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Gericht: Finanzgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.03.2003
Aktenzeichen: 3 V 5710/02
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 130 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 2 S. 2
FGO § 69 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

3 V 5710/02

Tenor:

Der Haftungsbescheid vom 18.07.2002 wird von der Vollziehung ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Antragsteller für Steuerschulden der ................ GmbH & Co. KG in Haftung genommen werden durfte.

Der Antragsteller war bis zur Übernahme der Geschäftsführung durch seine Ehefrau am ........2000 (alleiniger) Gesellschafter-Geschäftsführer der ........ Bauverwaltungs-GmbH (GmbH), die ihrerseits Komplementärin der ........... ........ & Co. KG (KG) war.

Am .......2000 stellte die neue Geschäftsführerin Insolvenzantrag. Mit Beschluss vom ........2000 wurde über das Vermögen der KG und der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Februar 2001 zeigte der Insolvenzverwalter gegenüber dem Amtsgericht die Masseunzulänglichkeit an. Aus dem Zeitraum, in dem der Antragsteller Geschäftsführer war, resultierten Steuerschulden - überwiegend aus vorangemeldeter, aber seit Mai 1999 nicht entrichteter Umsatzsteuer - in einer Gesamthöhe von .......,89 DM. Die Fälligkeit der ältesten Schuld datiert vom .......1999. Wegen der Zusammensetzung der Beträge wird auf die Einspruchsentscheidung (Seite 4) vom .....2001 Bezug genommen.

Nachdem der Antragsgegner den Antragsteller mit Haftungsbescheid vom ......2001 für die vorgenannten Steuerschulden gem. §§ 69, 34 AO in Anspruch genommen hatte, reduzierte er die Haftungsschuld mit Einspruchsentscheidung vom ......2001 auf 93.417,- DM (vgl. Berechnung Seite 9 der Einspruchsentscheidung).

Im Klageverfahren vor dem FG Köln gegen diesen Haftungsbescheid (Az.: 3 K 5014/01) verständigten sich die Beteiligten dahingehend, dass die Haftungssumme auf 70.000,- DM reduziert wird. Der Antragsgegner erließ hierauf einen geänderten Haftungsbescheid vom ........2002 und stellte die Aufschlüsselung der geminderten Haftungsschuld auf die einzelnen Steuerschulden in der Anlage, auf die ergänzend Bezug genommen wird, dar.

Am .......2001 reichte der Insolvenzverwalter der KG für diese die Umsatzsteuererklärung ein, aus der sich Mehrumsätze und Minder-Vorsteuern gegenüber den vorangemeldeten Beträgen ergaben, welche für 1999 zu einer Umsatzsteuerabschlusszahlung von ..............,26 Euro führten. Hierauf nahm der Antragsgegner den Antragsteller mit Haftungsbescheid vom ........2002 wegen Umsatzsteuer 1999 über eine Haftungssumme i.H.v. 14.355,60 Euro in Anspruch.

Hiergegen legte der Antragsteller Einspruch ein und vertrat die Auffassung, aufgrund der vor dem Finanzgericht Köln getroffenen Verständigung habe wegen Umsatzsteuer 1999 kein Haftungsbescheid mehr erlassen werden dürfen. Darüber hinaus habe er aufgrund des Insolvenzverfahrens keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten auf die Bilanzerstellung der KG und damit auch auf die Höhe der Umsatzsteuerfestsetzung gehabt.

Der Antragsgegner wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom ......2002 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, der Antragsteller habe für 1999 unrichtige bzw. unvollständige Voranmeldungen abgegeben und hierdurch bewirkt, dass das Finanzamt den entstandenen Umsatzsteuervorauszahlungsanspruch nicht zeitnah habe geltend machen können. Es liege daher ein haftungsbegründender ursächlicher Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung durch den Antragsteller und dem Steuerausfall vor. Die Umsatzsteuernachzahlung in Höhe von .......,26 Euro bewege sich insbesondere außerhalb eines im Rahmen von Voranmeldungen typischen Unsicherheitsbereichs. Der Antragsteller habe keine entschuldbaren Gründe dafür vorgetragen, dass die der Haftung zu Grunde liegenden Steuern nicht bereits in den Umsatzsteuervoranmeldungen erklärt worden seien. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte könne davon ausgegangen werden, dass dem Antragsteller die Bedeutung zeitgerechter Umsatzsteuervoranmeldungen bekannt und ihm bewusst gewesen sei, dass die Umsatzsteuer in einer den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Höhe anzumelden sei. Der Antragsteller könne sich daher auch nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe auf Grund des Insolvenzverfahrens keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten auf die Bilanz der KG mehr gehabt. Der Insolvenzantrag sei erst am .....2000, also deutlich nach den hier in Rede stehenden Voranmeldungszeiträumen gestellt worden. Die bloße fehlende Einflussmöglichkeit des Antragstellers im Insolvenzverfahren könne auch nicht dazu führen, an der Richtigkeit der Umsatzsteuernachforderung 1999 zu zweifeln. Konkrete ernstliche Zweifel an der Höhe der der Haftung zu Grunde liegenden Steuerschuld seien vom Antragsteller auch nicht vorgetragen worden. Dieser habe seit der Haftungsankündigung vom 19.02.2002 hinreichend Gelegenheit gehabt, sich beim Insolvenzverwalter oder beim Finanzamt Unterlagen zu besorgen und ernstliche Zweifel darzulegen.

