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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 07.03.2006
Aktenzeichen: 6 K 838/04
Rechtsgebiete: AO 1977, BGB, EStG 1997, EStG 1990


Vorschriften:

EStG 1990 § 10b Abs. 4 S. 2
EStG 1990 § 10b Abs. 3 S. 4
EStG 1990 § 10b Abs. 3 S. 5
EStG 1997 § 10b Abs. 4 S. 2
EStG 1997 § 10b Abs. 3 S. 4
EStG 1997 § 10b Abs. 3 S. 5
AO 1977 § 191 Abs. 1 S. 1
AO 1977 § 5
BGB § 626
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

hat der 6. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ... des Richters am Finanzgericht ... und des Richters am Finanzgericht ... sowie der ehrenamtlichen Richter und ... auf Grund mündlicher Verhandlung vom 7. März 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Haftungsbescheid vom 14. Dezember 2000 und die Einspruchsentscheidung vom 28. Januar 2004 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

I.

Strittig ist, ob der Kläger, der Landesverband A der Partei X, gemäß § 10b Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) als Aussteller unrichtiger Spendenbescheinigungen in den Jahren 1996 und 1997 für entgangene Steuern haftet.

Im Rahmen einer Sachverhaltsaufklärung hat das Finanzamt A am 12./13. Januar 2000 festgestellt, dass 1997 auf Aufwendungsersatzansprüche in Höhe von ... DM zugunsten der Partei verzichtet worden sei, nur ... DM seien tatsächlich erstattet worden. Da die Auszahlung nur in wenigen Fällen tatsächlich erfolgt sei, bestünden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der übrigen Erstattungsanträge. Gegen die Ernsthaftigkeit spreche auch, dass den Aufwendungsersatzansprüchen in Höhe von insgesamt ... DM nur Gesamtbesitzposten des Landesverbandes in Höhe von ... DM zum 31. 12. 1997 gegenüberstünden. Daher sei der Erstattungsanspruch nicht ohne weiteres realisierbar gewesen, da er aus den vorhandenen Mitteln nicht habe bestritten werden können. Hierbei müsse auf den Landesverband und nicht auf die Bundespartei abgestellt werden.

Gegen die Ernsthaftigkeit der Erstattungsvereinbarung sprächen noch folgende Punkte:

das Schreiben des Landesverbandes vom 12. Oktober 1996 an die Mitglieder, in dem erläutert werde, dass die Höhe der staatlichen Zuschüsse auch von der Höhe der Eigenleistungen der Partei abhänge;

der Hinweis für Rentner und Studenten, dass sie trotz fehlender steuerlicher Auswirkungen das Formular "Aufwendungen für die Partei" ausfüllen sollten; die Spendenbescheinigung könnten diese dann ohne Schaden für sich oder die Partei wegwerfen;

auch seien entgegen dem Hinweis im entsprechenden Vordruck der Partei bei den Aufwendungsersatzspenden über den steuerlichen Sätzen liegende Kfz-Kosten und Verpflegungsmehraufwendungen abgerechnet worden; bei den tatsächlich erstatteten Aufwendungen seien dagegen ausschließlich die steuerlichen Sätze berücksichtigt worden;

die zugesagte Rückzahlung der Wahlkampfspenden 1993 (... DM/Kandidat) an die nicht gewählten Kandidaten habe mangels vorhandener Mittel nicht erfolgen können; die entsprechende Verzichtserklärung sei 1997 unterschrieben worden; daher könne davon ausgegangen werden, dass 1997 auch keine Aufwandserstattungen in Höhe von ... DM hätten vorgenommen werden können.

Aus diesen Gründen sei die Einräumung der Aufwendungsersatzansprüche von vornherein unter der Bedingung des Verzichts auf die Erstattung erfolgt, so dass keine rechtswirksam eingeräumten Aufwendungserstattungsansprüche vorlägen. Da aus dem Rundschreiben vom 12. Oktober 1996 hervorgehe, dass die Spendenaktion die Steigerung der staatlichen Zuschüsse und die Steuerersparnis für die Mitglieder aufgrund der Spendenbescheinigung zum Ziel gehabt habe, liege ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken des Landesschatzmeisters und seines Vertreters zur Verwirklichung eines Gesamtplanes vor.

