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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 05.11.2009
Aktenzeichen: 3 K 691/07 (1)
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 1
EStG § 3b
EStG § 19 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Gefahrenzuschläge, die er im Rahmen seiner Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit erhielt, in verfassungskonformer Auslegung des § 3 b Einkommensteuergesetz (EStG) von der Einkommensteuer zu befreien.

Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als ... des Kampfmittelbeseitigungsdienst NRW beim Land NRW angestellt. Die Aufgabe des Klägers besteht im Auffinden, Entfernen und Beseitigen von Kampfmitteln jeder Art einschließlich Minen. Für seine Tätigkeit erhielt er im Streitjahr neben seinem Grundgehalt eine Bruttozulage von monatlich zweimal ...,43 €. Zusätzlich erhielt der Kläger im Streitjahr eine Gefahrenzulage für die tatsächliche Räumung einer Bombe in Höhe von einmalig ...,53 €.

Der Arbeitgeber unterwarf die Zulagen der Lohnsteuer. Die Einkommensteuerveranlagung erfolgte antragsgemäß mit Bescheid vom .....2006. Den Einspruch der Kläger vom .....2006, mit dem sie die Steuerbefreiung der Zuschläge begehrten, wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom .....2007 als unbegründet zurück. Die deshalb erhobene Klage ist bei Gericht am ....2007 eingegangen.

Die Kläger sind der Ansicht, die Zulagen seien in entsprechender Anwendung des § 3 b EStG steuerfrei zu belassen. Unter Berücksichtigung des Artikels 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) stelle die Besteuerung der Gefahrenzulage einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar. § 3 b EStG lasse die Gehaltsteile steuerfrei, die wegen der besonderen Erschwernis von Sonn- und Feiertagsarbeit gezahlt würden. So heiße es in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts 1 BVR 723/65 vom 15.01.1969, BStBl II 1969, 253: Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich für eine gesetzliche Differenzierung ein sachlich einleuchtende Grund nicht finden lässt und deshalb die Gesetzesbestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss.

Die Kläger sind der Ansicht, für eine Differenzierung lasse sich kein sachlicher Grund finden, so dass die Gesetzesbestimmung als willkürlich bezeichnet werden müsse. Sinn und Zweck des § 3 b EStG sei es, einen finanziellen Ausgleich für besondere Erschwernisse und Belastungen zu schaffen. Sonntags- und Feiertags- und Nacharbeit störe den biologischen und kulturellen Lebensrhythmus eines Arbeitsnehmers. Die Steuerbefreiung der gewährten Lohnzuschläge solle eine Erleichterung dafür schaffen.

Auch bei der dem Kläger gewährten Gefahrenzulage handele es sich um eine sog. Erschwerniszulage. Der Lohnzuschlag werde für das Gefahrenpotential Munition, insbesondere bei der Entschärfung einer Bombe mit Langzeitzünder, gewährt da die im Kampfmittelräumdienst Beschäftigen bei ihrer Arbeit einer konkreten Lebensgefahr ausgesetzt seien. Sie gefährdeten nicht nur ihr Leben im öffentlichen Interesse, sondern setzten sich darüber hinaus regelmäßig einer erheblichen psychischen Belastung aus. Die Arbeit im Kampfmittelräumdienst erfordere äußerste Konzentration sowie Präzision, deren Umsetzung unter dem Druck, dass es sich zugleich um eine das eigene Leben gefährdende Tätigkeit handelt, nur schwer realisierbar sei.

Wenn der Staat für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit einen finanziellen Anreiz gewähre, müsse dies in gleicher Weise für eine derart gefahrenträchtige Tätigkeit wie derjenigen des Klägers gelten. Das Gebot der Steuergerechtigkeit verlange, die dem Kläger gezahlte Erschwerniszulage in Form der Gefahrenzulage in entsprechender Anwendung des § 3 b EStG von der Besteuerung auszunehmen.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom .....2007 den Einkommensteuerbescheid 2005 vom .....2006 zu ändern und dabei ein zu versteuerndes Einkommen von ......,00 € zugrunde zu legen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist darauf, dass er an den Wortlaut des Einkommensteuergesetzes gebunden sei.

Auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten werde ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

1. Die an den Kläger gezahlten Zulagen sind steuerpflichtiger Arbeitslohn.

Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG unterliegen der Einkommensteuer die Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit, die der Steuerpflichtige während seiner unbeschränkten Einkommensteuerpflicht erzielt.

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gem. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG u. a. Gehälter, Löhne und andere Bezüge, die für eine Beschäftigung im öffentlichen und privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn sind dabei alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Dazu gehören auch Zuschläge, die ein Arbeitgeber neben dem Grundgehalt zahlt.

2. Es gibt keine gesetzliche Bestimmung, die Zuschläge steuerfrei zu belassen.

a) In § 3 EStG ist die Steuerfreiheit von Einnahmen, in § 3 b EStG die Steuerfreiheit von Zuschlägen gesetzlich bestimmt.

Für die Steuerfreiheit der Zuschläge, die der Kläger für seine Tätigkeit im Kampfmittelräumdienst sowie bei der Bombenentschärfung erhält, ist im Gesetz keine Steuerbefreiung vorgesehen.

b) Eine Steuerbefreiung ergibt sich auch nicht in verfassungskonformer Auslegung des § 3 b EStG.

Verfassungsrechtliche Gesichtspunkte haben die Fachgerichte bereits bei der Auslegung der Gesetze zu berücksichtigen. Denn eine Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Artikel 100 Abs. 1 GG wäre nur dann zulässig und eine Norm nur dann für verfassungswidrig zu erklären, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und der Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist diese geboten (vgl. z. B. Bundesverfassungsgericht-Beschlüsse vom 31.03.1993 1 BVR 1045/89, 1381/90, 1 BVR 11/90, Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen 88, 155, 166). Eine bestimmte Auslegungsmethode oder eine gar reine Wortlautinterpretation schreibt die Verfassung nicht vor (vgl. BFH- Beschluss vom 12.05.1995 VI B 8/95, BFH/NV 1995, 877). Die Auslegung findet jedoch ihre Grenze im eindeutigen Wortlaut sowie Sinn und Zweck der betreffenden gesetzlichen Vorschrift. Da die Vergünstigung nach § 3 b EStG ausschließlich für Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gilt, kommt eine Ausdehnung auf andere Einnahmen weder im Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift in Betracht.

c) § 3 b EStG begegnet auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, die zur Folge haben könnten, die Zuschläge des Klägers steuerfrei zu belassen.

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Die Abstufung der Anforderungen folgt aus Wortlaut und Sinn des Artikel 3 Abs. 3 GG sowie aus seinem Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen.

Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung. Bei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung vor allem davon ab, in wieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird. Überdies sind den Gestaltungsspielräumen des Gesetzgebers um so engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann.

Der unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums entspricht eine abgestufte Dichte bei der verfassungsrechtlichen Prüfung. Bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, prüft das Bundesverfassungsgericht im Einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Liegt keine dieser Voraussetzungen vor und kommt deshalb als Maßstab nur das Willkürverbot in Betracht, so kann ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG nur festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist (vgl. Bundesverfassungsgericht I BVL 20/85, BStBl II 1994, 59 m. w. N.).

Bei der Besteuerung der Zuschläge handelt es sich um eine jener Massenerscheinungen, bei deren Bewältigung sich der Gesetzgeber nicht um die vollständige Gleichbehandlung aller denkbaren Einzelfälle bemühen muss, sondern aufgrund des Gesamtbildes, dass sich aus den ihm vorliegenden Erkenntnissen und Erfahren ergibt, innerhalb gewisser Grenzen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen darf (BFH a.a.O. m. w. N.). Der Gesetzgeber war deshalb frei lediglich die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit wegen ihrer besonderen Belastung für den Arbeitnehmer und deren Familien steuerfrei zu belassen.

Die Entscheidung des Gesetzgebers, andere Zuschläge nicht in die Steuerbefreiung einzubeziehen, kann deshalb nicht willkürlich erscheinen. Das Bundesverfassungsgericht hat in den oben angeführten Urteil deshalb auch insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken an der Regelung des § 3 b EStG geäußert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, der Senat folgt mit seiner Entscheidung ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs.

Ende der Entscheidung

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