Dem Erlass eines weiteren Haftungsbescheides stünden weder der Grundsatz von Treu und Glauben noch die in dem Klageverfahren 3 K 5014/01 geschlossene Einigung entgegen. Diese sei nicht geeignet gewesen, den Vertrauenstatbestand beim Antragsteller zu begründen, er - der Antragsgegner - werde von einer weiteren Inanspruchnahme als Haftungsschuldner absehen, denn die Umsatzsteuerjahresschuld 1999 sei in dem Haftungsbescheid nicht enthalten gewesen. Die Haftung für die Umsatzsteuerjahresschuld sei auch nicht Gegenstand des Klageverfahrens 3 K 5014/01 gewesen. Aus diesem Grund sei nicht davon auszugehen, dass sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung über eine dahingehende Haftungsinanspruchnahme geeinigt hätten.

Der Antragsteller hat hiergegen unter dem Az. 3 K 6560/02 fristgerecht Klage erhoben. Im vorliegenden Verfahren begehrt er Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides durch das Gericht.

Er hält die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides für ernstlich zweifelhaft und vertritt die Auffassung, der Antragsgegner sei an die in der mündlichen Verhandlung getroffene tatsächliche Verständigung gebunden und dürfe hiervon im Nachhinein nicht abweichen. Der Antragsgegner habe sich durch den erneuten Erlass eines Haftungsbescheids wider Treu und Glauben verhalten.

Er habe auch nicht dargetan, dass die nachgeforderten streitbefangenen Beträge auf den Haftungszeitraum, d.h. auf den Zeitraum 18.03.1999 bis 31.12.1999 entfielen. Ferner könne anhand der Jahreserklärung nicht ermittelt werden, welche Umsätze auf den Haftungszeitraum entfielen und welche auf die Monate Januar und Februar.

Soweit der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen möchte, sei dies unzumutbar, weil die Steuerforderung aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers ohnehin auf absehbare Zeit nicht realisierbar sei. Eine Sicherheitsleistung könne daher ebensowenig erbracht werden. Zur Glaubhaftmachung dieser Behauptung legte der Antragsteller ein Vermögensverzeichnis vor, welches er am ......2002 bei dem Antragsgegner eingereicht hatte.

Eine Kreditanfrage bei der Kreissparkasse ............ sei von dieser abgelehnt worden. Der Bitte um schriftliche Bestätigung dieser Ablehnung sei die Bank mit Hinweis auf die Bestimmungen eines öffentlichrechtlichen Kreditinstituts nicht nachgekommen, weil erst nach einem schriftlichen Kreditantrag mit entsprechenden Nachweisen eine kostenpflichtige schriftliche Ablehnung erfolgen könne. Zur Glaubhaftmachung dieser Behauptung reichte der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung ein.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung des Haftungsbescheides vom ......2002 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen;

hilfsweise

die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

Er vertritt die Auffassung, der Haftungszeitraum umfasse nicht den Zeitraum 18.03.1999 bis 19.07.2000. Vielmehr habe der Haftungszeitraum am 10.02.1999 begonnen. Sei es - wie im Streitfall - dadurch zum Steuerausfall gekommen, dass der Steueranspruch gem. § 69 AO infolge schuldhaften Verhaltens nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt worden sei, könne hinsichtlich des Beginns des Haftungszeitraums nicht auf die Fälligkeit der Umsatzsteuernachforderung abgestellt werden. Vielmehr sei dann der Zeitpunkt maßgebend, zu dem der Anspruch bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Erklärungspflicht fällig geworden wäre.

