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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 04.11.2008
Aktenzeichen: 9 K 2227/04
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 4 Abs. 2 | |
EStG § 6b Abs. 1 |
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Kläger sind Vater und Sohn und erwirtschaften seit dem 1. Juli 1991 in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in X (Westbetrieb). Seit dem 1. Juli 1995 bewirtschaften die Kläger außerdem einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Nähe von N (Ostbetrieb). Im Westbetrieb waren in den Wirtschaftsjahren 1993/94 und 1994/95 Ländereien veräußert worden. Die aufgedeckten stillen Reserven wurden einer Rücklage nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in den Bilanzen des Westbetriebs zugeführt, die jeweils zeitnah dem Beklagten eingereicht worden waren.
In den Bilanzen für den Ostbetrieb haben die Kläger bis zum 30. Juni 1995 keine Rücklagen nach § 6b EStG ausgewiesen. In den Bilanzen ab 30. Juni 1996, die im Dezember 1999 dem Finanzamt N eingereicht wurden, erklärten die Kläger die Übertragung von Rücklagen, die durch die oben genannten Landverkäufe im Westbetrieb entstanden waren. In einer landwirtschaftlichen Betriebsprüfung des Ostbetriebs ist dies unbeanstandet geblieben. Die entsprechenden Feststellungsbescheide für den Ostbetrieb sind bestandskräftig.
Bei einer Prüfung des Westbetriebs wurden zu den Rücklagen gemäß § 6b EStG Feststellungen getroffen, die in den Textziffern 15 und 16 des Betriebsprüfungsberichts vom 4. Dezember 2002 enthalten sind, auf deren Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird. Der Betriebsprüfer löste gemäß § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG die gebildeten Rücklagen zum 30. Juni 1998 und 1999 wegen Ablaufs der jeweiligen Vierjahresfrist mit entsprechenden Gewinnzuschlägen nach § 6b Abs. 7 EStG gewinnerhöhend auf. Gegen die dementsprechend geänderten Feststellungsbescheide für 1997 bis 1999 vom 5. März 2003 legten die Kläger Einsprüche ein. Diese wurden durch Einspruchsentscheidung vom 30. März 2004 als unbegründet zurückgewiesen, auf deren Inhalt verwiesen wird.
Die Kläger machen geltend, sie hätten gemeinsam zwei getrennte landwirtschaftliche Betriebe bewirtschaftet. Die Gewinne aus Flächenverkäufen im ersten Betrieb seien nach § 6b EStG auf Grundstücke übertragen worden, die im zweiten Betrieb hinzugekauft worden seien. Der Beklagte habe die Übertragung der Rücklagen nicht zugelassen und dies damit begründet, dass nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG in der ab dem 1. Januar 1999 geänderten Fassung eine Bilanzänderung verboten sei. Es handele sich hier jedoch um eine Bilanzberichtigung im Sinne der unveränderten Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG, so dass die Übertragung der Rücklagen nach § 6b EStG zu Recht vorgenommen worden sei.
Nach R 41b Abs. 8 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) könne eine nach § 6b Abs. 3 EStG gebildete Rücklage erst in dem Wirtschaftsjahr übertragen werden, in dem der Abzug von den Anschaffungskosten bei Wirtschaftsgütern des anderen Betriebes vorgenommen werde. Voraussetzung für die erfolgsneutrale Ausbuchung zu Lasten des Kapitalkontos beim Westbetrieb sei also die Übertragung und der Ausweis der Rücklage im Ostbetrieb. Danach könne ausgebucht werden. Zunächst sei bei der Bilanzerstellung im Westbetrieb von dem Wahlrecht nach § 6b Abs. 3 EStG Gebrauch gemacht worden, indem die Rücklage in der dortigen Bilanz ausgewiesen wurde. Die Bilanzen des Ostbetriebs zum 30. Juni 1996 bis 1998 seien am 10. Dezember 1999 dem zuständigen Finanzamt in N eingereicht worden, wobei das Wahlrecht zur Übertragung von Rücklagen ausgeübt worden sei. Das Finanzamt in N habe das Finanzamt für landwirtschaftliche Betriebsprüfung damit beauftragt, die Rechtmäßigkeit der Übertragung der Rücklagen festzustellen, was geschehen sei.
