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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 11.03.2009
Aktenzeichen: 5 K 1396/05
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 122 Abs. 1
AO § 122 Abs. 2a
FGO § 56 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger betreibt ein Gewerbe für künstlerisches Metall-Design. Im Jahr 2003 führte der Beklagte bei dem Kläger eine Betriebsprüfung durch, die sich auf die Einkommensteuer, Umsatzsteuer sowie Gewerbesteuer für die Jahre 1998 - 2000 erstreckte. Auf der Grundlage der Feststellungen des Betriebsprüfers im Betriebsprüfungsbericht vom .......2004 erließ der Beklagte am ......2004 geänderte Umsatzsteuerbescheide, am .......2004 geänderte Einkommensteuerbescheide und am .....2004 geänderte Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre.

Hiergegen wendete sich der Kläger mit den Einsprüchen vom .....2004 (wegen Umsatzsteuer), vom .....2004 (wegen Einkommensteuer), und vom ....2004 (wegen Gewerbesteuermessbeträge). Mit Einspruchsentscheidungen vom ....2005 wies der Beklagte die Einsprüche des Klägers gegen die streitigen Steuerbescheide als unbegründet zurück und verfügte die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidungen mittels Telefax an den Bevollmächtigten des Klägers, den Steuerberater ............... Ausweislich der Empfangsberichte auf den Deckblättern der mit der Klagebegründung übersandten Kopien der Einspruchsentscheidungen sind die Einspruchsentscheidungen wegen Einkommensteuer 1998 - 2000 dem Bevollmächtigten am 03.03.2005 um 11.49 Uhr, wegen Umsatzsteuer 1998 - 2000 am 03.03.2005 um 11.57 Uhr und wegen Gewerbesteuermessbeträge 1998 - 2000 am 03.03.2005 um 11.59 Uhr per Telefax übermittelt worden (vgl. Bl. 49 - 64 der Gerichtsakten).

Gegen die Einspruchsentscheidungen hat der Kläger mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 07.03.2005 Klage erhoben, das dem Gericht durch Telefax am 05.04.2005 übersandt worden ist. Mit der Klage begehrt der Kläger in der Sache die Abänderung der angefochtenen Steuerbescheide mit der Begründung, der Beklagte habe zu Unrecht in den Streitjahren Zuschätzungen wegen ungeklärter Einzahlungen auf Privat- und Betriebskonten vorgenommen, die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer auf den Betrag von 2.400,00 DM jährlich beschränkt, Bewirtungsaufwendungen i.H.v. 910,90 DM im Streitjahr 1998 nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassen und die begehrten Ansparabschreibungen von 53.500,00 DM in 1998, von 21.000,00 DM in 1999 und von 76.999,00 DM in 2000 versagt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Klageschrift vom 07.03.2005 sowie das Schreiben des Klägers vom 19.04.2006 verwiesen.

