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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 27.11.2006
Aktenzeichen: 1 K 3562/05
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 19 Abs. 2
GG Art. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 3562/05

In der Streitsache

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

... sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und ...

ohne mündliche Verhandlung

am 27. November 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob der Klägerin der Versorgungsfreibetrag nach § 19 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zusteht.

Die am XX. Oktober 1941 geborene Klägerin wird für die Streitjahre 2001 bis 2003 beim Beklagten - dem Finanzamt (FA) - zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Sie erzielte in den Streitjahren im Wesentlichen Arbeitslohn aus nichtselbständiger Arbeit. Darüber hinaus erhielt sie von ihrem Arbeitgeber in den Streitjahren ein Ruhegeld in Höhe von

in 2001: 926,--DM

in 2002 und in 2003 je: 2.988,--EUR.

Wegen der vertraglichen Ausgestaltung wird auf die Versorgungsordnung des Arbeitgebers hingewiesen, die dieser mit Schreiben vom 28. Juni 2005 dem FA vorgelegt hat (Blatt 50 der ESt-Akte).

In ihren Steuererklärungen ging die Klägerin davon aus, dass es sich bei dem Ruhegeld um Versorgungsbezüge handele, für die der Versorgungsfreibetrag zu gewähren sei. Der Arbeitgeber hatte für Zwecke der Lohnsteuer keinen Freibetrag abgezogen. Das FA lehnte die Gewährung des Freibetrages ab, weil die Klägerin erst im Oktober 2004 das 63. Lebensjahr vollendet hat. Daher gälten die Ruhegelder erst ab diesem Zeitpunkt als Versorgungsbezüge (§ 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG), weshalb in den Streitjahren die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Versorgungsfreibetrages nach § 19 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht gegeben seien. Die entsprechenden ESt-Bescheide ergingen am 19. August 2002 (für 2001), am 30. April 2004 (für 2002) und am 15. Juli 2004 (für 2003). Die Bescheide wurden wegen nicht streitgegenständlicher Punkte mit Änderungsbescheiden vom 28. Februar 2003 (ESt 2001) und 10. August 2005 (ESt 2003) geändert.

Im Einspruchsverfahren rügte die Klägerin, dass § 19 Abs. 2 EStG Ruhegehälter auf Grund beamtenrechtlicher Vorschriften und solche aus privaten Arbeitsverhältnissen unterschiedlich behandele. Erstere würden unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) auch vor Erreichung des 63. Lebensjahres begünstigt. Das Verwaltungshandeln sei ermessensfehlerhaft, da es die Klägerin seit November 2003 objektiv in Schädigungsabsicht benachteilige. Der Einspruch blieb in der Einspruchsentscheidung (EE ) vom 11. August 2005 erfolglos. Die Steuerfestsetzung für 2002 wurde mit Bescheid vom 13. Februar 2006 wegen nicht streitgegenständlicher Sachverhalte erneut geändert.

Mit ihrer Klage will die Klägerin weiterhin die Gewährung des Versorgungsfreibetrages erreichen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den ESt-Bescheid für 2001 vom 19. August 2002, geändert am 28. Februar 2003,

den ESt-Bescheid für 2002 vom 30. April 2004, sowie

den ESt-Bescheid für 2003 vom 15. Juli 2004, geändert am 10. August 2005,

jeweils in Gestalt der EE vom 11. August 2005, sowie den Bescheid für 2002 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 13. Februar 2006 aufzuheben und die ESt neu festzusetzen und dabei die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um folgende Beträge niedriger anzusetzen: -in 2001: um 371,--DM, -in 2002 und in 2003 jeweils um 1.196,--EUR;

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist im Wesentlichen auf die EE.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

II. Die Klage ist nicht begründet.

Das FA hat zutreffend den Abzug eines Versorgungsfreibetrages abgelehnt.

Von Versorgungsbezügen bleibt nach § 19 Abs. 2 EStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) ein Versorgungsfreibetrag steuerfrei. Die Klägerin bezieht mit dem Ruhegehalt unstreitig Bezüge aus früheren Dienstleistungen, die wegen Erreichens einer Altersgrenze 5 gewährt werden. Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 2. Halbsatz EStG gelten solche Bezüge erst dann als Versorgungsbezüge, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr vollendet hat, sofern er nicht Schwerbehinderter ist.

Danach steht der Klägerin der Versorgungsfreibetrag nicht zu, weil ihr Ruhegehalt nach dieser gesetzlichen Fiktion in den Streitjahren nicht als Versorgungsbezug gilt. Die Klägerin ist nicht Schwerbehinderter. In den Streitjahren hatte sie außerdem das 63. Lebensjahr noch nicht vollendet.

Entgegen der Auffassung des Klägervertreters steht die Anwendung des geltenden Rechts nicht im Ermessen der Finanzbehörden, weshalb sein Vorwurf, das FA habe "ermessensfehlerhaft gehandelt" ins Leere geht. Auch das erkennende Gericht ist an eine Norm gebunden, die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG), das die alleinige Verwerfungskompetenz hat, nicht für ungültig erklärt ist. Das BVerfG hat mehrfach - zuletzt in seinemUrteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99, BStBl II 2002, 618 - entschieden, dass die unterschiedliche Besteuerung von Versorgungsbezügen der Ruhestandsbeamten und Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zwar mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG unvereinbar ist. Es hat jedoch stets ausdrücklich die Weitergeltung bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber - zuletzt längstens bis 31. Dezember 2004 - angeordnet. Da das BVerfG in der genannten Entscheidung das System der unterschiedlichen Besteuerung beurteilt hat - wozu auch die streitgegenständliche Norm gehört - ist somit diese Norm geltendes Recht und vom FA wie vom Gericht anzuwenden.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind. Die streitgegenständliche Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Februar 2004 VI B 119/01, BFH/NV 2004, 639). Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Zulassung der Revision.

Der Gesetzgeber hat den Auftrag des BVerfG zu einer Neuregelung mittlerweile umgesetzt.

Die streitgegenständliche Rechtsfrage ist für die Vorjahre durch die vom BVerfG angeordnete vorläufige Fortgeltung der unterschiedlichen Besteuerung von Renten und Versorgungsbezügen der Ruhestandsbeamten entschieden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.

Ende der Entscheidung

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