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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 29.11.2007
Aktenzeichen: 3 K 4346/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32a Abs. 1
EStG § 33 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom .....2006 wird die Steuerfestsetzung vom ....2005 mit der Maßgabe geändert, dass weitere 20.420,- € als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Tatbestand:

Die Beteiligen streiten über die Anerkennung von Heimunterbringungskosten des Klägers als außergewöhnliche Belastung.

Der 1939 geborene Kläger lebt seit 1977 in einer sozial-therapeutischen Einrichtung für geistig behinderte Menschen, dem ............ Seit 1993 ist seine Schwester, Frau ...... ......... zur Regelung aller Angelegenheiten als Betreuerin bestellt. Im Betreuungsverfahren vor dem Amtsgericht wurde ein ärztliches Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapie Dr. med. ....... ...... vom ......2000 eingeholt in dem es u. a. heißt:

"das Denkvermögen ist aufgrund der Intelligenzminderung eingeschränkt. Kompliziertere Denkvorgänge kann Herr ......... nicht vollziehen. Er kann seinen Namen schreiben, kann auch einfache Drei-Wort-Sätze schreiben. Auch einfache Rechenaufgaben im Zahlenbereich bis 20 kann er durchführen und er kann bis über 100 zählen. Er kann mit Messer und Gabel essen, muss zur Körperpflege nicht besonders angehalten werden, räumt sein Zimmer auf und hält Ordnung.

Die intellektuellen Umstellungsfähigkeiten sind gering. Ausgeprägte Neuaufgaben kann er nicht selbständig lösen. Er ist hier auf die Hilfe der Betreuer und auf ein förderndes und stabiles Umfeld angewiesen.

Insgesamt möchte ich die an mich gestellte Fragen wie folgt beantworten:

1. Bei Herrn ...... liegt eine geistig und seelische Behinderung vor.

2. Diagnostisch handelt es sich um eine frühkindliche Hirnschädigung mit intellektueller Einschränkung vom Grad einer Imbecilität.

3. Meine Diagnosen beruhen auf der Kenntnis des Untersuchten seit 1977 und erneuten Nervenärztlichen Untersuchungen am ...... und ....2000.

4. Herr ....... ist nicht in der Lage, den nachfolgenden Bereiche selbst zu besorgen: Gesundheitsfürsorge, Bestimmung des Aufenthalts, Wohnungsangelegenheiten und Vermögensangelegenheiten.

5. ....

6. Die seelisch-geistige Behinderung wird bei Herrn ........ lebenslang bestehen.

Weitere Hilfsmöglichkeiten, die eine Betreuung dann oder teilweise entbehrlich machten, bestehen nicht."

Der Kläger bezog Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit durch seine Arbeit in den sozial-therapeutischen Werkstätten ............ sowie seit seiner Verrentung eine Altersrente. Daneben hatte der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus Kapitalvermögen. Mit seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger die Kosten der Heimunterbringung als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 20.420,00 € geltend. Dieser Betrag ergibt sich aus den Zahlungen an das .......... ............ e.V. in Höhe von 27.607,63 € abzüglich der Haushaltsersparnis (nach Richtlinien 188 Abs. 2 Satz 2 Einkommensteuerrichtlinien) in Höhe von 7.188,00 €, sodass als außergewöhnliche Belastungen 20.419,63 € verblieben.

Der Beklagte ließ im Einkommensteuerbescheid vom .......2005 die Kosten der Heimunterbringung unberücksichtigt. Mit seinem Einspruch vom ........ 2005 legte der Kläger das ärztliches Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapie Dr. med. .... ....... vom .......2000 vor.

Zudem legte der Kläger ein weiteres ärztliches Schreiben des Dr. ....... vom .....2005 vor, mit dem erneut bescheinigt wurde, dass der Kläger lebenslang behindert sein werde und auf die Hilfe wohlmeinender Menschen angewiesen sei.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom .......2006 als unbegründet zurück. Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger seine Pflegebedürftigkeit nicht hinreichend nachgewiesen habe. Der Nachweis sei durch die Bescheinigung der Pflegekasse, eines privaten Versicherungsunternehmens oder nach § 65 Abs. 2 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung zu führen. Bei einer behinderungsbedingten Heimunterbringung auch durch ein im Voraus ausgestelltes amtsärztliches Attest. Der Kläger habe ein solches amtsärztliches Attest nicht vorgelegt.

Der Kläger ist der Ansicht, auch ohne ein amtsärztliches Attest sei die Zwangsläufigkeit seiner Heimunterbringung durch das von ihm vorgelegte ärztliche Gutachten nachgewiesen.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2000 vom ...... 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ......... 2006 dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer unter Anerkennung von 20.420 € als außergewöhnliche Belastung niedriger festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte ist unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung der Ansicht, dass die Zwangsläufigkeit der Heimunterbringung nicht durch die dafür erforderlichen Atteste oder sonstigen Bescheinigungen nachgewiesen sei.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Kläger wird durch die Nichtberücksichtigung der Aufwendungen für seine Heimunterbringung als außergewöhnliche Belastung in seinen Rechten verletzt.

