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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 01.12.2006
Aktenzeichen: 5 K 2566/04
Rechtsgebiete: AO 1977, GVG


Vorschriften:

AO 1977 § 37 Abs. 1
AO 1977 § 218 Abs. 2 S. 1
AO 1977 § 226 Abs. 1
GVG § 17 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

5 K 2566/04

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides betreffend Einkommensteuer 1994 und 1995 streitig.

Der verheiratete Kläger war in den Streitjahren als Rechtsanwalt freiberuflich tätig. Für die Jahre 1994 und 1995 wurde er mit seiner nicht berufstätigen Ehefrau zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Aus diesen Veranlagungen ergab sich ein unstreitiger Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 4.938,85 EUR. Mit Schreiben vom 21.5.2002 erklärte der Beklagte gegenüber diesem Erstattungsanspruch die Aufrechnung gemäß § 338 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mit einer Gegenforderung des Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von 93.320,99 EUR, die aus folgendem unstreitigen Sachverhalt resultiert:

Um mit dem Rechtsanwalt Dr. W in C eine Sozietät eingehen zu können, nahm der Kläger bei der D-Bank in C einen Kredit in Höhe von 182.520 DM auf. Als Sicherheit diente eine Ausfallbürgschaft der Bürgschaftsbank Nordrhein-Westfalen in O. Für diese Ausfallbürgschaft hatten der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen eine Rückbürgschaft gestellt, aus der sie von der Bürgschaftsbank in Anspruch genommen worden sind. Auch die Ehefrau des Klägers hatte seinerzeit ebenfalls eine betragsmäßig auf 50.000,-- DM begrenzte selbstschuldnerische Bürgschaft für den Kredit des Klägers gegenüber der D-Bank übernommen.

Gegenüber der von dem Beklagten erklärten Aufrechnung wendete der Kläger ein, seine Ehefrau sei mit der Aufrechnung nicht einverstanden, weil ihr gegenüber keine Aufrechnungslage bestehe. Die von ihr der D-Bank gegenüber abgegebene Bürgschaftserklärung sei sittenwidrig. Sie habe weder eine Berufsausbildung genossen noch sei sie jemals berufstätig gewesen, Vielmehr habe sie sich der Erziehung ihrer drei gemeinsamen Kinder gewidmet. Obwohl diese Umstände der D-Bank bekannt gewesen seien, habe diese gleichwohl auf der Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung durch die Ehefrau bestanden. Eine unter diesen Umständen abgegebene Bürgschaftserklärung sei jedoch, wie der Bundesgerichtshof mit Urteilen vom 14.5.2002 - XI ZR 50/01, NJW 2002, 2228 und XI ZR 81/01, NJW 2002, 2230, festgestellt habe, sittenwidrig und somit nichtig. Seine Ehefrau sei allerdings mit einer Verrechnung der Einkommensteuer-Erstattungsansprüche gegenüber seinen Umsatzsteuerschulden betreffend die Jahre 1994 und 1995 einverstanden, falls diese vom Finanzgericht bestätigt werden sollten. Andernfalls, d.h. wenn seine diesbezüglich erhobene Klage Erfolg haben sollte, sollten die Einkommensteuer-Erstattungsansprüche mit künftigen Einkommensteueransprüchen verrechnet werden.

Der Beklagte hielt jedoch, nach Abstimmung mit dem vom Kläger angerufenen Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen daran fest, dass die Aufrechnung rechtens sei. Über die Wirksamkeit der Bürgschaftserklärung der Ehefrau könne im Besteuerungsverfahren nicht entschieden werden; hierfür seien die Zivilgerichte zuständig.

Auf Antrag des Klägers vom 4.1.2003 erging hierauf der hier angefochtene Abrechnungsbescheid vom 17.3.2003, der zum 24.5.2002 ein Guthaben zugunsten des Klägers und seiner Ehefrau in Höhe von 4.754,83 EUR ausweist. Dieser Betrag ist jedoch, was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig ist, offenbar unrichtig; das Guthaben beträgt vielmehr 4.938,85 EUR. Es wurde vom Beklagten weisungsgemäß an die Landeshauptkasse überwiesen, was in dem Abrechnungsbescheid auch zum Ausdruck gebracht wurde.

Gegen diesen Abrechnungsbescheid legten der Kläger und seine Ehefrau fristgerecht Einspruch ein. Sie halten daran fest, dass die Ehefrau aus der von ihr abgegeben Bürgschaft wegen Sittenwidrigkeit der Erklärung nicht in Anspruch genommen werden könne.