Der Beklagte sei für diese Feststellung nicht zuständig. Vielmehr seien die streitigen Fragen im Ostbetrieb durch das dortige Finanzamt abschließend geklärt worden. Dieses habe als zuständige Stelle bindend festgestellt, in welcher Höhe Rücklagen in die dortige Bilanz überführt worden seien. Mit Erstellung der Bilanzen des Ostbetriebes seien die im Westbetrieb noch ausgewiesenen Rücklagen somit doppelt berücksichtigt worden. Die bisher richtige Bilanz des Westbetriebes sei somit durch die Erstellung der Ostbilanzen falsch geworden. Die Übertragung der Rücklagen in den Ostbetrieb sei ein Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) mit Rückwirkung auf die Westbilanzen. Deshalb hätten die Kläger am 10. Dezember 1999 notwendigerweise eine berichtigte Westbilanz eingereicht.
Der Beklagte lehne die korrigierte Westbilanz im Hinblick auf § 4 Abs. 2 EStG ab, wonach nur noch Bilanzberichtigungen, nicht aber Bilanzänderungen zugelassen seien. § 6b Abs. 1 EStG stelle jedoch eine Sonderregelung dar. Beide Betriebe hätten hier ein eigenes Wahlrecht ausgeübt. Ein solches werde nach § 24 Abs. 3 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) in der aufnehmenden Bilanz ausgeübt. Die abgebende Bilanz sei daran gebunden und daher zwingend zu berichtigen. Es könne nicht sein, dass sowohl die ursprüngliche Bilanz des Westbetriebs als auch die Bilanz des Ostbetriebs richtig seien. Somit handele es sich im Streitfalle nicht um eine Bilanzänderung, sondern um eine Bilanzberichtigung. Es müsse möglich sein, voneinander abhängige Bilanzansätze nach den §§ 174, 175, 169 und 180 AO aufeinander abzustimmen, da der Sachverhalt in zwei Feststellungsbescheiden widerstreitend enthalten sei.
Die Kläger beantragen,
die angefochtenen Feststellungsbescheide unter Aufhebung der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung zu ändern, indem die betragsmäßig unstreitigen Rücklagen nach § 6b EStG nicht im Westbetrieb, sondern im Ostbetrieb berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Die Kläger werden durch die angefochtenen Feststellungsbescheide des Beklagten nicht im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rechtswidrig in ihren Rechten verletzt. Diese Feststellungsbescheide sind weder zu beanstanden noch zu berichtigen.
Die Kläger haben in den ursprünglichen Westbilanzen ihr Übertragungswahlrecht nach § 6b EStG wirksam ausgeübt und müssen sich daran festhalten lassen; eine nachträgliche Berichtigung dieser Bilanzen nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG ist nicht zulässig. Eine rückwirkende Änderung der Erstbilanzen des Westbetriebs kann auch nicht dadurch erreicht werden, dass die Kläger ihr Übertragungswahlrecht erneut und in anderer Weise in dem Ostbetrieb ausgeübt haben.
Der Beklagte hat die Rücklagen nach § 6b Abs. 3 Satz 5 und Abs. 7 EStG zutreffend aufgelöst.
Nach § 6b Abs. 1 EStG können Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden u.a. auf Anschaffungskosten von Grund und Boden, die im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder im vorangegangenen Wirtschaftsjahr entstanden sind, übertragen werden. Soweit eine Übertragung nicht vorgenommen wird, kann nach § 6b Abs. 3 EStG im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden, die dann auf Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach § 6b EStG begünstigter Wirtschaftsgüter übertragen werden kann, die in den folgenden vier Jahren angeschafft oder hergestellt werden. Ist eine Rücklage am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahrs noch vorhanden, so ist sie nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG zu diesem Zeitpunkt mit einem Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG von 6 % für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, gewinnerhöhend aufzulösen.
