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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 30.06.2005
Aktenzeichen: 9 K 6117/01
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 6b
EStG § 6c
EStG § 14a Abs 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Antrag auf Gewährung des Freibetrags nach § 14a Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch im Falle der Einstellung des Veräußerungsgewinns in eine Rücklage nach den §§ 6b, 6c EStG bereits für den Veranlagungszeitraum der Veräußerung gestellt werden muss oder noch bei Auflösung der Rücklage gestellt werden kann.

Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und ermittelt den Gewinn nach Durchschnittssätzen. Am ... 1991 verkaufte er Grund und Boden für 416.150 DM. Den abzüglich eines Buchwerts von 46.523,42 DM ermittelten Gewinn von 369.626,48 DM stellte er zum 30. Juni 1992 in eine Rücklage gemäß den §§ 6b, 6c EStG ein. Den Veräußerungserlös verwendete der Kläger 1992 zum Teil zur Tilgung betrieblicher Schulden, die bereits zum 1. Juli 1985 bestanden. Die Beteiligten sind in tatsächlicher Hinsicht dahingehend übereingekommen, dass der diesbezügliche Tilgungsanteil aus dem Veräußerungserlös 30 % betrug. Den sich hieraus ergebenden anteiligen Freibetrag nach § 14a Abs. 5 und 6 EStG von 27.000 DM macht der Kläger im Streitjahr 1998 geltend. Er vertritt die Auffassung, dass der Freibetrag im ersten Jahr der steuerlichen Auswirkung anzusetzen sei. Aus den §§ 6c und 14a EStG ergebe sich, dass der Antrag auf Gewährung des Freibetrags noch zulässig sei.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom ... 2001 den Einkommensteuerbescheid für 1998 vom ... 2001 zu ändern, indem der anteilige Freibetrag nach § 14a Abs. 5 und 6 EStG in Höhe von 27.000 DM berücksichtigt wird, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Meinung, der Freibetrag hätte bereits durch Bildung einer niedrigeren Rücklage zum 30. Juni 1992 beantragt werden müssen. Nur der über den Freibetrag hinaus gehende Veräußerungsgewinn wäre in die Rücklage einzustellen gewesen. Der Antrag auf Gewährung des Freibetrages hätte für den Veranlagungszeitraum gestellt werden müssen, in dem das Wirtschaftsjahr der zu begünstigenden Veräußerung beginnt. Wenn bei der Veranlagung für den Veranlagungszeitraum der Veräußerung von Grund und Boden noch nicht bekannt sei, ob und in welchem Umfang der Veräußerungserlös zur begünstigten Schuldentilgung verwendet werde, so sei der Steuerbescheid insoweit vorläufig nach § 165 der Abgabenordnung (AO) zu erteilen. Die Einkommensteuerfestsetzungen für 1991 und 1992 seien jedoch bereits bestandskräftig. Eine Berichtigung der Einkommensteuerveranlagung 1998 unter Berücksichtigung des Freibetrages nach § 14a Abs. 5 EStG komme nicht in Betracht, auch wenn sich erst in diesem Zeitraum durch die Auflösung der Rücklage eine direkte steuerliche Auswirkung ergebe. Bei der Auflösung der Rücklage handele es sich um laufenden, nicht begünstigten Gewinn des Wirtschaftsjahres 1998/1999. Der Standpunkt der Kläger, bei Auflösung der Rücklage und im Moment der steuerlichen Auswirkung könne der Antrag nach § 14a Abs. 5 EStG noch gestellt werden, finde in Literatur und Rechtsprechung keine Bestätigung.

Gründe

Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, den anteiligen Veräußerungsfreibetrag nach § 14a Abs. 5 und 6 EStG im Streitjahr 1998 zu berücksichtigen.

Veräußert ein Steuerpflichtiger nach dem 31. Dezember 1985 und vor dem 1. Januar 1993 (so die Gesetzesfassung vom 7. September 1990, gültig ab 3. August 1988 bis 28. Februar 1992) Teile des zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grund und Bodens, so wird der bei der Veräußerung entstehende Gewinn auf Antrag nur insoweit zur Einkommensteuer herangezogen, als er den Betrag von 90.000 DM übersteigt, wenn der Steuerpflichtige den Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten zur Tilgung von Schulden verwendet, die zu dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören und vor dem 1. Juli 1985 bestanden haben, und das Einkommen des Steuerpflichtigen ohne Berücksichtigung des Gewinns aus der Veräußerung und des Freibetrags in den dem Veranlagungszeitraum der Veräußerung vorangegangenen Veranlagungszeitraum bei zusammenveranlagten Ehegatten 48.000 DM nicht überstiegen hat. Verwendet der Steuerpflichtige den Veräußerungspreis nur zum Teil zur Tilgung betrieblicher Schulden, so ist nur der entsprechende Teil des Gewinns aus der Veräußerung steuerfrei.

Der Veräußerungsgewinn, um dessen steuerliche Freistellung es in § 14a Abs. 5 EStG geht, ist zwar bereits bei der Veräußerung des Grund und Bodens entstanden und mit der Vereinnahmung des Veräußerungserlöses dem Kläger zugeflossen. Dieser Zufluss löst aber erst im Streitjahr 1998 eine Besteuerung aus, so dass die teilweise Freistellung hiervon durch den Freibetrag zeitlich hier anzusetzen hat. Dann aber besteht kein Grund, dem Kläger eine entsprechende Beantragung im Zusammenhang mit der Einkommensteuerveranlagung für 1998 zu versagen.

