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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 16.01.2009
Aktenzeichen: 10 K 4313/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 1
EStG § 62 Abs. 1
EStG § 63 Abs. 1
EStG § 64 Abs. 1
EStG § 64 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat das Finanzgericht München, 10. Senat,

... als Einzelrichter

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob die Klägerin ihr Kind in ihren Haushalt aufgenommen hat und ihr deshalb der vorrangige Kindergeldanspruch zusteht.

I. Die Klägerin (Klin) ist die Mutter, der Beigeladene der Vater der am ....10.1989 geborenen R. Die inzwischen geschiedenen Ehegatten lebten seit September 2002 getrennt. R besuchte im Schuljahr 2004/05 die neunte Klasse der Realschule in T.

Im Verfahren um die elterliche Sorge für die Kinder trafen die Eheleute am 06.07.2004 vor dem Amtsgericht M eine Vereinbarung, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird.

Mit Bescheid vom 19.10.2004 setzte die FK zugunsten der Klin Kindergeld für R ab August 2004 fest.

Mit Bescheid vom 04.05.2005 hob die FK die Kindergeldfestsetzung ab Dezember 2004 auf und forderte das für die Monate Dezember 2004 bis Januar 2005 bereits ausbezahlte Kindergeld in Höhe von 308 EUR von der Klin zurück, weil das Kind in den Haushalt des Beigeladenen aufgenommen sei.

Mit bei der FK am 09.08.2006 eingegangenem Schreiben gab der Beigeladene an, dass R seit November 2004 dauernd bei ihm lebe.

Mit Einspruchsentscheidung vom 05.12.2007 wies die FK den Einspruch der Klin als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung macht die Klin im Wesentlichen geltend, dass sie nach der Vereinbarung vor dem Familiengericht Kindergeldberechtigte sei. Der Beigeladene sei danach berechtigt gewesen, seinen Teil des Kindergelds vom Unterhalt für den Sohn abzuziehen. Er habe keinen Unterhalt geleistet. R habe im streitigen Zeitraum u.a. auch im Haushalt der Klin gelebt. Der Beigeladene sei im Dezember 2004 drei Wochen und im Januar eine Woche in Skiurlaub gewesen. Ferner sei er im Januar 2005 eine Woche in Dubai gewesen. Er habe daher seiner Aufsichtspflicht nicht nachkommen können.

Die Klin beantragt,

den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 04.05.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.12.2007 insoweit aufzuheben, als die Kindergeldfestsetzung für die Monate Dezember 2004 bis Januar 2005 aufgehoben und das insoweit bereits ausgezahlte Kindergeld in Höhe von 308 EUR zurückgefordert wurde.

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass zivilrechtliche Vereinbarungen für den Kindergeldanspruch nicht ausschlaggebend seien, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse der Haushaltsaufnahme abzustellen sei. Im Fall des hälftigen Aufenthalts im Haushalt beider Eltern sei eine Berechtigtenbestimmung durch das Vormundschaftsgericht zu treffen.

Mit Beschluss vom 24.11.2008 wurde der Vater der R gemäß § 174 Abs. 5 Abgabenordnung (AO) zum Verfahren beigeladen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze vom ... Bezug genommen.

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21.11.2008 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Das Gericht hat gemäß Beschluss vom 01.12.2008 Beweis erhoben durch Vernehmung von R als Zeugin. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

II. 1. Die Klage ist unbegründet.

a) Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ist grundsätzlich jeder der beiden Elternteile für das leibliche Kind kindergeldberechtigt. Kindergeldberechtigt sind daher grundsätzlich sowohl der Kindesvater als auch die Kindesmutter. Beim Zusammentreffen mehrerer Ansprüche sieht das Gesetz jedoch vor, dass nur einem Berechtigten Kindergeld bezahlt wird (§ 64 Abs. 1 EStG). Bei mehreren Berechtigten wird Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 S. 1 EStG). Eine Haushaltsaufnahme im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG liegt vor, wenn das Kind in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden ist. Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen die Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein. Die Betreuung des Kindes im Haushalt eines Berechtigten muss einen zeitlich bedeutsamen Umfang haben und die Aufenthalte des Kindes dürfen nicht nur Besuchs- oder Feriencharakter haben (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14.12.2004 VIII R 106/03, BFH/NV 2005, 616). Wie der BFH in dem genannten Beschluss weiter ausgeführt hat, ist bei Aufenthalten eines Kindes sowohl in dem Haushalt des einen wie auch des anderen Berechtigten, da eine Aufteilung des Kindergelds nach § 64 Abs. 1 EStG ausgeschlossen ist, darauf abzustellen, wo sich das Kind überwiegend aufhält und wo es seinen Lebensmittelpunkt hat.

