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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 07.12.2006
Aktenzeichen: 14 K 3654/05
Rechtsgebiete: UStG, AO


Vorschriften:

UStG § 18 Abs. 3 S. 2
AO § 34
AO § 35
AO § 37
AO § 69
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 3654/05

Haftung für Körperschaftsteuer Umsatzsteuer

In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

ohne mündliche Verhandlung

am 7. Dezember 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist die Haftungsinanspruchnahme des Klägers für Abgabenschulden der Firma TCH Ltd mit Sitz in London /Großbritannien und Betriebsstätte in B. Gegenstand des Unternehmens war der Verkauf und Versand von Mode-und Geschenkartikeln in B.

Der Kläger ist einer der Geschäftsführer der Firma E Ltd. Diese gründete im Auftrag von Herrn G die Firma TCH Ltd. Dem durch Herrn G erteilten Auftrag lagen die "Allgemeinen Geschäftsbestimmungen und Bedingungen" der E Ltd zugrunde, in denen sich die neue Gesellschaft unter anderem dazu verpflichtete, alle Steuerschulden ordnungsgemäß zu bezahlen. Als Beginn der Tätigkeit wurde im Fragebogen zur Gründung einer Kapitalgesellschaft der 1. Dezember 1999 angegeben (Bl. 2 der Akte Dauerunterlagen).

Gesellschafter der TCH Ltd war die Firma K Ltd, die für den Zeitraum 23. November 1999 bis 1. Oktober 2001 auch die Aufgaben des Geschäftsführers ("Director") innehatte. "Director" der Firma K Ltd war der Kläger. Ab Juli 2001 beendete die TCH Ltd ihre Betriebsstätte in Deutschland und unterhielt nur noch eine inaktive Domizilgesellschaft im Ausland (Bl. 88 der Haftungsakte). Als Direktor der K Ltd erteilte der Kläger am 22. November 1999 Herrn G Generalvollmacht zur Ausführung sämtlicher geschäftsführender Aufgaben der TCH Ltd. Diese beinhaltete das Alleinvertretungs-und Zeichnungsrecht, die Befugnis zum Erwerb von Liegenschaften und Beteiligungen aller Art sowie die Ausübung sämtlicher geschäftsführender Aufgaben der Gesellschaft.

Für die Jahre 1999, 2000 und 2001 reichte die Firma TCH Ltd weder Umsatzsteuerjahreserklärungen noch Körperschaftsteuererklärungen ein. Umsatzsteuervoranmeldungen wurden nur bis zum 2. Quartal 2001 mit erheblicher Verspätung abgegeben. In den Voranmeldungen der Monate Oktober bis Dezember 2000 meldete die TCH Ltd Umsatzsteuerüberschüsse an, die zu Vergütungen durch das Finanzamt (FA) in Höhe von 5.405,68 DM führten.

Mit Schreiben vom 1. April 2003 kündigte das FA dem Kläger die beabsichtigte Haftungsinanspruchnahme an und forderte ihn zu Abgabe des Berechnungsbogens zur Ermittlung der Haftungssumme auf. Der Kläger sandte das Anschreiben sowie den Berechnungsbogen unausgefüllt zurück und erläuterte hierzu im Wesentlichen, dass er die TCH Ltd im Rahmen eines Treuhandservices gegründet habe und nicht für die Tätigkeiten dieser Firma verantwortlich sei.

Mit Bescheid vom 18. Juni 2003 nahm das FA den Kläger neben Herrn G wegen rückständiger Abgaben der TCH Ltd in Höhe von insgesamt 45.610,50 EUR in Haftung.

Mit Einspruchsentscheidung vom 2. September 2005 wurde die Haftungsschuld auf 40.616,35 EUR herabgesetzt und der Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der hiergegen eingelegten Klage macht der Kläger geltend, dass er zu Unrecht in Haftung genommen werde. Er könne nicht für die Tätigkeiten der TCH Ltd zur Verantwortung gezogen werden. Die Geschäftsführung der TCH Ltd sei ausschließlich durch die Firma Kingston Ltd ausgeübt worden. Er selbst sei nur Direktor bzw. Geschäftsführer der Kingston Ltd gewesen. Die Director-Stellung der K Ltd könne in Deutschland nicht maßgebend sein, da sie nur in Großbritannien als Director eingetragen gewesen sei.

Als Geschäftsführer einer GmbH hafte er nur für eigenes Verschulden und nicht für das seiner Erfüllungsgehilfen. Zu einer Überwachung Herrn G habe es zumindest solange keinen Anlass gegeben, bis der Steuerberater der TCH Ltd sein Mandat am 13. Oktober 2000 niedergelegt habe. Auch bei einer gewissenhaften Überprüfung Herrn G wäre ihm nicht bewusst geworden, dass dieser Vorsteuern in Anspruch genommen habe, die ihm nicht zugestanden hätten. Im Übrigen hätten der Gesellschaft zu keiner Zeit Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden.