Nach Hinweis des Senats mit der Ladung zum Termin, dass im Streitfall die Klagefrist nicht gewahrt sein dürfte, trägt die Klägerin wie folgt vor: Bei einem per Telefax übermittelten Verwaltungsakt handele es sich um einen elektronisch übermittelten Verwaltungsakt. Nach § 122 Abs. 2a der Abgabenordnung (AO) gelte ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Unter Berücksichtigung dieser Drei-Tages-Frist sei die Klage vorliegend rechtzeitig erhoben worden. Dass § 122 Abs. 2a AO auch im Falle der Faxübermittlung anwendbar sei, sei im AO-Anwendungserlass zu § 122 Nr. 1.8.2 ausdrücklich geregelt. Diese Rechtsauffassung der Finanzverwaltung werde auch im steuerrechtlichen Schrifttum überwiegend geteilt. Sie sei auch richtig; denn der Zweck des § 122 Abs. 2 bzw. Abs. 2a AO bestehe in der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens. Es solle möglichst der Streit über den genauen Zeitpunkt des Zugangs eines Verwaltungsakts vermieden werden. Er, der Kläger, habe auf die Bekanntgaberegelung im AO-Anwendungserlass vertraut und dementsprechend die Klagefrist voll ausgeschöpft; die Nichtanwendung der Bekanntgaberegelung führe zu einer unzulässigen "Verböserung". Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in der Vergangenheit bei der Faxübermittlung auf den tatsächlichen Zugang abgestellt habe, handele es sich um lange zurückliegende Entscheidungen, die durch die Einführung des § 122 Abs. 2a AO überholt seien. Im Übrigen habe sein steuerlicher Berater die streitigen Telefaxe mit den Einspruchsentscheidungen nicht am 03.03.2005, sondern - wegen Abwesenheit - erst am 07.03.2005, einem Montag, in Augenschein nehmen können. Insoweit werde Beweis angeboten durch Vernehmung der Steuerberaterin ............ als Zeugin. Mithin sei die Klagefrist auch aus diesem Grunde gewahrt.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung der angefochtenen Änderungsbescheide und Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen die Einkommensteuer 1998 auf .....,00 €;, die Einkommensteuer 1999 auf .....,00 €;, die Einkommensteuer 2000 auf .....,86 €;, die Umsatzsteuer 1998 auf ......,30 €;, die Umsatzsteuer 1999 auf ......,00 €;, die Umsatzsteuer 2000 auf .....,65 €; sowie die Gewerbesteuermessbeträge 1998, 1999 und 2000 auf jeweils 0,-- €; herabzusetzen;

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er tritt der Klage unter Hinweis auf seine Ausführungen in den angefochtenen Einspruchsentscheidungen entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unzulässig. Im Streitfall hat der Kläger die einmonatige Klagefrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) versäumt. Wegen Versäumung der Klagefrist kommt auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.

Nach 47 Abs. 1 Satz 1 FGO beträgt die Frist für die Erhebung einer Anfechtungsklage - wie im Streitfall - einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. Im Streitfall hatte sich der Beklagte entschieden, die Einspruchsentscheidungen dem Kläger durch Telefax zu übermitteln. Dies ist nicht zu beanstanden. § 366 AO schreibt für die Bekanntgabe von Einspruchsentscheidungen keine förmliche Zustellung vor. § 122 Abs. 1 AO gilt damit auch für die Bekanntgabe von Einspruchsentscheidungen. Mithin können Einspruchsentscheidungen grundsätzlich auch per Telefax übermittelt werden. Allerdings reicht es für eine wirksame Bekanntgabe regelmäßig nicht aus, dass der absendenden Finanzbehörde die Einspruchsentscheidung in Schriftform vorliegt und das empfangende Telefaxgerät die übertragenen Daten der Einspruchsentscheidung gespeichert hat. Die durch Telefax übermittelte Einspruchsentscheidung muss vielmehr vom empfangenden Telefaxgerät auch noch ausgedruckt sein (vgl. BFH-Urteil vom 08.07.1998 I R 17/96, BStBl II 1999, 48 und Bundesgerichtshof <BGH> , Beschluss vom 04.05.1994 XII ZB 21/94, HFR 1995, 97). Erst mit dem Ausdruck ist sie zugegangen, d.h. schriftlich verkörpert derart in den Machtbereich des Bekanntgabeadressaten gelangt, dass diesem die Kenntnisnahme möglich ist.

Ausweislich der Empfangsberichte auf den Kopien der mit der Klagebegründung übersandten Einspruchsentscheidungen sind diese dem Bevollmächtigten des Klägers allesamt am 03.03.2005 kurz vor 12.00 Uhr übermittelt worden. Danach hat die Klagefrist im Streitfall mit Ablauf des 03.03.2005 zu laufen begonnen und mit Ablauf des 04.04.2005 geendet (vgl. § 54 FGO i. V. m. § 222 der Zivilprozessordnung (ZPO) und §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches); denn der 03.04.2005 war ein Sonntag mit der Folge, dass sich die Frist nach § 222 Abs. 2 ZPO auf den nächsten Werktag verlängerte. Ausweislich des Faxprotokolls auf der Klageschrift ist diese dem Gericht jedoch erst am 05.04.2005 um 11.36 Uhr und damit verspätet zugegangen.

Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Regelung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO berufen. Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Bekanntgabe von Verwaltungsakten durch Telefax ist keine Übermittlung durch die Post (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 23.03.2006 II 347/04, EFG 2006, 1753; Tipke in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 122 AO Rz. 48 und AO-Anwendungserlass 2002 zu § 122 Nr. 1.8.2). Mithin gilt die Drei-Tages-Frist nicht.

Ebenso wenig kann sich der Kläger im Streitfall auf § 122 Abs. 2a AO berufen. Danach gilt die Drei-Tages-Frist auch für elektronisch übermittelte Verwaltungsakte. Die Regelung des § 122 Abs. 2a AO ist zusammen mit § 87a AO durch Gesetz vom 21.08.2002, BStBl I 2002, 820 in die Abgabenordnung eingefügt worden. Die Fortentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik hat damit auch Einzug in das steuerliche Verfahrensrecht genommen. Ob ein durch Telefax bekannt gegebener Verwaltungsakt ein im Sinne des § 122 Abs. 2a AO elektronisch übermittelter Verwaltungsakt ist, ist umstritten. Die Finanzverwaltung hat nach Einführung des § 122 Abs. 2a AO den AO-Anwendungserlass zur Bekanntgabe von Verwaltungsakten geändert und vertritt seitdem die Auffassung, dass ein durch Telefax (einschließlich Computerfax) bekannt gegebener Verwaltungsakt ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt ist und damit grundsätzlich am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben gilt (vgl. AO-Anwendungserlass 2003 zu § 122 Nr. 1.8.2). Diese Auffassung wird von Frotscher in Schwarz, Kommentar zur AO, § 122 Rz. 136a und Güroff in Beermann/Gosch, AO/FGO-Kommentar, § 122 AO Rz. 7 - allerdings ohne Begründung - geteilt. Demgegenüber wird in der steuerrechtlichen Kommentarliteratur teilweise differenziert. Danach soll § 122 Abs. 2a AO bei einer Übermittlung eines Verwaltungsakts durch Telefax nur dann anwendbar sei, wenn das Empfangsgerät technisch dazu in der Lage ist, die Sendung elektronisch aufzuzeichnen. Ist das Empfangsgerät dazu nicht in der Lage, sondern kann die Sendung - wie im Streitfall - lediglich auf Papier ausdrucken, soll die Norm nicht gelten (vgl. Müller-Franken in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO/FGO, § 122 AO Rz. 422 und Pahlke in Pahlke/Koenig, Kommentar zur AO, § 122 Rz. 87).