Die Haushaltsaufnahme ist nach den tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen. Durch zivilrechtliche Vereinbarungen, auch wenn sie durch gerichtlichen Vergleich bestätigt werden, kann § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht außer Kraft gesetzt werden (BFH-Urteil vom 14.05.2002 VIII R 64/00, BFH/NV 2002, 1425). Haben sich die für die Zahlung des Kindergeldes maßgeblichen Obhutsverhältnisse durch einen Haushaltswechsel des Kindes geändert, so ist die --nicht mehr der Rechtslage entsprechende-- Festsetzung des Kindergeldes ab dem Beginn des auf die Änderung der Verhältnisse folgenden Monats (§ 66 Abs. 2 EStG) aufzuheben. Zivilrechtliche Unterhaltsregelungen beeinflussen wegen des Vorrangs der Obhutsverhältnisse weder die Anspruchberechtigung noch hindern sie den Rückforderungsanspruch (BFH-Beschluss vom 30.06.2000 VI B 93/99, BFH/NV 2001, 33).

b) Bei Anwendung der vorgenannten Grundsätze ergibt sich, dass eine Haushaltsaufnahme der R bei der Klin in den streitigen Monaten Dezember 2004 und Januar 2005 nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen wurde. Vielmehr sprechen die tatsächlichen Umstände für eine zumindest überwiegende Haushaltsaufnahme beim Beigeladenen.

Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Klin selbst in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass sie im Haus W-str. , O, im September/Oktober 2004 von der größeren oberen Wohnung in die kleinere untere Wohnung umgezogen sei. Insoweit hat die Zeugin R zwar erklärt, dass ihr dort ein kleines Zimmer zur Verfügung gestanden habe.

Sie hat jedoch zugleich eindeutig dargelegt, dass sie in dieser kleineren Wohnung nicht mehr gewohnt habe. Für eine Haushaltsaufnahme beim Beigeladenen spricht ferner, dass R auch die Situation vor dem Bezug der ab 01.12.2004 vom Beigeladenen angemieteten Wohnung, J-str, H, so schildert, dass sie im Wesentlichen in S beim Beigeladenen gelebt habe. Auch aus dem Tatbestand des deutlich zeitnäheren Urteils des Amtsgerichts K vom 05.10.2007 (Az.: ...: Beigeladener gegen Klin wegen Forderung) ergibt sich als unstreitiger Sachverhalt, dass R nur bis Oktober 2004 im 14-tägigen Wechsel bei beiden Elternteilen und ab November 2004 allein beim Beigeladenen wohnte. Zudem lässt der Inhalt des nicht datierten Schreibens der R an den Verfahrenspfleger L darauf schließen, dass es bereits vor dem 01.12.2004 zu Differenzen zwischen R und der Klin gekommen sein muss. Dies deutet darauf hin, dass R bereits vor dem 01.12.2004 eine vollständige Haushaltsaufnahme beim Beigeladenen angestrebt hat. Des Weiteren hat die Klin in ihrem Schriftsatz vom 15.05.2008 jedenfalls für Januar 2005 selbst ausgeführt, dass R in der zweiten Ferienwoche in R (Wohnung des Bruders der Klin) und dann den ganzen Januar bei der Mutter des Beigeladenen in M bzw. beim Beigeladenen in der Wohnung J-str, H, gewesen sei. Nur am 15/16.01.2005 und am 29.01.2005 sei R bei der Klin gewesen. Da R aber ab Februar 2005 ohnehin unstreitig ausschließlich in den Haushalt des Beigeladenen aufgenommen war, spricht die von der Klin für Januar 2005 dargestellte Wohnsituation dafür, dass die Haushaltsaufnahme bei der Klin bereits beendet und R nur noch zu Besuch bei der Klin war. Schließlich sind die Angaben der Klin hinsichtlich Dezember 2004 auch widersprüchlich. Während sie im Schreiben vom 30.03.2008 angab, R sei von 17.12 - 19.12.2004 bei ihrem Onkel in R gewesen, soll R nach den mit Schreiben vom 15.05.2008 übersandten Kalenderaufzeichnungen beim Beigeladenen gewesen sein. Ebenso hat die Klin hinsichtlich des hier nicht streitigen Zeitraums Juni/Juli 2004 widersprüchliche Angaben zum Aufenthalt der R gemacht. Während nach der gerichtlichen Vereinbarung vom 06.07.2004 R von Oktober 2003 bis Juli 2004 ausschließlich beim Beigeladenen gelebt haben soll, gibt die Klin in ihrer nicht datierten Antwort auf das Schreiben der FK vom 29.07.2004 an, dass R von 25.06.04 - 19.07.04 ausschließlich bei der Klin gewohnt habe. Dies lässt Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Klin aufkommen.