Mit Einspruchsentscheidung vom 6.4.2004, auf die Bezug genommen wird, wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die vorliegende, fristgerecht bei Gericht eingegangene Klage. Zur Begründung trägt der Kläger, unter Aufrechterhaltung seines Vorbringens im Vorverfahren, weiter vor, die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen des Landes Nordrhein-Westfalen sei rechtswidrig. Das Land Nordrhein-Westfalen könne nur Ansprüche gegen ihn - den Kläger - geltend machen, nicht jedoch gegen seine Ehefrau. Die Sittenwidrigkeit der von ihr abgegeben Bürgschaftserklärung ergebe sich daraus, dass sie voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld dauerhaft würde aufbringen können. Sein, des Hauptschuldners, ggf. bestehendes Leistungsvermögen sei hierbei nicht zu berücksichtigen. Die Bürgschaftserklärung sei auch aus einem anderen Grund sittenwidrig: Der D-Bank als Altgläubigerin sei zum Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung bekannt gewesen, dass der Wert der Einzelpraxis des Rechtsanwalts Dr. W zum Zeitpunkt der Bürgschaftsabgabe 0,00 DM betragen habe und dass die anderslautenden Bilanzen gefälscht gewesen seien, weswegen gegen den Rechtsanwalt Dr. W auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Er, der Kläger, sei jedoch aufgrund der Bilanzen von einer wohlhabenden Kanzlei des Dr. W ausgegangen, weshalb er fest davon ausgegangen sei, seine Ehefrau würde aus der Bürgschaft, zu der auch er selbst sie gedrängt habe, niemals in Anspruch genommen werden. Das Land Nordrhein-Westfalen sei daher verpflichtet, die sittenwidrige Bürgschaft herauszugeben.

Der Kläger beantragt,

den Abrechnungsbescheid des Beklagten vom 17.3.2003 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben und festzustellen, dass die Aufrechnung des Beklagten vom 21.5.2002 mit einer Forderung des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Erstattungsanspruch des Klägers und seiner Ehefrau rechtswidrig ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung.

Auf die Erörterungsschreiben des Gerichts vom 4.8.2006 und 7.8.2006 hat der Kläger sich nicht mehr geäußert.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der gegenüber beiden Eheleuten ergangene, allerdings nur von dem Kläger angefochtene Abrechnungsbescheid vom 17.3.2003 ist rechtens und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (arg. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Nach § 218 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung --AO-- ist über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus Steuerschuldverhältnissen betreffen, durch einen Verwaltungsakt zu entscheiden, der in Anlehnung an die frühere Regelung in § 125 der Reichsabgabenordnung allgemein als Abrechnungsbescheid bezeichnet wird. Sinn und Zweck eines solchen Bescheides besteht erkennbar darin, über eine Streitigkeit zwischen Schuldner und Gläubiger (Finanzbehörde), die die Verwirklichung von Steueransprüchen betrifft, eine für die Beteiligten verbindliche Klärung zu schaffen (vgl. BFH-Urteil vom 5. Juli 1988 VII R 142/84, BFH/NV 1990, 69; ebenso Alber in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 218 AO Rz. 77 ff. [November 1997]). Zu den Streitigkeiten über die Verwirklichung von Ansprüchen aus Steuerschuldverhältnissen gehören diejenigen über das Erlöschen von Zahlungsansprüchen aus Steuerschuldverhältnissen und damit auch eine Streitigkeit über das Bestehen eines Erstattungsanspruchs (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juli 1986 VII R 10/82, BStBl II 1986, 776). Der Ausspruch der Finanzbehörde über die Streitigkeit, ob ein Erstattungsanspruch durch Aufrechnung i.S. des § 226 AO erloschen ist, hat feststellende Wirkung.

2. Soweit in dem BFH-Urteil vom 27. März 1968 VII 306/64, BStBl II 1968, 501) ausgeführt wird, dass im Abrechnungsbescheid auch zu entscheiden sei, wodurch das Erlöschen der Zahlungsverpflichtung eingetreten sei, was in dem Rechtsstreit, der diesem Urteil zugrunde lag, streitig war, genügt der angefochtene Abrechnungsbescheid vom 17.3.2003 dieser Anforderung. Denn am Ende des Abrechnungsbescheides führt der Beklagte wie folgt aus: "Die Guthaben mit Wert 24.5.2002 in Höhe von 4.754,83 EUR wurden aufgrund der Abtretung vom 2.11.1998 an die Landeshauptkasse Az. vv4709-41448-III A 2 ausgezahlt". Der Abrechnungsbescheid ist auch im Übrigen inhaltlich hinreichend bestimmt; Einwendungen hiergegen sind von dem Kläger auch nicht vorgetragen worden.