Auf den Bericht über die Feststellungen zur Sachverhaltsaufklärung vom 21. Februar 2000 einschließlich Anlagen (Schreiben vom 12. Oktober 1996; Formular "Aufwendungen für die Partei"; "Beauftragung zur Ausführung einer Aufgabe"; Kandidatenspende mit Zusage der Rückzahlung bei Nichtwahl) wird ergänzend Bezug genommen.

Nachdem der Kläger keine Angaben zur Höhe der Aufwandsspenden u.a. für 1996 gemacht hatte, erließ das Finanzamt A nach einem entsprechenden Hinweis an den Kläger am

14. Dezember 2000 einen Haftungsbescheid gemäß § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG gegenüber dem Kläger für 1996 (... DM) und 1997 (... DM) wegen der Ausstellung unrichtiger Bestätigungen. Für 1996 schätzte das Finanzamt A-S in Anlehnung an 1997 den Anteil der Aufwandsspenden am Spendenaufkommen der natürlichen Personen mit 80 % und ermittelte den Haftungsbetrag (40 % des maßgeblichen Spendenbetrags) nach Abzug eines geschätzten Anteils der bei Spendern nicht anerkannten Spenden in Höhe von 10 %. Auf die Berechnung des Haftungsbetrages im Haftungsbescheid wird ergänzend Bezug genommen. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Auf die Einspruchsentscheidung vom 28. Januar 2004 wird ergänzend Bezug genommen.

Mit der Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Haftungsbescheides. Weder läge eine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Partei noch ein Verschulden der Landesschatzmeister vor.

Er sei zu jedem Zeitpunkt leistungsfähig gewesen, da die Gesamtpartei über entsprechende Mittel verfügt habe. Die bilanzielle Betrachtungsweise des Finanzamts A sei fehlerhaft. Bei der Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei auf den Fälligkeitszeitpunkt abzustellen. Eine entsprechende Einzelprüfung zum Zeitpunkt der erbrachten Leistung ergebe, dass nicht nur eine ausreichende Liquidität des Landesverbandes, sondern auch ausreichende Besitzpositionen der Gesamtpartei vorhanden gewesen seien. Nachdem sich aus § 18 Abs. 3 Nr. 3 Parteiengesetz (ParteiG) die Anspruchsberechtigung der Gesamtpartei gegenüber der Bundesverwaltung ergebe, müssten die Erstattungsansprüche in Beziehung zum gesamten Parteivermögen gebracht werden. Wenn die OFD in ihrer Verfügung vom 17. Juni 1996 (ESt-Kartei § 10b Karte 11.2) auf die "Körperschaft" abstelle, stelle dieser juristische Begriff auf die Partei als Ganzes und nicht auf deren Gliederungen ab. Mitglieder einer Partei (Körperschaft) könnten nur natürliche Personen und nicht Verbände usw. sein. Auch aus §§ 3 und 7 ParteiG, die die Aktiv- und Passivlegitimation von Parteien definierten, werde abgeleitet, dass sich die Aufwandserstattungsansprüche gem. § 670 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen die Gesamtpartei richteten. Daher sei auf das Vermögen der Partei und nicht der Landesverbände abzustellen. Soweit das Finanzamt A auf §§ 15 und 26 der Bundessatzung der Partei verweise, ändere sich hieran nichts, denn die Bestimmungen regelten das Innenverhältnis der Partei zu ihren Organen/Mitgliedern und könnten nicht auf das Außenverhältnis angewandt werden. Eine Vereinbarung, dass Dritte nur gegen Untergliederungen einer Partei Ansprüche geltend machen könnten, widerspreche der Systematik des BGB.

