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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 19.09.2006
Aktenzeichen: 6 K 2049/05
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 2 Abs. 1 S. 1
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

6 K 2049/05

Tenor:

Der Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 17. Januar 2001 wird in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. September 2001 aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens inklusive der Kosten des Revisionsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin aus Rechnungen ihres Geschäftsführers A.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Ihre Tätigkeit beruht auf den Erfindungen und Patenten von A, der hauptberuflich als Universitätsprofessor sowie freiberuflich beratend und als Gutachter tätig ist. A war bis Juni 2000 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin. Diese Tätigkeit übte er zunächst unentgeltlich und nachfolgend auf der Grundlage eines am 22. September 1997 geschlossenen Honorarvertrages aus. Der Vertrag trifft folgende Regelungen:

(...)

Herr A. ist zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH bestellt. Er war in der Vergangenheit ehrenamtlich tätig. Mit Wirkung vom 15. Juli 1997 nimmt er seine Tätigkeit als freier Mitarbeiter auf Honorarbasis wahr und es wird folgendes vereinbart:

A. wird der GmbH in zeitlichem Rahmen nach eigenem Ermessen zur Verfügung stehen. Er bestimmt Ort und den Umfang seiner Tätigkeit selbst und ist an keine Vorschriften der Gesellschaft gebunden.

Er erhält mit Wirkung ab 15. Juli 1997 ein von ihm selbst zu versteuerndes monatliches Pauschalhonorar von DM 9.000 zuzüglich MWSt. Darüber hinaus werden ihm Spesen und Auslagen nach Maßgabe der steuerlichen Vorschriften oder Nachweis erstattet, ebenfalls zuzüglich gesetzlicher MWSt.

Diese Vereinbarung gilt ab 15. Juli 1997 und ist beidseitig mit einer Frist von drei Monaten jeweils zum Monatsende kündbar.

Weitere Regelungen traf der Honorarvertrag nicht. Das monatliche Pauschalhonorar wurde später auf DM 5.000 zuzüglich Mehrwertsteuer gesenkt.

A stellte der Klägerin die vertraglich geschuldeten Vergütungen zuzüglich offen ausgewiesener Mehrwertsteuer in Rechnung. Außerdem erfasste er die Vergütungen in seinen Umsatzsteuererklärungen und zahlte die danach geschuldete Umsatzsteuer. Die Klägerin ihrerseits zog bei ihren Umsatzsteuererklärungen die von A in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer als Vorsteuer ab. Dem folgte zunächst der Beklagte im Umsatzsteuerbescheid 1999.

Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass A gegenüber der GmbH weisungsabhängig und deshalb nichtselbständig tätig sei. Dem folgte der Beklagte auch hinsichtlich der Umsatzsteuer und ließ im geänderten Umsatzsteuerbescheid 1999 den Vorsteuerabzug aus den von A in Rechnung gestellten Geschäftsführerhonoraren nicht mehr zu.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte im ersten Rechtszug keinen Erfolg. Der Senat entschied durch Urteil vom 30.04.2003 in dem Verfahren 6 K 5692/01 (EFG 2004, 539), dass der Geschäftsführer einer GmbH bereits aufgrund seiner Organstellung gesellschaftsrechtlich dem Weisungsrecht der Gesellschaft unterworfen sei, was eine selbständige und damit unternehmerische Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- ausschließe.

Die hiergegen zugelassene Revision führte zur Aufhebung des vorgenannten Urteils und zur Zurückverweisung der Sache. In seinem Urteil vom 10. März 2005 (V R 29/03, BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730) führt der BFH hierzu aus, dass alleine die Organstellung des Geschäftsführers und die sich aus § 37 Nr. 1 des Gesetzes betreffend der Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG-- ergebende Weisungsgebundenheit gegenüber der Gesellschafterversammlung eine selbständige Tätigkeit nicht ausschließe. Vielmehr richte sich die Entscheidung nach den allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung von selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit, wobei das Gesamtbild der Verhältnisse maßgeblich sei.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Gesamtbild der Tätigkeit von A für eine selbständige Tätigkeit spreche. So schaffe der Honorarvertrag kein Verhältnis der Unterordnung des A. Dieser schulde keine Arbeitskraft, denn seine Honorierung sei von der Arbeitsleistung unabhängig. Auch könne A alleine bestimmen ob, wann und wie er tätig werde. Schließlich treffe der Vertrag auch keine Regelung über Krankheit oder Urlaub. A könne mithin nach eigenem Gusto hierüber entscheiden, ohne dass die Klägerin dies verhindern könne. Gegen eine Eingliederung in das Unternehmen der Klägerin spreche auch, dass A alleine die Kenntnis über sämtliche Geschäftsabläufe habe. Auch sei die Absicht der Vertragsparteien, einen Honorarvertrag abzuschließen, zumindest ein Indiz für die Selbständigkeit.