Dagegen spricht es nicht für eine Haushaltsaufnahme bei der Klin, dass R nicht mehr genau angeben konnte, wann und wie lange der 14-tägige Wechsel zwischen Vater und Mutter praktiziert wurde. Insoweit ergibt sich bereits aus den objektiven Umständen (gerichtliche Vereinbarung vom 06.07.2004, Schreiben an Verfahrenspfleger vor dem 01.12.2004), dass diese Regelung nicht erst --wie in der Zeugenaussage angedeutet-- nach dem 01.12.2004 getroffen wurde.

Danach scheitert eine Haushaltsaufnahme bei der Klin in den streitigen Monaten bereits daran, dass --anders als beim Beigeladenen-- kein örtlich gebundenes Zusammenleben von zeitlich bedeutsamem Umfang mehr bestand. Auch hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) ist nach den Gesamtumständen davon auszugehen, dass diese überwiegend durch den Beigeladenen geschaffen wurden. Insoweit berücksichtigt das Gericht nach dem aus den Akten und dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck, dass beide Elternteile dem Kindeswohl auch bei der Austragung ihrer Streitigkeiten keine vorrangige Bedeutung beigemessen haben und R zum Teil sich selbst bzw. der Fürsorge Dritter (Oma, Onkel) überlassen war. In Bezug auf dieses Fürsorgeniveau hat aber der Beigeladene zumindest den täglichen Anlaufpunkt in seinem Geschäft (Mittagessen) und die Möglichkeit, sich etwas Taschengeld für Kleidung etc. zu verdienen, zur Verfügung gestellt. Im Übrigen hat der Beigeladene nach Darstellung der R zumindest in gleichem Maße wie die Klin für Fragen der Versorgung und Fürsorge bereit gestanden.

Schließlich deuten die Umstände auch auf einen Lebensmittelpunkt der R in H. Zum einen half dort --insbesondere bei Abwesenheit des Beigeladenen-- die Mutter des Beigeladenen im Laden aus und stand R dort als Ansprechpartner zur Verfügung. Zum anderen lag die Wohnung J-str., H, auch am nächsten zur Schule der R, was den von R gewünschten Kontakt zu ihren Freunden erleichterte.

Da somit die Obhutsverhältnisse nach § 64 Abs. 2 S. 1 EStG einen vorrangigen Kindergeldanspruch des Beigeladenen begründen, kommt es auf Vorliegen und Wirksamkeit einer Berechtigtenbestimmung nicht an.

Die FK hat die Kindergeldfestsetzung danach zu Recht nach § 70 Abs. 2 EStG aufgehoben und das überzahlte Kindergeld nach § 37 Abs. 2 AO zurückgefordert.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Es war weder geboten, dem Beigeladenen Kosten aufzuerlegen (§ 135 Abs. 3 FGO), noch die Erstattung außergerichtlicher Aufwendungen anzuordnen (§ 139 Abs. 4 FGO).

Ende der Entscheidung

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