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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 11.09.2007
Aktenzeichen: 9 K 2035/07
Rechtsgebiete: EStG, GewStG


Vorschriften:

EStG § 15 Abs. 2 S 1
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2
GewStG § 2 Abs. 1 S. 1
GewStG § 2 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

9 K 2035/07

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger führte in den Streitjahren eine Praxis für Laboratoriumsmedizin, in der etwa 113.000 bis 126.000 Untersuchungsaufträge jährlich bearbeitet wurden, d.h. rund 440 bis 500 Befunde arbeitstäglich anfielen. Wegen der genauen Berechnung wird auf die Anlage 1 des Betriebsprüfungsberichts vom 13. Mai 2002 verwiesen. Der Beklagte sah die Tätigkeit des Klägers als gewerblich an und erließ die angefochtenen und durch Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 bestätigten Gewerbesteuermessbescheide.

Der Kläger hat die Arbeitsabläufe in seiner Laborpraxis detailliert in den Anlagen zu seinem Schriftsatz vom 7. August 2007 beschrieben. Auf den Inhalt dieses Schriftsatzes nebst Anlagen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Unstreitig erfolgte die Befundung nicht nur durch den Kläger, sondern auch durch den ebenfalls in der Laborpraxis beschäftigen Dr. N., der als Facharzt eigenverantwortlich tätig war und nicht durch den Kläger kontrolliert wurde. Dr. N. und der Kläger traten nach außen hin als Gemeinschaftspraxis auf. Nach der tatsächlich durchgeführten Vereinbarung stand Dr. N. aber weder ein Anteil am Praxisinventar zu noch war er zur Geschäftsführung berechtigt. Der Gewinn aus der Gemeinschaftspraxis stand allein dem Kläger zu. Dr. N. hatte lediglich Anspruch auf eine jährliche Vergütung von 200.000 DM. Bei seinem Ausscheiden standen ihm keine Ansprüche zu. Auf den Inhalt der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Vereinbarung wird Bezug genommen, ebenso auf den Inhalt der Erörterungsniederschrift vom 18. April 2007 in dem dieselben Beteiligten betreffenden Verfahren 9 K 5671/03.

Der Kläger ist der Ansicht, seine Einkünfte aus der Tätigkeit als Laborarzt seien freiberuflicher Natur. Dazu hat er vorgetragen, sein Labor gehöre zu den kleineren und werde durchaus von ihm selbst geprägt. Er habe diesem Labor und allen Abläufen vom Eingang der Proben bis zu deren Befundung seinen persönlichen Stempel aufgedrückt. Er habe die Abläufe festgelegt, deren Einhaltung selbst kontrolliert und auch die untersuchten Proben freigegeben. Die Einkünfte des Dr. N., der weder als Beigeladener in das Verfahren einbezogen noch als Zeuge vernommen worden sei, seien als solche aus selbständiger Tätigkeit zu behandeln. Er könne nicht als Angestellter in den Betrieb des Klägers eingeordnet werden. Die klassischen Prüfungskriterien einer unselbständigen Tätigkeit des Dr. N. lägen nicht vor. Ihm seien weder bestimmte Anwesenheitszeiten noch bestimmte Urlaubszeiten vorgeschrieben worden. Er habe zudem seinen Verantwortungsbereich selbständig organisiert und verantwortet. Werde von der steuerlichen Einordnung vermittels der Vertragsstruktur abgesehen, so habe es im Labor des Klägers bei Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse zwei Verantwortungs- und Organisationsbereiche gegeben. Dies werde auch durch das Qualitätshandbuch gestützt. Darin seien die übergeordneten Verantwortlichkeiten entweder dem Kläger oder Dr. N. zugewiesen. Dies könne nicht dazu führen, dass Dr. N. mangels sinnvoller Alternativen zwar zum einen weiterhin Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit gehabt haben solle und nicht ebenfalls aus gewerblicher Tätigkeit, zum andern aber sein Bereich dem Kläger als diesem untergeordnet zugewiesen werde, so dass dessen gesamte Einkünfte über die sog. Fallzahlen nunmehr gewerblich sein sollten. Bei dieser Sachlage sei allein die Aufteilung des Labors in zwei Bereiche nach den Verantwortungs- und Tätigkeitsbereichen sinnvoll.

Der Kläger beantragt,

die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide für 1997 bis 2001 vom 10. März 2004 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 aufzuheben.

Der Beklagte hält an seiner Einspruchsentscheidung fest, auf deren Inhalt verwiesen wird, und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung nicht im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rechtswidrig in seinen Rechten verletzt. Der Beklagte sieht den Kläger zu Recht als Gewerbetreibenden an.