Schließlich trage A auch das Unternehmerrisiko. Er übe die Geschäftsführertätigkeit im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit aus, die auch seine Berater-, Gutachter- und Sachverständigentätigkeit umfasse. Insoweit nehme er am wirtschaftlichen Verkehr teil und trage das Vergütungsrisiko.

Die Klägerin ist im übrigen der Auffassung, dass es nach den Grundsätzen des Urteil des BFH vom 17. Mai 2001 V R 77/99 (BFH/NV 2001, 1168) bereits das Neutralitätsgebot des Umsatzsteuerrechts gebiete, dass die Finanzgerichtsbarkeit (auch ohne vorherigen Antrag beim Beklagten) eine Billigkeitsentscheidung zu treffen habe. Denn der Ermessensspielraum des Beklagten sei im vorliegenden Fall aufgrund von Europarecht auf Null reduziert.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 17. Januar 2001 und die Einspruchsentscheidung vom 5. September 2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass A nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nichtselbständig tätig sei. Hierfür spreche, dass A auch während seiner Urlaubs- und Krankheitszeiten Anspruch auf Honorar habe. Auch könne man die Tätigkeit von A nicht mit einer pauschal vergüteten Beratungstätigkeit einer Anwaltskanzlei vergleichen, da auch während Urlaubs- und Krankheitszeiten Beratungsleistungen erwartet würden und der Anwalt nicht - wie der Geschäftsführer - in die Betriebsorganisation eingegliedert sei. Auch trage A kein Vergütungsrisiko, da er nur das Insolvenzrisiko der Klägerin habe, das auch jeder andere Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes trage. Schließlich werde A aufgrund des Beratungsvertrages nur gegenüber der Klägerin tätig und nehme insoweit nicht am wirtschaftlichen Verkehr teil.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht aus den Rechnungen des A für seine Geschäftsführertätigkeit der Vorsteuerabzug zu.

Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Insbesondere hat A seine Geschäftsführertätigkeit als Unternehmer für die Klägerin erbracht.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Eine berufliche Tätigkeit wird selbständig ausgeübt, wenn sie auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung erbracht wird und nicht nichtselbständig ist. Eine Tätigkeit wird nichtselbständig ausgeübt, wenn der Leistende so in ein Unternehmen eingegliedert ist, dass er den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet ist (BFH-Urteil vom 9. Oktober 1996 XI R 47/96, BFHE 182, 384, BStBl II 1997, 255). Hierbei ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend (BFH-Urteil vom 9. Oktober 2002 V R 73/01, BFH/NV 2003, 132 m.w.N.).

Mit seinem Urteil vom 10. März 2005 V R 29/03 (BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730) hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Tätigkeit eines GmbH-Geschäftsführer bereits aufgrund des Weisungsrechts der Gesellschafterversammlung (§ 37 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) nichtselbständig war aufgegeben. Vielmehr ist auch für die Einordnung der Tätigkeit eines GmbH-Geschäftsführers das Gesamtbild der Verhältnisse im o.g. Sinne maßgebend. Hierzu sind die für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale gegeneinander abzuwägen, wobei die einzelne Merkmale ggf. unterschiedlich zu gewichten sind (BFH-Urteil vom 10. März 2005 V R 29/03, BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730; vom 29. Juni 2000 V R 28/99, BFHE 191, 468, BStBl II 2000, 597).

Hierbei kommt dem Merkmal des Unternehmerrisikos in Form des Vergütungsrisikos ein erhebliches Gewicht zu (BFH-Urteil vom 10. März 2005 V R 29/03, BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730; m.w.N.). Wenn eine Vergütung für Ausfallzeiten nicht gezahlt wird, spricht dies für Selbständigkeit, wogegen die grundsätzliche Freistellung von einem Vermögensrisiko der Erwerbstätigkeit für die Nichtselbständigkeit spricht (BFH-Urteile vom 2. Dezember 1998 X R 83/96, BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534, m.w.N.).

Hiervon ausgehend ist die Geschäftsführertätigkeit des A im Streitjahr als selbständige Tätigkeit einzustufen.

