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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 19.09.2006
Aktenzeichen: 9 K 2696/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 7 Abs. 1 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

9 K 2696/05

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Versicherungszahlung für ein im Sonderbetriebsvermögen des Klägers enthaltenes Fahrzeug in voller Höhe Betriebseinnahme ist und innerhalb welcher Nutzungsdauer der erworbene Praxiswerts abzuschreiben ist.

Der Kläger war von 1996 bis 2004 Partner einer 1992 gegründeten Anwaltssozietät und zunächst mit 6 v. H., ab 1998 mit 6,81 v. H., seit 2000 mit 8,372 v. H. und seit 2002 mit 9,934 v. H. an der Partnerschaftsgesellschaft beteiligt. Die anteiligen Mitunternehmeranteile wurden jeweils von zweien der drei Gründungspartner erworben. Im Partnerschaftsvertrag war festgelegt, dass die beiden Gründungspartner ihre Beteiligung schrittweise bis 2004 bzw. 2008 an die übrigen Partner veräußern sollten. Bei jedem Erwerb durch den Kläger wurden stille Reserven des Praxiswerts aufgedeckt. Die Anschaffungskosten hierfür stellte die Partnerschaft, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte, in eine Ergänzungsbilanz für den Kläger ein und schrieb den Praxiswert zunächst auf eine Nutzungsdauer von sechs Jahren ab, während der Beklagte nach einer Außenprüfung von einer Nutzungsdauer von acht Jahren ausgeht.

Mit Eintritt in die Partnerschaft verpflichtete sich der Kläger, der Gesellschaft seinen Pkw entgeltlich zu überlassen, worüber ein separater Nutzungsvertrag geschlossen wurde. Die Partnerschaft rechnete den Pkw des Klägers zu dessen Sonderbetriebsvermögen im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Das im Oktober 2000 angeschaffte Fahrzeug des Klägers wurde im März 2001 aus dessen Privatgarage entwendet. Bei einem Buchwert von 113.147,13 DM betrug die Erstattung aus der Kaskoversicherung 144.010,35 DM. Der Kläger erfasst die Versicherungserstattung unter Abzug eines Betrages von 45.881,70 DM mit der Begründung als Sonderbetriebseinnahme, dass die Versicherungszahlung in Höhe von 31,86 v. H. der Privatssphäre zuzurechnen sei. Die Privatnutzung ermittelte der Kläger in der Weise, dass er die 2001 insgesamt gefahrenen 27.806 km in einen dienstlichen Anteil von 18.947 km (= 68,14 v. H.) und in einen privaten Anteil (Privatfahrten 5.085 km, Fahrten Wohnung/Büro 3.774 km, insgesamt 8.859 km = 31,86 v. H.) aufteilte, während der Beklagte nach der Außenprüfung die Erstattung der Kaskoversicherung für den gestohlenen Pkw in voller Höhe als Einnahme versteuerte.

Wegen der Beträge im Einzelnen wird auf Tz. 2.2.4 und 2.2.9 sowie Anlage 6 zum Betriebsprüfungsbericht vom 28. März 2004 sowie auf die entsprechend geänderten Feststellungsbescheide der Streitjahre 1999 bis 2002 vom 1. Juli 2004 verwiesen. Der Einspruch dagegen blieb erfolglos und wurde durch Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2005, auf dessen Inhalt wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurückgewiesen.

Der Kläger macht geltend, bei dem Praxiswert sei von einer Nutzungsdauer von sechs Jahren auszugehen. Es sei nicht zwischen dem erstmaligen und späteren Erwerb des Sozietätspraxiswertes zu unterscheiden. Der Erwerb des Praxiswerts 1996 sei bereits Gegenstand einer vorangegangenen Betriebsprüfung gewesen. Dort sei die Festlegung einer Nutzungsdauer von sechs Jahren nicht beanstandet worden. Von Anfang an seien die Veräußerung und der Erwerb der Praxisanteile vereinbart worden. Es handele sich insofern um ein einheitliches Rechtsgeschäft in 1995. Der Hinweis des Beklagten, dass nach § 2 Abs. 7 EStG die Besteuerungsgrundlagen jährlich festzustellen sei, könne nicht tragfähig sein, da auch der Betriebsprüfungsbericht vom 26. März 2004 für die bereits geprüften Jahre die Nutzungsdauer der Abschreibung der bis 1996 erworbenen Praxisanteile nicht auf acht Jahre erhöht habe.

