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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 13.04.2005
Aktenzeichen: 1 K 1009/04
Rechtsgebiete: AO, FGO
Vorschriften:
AO § 234 Abs. 1 | |
AO § 234 Abs. 2 | |
AO § 5 | |
FGO § 102 |
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
hat der 1. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2005
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Beklagte - das Zentralfinanzamt München (ZFA) - gehalten war, auf Stundungszinsen aus Billigkeitsgründen zu verzichten.
Der Kläger ist an einer Ingenieur-/Unternehmensberatungspersonengesellschaft in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts beteiligt und wird mit der Klägerin beim Finanzamt XXXX zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
Im April 2003 beantragten die Kläger die zinslose Stundung der fällig werdenden Nachzahlungen zu Einkommensteuer (ESt) und Solidaritätszuschlag für 2001 bis Ende Juni 2003. Das zuständige ZFA lehnte die Stundung ab, da die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller nicht dargelegt waren. Einem erneuten Stundungsantrag vom Juni 2003 gab das ZFA im Einspruchsverfahren am 1. August 2003 mit Rückwirkung auf den Fälligkeitszeitpunkt statt. Die Stundungsverfügung sah - entsprechend dem Vorschlag der Kläger - vier Ratenzahlungen bis Ende Oktober 2003 vor. Die Kläger leisteten die Raten fristgemäß. Das ZFA setzte mit Bescheid vom 14. August 2003 Stundungszinsen in Höhe von 3.346 mit Fälligkeit am 30. Oktober 2003 fest.
Die Kläger begründeten ihren Einspruch gegen den Zinsbescheid und ihren Antrag auf Verzicht auf Zinsen mit Liquiditätsproblemen der Kläger bzw. der Ingenieurgesellschaft. Diese seien dadurch entstanden, dass fällige Forderungen der Gesellschaft gegen öffentliche Auftraggeber in Höhe von rund 2,4 Mio. nicht verzinst würden. Es sei nicht sachgerecht, wenn auf der anderen Seite die gestundeten Steuerverbindlichkeiten verzinst werden müssten.
In seiner Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2004 lehnte das ZFA die Aufhebung des Zinsbescheides oder einen Erlass aus Billigkeitsgründen ab. Die Kläger seien nicht zahlungsunfähig oder in ihrer Existenz gefährdet. Die eingereichte Vermögensaufstellung weise einen Überschuss der Vermögens- über die Schuldposten in Höhe von 863.000 auf. Forderungen des Steuerschuldners gegen andere öffentliche Kassen als den Steuergläubiger könnten nicht berücksichtigt werden, weil es an gegenüberstehenden Forderungen fehle.
Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Ziel weiter. Sie vertiefen ihre Begründung aus dem Einspruchsverfahren dahin, dass die Kläger angesichts der überfälligen Forderungen an die öffentliche Hand keinen Liquiditätsvorteil erzielt hätten. Diesen abzuschöpfen sei jedoch der Zweck der Zinsvorschriften. Darüber hinaus habe das ZFA sein Ermessen nicht richtig ausgeübt, weil es sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, inwieweit das Zahlungsverhalten der öffentlichen Hand sich auf die Zinspflicht der Kläger auswirken müsse.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des Zinsbescheids vom 14. August 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2004 das ZFA zu verpflichten, dass es auf die darin festgesetzten Stundungszinsen in Höhe von 3.346 verzichtet, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das ZFA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
Gründe
II.
Die Klage ist nicht begründet.
Das ZFA hat bei seiner Entscheidung, nicht auf Stundungszinsen zu verzichten, nicht gegen die rechtlichen Anforderungen verstoßen, die für die Ermessensausübung gelten. Es war nicht zu einem Zinsverzicht verpflichtet.
Die Zinspflicht von Steuerschulden für die Dauer einer gewährten Stundung ergibt sich aus § 234 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Absatz 2 der genannten Vorschrift räumt dem Finanzamt ein Ermessen ein, ganz oder teilweise aus Billigkeitsgründen auf die Zinsen zu verzichten. Diese Ermessensentscheidung unterliegt gem. § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nur begrenzt der richterlichen Überprüfung. Das Gericht hat sich daher nur zu der Frage zu äußern, ob das ZFA die Grenzen des Ermessens überschritten hat oder von ihm in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
Das ZFA war nicht verpflichtet, auf die Zinsen zu verzichten. Zwar kann die augenblickliche Illiquidität des Steuerschuldners dann als persönlicher Billigkeitsgrund den Zinsverzicht bedingen, wenn diese auf persönlichen Verhältnissen wie Krankheit, erheblichen Geschäftsverlusten und ähnlichen unabwendbaren Ereignissen beruht (vgl. hierzu Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 234 Rz. 15; Schöll/Leopold/Madle/Rader, Praxiskommentar AO, § 234 Rz. 19 m.w.N.). Auch kann ein fälliger oder demnächst fällig werdender Gegenanspruch gegen den Steuergläubiger als sachlicher Billigkeitsgrund einen Verzicht bedingen (vgl. Schöll/Leopold/Madle/Rader, a.a.O., § 234 Rz. 20).