Der erkennende Senat folgt dieser differenzierenden Rechtsauffassung. Danach findet im Streitfall § 122 Abs. 2a AO keine Anwendung. Das Telefax ist ein seit Jahrzehnten probates Kommunikationsmittel (offizielle Einführung durch die Deutsche Bundespost im Jahr 1979). Die Übertragung erfolgt über eine Telefonleitung, indem Daten in Töne übertragen werden. Die Telefaxübermittlung steht damit nicht in Zusammenhang mit dem sog. eGovernment, also der elektronischen Verfügbarkeit des öffentlichen Verwaltungsbereichs, die Grund für die Einführung der §§ 87a und 122 Abs. 2a AO war. Auch vom allgemeinen Sprachgebrauch her bestehen Bedenken, die Übermittlung eines Telefaxes als elektronische Übermittlung anzusehen. Dies gilt jedenfalls für den hier vorliegenden Fall eines normalen (analogen) Empfangsgeräts. Dies mag anders sein, wenn das Telefax vom Empfangsgerät elektronisch aufgezeichnet werden kann und damit für eine weitere elektronische Bearbeitung zur Verfügung steht. Beim normalen Faxgerät endet jedoch mit dem Ausdruck die Möglichkeit, nochmals auf das Telefax zuzugreifen. Die gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung vermag nicht zu überzeugen. Zum einen fehlt es insoweit an jeglicher Begründung. Zum anderen darf nicht verkannt werden, dass die Anwendung des § 122 Abs. 2a AO auf die Übermittlung von Verwaltungsakten mittels Telefax für die Finanzverwaltung von Vorteil ist. Sie hat eine Beweiserleichterung zur Folge, weil der durch Telefax übermittelte Verwaltungsakt danach am dritten Tag nach der Absendung als zugegangen gilt. Demgegenüber setzt nach der derzeit noch bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung die Telefaxübermittlung eines Verwaltungsakts bzw. einer Willenserklärung den Ausdruck des Telefaxes vom Empfangsgerät voraus. Diesen Nachweis kann die Finanzverwaltung regelmäßig nicht erbringen. Für die vom erkennenden Senat vertretene Rechtsauffassung sprechen schließlich auch die Gesetzesmaterialien zu § 122 Abs. 2a AO (vgl. BT-Drucks. 14/9000 S. 37). Denn das Telefax ist dort nicht erwähnt. Der Gesetzgeber hatte offensichtlich nur die elektronischen Veraltungsakte und deren elektronische Übersendung mittels E-Mail im Auge.

Bei dieser rechtlichen Beurteilung kommt es entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht darauf an, wann der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Telefaxe mit den Einspruchsentscheidungen - aus welchen Gründen auch immer - tatsächlich in Augenschein genommen hat; denn mit dem Ausdruck der Telefaxe durch das Empfangsgerät am 03.03.2005 sind die Einspruchsentscheidungen derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass diesem die Kenntnisnahme möglich war.

Dem Kläger kann im Streitfall auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Eine mögliche Wiedereinsetzung scheitert bereits am Ablauf der Jahresfrist des § 56 Abs. 3 FGO. Danach kann nach Ablauf eines Jahres seit dem Ende der versäumten Frist Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder bewilligt werden. Diese Frist ist seit langem verstrichen, da die Klagefrist im Streitfall im Jahr 2005 abgelaufen ist.

Der Kläger kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Nichtanwendung der streitigen Verwaltungsregelung ihn in unzumutbarer Weise benachteilige. Der Kläger verkennt, dass (norminterpretierende) Verwaltungsanweisungen allein die nachgeordneten Behörden, nicht aber die Gerichte binden (vgl. BFH-Urteil vom 09.12.1999 III R 74/97, BStBl II 2001, 311 <314> und Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO Rz. 84). Es kommt hinzu, dass es sich bei der Einhaltung der Klagefrist um eine Sachurteilsvoraussetzung handelt, die das Gericht von Amts wegen zu prüfen hat. Im Streitfall ist es dem Senat auch nicht ausnahmsweise nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt, seine Entscheidung auf die Versäumung der Klagefrist zu stützen. Zwar ist das vorliegende Klageverfahren bereits seit 2005 bei Gericht anhängig. Das Gericht hat jedoch in der Vergangenheit keinerlei Maßnahmen unternommen, die den Kläger in seinem Vertrauen hätten bestärken können, die Klage sei zulässig und es werde eine materiell-rechtliche Entscheidung ergehen. Das Verfahren ist in der Vergangenheit schlicht nicht gefördert worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Der Rechtssache im Streitfall kommt angesichts der von der Finanzverwaltung im AO-Anwendungserlass zu § 122 Nr. 1.8.2 vertretenen Rechtsauffassung grundsätzliche Bedeutung zu.

Ende der Entscheidung

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