Bei Zerstörung eines betrieblich genutzten Fahrzeugs sei nach der Kommentierung einer Aufspaltung der Versicherungsleistung nach dem Verhältnis zwischen dienstlicher und privater Fahrzeugnutzung vorzunehmen. Die Fahrten zwischen Wohnung und Büro müssten zu den Privatfahrten gerechnet werden. Das entscheidende Verhältnis dienstlicher und privater Fahrzeugnutzung sei nach Fahrtenbuch einheitlich für das gesamte Veranlagungsjahr vorzunehmen. Ein auf ein einzelnes Fahrzeug bezogenes Verhältnis wäre nicht folgerichtig, weil die im jeweils maßgeblichen Steuerzeitraum entscheidenden Verhältnisse abzubilden seien. Maßgeblich sei das Jahr 2001, in dem das erste Fahrzeug gestohlen und die Versicherungsleistung gezahlt worden sei. Auch habe der Kläger den Versicherungsprämienanteil zwangsläufig privat zu tragen, so dass die auf diesen Anteil entfallende Versicherungsleistung dem Privatvermögen zuzuordnen sei. Abgesehen davon fehle es an einer Zuordnung des Diebstahls aus der Privatgarage zur dienstlichen Nutzung, so dass die Ersatzleistung nicht als Betriebseinnahme zu erfassen sei. Die vom Beklagten zitierten Entscheidungen gäben dafür nichts her.

Mit Schriftsatz vom 24. August 2006 hat der Kläger seine Rechtsauffassung noch einmal zusammengefasst und zudem geltend gemacht, die Revision müsse zur Sicherung der Rechtssprechungseinheit zugelassen werden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Schriftsatzes verwiesen.

Der Kläger beantragt,

die angefochtenen Feststellungsbescheide für 1999 bis 2002 zu ändern, indem zum einen die Erhöhung der Sonderbetriebseinnahme von 45.881,70 DM = 23.458,94 EUR in 2001 gem. Tz. 2.2.9 (am Ende) des Betriebsprüfungsberichts rückgängig gemacht und zum anderen die AfA auf den Praxiserwerb gemäß Anlage 6 zum Betriebsprüfungsbericht 1999 um 2.259,90 DM, 2000 um 7.280,90 DM, 2001 um 7.280,90 DM = 3.722,67 EUR und 2002 um 6.530,20 EUR erhöht wird,

hilfsweise

die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

Der Beklagte hält an seiner Einspruchsentscheidung fest und beantragt

Klageabweisung.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Feststellungsbescheide nicht rechtswidrig in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Der Beklagte hat die Nutzungsdauer des im Ergänzungsvermögen geführten Praxiswerts des Klägers zutreffend mit acht statt mit sechs Jahren angenommen und eine entsprechende Abschreibung vorgenommen.

Der anlässlich der Gründung einer Sozietät aufgedeckte Praxiswert stellt ebenso wie der Wert einer erworbenen Einzelpraxis ein abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut dar. § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG ist jedoch auf die Bemessung der AfA für den Einzel- oder Sozietätspraxiswert nicht anzuwenden. Wegen der Beteiligung und der weiteren Mitwirkung des bisherigen Praxisinhabers ist vielmehr davon auszugehen, dass die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des anlässlich der Gründung einer Sozietät aufgedeckten Praxiswerts länger ist als die Nutzungsdauer des Werts einer erworbenen Einzelpraxis. Demgemäß ist die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zu schätzen.

Die vom Beklagten vorgenommene Schätzung von acht Jahren ist nicht zu beanstanden. Denn sie hält sich im Rahmen sachgerechter Annahmen. Bei jeder Schätzung sind Ungenauigkeiten zwangsläufig. Rechtswidrig ist eine Schätzung erst dann, wenn sie nicht mehr plausibel ist und den Schätzungsrahmen verlässt. Der Beklagte hat zutreffend berücksichtigt, dass die Gründungspartner frühestens im Jahre 2004 aus der Rechtsanwaltspartnerschaft ausscheiden. Wegen des fortbestehenden Einflusses bisheriger Praxisinhaber kann ohne Rechtsfehler davon ausgegangen werden, dass sich der derivativ erworbene Praxiswert nicht früher abnutzt. Demgemäß kommt die Schätzung des Beklagten der Lebenswirklichkeit durchaus nahe.

Dass in einer früheren Außenprüfung eine kürzere Nutzungsdauer angenommen wurde, ist unbeachtlich. Denn die Besteuerungsgrundlagen sind gemäß § 2 Abs. 7 EStG für jeden Besteuerungszeitraum festzustellen, ohne dass der Beklagte an frühere Feststellungen gebunden wäre. Anders ließe sich nämlich eine bessere Erkenntnis nicht verwerten und wäre der Beklagte gezwungen, Fehleinschätzungen aufrecht zu erhalten. Weder eine Bindung nach Treu und Glauben noch eine förmliche verbindliche Zusage liegt im Streitfall vor.

2. Die Versicherungserstattung für den im Sonderbetriebsvermögen geführten Pkw hat der Beklagte zutreffend in voller Höhe als Betriebseinnahme besteuert.