Im Streitfall liegt jedoch weder ein unabwendbares Ereignis in diesem Sinne noch ein Gegenanspruch gegen den Steuergläubiger vor. Der Kläger hatte über ein Jahr Zeit, um sich auf die Steuernachforderung nach Ablauf des Veranlagungszeitraumes vorzubereiten. Beschließt er, die in diesem Zeitraum entstehenden liquiden Mittel nicht für die bevorstehende Steuerzahlung vorzuhalten, sondern für andere Zwecke einzusetzen, so liegt schon aus diesem Grunde die Bejahung eines "unabwendbaren Ereignisses" fern. Dasselbe gilt, wenn Vermögenswerte nicht in einer Form angelegt oder umgeschichtet werden, die den absehbaren Geldbedarf für die Steuerzahlung liquide hält. Angesichts des Verhältnisses von Steuerschuld (rd. 158.000) zu Vermögen (nach Abzug der Schuldposten rd. 800.000) kann daher nicht von einem unabwendbaren Ereignis ausgegangen werden. Angesichts dieser Umstände war es dem Kläger ggf. sogar zuzumuten, anstelle der Stundung auf dem privaten Kapitalmarkt ein Darlehen aufzunehmen. Dem Vortrag des Klägers ist insoweit nur zu entnehmen, dass es schwierig gewesen wäre, einen Kredit aufzunehmen. Dass es ihm unmöglich war oder dass gar Illiquidität vorgelegen hätte, ist nicht erwiesen. Auch die aus der Akte des ZFA ersichtlichen Umsätze der Ingenieurgesellschaft (nach Angabe Außenstände an öffentliche Auftraggeber über 2,5 Mio.) lassen den Schluss zu, dass es in dem Zeitraum zwischen Ende des Steuerjahrs und Steuerfestsetzung dem Kläger hätte möglich sein müssen, entsprechende Liquiditätsvorsorge zu treffen.
Anders als ein Gegenanspruch gegen den Steuergläubiger bedingen offene Forderungen gegen andere Rechtssubjekte der öffentlichen Hand nicht einen Zinserlass aus sachlichen Gründen. Dem Kläger bzw. der Ingenieurgesellschaft als Gläubigerin der öffentlichen Hand stehen dieselben zivilrechtlichen Mittel zu Gebote wie jedem anderen Gläubiger, um fällige Forderungen einzutreiben. Verzichtet der Gläubiger hierauf oder lässt sich die Forderung aus welchen Gründen auch immer nicht sofort eintreiben, so kann es nicht Aufgabe des Steuerfiskus sein, als zentrale Verrechnungs- oder Clearingstelle zu fungieren. Sollten offene Forderungen an sämtliche öffentliche Stellen die Finanzämter zu einer zinsfreien Stundung bindend verpflichten, so hieße dies, die Finanzämter auch zu verpflichten, die Berechtigung der Forderungen nach Grund und Betrag zu überprüfen. Daher können Forderungen gegen ein anderes Rechtssubjekt (XXXXXX) den Freistaat bzw. den Bund als Steuergläubiger nicht zu einem Verzicht verpflichten. Anders zu entscheiden hieße, die Steuererhebung mit zivilrechtlichen Vorfragen zu überfrachten. Insoweit kann der o.g. sachliche Billigkeitsgrund tatsächlich allenfalls dann gegeben sein, wenn Gegenseitigkeit i.S. des § 226 AO gegeben ist.
Auch das Argument der Kläger, sie hätten keinen Zinsvorteil erzielen können, geht fehl, weil Zweck der Verzinsung nicht ist, mögliche Zinsvorteile des Schuldners abzuschöpfen, sondern vielmehr den Zinsnachteil des Steuergläubigers auszugleichen (vgl. BFH-Urteil vom 18.04.1996 V R 55/95, BFHE 180, 516, BStBl II 1996, 561).
Soweit die Kläger vortragen, das ZFA habe sich nicht ausreichend mit der Frage des Einflusses des Zahlungsverhaltens der öffentlichen Hand auf einen etwaigen Zinserlass auseinandergesetzt, geht dieser Vorwurf ins Leere. Das ZFA hat zutreffend darauf abgestellt, dass das Zahlungsverhalten anderer öffentlicher Stellen als des Steuergläubigers keinen Grund für einen Zinsverzicht abgeben kann. Einen Grund für eine darüber hinausgehende Diskussion der Frage hatte das ZFA nicht. Jedenfalls ergibt sich aus der Unterlassung weiterer Erwägungen kein Ermessensfehler.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Bundesfinanzhofs. Im Streitfall geht es vielmehr um die Anwendung einer Billigkeitsregelung auf den Einzelfall. Wann im Falle der Stundung von einer Zinsfestsetzung abzusehen ist bzw. festgesetzte Zinsen zu erlassen sind, weil eine Ermessensreduktion auf Null vorliegt, ist vom BFH ausreichend geklärt (vgl. BFH-Urteil vom 18.04.1996 V R 55/95, BFHE 180, 516, BStBl II 1996, 561, m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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