Da im Rundschreiben vom 12. Oktober 1996 nur die steuerlich erheblichen Tatsachen zutreffend dargestellt seien, könne dieses nicht als Indiz für den Vorsatz der Landesschatzmeister herangezogen werden. Von mangelnder Ernsthaftigkeit der Erstattungsvereinbarung könne daher nicht gesprochen werden, wenn auf den Antragsformularen bereits eine Verzichtserklärung als Alternative zur Auszahlung enthalten sei. Dem Spender sei es selbst überlassen, Leistungen in Rechnung zu stellen oder unentgeltlich zu erbringen. Eine Aufforderung zum Verzicht läge nicht vor. Aus dem Hinweis auf die gesetzliche Lage sei weder die Bedingung des Verzichts noch ein psychischer Zwang abzuleiten.

Ein individueller Schuldvorwurf gegen die beiden Landesschatzmeister sei nicht erkennbar. Dieser sei nicht nur in sachlicher Hinsicht, sondern auch personenbezogen pauschal erhoben worden. Daher könne dieser keinen Bestand haben, denn die durchzuführende Prüfung der verschiedenen Schuldformen des § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG habe nach individuellen Maßstäben zu erfolgen. Es fehle an einer Begründung des Finanzamts A für ein subjektiv vorwerfbares Verhalten der Landesschatzmeister. Der Begriff "Gesamtplan" ersetze die Begründung nicht. Auch sei nicht dargelegt worden, worin die Pflichtwidrigkeit und Vorhersehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung bestanden haben solle. Von vorsätzlichem Handeln könne keine Rede sein. Auf den entsprechenden Formularen habe sich die Partei ernsthaft zur Zahlung der geltend gemachten Aufwendungsersatzansprüche verpflichtet. Zutreffend sei dann nach dem Verzicht eine Geldspende bescheinigt worden, da es sich um keine Spende des Aufwands gehandelt habe.

Da die Landesschatzmeister weder fahrlässig noch vorsätzlich gehandelt hätten, sei für einen Vorwurf nach § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG kein Raum, denn der Kläger habe selbst nicht schuldhaft handeln können, da er nur durch ihm zuzurechnendes Verhalten der Organe handeln könne.

Zum Beweis des ernsthaft eingeräumten Aufwendungsersatzes, der nicht unter der Bedingung des Verzichts gestanden habe, werden die Herren C und D als Zeugen benannt.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 14. Dezember 2000 und die Einspruchsentscheidung vom

28. Januar 2004 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung. Weiter wird ausgeführt, dass der Kläger als selbständiger Landesverband und Körperschaft gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 Körperschaftsteuergesetz (KStG) und nicht die Gesamtpartei über genügend liquide Mittel verfügen müsse. Selbst wenn das Vermögen der Gesamtpartei ausschlaggebend sei, wäre die Leistungsfähigkeit nicht gewährleistet, da dann sämtliche Landesverbände auf die liquiden Mittel der Gesamtpartei zugreifen würden, zumal nicht erkennbar sei, dass sich die Spendenpraxis der anderen Landesverbände unterscheide.

Auch komme es nicht auf die Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt der Fälligkeit an. Grundvoraussetzung für die Anerkennung einer Aufwandsspende sei das Bestehen eines Anspruchs, der ernsthaft vereinbart bzw. zugesagt sein müsse. Diese Vereinbarung oder Zusage dürfe nicht unter einer - ggf. stillschweigenden - Bedingung stehen. Wesentliches Indiz für die Ernsthaftigkeit sei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, d.h. die Klägerin müsse im Zeitpunkt der möglichen Erstattung über genügend finanzielle Mittel verfügen und der Erstattungsanspruch ohne weiteres realisierbar, d.h. aus den vorhandenen Geldmitteln zu bestreiten sein, ohne dass etwa Anlagevermögen veräußert werden müsse. Da den Aufwandsersatzansprüchen 1997 in Höhe von ... DM nur Gesamtbesitzposten in Höhe von ... DM zum 31. 12. 1997 gegenübergestanden hätten, könne die Zusage nur unter dem Vorbehalt stehen, dass die vorhandenen Barmittel zur Bestreitung der Erstattung ausreichten. Damit stehe die tatsächlich uneingeschränkte Zusage unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit. Diese sei jedoch zum Zeitpunkt der Zusage nicht absehbar gewesen, so dass es auf die Fälligkeit nicht ankommen könne, da auch diese unter der Bedingung stehe, die den Anspruch selbst einschränke.