Nach § 33 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sonder auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des üblichen liegen. Zu den üblichen Aufwendungen für die Lebensführung rechnen die Kosten für die Unterbringung und die Verpflegung, gleichgültig in welcher Höhe sie tatsächlich anfallen. Unterschiede der Lebenshaltungskosten, z. B. in Ballungs- und ländlichen Gebieten, sind grundsätzlich unbeachtlich. Entstehen aber einem Steuerpflichten durch außergewöhnliche und zwangsläufige Umstände höhere Aufwendungen als der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse, können ausnahmsweise auch die Mehrkosten für die Unterbringung und Verpflegung nach § 33 EStG abziehbar sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der das erkennende Gericht folgt, gilt dies insbesondere bei einer behinderungs- oder krankheitsbedingten Unterbringung in einem Heim. Den Steuerpflichtigen erwachsen in diesen Fällen aufgrund ihrer Erkrankung und Behinderung zwangsläufig höhere Lebenshaltungskosten als im Grundfreibetrag nach § 32 a Abs. 1 EStG berücksichtigt sind (vgl. BFH-Urteil vom 23.05.2002 III R 24/01, BFHE 199, 296). Dabei ist die Unterbringung eines jüngeren Menschen in einem Heim stets außergewöhnlich. Zwar rechnen nach der ständigen Rechtsprechung des BFH die Kosten für die Unterbringung nur in einem Altersheim zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung. Leitend hierfür ist die Erwägung, dass derartige Aufwendungen, mögen sie wegen alterbedingter Hilfsbedürftigkeit auch zwangsläufig sein, ihrer Art und dem Grunde nach nicht außergewöhnlich sind, weil sie anderen in vergleichbaren Verhältnissen lebenden Steuerpflichtigen ebenfalls erwachsen. Derartige Kosten sind durch die allgemeinen Freibeträge abgegolten und fallen, soweit sie diese übersteigen, unter das Abzugsverbot des § 12 EStG. Für Menschen im arbeitsfähigen Alter ist dagegen die Unterbringung in einem Heim außergewöhnlich, da diese in der Regel entweder allein oder mit anderen, etwa Ehegatten oder Familienangehörigen, leben (BFH a. a. O.).

Die Unterbringung des Klägers im Heim ist zwangläufig. Der Heimaufenthalt des Klägers ist ausschließlich durch seine körperliche und mentale Behinderung veranlasst. Dies ergibt sich aus dem ärztlichen Gutachten des Dr. ............., das dieser im Verfahren des Amtsgerichts ........ zur Bestellung eines Betreuers für den Kläger erstellt hat. Hiernach ist der Kläger seit Geburt durch einen hirnorganischen Schaden in seiner Intelligenz so beeinträchtigt, dass er nicht in der Lage ist, ohne fremde Hilfe eigenständig und alleine zu Leben. Der Kläger ist deshalb seit 1977 im .......... untergebracht. Eine andere Unterbringung oder Versorgung ist auch nicht möglich.

Die Aufwendungen des Klägers waren als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen ohne das es hierzu eines amtsärztlichen Attestes bedurfte. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist bei Aufwendungen, die ihrer Art nach nicht eindeutig und unmittelbar der Linderung einer Krankheit oder Behinderung dienen, ein amtsärztliches Zeugnis erforderlich, in dem die medizinische oder behinderungsbedingte Notwendigkeit der Maßnahme festgestellt wird. Der Verwaltung und den Gerichten fehlt in diesen Fällen regelmäßig die Fachkunde, diese Abgrenzung selbst vorzunehmen. Hierdurch soll die Inanspruchnahme ungerechtfertigter Steuervorteile verhindert werden, mit der bei Aufwendungen zu rechnen ist, die auch dem Bereich der allgemeinen Lebensführung zugerechnet werden können. Im vorliegenden Fall reicht das vom Kläger vorgelegte ärztliche Gutachten, welches im amtgerichtlichen Verfahren zur Bestellung eines Betreuers vorgelegt worden war, zum Nachweis aus. Im Betreuungsverfahren nach § 65 ff FGG ist die Einholung eines Sachverständigengutachten vor Bestellung eines Betreuers zwingend vorgesehen, § 68 b FGG. Das von einem fachkundigen Arzt zu erstellende Gutachten hat damit die selbe Aussage- und Beweiskraft wie ein amtsärztliches Gutachten oder der Begutachtung durch einen Sozialhilfeträger (vgl. auch BFH-Urteil vom 30.06.1995 III R 52/93, BFHE 178, 81).

Der Psychiater und Nervenarzt Dr. ........... bescheinigt mit seinem Gutachten die medizinische und behinderungsbedingte Notwendigkeit der Unterbringung in der Einrichtung für betreutes Wohnen.

Hinzu kommt, dass nach der Lebenserfahrung niemand ohne Not aus persönlichen Gründen der Lebensführung in ein Heim für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung ziehen wird. Anders als eine Kurreise oder der Besuch eines Internats scheiden hier Gründe der gesundheitlichen Vorbeugung und Erholung oder sonstigen Motive der persönlichen Lebensführung aus (vgl. BFH a. a. O.).

Die Haushaltsersparnis ist wie von der Verwaltung vorgesehen berücksichtigt.

Die Berechnung der neu festzusetzenden Steuer war dem Beklagten nach § 100 Abs.2 FGO zu übertragen.

Da der Senat der ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs folgt, war die Revision nicht zuzulassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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