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Gericht: Finanzgericht Köln
Beschluss verkündet am 11.09.2009
Aktenzeichen: 4 V 2643/09
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 3
EStG § 7g
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Vollziehung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2007 vom 29.05.2009 wird in Höhe von ... € ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Rücklagenbildung nach § 7 g des Einkommensteuergesetz (EStG) a.F. im Kalenderjahr 2007 noch zulässig ist.

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gesellschafter als Ingenieure freiberuflich tätig sind. Am 23.01.2009 reichte sie im Rahmen der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr 2007 eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ein. Der von ihr ermittelte Gewinn belief sich auf ... €. Im Rahmen der gleichzeitig vorgelegten Anlage EÜR machte sie einen Investitionsabzugsbetrag von ... € geltend. Die Ansparrücklage werde für die Anschaffung von jeweils einem Mittelklasse-Pkw für die Gesellschafter der Antragstellerin gebildet. Mit Feststellungsbescheid vom 29.05.2009 veranlagte der Antragsgegner die Antragstellerin antragsgemäß mit Ausnahme der geltend gemachten Ansparrücklage. Zur Begründung führte er aus, dass die Bildung eines Investitionsbetrages für Wirtschaftsjahre, die nach dem 17.08.2007 enden, bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nach der Neufassung des § 7 g Abs. 1 Nr. 1 EStG 2007 nicht mehr möglich sei, wenn der Gewinn über 100.000 € betrage.

Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin fristgerecht Einspruch ein. Für Freiberufler, die nach dem Kalenderjahr veranlagt würden, sei noch offen, ob die Bildung der Ansparabschreibung nach § 7 g EStG a.F. ab dem Jahr 2007 untersagt sei, da in der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 23 EStG lediglich von einem Wirtschaftsjahr gesprochen werde. Ergänzend bezog sie sich auf einen Beschluss des FG Münster vom 26.02.2009 (13 V 215/09 E, EFG 2009, 1108, Beschwerde anhängig beim BFH VIII B 62/09). Dort sei die Beschwerde zugelassen worden. Gleichzeitig beantragte die Antragstellerin Aussetzung der Vollziehung.

Der Antragsgegner lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 18.06.2009 ab. In dem von der Antragstellerin zitierten Beschluss des FG Münster werde eindeutig ausgeführt, dass der entsprechende Senat keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides, insbesondere hinsichtlich der Versagung der Ansparabschreibung nach § 7 g EStG a.F., habe. Eine Aussetzung der Vollziehung sei daher auch nicht im finanzgerichtlichen Verfahren gewährt worden. Da nach bisherigem Verfahrensstand keine rechtlichen Zweifel an der vom Finanzamt vertretenen Rechtsauslegung anzunehmen seien, müsse der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt werden.

Hiergegen wendete sich die Antragstellerin mit Einspruch vom 07.07.2009. Zur weiteren Begründung führte sie aus, dass ein entscheidendes Merkmal für die Anwendung der Sonderregelung des § 52 Abs. 23 EStG die Beendigung des Wirtschaftsjahres nach dem 17.08.2007 sei. Ermittlungszeitraum für die Einkommensteuer sei nach § 2 Abs. 7 EStG das Kalenderjahr. Diese Grundaussage treffe auch § 25 EStG. Eine Sonderregelung gebe es ausschließlich für die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sowie aus Gewerbebetrieb. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit - wie im vorliegenden Fall - sei das Kalenderjahr maßgebend. Deshalb finde die o.g. Neuregelung für Freiberufler erst ab 2008 Anwendung. Selbst Wendt, Richter im IV. Senat des BFH in München, habe ernsthafte Zweifel an der gesetzlichen Neuregelung der Anwendbarkeit des neuen § 7 g EStG bei Freiberuflern schon im Jahr 2007 in der Finanz-Rundschau (FR) 2008, 598, 604 geäußert. Zusätzlich verweisen sie auch auf die ebenfalls kritische Äußerung von Röhrig im Einkommensteuer-Berater (EStB) 2008, 113.

Mit Einspruchsentscheidung vom 15.07.2009 lehnte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung erneut ab, wobei er sich auf die Begründung des FG Münster im Beschluss vom 26.02.2009 stützte.

Am 07.08.2009 teilte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass es zwischenzeitlich einen Beschluss des Hessischen FG vom 04.05.2009 (11 V 582/09, [...]) gebe, wonach Aussetzung der Vollziehung in einem vergleichbaren Fall gewährt worden sei. Der Antragsgegner teilte nach Rücksprache mit der OFD mit, dass an der geäußerten Rechtsauffassung festgehalten werde und keine Aussetzung gewährt werden könne, sondern ein gerichtlicher Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO gestellt werden müsse.

Daraufhin hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 14.08.2009 bei Gericht Aussetzung der Vollziehung beantragt, wobei sie ihre Begründungen aus dem bisherigen Verfahren wiederholt.

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),

die Vollziehung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2007 vom 29.05.2009 i.H.v. ... EUR auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung geäußerten Rechtsauffassung fest.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Letzteres wird hier weder geltend gemacht noch ist es sonst ersichtlich. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit im Sinne der Norm liegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH), der sich der Senat anschließt, vor, wenn bei summarischer Prüfung anhand des Sachverhaltes neben den für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Umständen gewichtige gegen seine Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bzw. des Rechtsmittels zu berücksichtigen. Irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt nicht (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17.12.1998 I B 101/98 BFH/NV 1999, 753; Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Auflage 2006, § 69 Rn. 86, m.w.N.).

2. Bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung bestehen derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des von der Antragstellerin angefochtenen Bescheides.

Die Frage, ob bei Freiberuflern, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, im Veranlagungsjahr 2007 die Bildung einer Ansparrücklage nach der alten Fassung des § 7g EStG noch möglich ist, war bereits Gegenstand der von der Antragstellerin genannten Verfahren vor dem FG Münster und dem Hessischen FG. Gegen den eine gerichtliche Aussetzung der Vollziehung ablehnenden Beschluss des FG Münster ist zudem zwischenzeitlich eine Beschwerde beim BFH unter dem Aktenzeichen VIII B 62/09 anhängig. In der Rechtsprechung ist damit - soweit ersichtlich - noch nicht abschließend geklärt, ob Freiberufler im Jahr 2007 eine Ansparrücklage nach der alten Rechtslage bilden können. Die Frage wird zudem kontrovers in der Literatur diskutiert (vgl. die genannten Äußerungen von Wendt, FR 2008, 598 sowie Röhrig EStB 2008, 113).

Vor diesem Hintergrund ist der erkennende Senat der Auffassung, dass ernstliche Zweifel im Sinne einer Unentschiedenheit dahingehend bestehen, ob - wie der Antragsgegner meint - im Falle der Antragstellerin die Vorschrift zum Investitionsabzugsbetrag nach § 7 g Abs. 1 EStG n.F. bereits - im hier streitigen - Kalenderjahr 2007 anzuwenden ist.

Dabei muss der beschließende Senat im Rahmen der summarischen Prüfung nicht abschließend entscheiden, welcher der zuvor genannten Meinungen er folgt. Für die Auffassung, dass eine Bildung der Ansparrücklage im Jahr 2007 nach der alten Fassung des § 7 g EStG für Freiberufler noch möglich ist, spricht bei summarischer Prüfung jedenfalls, dass es sich bei dem in § 52 Abs. 23 EStG genannten Begriff des Wirtschaftsjahrs um einen Rechtsbegriff handelt, welcher in § 4 a EStG normiert ist. § 4 a EStG regelt in zwei Absätzen den als Wirtschaftsjahr bezeichneten Gewinnermittlungszeitraum (§ 4 a Abs. 1 EStG) und die zeitliche Zuordnung des Gewinns, wenn dieser für ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr ermittelt wird (§ 4 a Abs. 2 EStG). Diese Regelungen des § 4 a EStG gelten nur für die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sowie für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 13-17 EStG), die sowohl bei der Wahl des Gewinnermittlungszeitraums als auch hinsichtlich der Zurechnung der Gewinne unterschiedlich behandelt werden. Grund für diese Unterschiede sind u.a. die handelsrechtlichen Vorgaben für die gewerblichen Einkünfte und die durch Urproduktion bestimmten Besonderheiten land- und forstwirtschaftlicher Betriebe. Beim Gewinnermittlungszeitraum für die Einkünfte aus selbständiger Arbeit, als dritter betrieblicher Einkunftsart, gilt die allgemeine Regelung des § 2 Abs. 7 EStG (Jahressteuerprinzip). Mithin ist die Vorschrift des § 4 a EStG bzgl. ihres sachlichen Anwendungsbereiches nicht auf den von Antragstellerin erzielten Gewinn aus selbständiger Arbeit nach § 18 EStG anwendbar (so auch Beschluss des Hessischen FG vom 04.05.2009, a.a.O. mit Verweis auf Herrmann/Heuer/Raupach-Fink, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Stand 2007, § 4 a Anm. 1, 6 sowie Blümich-Wittwer Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Stand 2008, § 4 a Anm. 5).

Nach den vorstehenden Erwägungen und angesichts des Umstandes, dass die Einführung der Gewinngrenze durch § 7 g EStG n.F. eine "signifikante Steuerverschärfung für Überschussrechner" bedeutet (so Korn-Bartone, § 7 g EStG Anm. 37) sowie aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Verlässlichkeit der Rechtsordnung (vgl. hierzu u.a. Kirchhof, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8. Auflage 2008, § 52 Anm. 12, 13) erscheint es im Streitfall sachgerecht, die Aussetzung der Vollziehung in der begehrten Höhe anzuordnen. Bei summarischer Prüfung besteht nach alledem zumindest Unentschiedenheit dahingehend, ob bzgl. des zeitlichen Anwendungsbereiches des § 7 g EStG n.F. die spezielle Regelung des § 52 Abs. 23 EStG, welche nur den Rechtsbegriff des Wirtschaftsjahres erwähnt, im Streitfall anwendbar ist. Mithin verbleibt es bei summarischer Prüfung im Streitfall bei der Anwendung der Generalklausel des § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG, wonach das Gesetz erstmals für die Antragstellerin als Freiberuflerin für den Veranlagungszeitraum 2008 gilt (so auch Beschluss des Hessischen FG vom 04.05.2009, a.a.O.).

Gegen die tatsächlichen und materiell-rechtlichen Voraussetzungen der von der Antragstellerin begehrten Ansparabschreibung gemäß § 7 g EStG a.F. im Übrigen bestehen keine Bedenken. Auch der Antragsgegner hat insoweit keinerlei Einwendungen erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Beschwerde wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.

Ende der Entscheidung

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