Die zeitliche Verschiebung der Besteuerung beruht auf den §§ 6b und 6c EStG. Steuerpflichtige, die den Grund und Boden veräußern, können im Wirtschaftsjahr der Veräußerung einen Betrag bis zur vollen Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns unter den Voraussetzungen des § 6b Abs. 1 EStG abziehen oder - was hier geschehen ist - im Wirtschaftsjahr der Veräußerung nach § 6b Abs. 3 EStG eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage bilden, die durch Anschaffungs- oder Herstellungskosten bestimmter Wirtschaftsgüter innerhalb einer bestimmten Frist von vier bzw. sechs Jahren verringert werden kann. Ist die Rücklage am Schluss des sechsten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden, so ist sie in diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen. Soweit nach § 6b Abs. 3 EStG eine Rücklage gebildet werden kann, ist bei Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen die Bildung der Rücklage als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre Auflösung als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln (§ 6c Abs. 1 Satz 2 EStG). Hieraus ergibt sich für den Streitfall, dass der Veräußerungsgewinn, der nach der gesetzlichen Bestimmung des § 14a Abs. 5 und 6 EStG teilweise steuerfrei sein soll, in steuerlicher Hinsicht erst bei Auflösung der Rückstellung, d.h. im Streitjahr als entstanden anzusehen ist. Insofern wird § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG (Vereinnahmung bei Zufluss) durch § 6c Abs. 1 Satz 2 EStG als Spezialvorschrift verdrängt.

Entgegen der Auffassung des Beklagten hätte der Kläger die Rücklage nicht schon zum 30. Juni 1992 mit einem um den anteiligen Freibetrag verringerten Betrag bilden müssen. Der vom Beklagten angesprochene Fall der vorläufigen Besteuerung (§ 165 AO) bei erst nachträglicher Verwendung des Veräußerungspreises zur Schuldentilgung liegt hier nicht vor. Auch ist es für das hier vorliegende Rechtsproblem unerheblich, ob es sich bei der Auflösung der Rücklage um laufenden Gewinn handelt. Streitentscheidend ist vielmehr das zeitliche Zusammenwirken der §§ 6b, 6c und 14a Abs. 5 EStG hinsichtlich der dabei bestehenden Wahlmöglichkeiten und Antragsvoraussetzungen.

Im Hinblick auf die Möglichkeit der Rücklagenbildung nach den §§ 6b, 6c EStG macht es keinen Sinn, den Steuerpflichtigen bereits bei der Veranlagung des Zeitraums, in dem der Veräußerungsgewinn entstanden ist, zur Ausübung des Antrags zu zwingen. Denn dann müsste er den Antrag nach § 14a Abs. 5 Satz 1 EStG bereits zu einem Zeitpunkt stellen, in dem die erst Jahre später sich ergebenden steuerlichen Auswirkungen noch nicht absehbar sind. Es liegt nicht im gesetzgeberischen Interesse, die Inanspruchnahme des Freibetrags zeitlich zu beschränken, wenn von den Möglichkeiten der Gewinnverlagerung nach den §§ 6b, 6c EStG Gebrauch gemacht wird. Insofern ergänzen sich die Steuervergünstigungen und sollen sich nicht gegenseitig beeinträchtigen oder ausschließen.

Die Rechtsauffassung des Senats lässt sich im Streitfall mit der Kommentarmeinung von Mittelpleininger in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 14a Rn. 155, in Einklang bringen. Danach kann einem nachträglich gestellten Antrag auf Gewährung eines Freibetrags nach § 14a Abs. 4 EStG nur noch dann und insoweit gefolgt werden, als die betroffenen Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind und soweit einer damit verbundenen Bilanzänderung nicht § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG entgegen steht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Aussagen zu Abs. 4 des § 14a EStG unverändert auch für dessen Abs. 5 gelten. Die Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids für den Veräußerungszeitraum ist hier nämlich unerheblich, weil der Freibetrag sich darauf nicht auswirkt und dieser Bescheid daher nicht geändert werden muss. Der Einkommensteuerbescheid des Streitjahrs, in dem sich der beantragte Freibetrag auswirkt, ist jedoch noch nicht bestandskräftig und kann daher ohne weiteres antragsgemäß geändert werden. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG steht dem im Streitfall schon deshalb nicht entgegen, weil der Kläger seinen Gewinn nach Durchschnittssätzen ermittelt und nicht durch Betriebsvermögensvergleich. Die gesetzlichen Beschränkungen für eine Bilanzänderung lassen sich nicht auf die Änderung des Verzeichnisses nach § 6c Abs. 2 EStG übertragen. Vielmehr spricht nichts dagegen, dieses Verzeichnis auch nachträglich zu erstellen oder zu verändern, wenn ein Antragsrecht ausgeübt wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. August 1984 IV R 151/81, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1985, 47 zu § 7a Abs. 9 EStG 1975 - jetzt Abs. 8).

Die Klage hat daher Erfolg, wobei die Übertragung der weiteren Berechnungen auf den Beklagten auf § 100 Abs. 2 Satz 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beruht. Der unterlegene Beklagte hat nach § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Zu der durch den Rechtsstreit aufgeworfenen Rechtsfrage, ob nämlich der Antrag auf Gewährung des Freibetrags nach § 14a Abs. 5 EStG auch im Falle der Einstellung des Veräußerungsgewinns in eine Rücklage nach den §§ 6b, 6c EStG bereits für den Veranlagungszeitraum der Veräußerung gestellt werden muss oder noch bei Auflösung der Rücklage gestellt werden kann, gibt es - soweit ersichtlich - noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung, so dass die Revision nach § 115 Abs. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen wird.

Ende der Entscheidung

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