Im Streitfall geht es darum, ob der Steuererstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 1 AO des Klägers durch die Aufrechnungserklärung des Beklagten vom 21.5.2002 wirksam zum Erlöschen gebracht wurde. Soweit der Kläger in Bezug auf die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung des Beklagten geltend macht, der entsprechende Abrechnungsbescheid vom 17.3.2003 sei rechtswidrig und dies damit begründet, dass die von seiner Ehefrau gegenüber der D-Bank C abgegebene Bürgschaft über 50.000,-- DM wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei, kann das angerufene Gericht über das Bestehen oder Nichtbestehen der Gegenforderung des Beklagten jedoch nicht entscheiden. Hierfür sind folgende Erwägungen maßgebend:

Eine Aufrechnung i.S. des § 226 Abs. 1 AO ist zwar auch zulässig und materiellrechtlich wirksam, wenn Forderung und Gegenforderung in verschiedenen Verfahrensarten, die eine vor dem Zivilgericht, die andere vor dem FG, geltend zu machen sind (so bereits BFHBeschluss vom 6. August 1985 VII B 3/85, BStBl II 1985, 672; Urteil des Bundesgerichtshofes BGH vom 11. Januar 1955 I ZR 106/53, BGHZ 16, 124, 127). Hier bestehen keine verfahrensmäßigen Schwierigkeiten, wenn die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung unstreitig ist oder sie von der zuständigen Verwaltungsbehörde oder dem zuständigen Gericht rechtskräftig festgestellt worden ist. Das Gericht, das zur Entscheidung über die Klageforderung zuständig ist, braucht dann über das Bestehen der Gegenforderung nicht zu entscheiden. Mit der Entscheidung darüber, ob die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit der (unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten) Gegenforderung zulässig war und ganz oder teilweise zum Erlöschen der Klageforderung geführt hat, verbleibt es innerhalb des ihm gesetzlich zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs.

Verfahrensrechtliche Probleme, die die materiellrechtliche Zulässigkeit der Aufrechnung indessen nicht hindern, wirft die Aufrechnung mit einer Gegenforderung, für die ein anderer Rechtsweg als für die Klageforderung gegeben ist, dagegen dann auf, wenn diese -wie im Streitfall- nicht rechtskräftig festgestellt ist und vom Kläger bestritten wird. Denn nach § 322 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ZPO ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht ist, der materiellen Rechtskraft fähig. Es besteht somit die Gefahr, dass ein an sich nicht zuständiges Gericht mit Bindungswirkung gegenüber den nach der Rechtswegzuweisung entscheidungsbefugten Gerichten über das Nichtbestehen der zur Aufrechnung gestellten Forderung entscheidet (BFHBeschluss in BStBl II 1985, 672).

An dieser Rechtslage hat auch die Neufassung des § 17 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes --GVG-- nichts geändert. Zwar entscheidet nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG i.d.F. des am 1. Januar 1991 in Kraft getretenen 4. Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung (4.VwGOÄndG) vom 17. Dezember 1990, BGBl I, S. 2809, der gemäß § 155 FGO im Finanzgerichtsprozess entsprechende Anwendung findet, das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit "unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten". Diese Bestimmung eröffnet eine rechtswegüberschreitende Sachkompetenz, sofern der beschrittene Rechtsweg zu dem angerufenen Gericht für einen Klagegrund zulässig ist (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 11/7030, S. 37). Dem angerufenen Gericht wird hiermit die Pflicht auferlegt, in den Fällen, in denen die Klageforderung auf mehrere, an sich verschiedenen Rechtswegen zugeordnete Anspruchsgrundlagen gestützt werden kann, über sämtliche Klagegründe zu entscheiden, sofern der beschrittene Rechtsweg für einen von ihnen gegeben ist (Albers in Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, § 17 GVG Rdnr. 6; Zöller/Gummer, Zivilprozessordnung, § 17 GVG Rdnr. 5 ff.; BGH-Urteil vom 28. Februar 1991 III ZR 53/90, NJW 1991, 1686).