Auch wenn man auf den Zeitpunkt der Fälligkeit abstelle, hätte die Geltendmachung des Auslagenersatzes nach Aktenlage den finanziellen Rahmen gesprengt. Es könne nicht angenommen werden, dass die jeweilige Situation des Klägers zu irgendeinem anderen Zeitpunkt innerhalb des Streitjahres von der im Rechenschaftsbericht dargestellten angespannten finanziellen Lage entscheidungserheblich abweiche. Die anders lautenden diesbezüglichen Ausführungen des Klägers seien weder nachgewiesen noch nachvollziehbar.

Dem Senat lagen bei der Entscheidung die Satzung des Klägers sowie die Satzung der Bundespartei vor.

Mit Beschluss vom 2. Februar 2006 entschied der Senat, die Herren C und D als Zeugen zu hören. Hinsichtlich des Beweisthemas wird auf den Beschluss Bezug genommen. Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung und des Inhalts der Aussage des Zeugen C wird auf die Niederschrift vom 7. März 2006 verwiesen.

Gründe

II.

Zum 1. Januar 2006 ist ein gesetzlicher Beklagtenwechsel erfolgt. Die Zuständigkeit für den Kläger ging durch einen Organisationsakt des Freistaates Bayern vom Finanzamt A auf das Finanzamt B über (vgl. Verfügung des Landesamtes für Steuern vom 17. November 2005 - O 2152 - 2 St 11 (M)). Damit ist das nunmehr zuständige Finanzamt B (Finanzamt) beklagte Behörde (vgl. Gräber/von Groll Finanzgerichtsordnung - FGO -, 5. Aufl. § 63 Rz. 6 m.w.N.).

Die Klage ist begründet. Das Finanzamt hat den Kläger zu Unrecht in Haftung genommen.

Nach § 10b Abs. 4 Satz 2 1. Alternative EStG haftet der, der vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Bestätigung ausstellt, für die entgangenen Steuern (Ausstellerhaftung). Haftungsschuldner ist dabei der Zuwendungsempfänger, der durch seinen vorsätzlich oder grob fahrlässig handelnden Repräsentanten eine unrichtige, d.h. eine in steuererheblichen Aussagen der objektiven Sach- und Rechtslage nicht entsprechende oder unvollständige Zuwendungsbestätigung ausstellt und damit den Vertrauensschutz der Urkunde begründet. Die natürliche Person, die eine unrichtige Bestätigung ausfertigt, kann nicht Aussteller sein. Die Körperschaft haftet nur, wenn sie sich das Fehlverhalten ihrer Repräsentanten gemäß § 31 BGB zurechnen lassen muss. Deshalb hat der Zuwendungsempfänger lediglich für das Fehlverhalten des Vorstands, einzelner Vorstandsmitglieder, verfassungsmäßig berufener Vertreter sowie sämtlicher selbständiger und eigenverantwortlicher Funktionsträger einzustehen, die diesen im Rechtsverkehr repräsentieren und den Haftungstatbestand "in Ausführung" und nicht "bei Gelegenheit" der ihnen zustehenden Verrichtung verwirklicht haben (vgl. Kirchhof, EStG 4. Aufl., § 10b Rz. 107, 108). Die Haftung setzt voraus, dass der Repräsentant die unrichtige Bestätigung vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch ausgestellt hat.

Die Haftungsinanspruchnahme steht im Ermessen des Finanzamts (§§ 5, 191 Abs. 1 Abgabenordnung - AO -). Liegen nach vollständiger und einwandfreier Ermittlung des Sachverhalts die - gerichtlich voll überprüfbaren - Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift (hier § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG) vor, folgt die Ausübung des Ermessens durch das Finanzamt (vgl. Tipke/Kruse, AO § 5 Tz. 30, 37 m.w.N.), das nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist (§ 102 FGO).

