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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 04.03.2009
Aktenzeichen: 3 K 3980/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der abzugsfähigen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer der Klägerin.

Die Klägerin ist Dipl.-Sozialpädagogin und war in den Streitjahren als Berufsbetreuerin tätig. Sie betreute in den Streitjahren aufgrund entsprechende Beschlüsse der Vormundschaftsgerichte durchschnittlich etwa 40 Personen; für einen Teil der Klienten hatte die Klägerin nur finanzielle Belange zu besorgen. Die Betreuung nahm die Klägerin durchgehend selbst vor; sie beschäftigte kein Personal.

Die Klägerin erledigte einen Teil ihrer Tätigkeit in einem in ihrer Wohnung befindlichen Arbeitszimmer. Dabei handelte es sich insbesondere um Schriftverkehr und Telefonate mit Ämtern, Banken, Krankenkassen und Ärzten. Ferner erfolgte von dort - in der Regel einmal jährlich - die Rechnungslegung. In Einzelfällen suchten die betreuten Personen die Klägerin in ihrem Arbeitszimmer auf.

Den anderen Teil ihrer Tätigkeit übte die Klägerin außerhalb des Arbeitzimmers aus. So wurden u.a. Behördengänge, Bank- und Arztbesuche - sowohl in Begleitung der betreuten Personen als auch ohne diese - durchgeführt. Ferner besuchte die Klägerin die von ihr betreuten Personen in deren Wohnungen, bzw. in den Einrichtungen (Seniorenzentren, Wohngruppen, etc.), in welchen diese lebten. Sie führte dort, sowohl mit den Betreuten selbst, als auch mit den Leitern und Mitarbeitern der Einrichtungen, Gespräche.

Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Sie machte Aufwendungen für ihr häusliches Arbeitszimmer i.H.v. .....,04 DM (1999), .....,11 DM (2000), .....,81 DM (2001) und .....,40 €; (2002) als Betriebsausgaben geltend.

Für das Jahr 1999 wurde die Einkommensteuer, der Höhe nach erklärungsgemäß, mit Bescheid vom ......2000 festgesetzt. Dabei nahm der Beklagte an, die Klägerin erziele nicht, wie erklärt, Einkünfte aus selbständiger Arbeit, sondern aus Gewerbebetrieb. Die Klägerin legte am .....2000 Einspruch gegen den Bescheid ein.

Für den Zeitraum 1999 bis 2001 wurde im Jahr 2003 eine Außenprüfung durchgeführt. Der Prüfer gelangte aufgrund mindestens einer Abrechnung der Klägerin für das Jahr 2002 zu der Auffassung, der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit der Klägerin befinde sich nicht im häuslichen Arbeitszimmer. Der Abzug der Aufwendungen sei auf 2.400,- DM zu begrenzen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bericht vom ..... 2003 verwiesen.

Der Beklagte folgte der Auffassung des Prüfers und erließ am .....2003 für die Jahre 2000 und 2001 und am .....2003 für 1999 jeweils auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) gestützte Änderungsbescheide. Für das Jahr 2002 berücksichtigte er bereits im Veranlagungsverfahren nur 1.250 €; als Betriebsausgaben und setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom .....2004 entsprechend fest.

Die fristgerecht eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom .....2005 als unbegründet zurück. Er führte aus, der Grundsatz der Betreuung erfordere eine persönliche Beziehung zwischen der Betreuerin und der betreuten Person. Der Schwerpunkt der Tätigkeit bestehe in der Aufrechterhaltung des persönlichen Kontakts; dies könne nur außerhalb des Arbeitzimmers erreicht werden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom ....2005 verwiesen.

Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben.

Sie trägt vor, das Berufsbild der Berufsbetreuer habe sich im Vergleich zu dem vorhergehenden gesetzlichen Modell der Vormundschaft erheblich geändert. So betreue sie etwa 50 Personen; früher habe eine Vormund etwa 300 Personen betreut. Sie verbringe ca. 2/3 ihrer Arbeitszeit im häuslichen Arbeitszimmer. Auch der qualitative Schwerpunkt ihrer Tätigkeit befinde sich dort, denn dieser bestehe in der rechtlichen Vertretung und der Durchsetzung der Ansprüche der betreuten Personen gegenüber Behörden und sonstigen dritten Personen. Zu vielen betreuten Personen- insbesondere zu demenzkranken Betreuten- sei die Aufrechterhaltung eines persönlichen Kontakts im engeren Sinne gar nicht möglich. Ferner habe der Beklagte die Festsetzungen hinsichtlich der Jahre 1999 bis 2001 nicht mehr ändern dürfen. Die Voraussetzungen des § 173 AO seien nicht erfüllt, da die Prüferin aus einer Abrechnung für das Jahr 2002 Schlüsse hinsichtlich sämtlicher Vorjahre gezogen habe.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 1999 vom ....2003, die Einkommensteuerbescheide 2000 und 2001 vom ....2003 und den Einkommensteuerbescheid 2002 vom ...2004 jeweils nebst Einspruchsentscheidung vom ....2005 mit der Maßgabe zu ändern, dass für 1999 weitere .....,04 DM, für 2000 weitere .....,11 DM, für 2001 weitere .....,81 DM und für 2002 weitere ...,40 €; als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung.