Die Ausweitung des Prüfungsumfanges durch die Neuregelung des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG erstreckt sich aber nicht auf den Fall der Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung (so wohl auch Bundesverwaltungsgericht --BVerwG--, Beschluss vom 7. Oktober 1998 3 B 68/97, NJW 1999, 160). Denn bei der zur Aufrechnung gestellten rechtswegfremden Forderung handelt es sich nicht um einen "rechtlichen Gesichtspunkt" i.S. des § 17 Abs. 2 GVG, sondern um ein selbständiges Gegenrecht, das dem durch die Klage bestimmten Streitgegenstand einen weiteren selbständigen Gegenstand hinzufügt (vgl. Bundesarbeitsgericht --BAG--, Beschluss vom 23. August 2001 5 AZB 3/01, NJW 2002, 317). Die Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung ist vielmehr vergleichbar mit den Fällen der objektiven Klagehäufung (vgl. BGH in NJW 1991, 1686) sowie der Widerklage, für die ebenfalls keine Entscheidungsbefugnis besteht (Zöller/Gummer, a.a.O., § 17 GVG Rdnr. 10; Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung mit Nebengesetzen, § 145 Rdnr. 24, § 17 GVG Rdnr. 9; Rupp, NJW 1992, 3274; Musielak, Juristische Schulung --JuS-- 1994, 817, 823). Gegen eine erweiternde Auslegung von § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG spricht zudem, dass die Problematik der Aufrechnung mit rechtswegfremden Gegenforderungen bei der Änderung der §§ 17 ff. GVG durch das 4.VwGOÄndG seit langem bekannt gewesen ist, aber die Gesetzesmaterialien (BTDrucks 11/7030, S. 37 ff.) allein die Fälle alternativer und kumulativer Klagebegründungen durch verschiedene Anspruchsgrundlagen behandeln (BAG-Beschluss in NJW 2002, 317). Bei Zulassung der Prozessaufrechnung mit rechtswegfremden Forderungen käme es auch erneut zu unbefriedigenden Rechtswegzersplitterungen, die durch die §§ 17 ff. GVG n.F. gerade ausgeschaltet werden sollten. Soweit beispielsweise eine aufzurechnende Forderung des öffentlichen Rechts zur Tilgung einer zivilrechtlichen Forderung verwendet würde, wäre ein Zivilgericht zur Entscheidung über Bestehen oder Nichtbestehen des zur Aufrechnung gestellten Teils der Gegenforderung zuständig, während der Streit um den restlichen Teil der Gegenforderung vor den Finanz-/Verwaltungsgerichten auszutragen wäre, wobei diese hinsichtlich dieses Forderungsteiles nicht einmal an die rechtskräftige Beurteilung des Zivilgerichts hinsichtlich des anderen Teils gebunden sind; dies wäre ein Ergebnis, das die angestrebte Prozessökonomie in ihr Gegenteil verkehrt (Rupp, NJW 1992, 3274; Musielak, JuS 1994, 823; Zöller/Gummer, a.a.O., § 17 Rdnr. 10; Thomas/Putzo, a.a.O., § 145 Rdnr. 24, m.w.N.; Hessischer Verwaltungsgerichtshof --VGH--, Urteil vom 7. Oktober 1993 5 UE 1398/91, NJW 1994, 1488, 1490).

Soweit im Schrifttum vielfach die Auffassung vertreten wird, die Entscheidungskompetenz des für die Klage zuständigen Gerichts sei auch für eine zur Aufrechnung gestellte rechtswegfremde Gegenforderung gegeben, vermag das erkennende Gericht dieser von ihm zunächst geteilten Auffassung (Hinweisschreiben vom 4.8.2006) im Einklang mit dem Bundesfinanzhof (vgl. Beschluss vom 9. April 2002 VII B 73/01, BStBl II 2002, 509 und BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 1759) nicht zu folgen. Begründet wird die Literaturauffassung im Wesentlichen mit der Gesamttendenz der Neuregelung der §§ 17 bis 17b GVG durch das 4.VwGOÄndG, unnötige Rechtswegstreitigkeiten und Rechtswegaufspaltungen möglichst zu vermeiden, sowie die Verfahren zu beschleunigen und im Hinblick auf die Gleichwertigkeit aller Gerichtsbarkeiten als Verfassungsprinzip. Diesem Gesetzeszweck würde es widersprechen, wenn man § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG nur auf die Fälle der Anspruchskumulation anwenden und es im Falle der Aufrechnung mit rechtswegfremden Forderungen bei der Aufspaltung der Rechtswege belassen würde. Im Interesse der Prozessökonomie und der Rechtschutzeffektivität sei daher die Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung mit der rechtlichen Kumulation rechtswegunterschiedlicher Klagegründe prozessrechtlich gleich zu behandeln (so: Kissel, Gerichtsverfassungsgesetz, 2. Aufl., § 13 Rdnr. 76, § 17 Rdnr. 40; Schenke/Ruthig, NJW 1992, 2505, 2510 ff., und NJW 1993, 1374; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 17 GVG Rdnr. 6; Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl., § 40 Rdnr. 45; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl. 2006, Anhang § 33 Rz. 14; Rozek in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 226 AO 1977 Rz. 135 ff.; Steinhauff, daselbst, § 34 FGO Rz. 64 ff.; vgl. auch Hessischer VGH, Beschluss vom 28. Januar 1994 3 TG 2026/93, Deutsches Verwaltungsblatt --DVBl-- 1994, 806).