Die für den Verzicht auf die Aufwendungsersatzansprüche ausgestellten Spendenbescheinigungen waren nicht unrichtig i. S. d. § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG.

Nach § 10b Abs. 3 Satz 4 und 5 EStG sind Aufwendungen zugunsten einer zum Empfang steuerlich abzugsfähiger Zuwendungen berechtigten Körperschaft nur abzugsfähig, wenn ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen durch Vertrag oder Satzung eingeräumt und auf die Erstattung verzichtet worden ist. Der Anspruch darf nicht unter der Bedingung des Verzichts eingeräumt sein. Seit der 1990 erfolgten Änderung des § 10b Abs. 3 Satz 4 und 5 EStG wird daraus die vorherige schriftliche Anspruchsfixierung abgeleitet (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG 24. Aufl., § 10b Rz. 5), so dass das BFH-Urteil vom 29. November 1989 X R 154/88 (BStBl II 1990, 570), das die Erforderlichkeit des Bestehens eines Erstattungsanspruchs, auf den verzichtet werde, verneint hat, insoweit überholt ist.

Im Streitfall ist der Senat der Auffassung, dass den Auftragnehmern mit dem Formular "Beauftragung zur Ausführung einer Aufgabe, Tätigkeit oder sonstiger Leistung mit Anspruch auf Kostenersatz" zivilrechtlich wirksam ein vertraglicher Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen eingeräumt worden ist, der nicht unter der Bedingung des Verzichts stand (§ 10b Abs. 3 Satz 5 EStG).

Ein Auftragsverhältnis (§ 662 BGB) wird durch übereinstimmende Willenserklärungen begründet. Eine fehlerfreie Willenserklärung liegt vor, wenn der Erklärende das Bewusstsein und den Willen hat, dass sein Verhalten rechtsgeschäftlich verbindliche Geltung habe, dass es Rechtsgestaltung i.S.d. Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Rechtsverhältnisses bewirke und der Wille auf die Herbeiführung bestimmter Rechtsfolgen gerichtet ist (vgl. Kramer in Münchner Kommentar zum BGB, 3. Aufl. Band 1, vor § 116 Rz. 8, 13). Vorliegend war der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien darauf gerichtet, für die Partei gegen Auslagenersatz unentgeltlich tätig zu werden. Für die Rechtswirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung ist es unerheblich, ob der Landesverband bzw. die Partei wirtschaftlich leistungsfähig sind. Soweit das BMF-Schreiben vom 7. Juni 1999, IV C 4 - S 2223 - 111/99 (BStBl I 1999, 591) die mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Indiz ansieht, dass der Aufwendungsersatz nicht ernsthaft zugesagt worden ist und das Finanzamt hieraus die Unwirksamkeit der Zusage des Auslagenersatzes ableitet, kann dies bei einem zweiseitigen Rechtsgeschäft keine Rolle spielen. Denn ein zivilrechtlicher Vertrag ist nicht deswegen unwirksam, weil eine Partei nicht in der Lage ist, den Anspruch (Zahlung) zu erfüllen, zumal dem Vertragspartner (hier Parteimitglied) die mangelnde Leistungsfähigkeit nicht unbedingt bekannt sein muss und in der Regel auch nicht bekannt sein wird, da er weder über den aktuellen Stand der Parteifinanzen bei Annahme des Auftrags noch über Zahl und Höhe der vorher zugesagten Ersatzansprüche informiert sein wird. Hier würde sich auch die Frage stellen, ab welchem Zeitpunkt bzw. ab welcher Zahl von Aufträgen die mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht mehr gegeben sein soll. Daher kann auch nicht von einem psychologischen Zwang gesprochen werden, auf den Auslagenersatz zu verzichten, weil es um die Parteifinanzen schlecht bestellt sei. Der Wille der Parteimitglieder und des Landesverbandes bei Vertragsschluss war gerade darauf gerichtet, einen Anspruch zu begründen, um dann möglicherweise eine entsprechende Spende zu geben. Insbesondere liegt kein Scheingeschäft gemäß § 117 BGB vor, da hierfür erforderlich wäre, dass beide Parteien das Vereinbarte nicht wollen. Dies setzt das Einverständnis zwischen dem Erklärenden und dem Erklärungsempfänger voraus, dass die Erklärung, so wie sie zu verstehen ist, nicht gelten soll (Wendtland in Bamberger/Roth, BGB § 117 Rn. 7). Dies ist aber vorliegend gerade nicht der Fall (vgl. oben), wie sich auch aus den - wenn auch geringen - tatsächlichen Erstattungen ergibt.

