGO keiner weiteren Erläuterung.

Im übrigen ist das Nichtvorliegen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht offenkundig; der Senat konnte seine Entscheidung auf die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stützen. Demgegenüber kann nicht argumentiert werden, der Europäische Gerichtshof habe über den Fall eines Schönheitschirurgen noch nicht entschieden. Denn der Europäische Gerichtshof hat eindeutig (vgl. EuGH vom 14.09.2000 a.a.O.) auf Tätigkeiten abgestellt, die "nicht in der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung bestehen". Diesem Tatbestand unterfällt die Tätigkeit des Klägers.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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