Das FA treffe außerdem ein Mitverschulden, da es nichts unternommen habe, um die Geschäftsführerin der TCH Ltd über die gegenüber Herrn G verfügte Gewerbeuntersagung zu informieren oder Herrn G daran zu hindern, geschäftlich tätig zu werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Haftungsbescheid vom 18. Juni 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. September 2005 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten und die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die Klage ist unbegründet, das FA hat den Kläger zu Recht für Abgabeschulden der TCH Ltd in Haftung genommen.

1. Gemäß § 69 Abgabenordnung 1977 (AO) haften die in den Vorschriften der §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolge dessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben gemäß § 34 Abs. 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten (§ 34 Abs. 1 S. 2 AO).

a) Gesetzlicher Vertreter der TCH Ltd war unbestritten die Kingston Ltd, für die der Kläger seinerseits als gesetzlicher Vertreter handelte. Der Kläger hatte daher als "Director" die steuerlichen Pflichten der K Ltd und damit zugleich auch die hier streitgegenständlichen steuerlichen Pflichten der TCH Ltd gemäß § 34 Abs. 1 AO zu erfüllen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. April 1984 V R 128/79, BStBl 1984, 776 undvom 2. Juli 1987 VII R 162/84, BFH/NV 1988, 220 zu der vergleichbaren Konstellation bei einer GmbH & Co. KG).

b) Dem Vortrag des Klägers, dass der "Director" der K Ltd nur in Großbritannien, nicht aber in Deutschland gesetzlicher Vertreter sei, kann nicht gefolgt werden. Nach dem vorgelegten englischen Handelsregisterauszug war die K Ltd "Director" der TCH Ltd, London. Da für die inländische Betriebsstätte kein Handelsregistereintrag hinsichtlich eines anderen inländischen Geschäftsführers ersichtlich ist, war die K Ltd auch für die Niederlassung in B gesetzlicher Vertreter. Eine Bestellung zum Geschäftsführer von Herrn G wurde nicht vorgenommen, ihm wurde nur eine Generalvollmacht erteilt.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ergibt sich die Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH allein aus seiner nominellen Bestellung zum Geschäftsführer ohne Rücksicht darauf, ob sie auch tatsächlich ausgeübt wird (Beschluss des BFH vom 25. April 1989 VII S 15/89, BFH/NV 1994, 71 m.w.N.). Die gesetzlichen Pflichten des Klägers sind also auch nicht dadurch entfallen, dass Herr G im Rahmen einer privatrechtlichen Vereinbarung mit der E Ltd. die steuerlichen Pflichten der TCH Ltd übernommen hat (vgl. die allgemeinen Geschäftsbedingungen der E Ltd, Bl. 61 der Haftungsakte) und aufgrund einer Generalvollmacht die Geschäfte der TCH Ltd faktisch allein verantwortlich geführt hat.

Dies kann lediglich zur Folge haben, dass Herr G - wie auch erfolgt - neben dem gesetzlichen Vertreter als Verfügungsberechtigter i.S.d. § 35 AO zur Haftung gemäß § 69 AO herangezogen werden kann.

Bei einer Übertragung der steuerlichen Angelegenheiten an einen Generalbevollmächtigten, wie es im Streitfall an Herrn G erfolgt ist, ist der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person gehalten, seinen Erfüllungsgehilfen sorgfältig auszuwählen sowie laufend und sorgfältig bei der Durchführung der ihm übertragenen Aufgaben zu überwachen (Urteil des BFH vom 27. November 1990 VII R 20/89, BStBl II 1991, 284). Insbesondere muss er sich so eingehend über den Geschäftsgang unterrichten, dass er unter normalen Umständen mit der ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen kann und ihm ein Fehlverhalten des Beauftragten rechtzeitig erkennbar wird (Urteil des BFH vom 30. Juni 1995 VII R 85/94, BFH/NV 1996, 2). . Dies hat der Kläger offensichtlich unterlassen. Nach seinem eigenen Bekunden ist er davon ausgegangen, dass aufgrund vertraglicher Abreden allein Herr G für die TCH Ltd verantwortlich gewesen sei und räumt ein, dass er selbst für die TCH Ltd niemals tätig geworden sei und nichts mit ihr zu tun gehabt habe (siehe Schreiben des Klägers als Vertreter der E Ltd vom 4. April 2002, Bl. 14 Dauerunterlagen und vom 7. April 2003, Bl. 59 Haftungsakte). Damit gesteht der Kläger selbst ein, dass, obwohl er als Geschäftsführer der K Ltd auch die Pflichten der TCH Ltd zu erfüllen hatte, sich von Anfang an nicht um die Gesellschaft und damit auch nicht um deren Erfüllung der steuerlichen Pflichten gekümmert hat. Damit hat der Kläger zumindest die eventuelle Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten der TCH Ltd durch den von ihm bevollmächtigten G billigend in Kauf genommen. Der Kläger hat die ihm gesetzlich auferlegten steuerlichen Pflichten daher zumindest grob fahrlässig im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 1 AO verletzt.