Denn A trug nach den Bestimmungen seines Geschäftsführervertrages insbesondere unmittelbar das Vergütungsrisiko seiner Geschäftsführertätigkeit. Denn er hatte entgegen der Ansicht des Beklagten keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall. Zwar stand A eine feste Vergütung von monatlich netto 9.000 DM zu. Doch dafür musste er seine Vertragspflichten rund um das Jahr uneingeschränkt erfüllen. A schuldete nämlich aufgrund seines Vertrages nicht eine bestimmte Arbeitsleistung, sondern den "Erfolg" der ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Damit hatte er der Klägerin stets zur Verfügung zu stehen, wenn es die ordnungsgemäße Geschäftsführung erforderte, unabhängig von Urlaubs- und Krankheitszeiten. Dass dies auch der Fall war, hat A im Rahmen der mündlichen Verhandlung glaubhaft bestätigt, wonach er seinen Urlaub nach den Bedürfnissen der Klägerin anpasste, in den Anfangsjahren der Gesellschaft nur wenig Urlaub machte, während des Urlaubs telefonisch zur Verfügung stand und für die Geschäftsführung auch schon mal seinen Urlaub ab- bzw. unterbrach. Im Falle einer dauerhaften Verhinderung hätte A mangels Vertragserfüllung keinen Vergütungsanspruch gehabt. Dass dies aufgrund des weiten Ermessens von A über Art und Umfang seiner Geschäftsführertätigkeit nur in extremen Ausnahmefällen, beispielsweise im Falle einer schweren Erkrankung oder eines Komas, zum Tragen gekommen wäre, ist für die generelle Beurteilung unerheblich.

Darüber hinaus trug A auch in einem weiteren Sinne das Vergütungsrisiko für seine Geschäftsführertätigkeit bei der Klägerin. Denn nach den glaubhaften Ausführungen des A in der mündlichen Verhandlung wurde sein monatliches Honorar je nach dem geschäftlichen Erfolg des Unternehmens angepasst, und zwar in der Regel nach unten. Dies lag auch der Reduzierung von zunächst 9.000 DM auf 5.000 DM zu Grunde. Den geschäftlichen Erfolg des Unternehmens konnte A aber unmittelbar beeinflussen. Denn die Klägerin wurde von A (zusammen mit Kapitalgebern) zur Umsetzung und Vermarktung seiner Forschungsergebnisse gegründet. Hierzu stellte A der Klägerin seine Forschungsergebnisse zur Verfügung. Daneben war A für die Akquisition von Aufträgen sowie die Durchführung von Beratungsleistungen zuständig. Die Klägerin war mithin für A ein "Vehikel der wirtschaftlichen Fruchtziehung" seiner wissenschaftlichen Tätigkeit an der Universität. A lieferte die Ideen und die Kunden für die Klägerin, was typischer Weise die zentralen Aufgaben eines Unternehmers sind. Folglich war die Klägerin ohne die Mitarbeit des A nicht existenzfähig. Diese Schlüsselstellung des A für die Klägerin wird auch durch den Umstand belegt, dass die Klägerin kurz nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer ihren Geschäftsbetrieb eingestellt und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hat. Demnach war A insoweit auch in der Lage (und auch gezwungen), eigene Unternehmerinitiative zu entfalten.

A war auch nicht in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert. Denn seine Stellung im Unternehmen schließt ein weisungsabhängiges Unterordnungsverhältnis zur Klägerin aus. Dies ergibt sich zum einen aus den Bestimmungen des Honorarvertrages, wonach er seine Tätigkeit als Geschäftsführer nach eigenem zeitlichen Ermessen ausüben und deren Ort und Umfang selbst bestimmen durfte sowie an keine Vorschriften der Gesellschaft gebunden war. Dies ergibt sich zum anderen aus der zuvor dargelegten Schlüsselstellung des A für die Existenz und den wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin.

Dem steht auch nicht die Aussage des A in der mündlichen Verhandlung entgegen, dass ihn in seinen Urlaubszeiten andere Mitarbeiter der Klägerin vertreten haben. Denn dies führte nicht zu einer Eingliederung des A in das Unternehmen der Klägerin. Angesichts seiner starken Stellung und der von ihm zu entfaltenden Unternehmerinitiative ist hierin eher eine Eingliederung von Mitarbeitern der Klägerin in das selbständige Unternehmen "Geschäftsführung" des A zu sehen. Insoweit wurden die Mitarbeiter der Klägerin sozusagen als Erfüllungsgehilfen des A tätig. Daneben kann die Aussage des A nicht dahin gehend verstanden werden, dass sich die Vertretung auch auf wesentliche Entscheidungen der Geschäftsführung bezogen hätte. Denn für wesentliche Entscheidungen, Fragestellungen und Termine wurde A im Urlaub kontaktiert oder hat seinen Urlaub ab- bzw. unterbrochen.

Aufgrund der Vielzahl der für die Selbständigkeit sprechenden Feststellungen gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass A im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit selbständig und damit unternehmerisch tätig geworden ist. Gewichtige Umstände, die gegen eine Selbständigkeit sprächen sind nicht gegeben. Vielmehr handelt es sich bei A um das Normbild eines selbständig tätigen Geschäftsführer einer GmbH.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.



Ende der Entscheidung

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