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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 02.10.2007
Aktenzeichen: 5 V 1452/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 64 Abs. 1
EStG § 64 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

5 V 1452/07

Aussetzung der Vollziehung in Sachen Kindergeld

In der Streitsache

hat der 5. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ...,

des Richters am Finanzgericht ... und

der Richterin am Finanzgericht ...

ohne mündliche Verhandlung

am 02. Oktober 2007

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist im Hauptsacheverfahren 5 K 1451/07, ob die Antragstellerin von Juli bis September 2006 Kindergeld für ihre beiden Kinder ... und ... in Höhe von insgesamt 924 EUR an die Antragsgegnerin, die Familienkasse, zurückzahlen muss. Die Familienkasse hatte das zunächst zugunsten der Antragstellerin festgesetzte und ausgezahlte Kindergeld für den streitigen Zeitraum mit Bescheid vom 23.01.2007 unter Aufhebung des Bewilligungsbescheids zurückgefordert. Die Kinder der Antragstellerin lebten seit dem 02.06.2006 beim Kindsvater, dem nach § 64 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ab diesem Zeitpunkt das Kindergeld zustehe. Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin vorgetragen, sie habe sich 2003 vom Kindsvater, ihrem früheren Ehemann, getrennt. In der Scheidungsvereinbarung sei die elterliche Sorge beiden Elternteilen gemeinsam zugesprochen, aber auch vereinbart worden, dass die Kinder im Haushalt der Antragstellerin aufgenommen sein sollten. In dieser Vereinbarung sei auch festgehalten, dass beide Parteien bei der Bemessung des Kindsunterhalts davon ausgingen, dass der Kindsmutter weiterhin das Kindergeld zustehe. Der Kindsvater habe sich über die Vereinbarung zur Haushaltsbestimmung jedoch hinweggesetzt, als er die beiden Kinder nach dem Wochenende 2./3.06.2006 nicht wieder in den Haushalt der Kindsmutter zurückgebracht habe. Daraufhin habe die Antragstellerin am 16.06.2006 beim zuständigen Amtsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts allein auf sich gestellt. Dieser Rechtsstreit sei nach einer ersten mündlichen Verhandlung vertagt worden; in einer zweiten mündlichen Verhandlung am 23.10.2006 sei ein familienpsychologisches Gutachten in Auftrag gegeben worden. Eine endgültige Entscheidung des Amtsgerichts sei bisher nicht getroffen worden. Ende September habe die Antragstellerin aufgrund der Eigentumsverhältnisse die frühere Familienwohnung verlassen müssen. Mit Datum 29.09.2006 hat die Antragstellerin bestätigt, dass sich beide Kinder nunmehr beim Kindsvater aufhielten und sie deshalb dem Kindergeldbezug durch diesen ab dem 01.10.2006 zustimme. In der Einspruchsentscheidung vom 28.03.2007 hat die Familienkasse an ihrer Auffassung festgehalten.

Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die Kindergeldakte und die zum Prozesskostenhilfeverfahren sowie zu den Verfahren Az. 5 K 1451/07 und 5 V 1452/07 eingereichten Schriftsätzen der Beteiligten Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Bescheids der Familienkasse Deggendorf vom 23.01.2007 und die Einspruchsentscheidung vom 28.03.2007 in voller Höhe wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen.

Die Familienkasse beantragt,

den Antrag abzulehnen.

II. Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 3 und Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der Bescheide (vgl. Bundesfinanzhof-BFH-Beschluss vom 24. Februar 2000 IV B 83/99, BStBl II 2000, 298), und zwar aus folgenden Erwägungen:

Das Kindergeld steht für den streitigen Zeitraum bei summarischer Prüfung nach dem in § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG niedergelegten sog. Obhutsprinzip dem Kindsvater zu, der die Kinder für diesen Zeitraum in seinen Haushalt aufgenommen hatte.

Zwar hat der BFH entschieden, dass bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung für eine Klage, mit der der sorgeberechtigte Elternteil Kindergeld für ein Kind beansprucht, das ihm der andere Elternteil widerrechtlich entzogen hat, hinreichende Erfolgsaussicht besteht (BFH-Beschluss vom 19.05.1999 VI B 22/99, BFH/NV 1999, 1425). Zu klären sei, ob bei widerrechtlicher Kindesentziehung der Kindergeldanspruch auf den Elternteil übergehe, der das Kind dem sorgeberechtigten Elternteil entziehe.

Inzwischen hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass bei einem Wechsel des Kindes von dem Haushalt der sorgeberechtigten Mutter in den Haushalt des nicht sorgeberechtigten Vaters ohne Einverständnis der Mutter der sorgeberechtigte Elternteil seinen Kindergeldanspruch nur dann behält, wenn er umgehend seinen Rechtsanspruch auf Rückführung des Kindes in seinen Haushalt geltend macht. Bei einem Verzicht auf die gerichtliche Geltendmachung des Herausgabeanspruchs sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, die zum Erhalt des Kindergeldanspruchs erforderlich sind (Finanzgericht Münster, Urteil vom 01.12.2005 3 K 1715/04 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG 2007, 1176).

Von diesen beiden Entscheidungen unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt bei summarischer Prüfung anhand der präsenten Beweismittel bereits dadurch, dass die Antragstellerin nicht allein sorgeberechtigt war. Folglich stand ihr auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht allein zu. Nach der vorgelegten Scheidungsvereinbarung gingen die Parteien zwar davon aus, dass der Antragstellerin das Kindergeld weiterhin zustehe. An derartige zivilrechtliche Vereinbarungen sind die Familienkassen jedoch nicht gebunden, sie haben nach dem Obhutsprinzip lediglich darauf abzustellen, wo das Kind dauerhaft Fürsorge durch Erziehung, Beaufsichtigung und Pflege erhält (Schmidt/Weber- Grellet, EStG, § 63 Rz 5f.). Ein widerrechtlicher Eingriff in das Aufenthaltsbestimmungsrecht würde ferner nur dann zum Verbleiben des Kindergeldanspruchs bei der Antragstellerin führen, wenn diese umgehend ihren Rechtsanspruch auf Rückführung der Kinder in ihren Haushalt geltend gemacht hätte. Vorliegend hat sie zwar 12 Tage nach der unterbliebenen Rückkehr der Kinder in ihren Haushalt eine einstweilige Anordnung beantragt; diese zielte jedoch nur auf die Übertragung des alleinigen Rechts zur Aufenthaltsbestimmung und nicht auf die Rückführung der Kinder in ihren Haushalt. Einen Anspruch auf Rückführung hatte die Antragstellerin bei summarischer Prüfung nicht.

Wie der Fortgang des amtsgerichtlichen Verfahrens belegt, sind zur Berechtigung der Aufenthaltsbestimmung umfangreiche Feststellungen, u.a. ein familienpsychologisches Gutachten, erforderlich. Die gesetzliche Regelung des § 64 Abs. 1 Satz 1 EStG soll aber die Familienkassen bei der Feststellung der Kindergeldberechtigung gerade von einer solchen Prüfung entbinden, sie weist mit anderen Worten Streitigkeiten über die wirtschaftliche - und damit vergleichsweise nachrangige - Zuordnung des Kindergeldes den Eltern zur eigenständigen Verfolgung zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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