Diese Voraussetzungen lagen hier vor, so dass die bei Ablauf der Vierjahresfrist mit den unstreitigen Beträgen vorhandenen Rücklagen aufzulösen waren.
Entgegen der Auffassung der Kläger konnten die im Westbetrieb gebildeten Rücklagen nicht auf Anschaffungskosten begünstigter Wirtschaftsgüter im Ostbetrieb übertragen werden. Die Kläger hatten das ihnen nach § 6b EStG zustehende Ansatzwahlrecht für die Gewinne aus den Grundstücksverkäufen im Westbetrieb ausgeübt. Die nachträgliche Auflösung und die rückwirkende Übertragung auf den Ostbetrieb sind durch § 6b EStG nicht gedeckt.
Die Kläger hätten ihr Ansatzwahlrecht nur dann nachträglich anders ausüben können, wenn eine Änderung der ursprünglich vorgenommenen Bilanz möglich gewesen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Nach § 4 Abs. 2 EStG in der durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 geltenden Fassung, die nach § 52 Abs. 9 EStG auch für Veranlagungszeiträume vor 1999 gilt, wäre nur eine Bilanzberichtigung zulässig, deren Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen.
Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG darf der Steuerpflichtige die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt im Wege der Bilanzberichtigung ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung unter Befolgung der Vorschriften des EStG nicht entspricht. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG ist darüber hinaus eine Bilanzänderung nur zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Änderung nach Satz 1 steht und soweit diese sich auf den Gewinn auswirkt.
Bei den nachträglich eingereichten Westbilanzen zum 30. Juni 1996 bis 1998 handelt es sich nicht um Bilanzberichtigungen im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG. Die ursprünglich eingereichten Westbilanzen waren hinsichtlich der ausgewiesenen Rücklagen weder unrichtig noch wurden sie dies. Denn durch eine erneute und anderweitige Ausübung des Ansatzwahlrechts nach § 6b EStG wird die ursprüngliche Ausübung desselben Ansatzwahlrechts nicht unrichtig. Dies kann auch nicht mit Hilfe verfahrensrechtlicher Änderungsvorschriften bewirkt werden.
Im Wege einer Bilanzberichtigung im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG können nur Bilanzansätze richtiggestellt werden, die gegen zwingende Vorschriften des Handels- oder Steuerrechts verstoßen. Die in den ursprünglichen Westbilanzen enthaltenen Rücklagen nach § 6b EStG waren jedoch keine berichtigungsfähigen unrichtigen Bilanzansätze und wurden dies auch nicht dadurch, dass die Kläger später in den Ostbilanzen erneut dieselben Rücklagen bildeten.
Damit scheidet auch eine Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG aus. Denn diese steht unter der hier nicht gegebenen Voraussetzung, dass sie durch eine Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG veranlasst wird.
Wenn etwas fehlerhaft ist, dann sind es die Ostbilanzen, über die hier aber nicht zu entscheiden ist. Dass dieses Vorgehen sich in bestandskräftigen Feststellungsbescheiden für den Ostbetrieb niederschlug, bewirkt keine Unrichtigkeit der Bilanzen des Westbetriebs. Es sind nicht die hier angefochtenen Feststellungsbescheide fehlerhaft, sondern allenfalls die bestandskräftigen Feststellungsbescheide des Ostbetriebs nach § 174 AO zu berichtigen. Dies ist jedoch nicht hier zu entscheiden.
Demgemäß bleibt die Klage ohne Erfolg. Die unterlegenen Kläger haben die Kosten des Verfahrens nach § 135 Abs. 1 FGO zu tragen. Ein Grund im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO für eine Revisionszulassung ist weder geltend gemacht worden noch ersichtlich.
Ende der Entscheidung
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