Zur Erörterung der Sach- und Rechtslage hat ein Erörterungstermin vor der Berichterstatterin stattgefunden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 24.1.2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Zu Recht hat der Beklagte den Abzug der auf das häusliche Arbeitszimmer der Klägerin entfallenden Betriebsausgaben auf DM 2.400,- (1999-2001) bzw. 1.250 €; (2002) begrenzt.

Die übersteigenden Aufwendungen sind nicht abzugsfähig.

Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, sowie die Kosten der Ausstattung dürfen den Gewinn nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht mindern. Dies gilt nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 vom Hundert der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 2.400 Deutsche Mark (ab 1.1.2002: 1.250 €;) begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.6 b EStG)

Im Streitfall bildet der von der Klägerin betrieblich genutzte Raum, welcher als häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG anzusehen ist, nicht den Mittelpunkt ihrer gesamten betrieblichen Betätigung.

Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der lediglich eine einzige Tätigkeit -teils im Arbeitszimmer, teils auswärts- ausübt, ist Mittelpunkt seiner gesamten Betätigung, wenn er dort diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. Dieser Mittelpunkt bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der Betätigung. Wo dieser Schwerpunkt liegt, ist im Wege einer Wertung der Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen festzustellen (s. BFH-Urteil vom 13. November 2002, VI R 28/02, BStBl II 2004, 59). Im Rahmen dieser Wertung kommt dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers lediglich eine indizielle Bedeutung zu (BFH-Urteil vom 26.6.2003 IV R 9/03).

Der Senat verkennt nicht, dass ein häuslicher Arbeitsplatz für die Klägerin unverzichtbar war und sie hier auch wesentliche Teile ihrer Tätigkeit ausführte; jedoch ergibt sich aus dem Gesamtbild ihrer Betätigung, dass der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit außerhalb des Arbeitszimmers liegt. Die Handlungen und Leistungen, die für den Beruf der Betreuerin wesentlich und prägend sind, wurden nicht innerhalb, sondern außerhalb des häuslichen Arbeitszimmer der Klägerin, nämlich durch Aufnahme und Pflege des persönlichen Kontakts, vorgenommen bzw. erbracht.

Die von der Klägerin ausgeübte Betreuung ist in den mit Wirkung vom 1.1.1992 durch das Gesetz zur Reform der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (sog. "Betreuungsgesetz", BGBl I 1990, 2002) neugefassten §§ 1896 ff. BGB geregelt. Zum Betreuer bestellt das Vormundschaftsgericht eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen (§ 1897 Abs. 1 BGB). Seine Pflichten ergeben sich aus § 1901 BGB; dieser hat folgenden Wortlaut.

(1) Die Betreuung umfasst alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten nach Maßgabe der folgenden Vorschriften rechtlich zu besorgen.

(2) Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten.

(3) Der Betreuer hat Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist. Dies gilt auch für Wünsche, die der Betreute vor der Bestellung des Betreuers geäußert hat, es sei denn, dass er an diesen Wünschen erkennbar nicht festhalten will. Ehe der Betreuer wichtige Angelegenheiten erledigt, bespricht er sie mit dem Betreuten, sofern dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft.

(4) Innerhalb seines Aufgabenkreises hat der Betreuer dazu beizutragen, dass Möglichkeiten genutzt werden, die Krankheit oder Behinderung des Betreuten zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.

(5) Werden dem Betreuer Umstände bekannt, die eine Aufhebung der Betreuung ermöglichen, so hat er dies dem Vormundschaftsgericht mitzuteilen. Gleiches gilt für Umstände, die eine Einschränkung des Aufgabenkreises ermöglichen oder dessen Erweiterung, die Bestellung eines weiteren Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts (§ 1903) erfordern.

Die genannten Pflichten erforderten unverzichtbar die Aufnahme und Aufrechterhaltung eines regelmäßigen persönlichen Kontakts der Klägerin mit den betreuten Personen und etwaigen Bezugspersonen der Betreuten, sofern solche vorhanden sind. Ohne diesen persönlichen Kontakt konnte die Klägerin ihre Tätigkeit nicht ausüben, denn nur hierdurch konnte sie Fähigkeiten, Wünsche und Vorstellungen der Betreuten ermitteln und entscheiden, was dem Wohl des Betreuten entsprach und wie die Betreuung zu besorgen war.