Vorliegend sei auch der Grundsatz der Akzessorietät beachtet. Die rein theoretische Möglichkeit, dass die Umsatzsteuernachzahlung aufgrund der eingereichten Umsatzsteuererklärung zu hoch sein könnte, reiche auch für Aussetzungszwecke nicht aus. Anders als bei Hinzuschätzungen durch das Finanzamt sei zunächst davon auszugehen, dass die von den Steuerberatern .......... & ......... erstellte und vom Insolvenzverwalter eingereichte Umsatzsteuererklärung und die erklärte Umsatzsteuernachzahlung richtig seien. Die fehlende Einflussmöglicheit des Antragstellers im Insolvenzverfahren könne nicht dazu führen, an der Richtigkeit der Umsatzsteuernachforderung zu zweifeln. Konkrete ernstliche Zweifel an der Höhe der der Haftung zugrunde liegenden Steuerschuld seien vom Antragsteller auch nicht vorgetragen worden. Dieser habe seit der Haftungsankündigung hinreichend Gelegenheit gehabt, sich die entsprechenden Unterlagen zu besorgen und ernstliche Zweifel darzulegen. Bis zur Darlegung des Gegenteils sei davon auszugehen, dass die erklärte Umsatzsteuernachzahlung korrekt sei.

Zur Frage der Sicherheitsleistung weist der Antragsgegner darauf hin, dass der Steueranspruch gefährdet erscheine.

II.

Der Antrag ist begründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Finanzgericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen vor, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit BFH-Beschluss vom 10.02.1967 III B 9/66, BStBl. III 1967, 182). Die für die Unrechtmäßigkeit sprechenden Bedenken brauchen nicht zu überwiegen (vgl. BFH-Beschluss vom 28.11.1974 V B 52/73, BStBl. II 1975, 239).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergeben sich bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Vollziehungsaussetzung rechtfertigende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids.

Die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids hängt zunächst von der schwierigen Rechtsfrage ab, ob die in der mündlichen Verhandlung getroffene Verständigung hinsichtlich der Höhe der Haftungssumme die bis zu diesem Zeitpunkt entstandene oder lediglich die festgesetzte Umsatzsteuer betraf. Den Beteiligten war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bekannt, dass lediglich die Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben waren und die Umsatzsteuerjahreserklärung noch ausstand. Hieraus könnte der Schluss gezogen werden, dass die Haftung für die Umsatzsteuer aus dem betreffenden Streitjahr mit der Verständigung abschließend erledigt sein sollte, so dass eine erneute Inanspruchnahme des Antragstellers als Haftender nur in Betracht käme, wenn er gegenüber dem Antragsgegner steuererhebliche Tatsachen verschwiegen hätte (§ 130 Abs. 2 AO). Hierfür bestehen nach bisheriger Aktenlage allerdings keine Anhaltspunkte. Die Entscheidung dieser Rechtsfrage bleibt dem Verfahren in der Hauptsache vorbehalten.

Ferner bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids, weil nicht der Antragsteller selbst die Umsatzsteuerjahreserklärung eingereicht hat, die eine höhere Umsatzsteuerschuld auswies als die Summe der von ihm abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen, sondern der Insolvenzverwalter. Aufgrund der Akzessorietät der Haftungsschuld hat auch der Haftende die Möglichkeit, sich gegen die Höhe der Erstschuld zu wenden (vgl. zur Akzessorietät der Haftungsschuld BFH-Urteil vom 17.10.1980 VI R 136/77, BStBl. II 1981, 138). Der Antragsteller konnte jedoch aufgrund des bereits eröffneten Insolvenzverfahrens die steuerlichen Belange des insolventen Unternehmens nicht selber regeln. Da ihm bisher auch nicht die Möglichkeit gegeben wurde, zur Höhe der festgestellten Umsatzsteuer substantiiert Stellung zu nehmen, wird im Hauptsacheverfahren geprüft werden müssen, ob die Erstschuld in der vom Antragsgegner festgestellten Höhe besteht. Hierfür ist es zunächst erforderlich, dass der Antragsgegner die Umsatzsteuerjahreserklärung anhand der Buchführungsunterlagen überprüft und darlegt, wie sich die Umsatzsteuerjahresschuld errechnet.

Gemäß §§ 69 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 FGO kann die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Eine solche ist insbesondere dann geboten, wenn durch die Aussetzung der Vollziehung der Steueranspruch gefährdet erscheint. Die Anforderung einer Sicherheitsleistung hat aber dann zu unterbleiben, wenn es dem Steuerpflichtigen trotz zumutbarer Anstrengungen nicht möglich ist, Sicherheit zu leisten. Im Streitfall hat der Antragsteller glaubhaft vorgetragen, dass er zur Sicherheitsleistung außerstande ist. Aus dem von ihm am ......2002 beim Antragsgegner eingereichten Vermögensverzeichnis ergibt sich, dass er über kein positives Vermögen verfügt. Sein gesamtes Vermögen wurde zu Gunsten der ...-Bank .......... eG durch Grundschulden belastet (Einfamilienhaus) bzw. sicherungsweise abgetreten. Mit eidesstattlicher Versicherung vom .......2002 hat der Antragsteller zudem an Eides statt versichert, dass er sämtliche Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft habe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.



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