Entscheidend ist, dass die Einnahme dem Kläger uneingeschränkt im Rahmen seiner Einkünfte aus selbständiger Arbeit zugeflossen ist. Denn die Einnahme wäre nicht denkbar, wäre die Vermögenseinbuße an dem im Betriebsvermögen geführten Fahrzeug nicht eingetreten. Anders als bei Verkehrsunfallschäden, wo im Einzelnen nach der privaten oder beruflichen Veranlassung der Unfallfahrt gefragt werden muss, ist hier unerheblich, dass das Fahrzeug auch privat genutzt und in der Privatgarage entwendet wurde. Denn die Ersatzleistung kompensierte die Betriebsvermögenseinbuße. Für die Versicherungsleistung und deren steuerliche Behandlung spielt es mithin keine Rolle, in welcher Weise das zum Betriebsvermögen gehörende Fahrzeug verwendet wurde. Hätte der Kläger das im Betriebsvermögen gehaltene Fahrzeug verkauft, wäre es gleichermaßen ohne Belang gewesen, inwieweit sich die vorherige Nutzung des Fahrzeugs aufteilen ließe. Entscheidend ist im Streitfall, dass der Kläger das Fahrzeug vor dem Diebstahl nicht aus dem Betriebsvermögen entnommen hat. Das Gericht folgt somit nicht der Rechtsauffassung des Klägers und seiner Sicht der Dinge, wie er sie noch einmal in seinem Schriftsatz vom 24. August 2006 vorgetragen hat.

Die Klage bleibt daher ohne Erfolg, so dass der unterlegene Kläger nach § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

II. Es besteht kein Grund im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO, die Revision zuzulassen. Insbesondere liegt weder ein Fall von grundsätzlicher Bedeutung vor noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine höchstrichterliche Entscheidung.

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Bedeutung der Sache darf sich nicht in der Entscheidung des konkreten Einzelfalls erschöpfen, sondern muss eine Vielzahl gleichartiger Fälle betreffen, so dass die höchstrichterliche Entscheidung Breitenwirkung hat. Eine höchstrichterliche Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts erforderlich, wenn im Streitfall über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist oder wenn gewichtige bisher noch nicht erwogene Argumente gegen eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung vorgetragen worden sind. Im Interesse der Rechtseinheit ist eine Revision zuzulassen, um eine unterschiedliche, divergierende Rechtsprechung zu beseitigen oder zu verhindern (Gräber/Ruban, FGO, § 115 Rn. 23, 24, 41 und 43 mit Rechtsprechungsnachweisen).

Dazu hat der Kläger vorgetragen, das Finanzgericht (FG) Hamburg habe sich in seinem der BFH-Entscheidung vom 20. November 2003 IV R 31/02 (NJW 2004, 1343, 1344 DStR 2004, 414 = BStBl II 2006, 7 = BFHE 204, 166 ) vorausgehenden - vom BFH aufgehobenen - Urteil vom 15. April 2002 III 208/01 (EFG 2002, 1285; mit Anm. Valentin, EFG 2002, 1287) im Einklang mit (einem Teil) der Literatur (Schmidt/Heinicke, EStG § 4 Rz. 274; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 267; Kirchhof/Crezelius, EStG § 4 Rz. 251 Versicherungsleistungen, am Ende mit Hinweis auf das vorgenannte BFH-Urteil) in seinem Sinne ausgesprochen, während der BFH die Frage offengelassen habe.

Dies trifft zwar für den zitierten Fall zu. Dennoch besteht kein Grund, eine divergierende Rechtsprechung zu befürchten und die Revision zuzulassen.

Zum einen ist die abweichende Entscheidung des FG Hamburg aufgehoben worden. Zum anderen hat der BFH (am angegebenen Orte mit zahlreichen höchstrichterlichen Entscheidungen belegt) ausgeführt und es besteht kein begründeter Zweifel daran, dass die zum Ausgleich für ein zerstörtes oder gestohlenes Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens gezahlten Versicherungsleistungen grundsätzlich Betriebseinnahmen darstellen, weil es sich insoweit um das stellvertretende commodum im Sinne des § 285 BGB (früher § 281 BGB) handelt, das im Betriebsvermögen an die Stelle des zerstörten oder entwendeten Wirtschaftsgutes getreten ist. Die Versicherungsleistung führt zu einer Mehrung des Betriebsvermögens, die der Minderung des Betriebsvermögens um den Buchwert der abhanden gekommenen Sache gegenüber steht. Das Privatvermögen wird hierdurch nicht berührt, sofern zuvor keine Privatentnahme und vorherige Ausbuchung des Wirtschaftsguts stattgefunden hat. Davon kann im Streitfall keine Rede sein.

Ende der Entscheidung

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