Bei der Gesamtbetrachtung der Tätigkeit ist zu berücksichtigen, dass das "Betreuungsgesetz" zum 1.1.1992 an die Stelle der Vormundschaft über Volljährige sowie der Gebrechlichkeitspflegschaft das einheitliche Rechtsinstitut der Betreuung gesetzt hat. Mit der Bezeichnung "Betreuung" sollte die Stärke der persönlichen Betreuung als eines der wichtigsten Ziele des Betreuungsgesetzes hervorgehoben werden; damit sollte die bisherige Bevormundung und anonyme Verwaltung im Vormundschaftswesen überwunden werden (vgl. BT-Drucks. 11/4528, 114). Bei der Vormundschaft stand die Verwaltung des Vermögens im Vordergrund. Im Gegensatz dazu gilt nunmehr -auch im Bereich der Vermögenssorge- das das gesamte Betreuungsrecht prägende Prinzip der persönlichen Betreuung und des persönlichen Kontaktes (Palandt/Diederichsen, BGB, Einf. vor § 1896, m.w.N.)

Entsprechend diesen Grundsätzen übte die Klägerin ihre Tätigkeit in den Streitjahren tatsächlich aus. Die Klägerin betreute alle von ihr anvertrauten Personen selbst. Im persönlichen Kontakt führte sie mit ihren Klienten sowohl Gespräche über finanzielle und medizinische Fragen, als auch über persönliche Dinge. Hierin bestand die Kernaufgabe der Klägerin; ihre Aktivitäten am häuslichen Arbeitsplatz dienten nur der Umsetzung dieser Aufgabe und waren in qualitativer Hinsicht von untergeordneter Bedeutung. Dies gilt selbst dann, wenn diese Aktivitäten - wie die Klägerin vorträgt - in zeitlicher Hinsicht 2/3 des Gesamtaufwandes ausmachten.

Dem steht nicht entgegen, dass einige betreute Personen, insbesondere demenzkranke Menschen, keinen engen persönlichen Kontakt -in Form eines Wiedererkennens bzw. einer persönlichen Bindung- zur Klägerin aufbauen konnten. Denn auch in diesen Fällen suchte die Klägerin, um ihre Aufgaben erfüllen zu können, die betroffenen Personen persönlich regelmäßig auf um sich -durch Inaugenscheinnahme der Personen und Gespräche mit Leitern und Mitarbeitern der Einrichtungen bzw. Betreuungspersonal vor Ort- ein Bild vom aktuellen geistigen und körperlichen Zustand zu machen und hierauf ihre späteren Entscheidungen gründen zu können. Ferner genügt auch die Tatsache, dass die Klägerin für einen Teil ihrer Klienten nur finanzielle Belange zu besorgen hatte. Denn auch insoweit gilt, wie ausgeführt, das Prinzip der persönlichen Betreuung.

An der Änderung der Steuerbescheide für die Jahre 1999-2001 war der Beklagte auch aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht gehindert. Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen (§ 173 Abs.1 Nr. 1 AO). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Eine Tatsache ist in diesem Sinne neu, wenn sie das Finanzamt bei Erlass des ursprünglichen Steuerbescheides noch nicht kannte. Dem Beklagten ist -durch erstmalige Vorlage der Abrechnungsunterlagen- im Rahmen der Außenprüfung erstmals bekannt geworden, welche Tätigkeiten tatsächlich durch die Klägerin außerhalb und welche im häuslichen Arbeitszimmers ausgeübt wurden. Ausnahmsweise kann eine Änderung des Bescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zuungunsten des Steuerpflichtigen ausscheiden, wenn sich das Finanzamt auf Tatsachen stützt, die ihm infolge von Verletzung seiner Ermittlungspflichten zunächst unbekannt geblieben sind. Dies gilt jedoch nur, wenn die Behörde ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres hätten aufdrängen müssen, nicht nachgeht. Für die Bestimmung und Begrenzung der Ermittlungspflicht des Finanzamts kommt es wesentlich auf die Angaben des Steuerpflichtigen und insbesondere darauf an, ob damit die steuerlich relevanten Sachverhalte richtig, vollständig und deutlich der Behörde zur Prüfung unterbreitet worden sind. Dabei braucht das Finanzamt Steuererklärungen nicht mit Misstrauen zu begegnen und kann regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteil 10.04.1997, IV R 47/96, BFH/NV 1997, 757, m.w.N.). Danach ist der Beklagte seinen Ermittlungspflichten bei der Veranlagung in ausreichendem Maß nachgekommen. Nach der vorgelegten Gewinnermittlung durfte der Beklagte zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen, dass der Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit sich im häuslichen Arbeitszimmer befand und die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer deswegen unbeschränkt abzugsfähig sind.

Ende der Entscheidung

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