Das erkennende Gericht schließt sich der Rechtsauffassung des BFH a.a.O. an und vermag die Gegenmeinung aus nachfolgenden Erwägungen nicht zu teilen: Einer Erstreckung der Entscheidungsbefugnis auf rechtswegfremde Forderungen steht schon der vom Gesetzgeber mit dem Rechtswegesystem verfolgte Zweck entgegen, dass über unterschiedliche Arten von Ansprüchen dafür fachlich besonders qualifizierte Gerichte in einem dafür vorgeschriebenen spezifischen Verfahren entscheiden sollen (vgl. auch Greger in Entscheidungen für Wirtschaftsrecht --EWiR-- 1/2002, 19; § 17 GVG). Eine Rechtfertigung für die Durchbrechung dieses Prinzips ergibt sich aus dringenden prozessökonomischen Gründen in den Fällen, in denen derselbe prozessuale Anspruch auf mehreren eigentlich verschiedenen Rechtswegen zugeordneten Anspruchsgrundlagen beruht. Eine vergleichbare prozessuale Situation liegt im Fall der Prozessaufrechnung aber nicht vor. Hier wird der verfahrensrechtliche Zusammenhang erst durch die Prozesshandlung eines Beteiligten hergestellt. Die vom Gesetzgeber angestrebte Beschleunigung des Verfahrens kann es in diesem Falle nicht rechtfertigen, auf die Fachkompetenz der jeweiligen Fachgerichtsbarkeit zu verzichten und die Entscheidung (§ 322 Abs. 2 ZPO) über die zur Aufrechnung gestellte Forderung dem vorgeschriebenen Rechtsweg zu entziehen (vgl. Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 12. April 2000 6 U 3646/99, Juris; Zöller/Gummer, a.a.O., § 17 GVG Rdnr. 10, m.w.N.), was angesichts der teilweise erheblichen Unterschiede in den einzelnen Verfahrensordnungen nicht gerechtfertigt erscheint.

Sofern dem Gericht eine Entscheidung über eine rechtswegfremde zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht zusteht, kann eine endgültige Sachentscheidung über die anhängige Klage nicht getroffen werden. Die in einer solchen Verfahrenssituation grundsätzlich gebotene Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 1985, 672 und vom 23. Februar 1988 VII R 52/85 BStBl II 1988, 500) bis zu einer Entscheidung des zuständigen Fachgerichts scheidet im Streitfall aus, weil der Kläger mit Schriftsatz vom 28.8.2006 erklärt hat, dass eine zivilrechtliche Klage nicht anhängig sei und "derzeit" nicht beabsichtigt sei, eine solche zu erheben.

3. Das vorstehend dargestellte Kompetenzhindernis hindert das angerufene Gericht gleichwohl nicht daran, durchzuerkennen. Denn die Klage ist bereits aus einem anderen Grund unbegründet, ohne dass es auf die Wirksamkeit der von der Ehefrau des Klägers abgegebenen Bürgschaft ankäme.

Der hier in Rede stehende Erstattungsanspruch aus den Einkommensteuerveranlagungen 1994 und 1995 in Höhe von insgesamt 4.938,85 EUR (nicht 4.754,83 EUR) resultiert allein aus den veranlagten Einkünften des Klägers. Dass dieser mit seiner Ehefrau nach § 26 Abs. 1 EStG zusammen veranlagt wurde, ist unerheblich. Der Erstattungsanspruch stand somit materiell allein dem Kläger zu. Jedenfalls ihm gegenüber bestand eine Aufrechnungslage, denn er war der Darlehensschuldner eines von der D-Bank C bewilligten Kredits über 182.520,-- DM, für den der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen letztlich bürgten. Dass auch die Ehefrau des Klägers eine Bürgschaft in Höhe von 50.000,-- DM eingegangen war, ändert nichts an der Aufrechnungslage gegenüber dem Kläger. Insoweit hat der Beklagte mit Schreiben vom 21.5.2002 wirksam die Aufrechnung erklärt mit der Folge, dass der Erstattungsanspruch des Klägers gemäß § 47 AO erloschen ist.

4. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.



Ende der Entscheidung

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