Der Kläger kann auch nicht einwenden, dass das FA die K Ltd nicht rechtzeitig über die Gewerbeuntersagung gegenüber Herrn G, die Errichtung einer Betriebsstätte der TCH Ltd in Berchtesgaden und die Mandatsniederlegung des Steuerberaters der TCH Ltd informiert habe. Denn daraus, dass - wie der Kläger vorträgt - die K Ltd möglicherweise die Generalvollmacht des Herrn G widerrufen hätte, wenn sie früher über G informiert worden wäre, folgt kein die Pflichtenstellung und damit die Haftung des Klägers einschränkendes Mitverschulden des FA. Als gesetzlichem Vertreter der K Ltd obliegt es vielmehr dem Kläger, sich über die geschäftlichen Tätigkeiten der von ihm vertretenen Gesellschaften zu informieren.

3. Die von der TCH Ltd. begangenen Pflichtverletzungen bestanden in der unrichtigen Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate September bis Dezember 2000 und der ersten beiden Kalendervierteljahre 2001. Letztere wurden außerdem verspätet eingereicht. Darüber hinaus wurden dem FA die Umsatzsteuerjahreserklärungen 1999 bis 2001 sowie die Körperschaftssteuererklärung 1999 nicht vorgelegt. Nach Vortrag des Klägers im Schreiben vom 1. September 2003 (Bl. 88 der Haftungsakte) bestand seit Juli 2001 im Inland keine Betriebsstätte mehr. Die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2001 wäre daher gemäß § 16 Abs. 3 i.V.m. § 18 Abs. 3 S. 2 UStG bereits zum 31. August 2001 beim FA einzureichen gewesen, also zu einem Zeitpunkt, indem die K Ltd "Director" der TCH Ltd war. Insoweit wäre dann die dem Haftungsbescheid ebenfalls zugrunde liegende Umsatzsteuer für das dritte Kalendervierteljahr 2001 miterfasst worden. Bei ordnungsgemäßer Erfüllung der dem Kläger obliegenden Pflichten wären diese Steueranmeldungen rechtzeitig und wahrheitsgemäß abgegeben worden. Zu einer unberechtigten Umsatzsteuervergütung wäre es nicht gekommen. Es ist weiterhin davon auszugehen, dass bei einer rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärungen und der dadurch früher erfolgten Festsetzung der Umsatzsteuer noch ausreichende Mittel zur Entrichtung der Steuer vorhanden gewesen wären.

Für diese Vorwürfe trägt das FA zwar die objektive Beweislast. Dem in Anspruch genommenen gesetzlichen Vertreter obliegt es jedoch, die in seinen Wissensbereich fallenden Angaben zu machen (BFH-Urteil vom 26. April 1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776). Der Kläger hat dazu jedoch geschwiegen. Bereits im Rahmen der Anfrage des FA vom 1. April 2003 hinsichtlich der Höhe der liquiden Mittel und deren Verwendung hat der Kläger keine Stellung zu den konkret dargelegten Pflichtverletzungen und auf den damit in Zusammenhang stehenden Schuldvorwurf genommen, sondern darauf verwiesen, dass er keinerlei Einblick in die Geschäfte der TCH Ltd gehabt habe (Schreiben vom 13. Mai 2003, Bl. 71 der Rechtsbehelfsakte). Auch der pauschale Hinweis des Klägers in seiner Klageschrift, dass bei der TCH Ltd zu keiner Zeit Zahlungsmittel vorhanden gewesen wären, genügt seiner Mitwirkungspflicht nicht und wirkt sich zu seinen Ungunsten aus (Urteil des BFH vom 9. Oktober 1985 I R 154/82, BFH/NV 1986, 321-323 undvom 16. September 1987 X R 3/81, BFH/NV 1988, 283).

Außerdem ist es nicht nachvollziehbar, dass die TCH Ltd über keine Geldmittel verfügt haben soll. So wurden laut Bericht über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 31. Januar 2002 im Jahr 2000 Umsätze in Höhe von 198.747 DM und im Jahr 2001 in Höhe von 306.600 DM getätigt. Im Jahr 2000 errechneten sich Vorsteuerbeträge von 43.695,39 DM. Ohne ausreichende Liquidität wäre diese Geschäftstätigkeit nicht möglich gewesen.

Das FA hat den Kläger daher hinsichtlich des Zeitraums und Höhe zutreffend in Haftung genommen.

4. Ermessensfehler des FA sind weder hinsichtlich des Auswahl noch hinsichtlich des Entschließungsermessens ersichtlich.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

6. Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (s. § 90 Abs. 2 FGO).

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