Der Kläger ist nicht schon deshalb gewerbesteuerfrei, weil er als Arzt Angehöriger eines sog. Katalogberufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in Verbindung mit § 15 Abs. 2 Satz 1 des EStG ist ein der Gewerbesteuerpflicht unterliegender Gewerbebetrieb einerseits durch positive Merkmale definiert, nämlich durch die selbständige nachhaltige Betätigung, die Gewinnerzielungsabsicht und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Diese positiven Merkmale werden von den Beteiligten nicht in Frage gestellt und liegen zweifelsfrei vor.

Andererseits ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG die negative Abgrenzung zu (unter anderen) der Ausübung eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Dazu gehört die freiberufliche Tätigkeit eines Arztes. Ein Angehöriger eines freien Berufs in diesem Sinne ist auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist, dass er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Eine Vertretung im Fall vorübergehender Verhinderung steht der Annahme einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit nicht entgegen (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG).

Der Kläger war in den Streitjahren zwar auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend tätig. Die Gewerbesteuerfreiheit des Klägers scheitert aber daran, dass er nicht die gesamte fachärztliche Tätigkeit in Rahmen seines Laboratoriums eigenverantwortlich durchgeführt hat.

Bedient sich ein Angehöriger eines freien Berufs nicht nur zur vorübergehenden Vertretung der Mithilfe eines Berufskollegen, so wird er gewerbesteuerpflichtig, wenn er nicht selbst eigenverantwortlich dessen Tätigkeiten überwacht und wenn der Berufskollege auch nicht als Mitunternehmer tätig ist.

Der Kläger hat nicht selbst eigenverantwortlich die fachärztlichen Tätigkeiten des Dr. N. überwacht. Dr. N. war nicht nur vorübergehend und vertretungshalber, sondern nachhaltig in gleicher Weise wie der Kläger eigenverantwortlich tätig, ohne abschließend vom Kläger beaufsichtigt und kontrolliert zu werden. Auch der Kläger hat eingeräumt, dass Dr. N. im Rahmen seiner Tätigkeit uneingeschränkt fachärztlich verantwortlich war. Daher trifft es nicht zu, dass der Kläger sämtlichen Befunden "seinen persönlichen Stempel aufgedrückt" hat. Wie der Beklagte in seiner Einspruchsentscheidung zutreffend ausgeführt hat, spricht bereits die Anzahl der in der Praxis ausgeführten Laboraufträge dagegen. Insoweit folgt das Finanzgericht der Begründung der Einspruchsentscheidung, so dass gemäß § 105 Abs. 5 FGO keine wiederholende Darstellung erforderlich ist. Der Kläger hätte Dr. N. nicht für jährlich 200.000 DM engagiert, wenn er die Befunde alle selbst hätte vornehmen wollen und können.

Dr. N. war auch nicht Mitunternehmer in einer Gemeinschaftspraxis. Zwar kann die freiberufliche Tätigkeit auch von mehreren Berufsangehörigen im Rahmen eines Gesellschaftsverhältnisses ausgeübt werden. Dann müssen aber alle Gesellschafter die persönlichen Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit erfüllen, d.h. alle Gesellschafter müssen als freiberufliche Mitunternehmer zu qualifizieren sein, so dass jeder ein unternehmerisches Risiko zu tragen und eine unternehmerische Initiative zu entfalten hat (Schmidt/Wacker, EStG, 26. Aufl. 2007, § 18 Rn. 39 und 42, jeweils mit Nachweisen der höchstrichterlichen Rechtsprechung).

In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob der nachhaltig beschäftigte Berufskollege als sozial abhängiger Arbeitnehmer oder als freier Mitarbeiter tätig ist oder wie sich das Beschäftigungsverhältnis nach außen hin darstellt.

Dr. N. war als freier Mitarbeiter des Klägers beschäftigt und somit kein Mitunternehmer. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass Dr. N. für eine feste Jahresvergütung tätig war und keine Beteiligungs- und Geschäftsführungsrechte hatte. Ein freies Mitarbeiterverhältnis ist nicht nur dann anzunehmen, wenn einzelne Aufträge übertragen und übernommen werden, sondern kann auch bei einer auf Dauer angelegten und nachhaltigen Beschäftigung bestehen. Es unterscheidet sich dann von einem abhängigen Arbeitsverhältnis vor allem dadurch, dass der freie Mitarbeiter fachlich weitgehend weisungsfrei bleibt und sozial nicht von seinem Auftraggeber abhängig ist.

Dass Dr. N. und der Kläger nach außen hin als Praxisgemeinschaft auftraten, ist für die Frage der Mitunternehmerschaft unbeachtlich. Ebenso ist unbeachtlich, welcher Einkunftsart das für Dr. N. zuständige Finanzamt bei ihm angenommen hat. Das Finanzgericht ist im vorliegenden Verfahren daran nicht gebunden. Eine Aufteilung des gesamten Laborertrags kommt ebenfalls nicht in Frage, da nach der durchgeführten Vereinbarung der Gesamtgewinn ausschließlich dem Kläger zustand.

Der somit unterlegene Kläger trägt gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Verfahrenskosten.

Ende der Entscheidung

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