Das von der Finanzverwaltung aufgestellte Merkmal der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mag möglicherweise in Fällen der Zusage des Kostenersatzes durch einseitige Willenserklärung der Partei (Vorstandsbeschluss, Satzung) eine Rolle spielen, kann jedoch nach Auffassung des Senats - wie vorstehend dargestellt - nicht auf ein Vertragsverhältnis ausgedehnt werden. Daher erübrigen sich weitere Ausführungen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landesverbandes bzw. der Partei.

Der Anspruch auf Kostenersatz wurde auch nicht unter der Bedingung des Verzichts eingeräumt (§ 10b Abs. 3 Satz 5 EStG). Für die Prüfung, ob ein Gläubiger auf eine Forderung verzichtet hat, ist anerkannt, dass ein Verzicht im Allgemeinen nicht zu vermuten ist und an die Annahme eines konkludent erklärten Verzichts strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. BFH-Urteil vom 3. Dezember 1996 I R 67/95, BStBl II 1997, 474). Der Senat kann nach den glaubwürdigen Ausführungen des Zeugen C nicht erkennen, dass der Anspruch auf Aufwandserstattung nur unter der Bedingung des Verzichts eingeräumt wurde. Die Partei hatte vielmehr in vielen Fällen lediglich die Erwartung, dass auf den vertraglich eingeräumten Anspruch auf Auslagenersatz bzw. auch auf den gesetzlichen Anspruch gemäß § 670 BGB verzichtet werde. Wenn ein Mitglied dies wollte, wurden die Ansprüche auch erfüllt, wie sich aus der Aussage des Zeugen C ergibt. Zivilrechtlich hätte sich der Landesverband aufgrund der getroffenen Vereinbarungen nicht weigern können, die Aufwendungen zu erstatten, zumal auch der gesetzliche Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB nicht durch die Satzung von vornherein ausgeschlossen war.

Auch aus dem Rundschreiben vom 12. Oktober 1996 ist nicht erkennbar, dass der Landesverband eine Erstattungszusage nur unter der Bedingung des Verzichts abgeben werde. Der Hinweis, dass eine Spende des Aufwendungsersatzes der Partei diene, lässt nicht darauf schließen, dass man den Anspruch nur dann begründen wolle, wenn auf ihn verzichtet und der Partei eine entsprechende Spende gewährt werde. Es ist nicht zu beanstanden, wenn eine Partei die Mitglieder auf diese Möglichkeit hinweist. Ein Verzichtsvorbehalt ergibt sich auch nicht aus der vordruckmäßigen Verbindung der Verzichtserklärung mit dem Abrechnungsformular. Hier sollte ebenfalls nur darauf aufmerksam gemacht bzw. daran erinnert werden, dass diese Möglichkeit besteht. Von ihr wurde ja auch nicht in allen Fällen Gebrauch gemacht. Daraus kann kein psychologischer Druck auf das Parteimitglied, auf den Auslagenersatz zu verzichten, abgeleitet werden. Es hatte beim Ausfüllen des Vordrucks die Wahl, diesen Verzicht auszufüllen oder nicht.

Anhaltspunkte, dass der Auslagenersatz erst nach der zum Aufwand führenden Tätigkeit zugesagt wurde, liegen nicht vor. Nach der Zeugenaussage wurden die Aufträge jeweils vor Ausführung des Auftrags unterzeichnet. Dies wurde vom Finanzamt auch nicht bestritten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit und den Vollstreckungsschutz auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung und die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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