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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 08.11.2006
Aktenzeichen: 10 K 3509/06
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977, VwZG, ZPO
Vorschriften:
FGO § 47 Abs. 1 S. 1 | |
FGO § 56 Abs. 1 | |
AO 1977 § 122 Abs. 5 | |
AO 1977 § 366 | |
VwZG § 1 | |
VwZG § 2 | |
VwZG § 3 Abs. 3 | |
ZPO § 178 Abs. 1 Nr. 1 |
Finanzgericht München
Kindergeld für C
In der Streitsache
hat der 10. Senat des Finanzgerichts München
unter Mitwirkung
...
ohne mündliche Verhandlung
am 08. November 2006
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I. Die Klägerin (Klin) ist die Mutter der am 19.04.1984 geborenen C. Mit Bescheid vom 18.05.2006 hob die Beklagte (Familienkasse --FK--) die Kindergeldfestsetzung für C ab dem 01.02.2006 auf und forderte das für Februar 2006 bereits ausgezahlte Kindergeld von der Klin zurück. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 28.07.2006 als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde am Dienstag, den 01.08.2006 an das weitere im Haushalt der Klin wohnende Kind L (geb. 04.07.1989) übergeben.
Hiergegen richtet sich die am Montag, den 04.09.2006 beim Finanzgericht eingegangene Klage. Die Klageschrift wurde ausweislich des Einlieferungsbelegs der Deutschen Post AG am Freitag, den 01.09.2006, 15.34 Uhr, bei der Post aufgegeben. Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Die Klage sei nicht verspätet, da die Klin mit ihrem Ehemann in Urlaub gewesen sei und daher das von der Tochter entgegengenommene Schreiben erst am 04.08.2006 erhalten habe. Rein vorsorglich wird Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Die Klage sei auch begründet, da C weiterhin im ehelichen Haushalt lebe und sich laufend um einen Ausbildungsplatz beworben habe. Zum Nachweis wurden mehrere Bescheinigungen vorgelegt, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird.
Die Klin beantragt sinngemäß,
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 18.05.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.07.2006 aufzuheben.
Die FK beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie darauf, dass die Klagefrist versäumt sei.
II. Es erscheint sachdienlich, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90a Abs. 1 Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Klage ist wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig.
Gemäß § 47 Abs. 1 S. 1 FGO beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung gemäß § 366 Abgabenordnung (AO) bestimmt sich nach § 122 AO. Gemäß § 122 Abs. 5 AO i.V.m. § 1 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) kann die Zustellung von der Behörde angeordnet werden und richtet sich dann nach dem VwZG. Gemäß § 2 VwZG ist zwischen der Zustellung durch die Post und der durch die Behörde zu unterscheiden. Bei einer Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde gilt § 3 VwZG. Dabei wird gemäß § 3 Abs. 3 VwZG auf die Vorschriften der §§ 177 bis 181 Zivilprozessordnung (ZPO) verwiesen. § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sieht eine Ersatzzustellung für den Fall vor, dass die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung nicht angetroffen wird. Das Schriftstück kann dann in der Wohnung u.a. auch einem erwachsenen Familienangehörigen zugestellt werden. Familienangehörige sind u.a. auch die Kinder des Zustelladressaten. Erwachsensein setzt lediglich eine körperliche und geistige Reife voraus, die die Ersatzperson befähigt, die Bedeutung der Zustellung zu erkennen und sich entsprechend zu verhalten. Volljährigkeit ist dabei nicht erforderlich. Erwachsen ist danach auch ein Minderjähriger, der nach seiner körperlichen Entwicklung --der äußeren Erscheinung-- als erwachsen und einsichtsfähig zu gelten hat, weil der Zusteller regelmäßig keine anderen Erkenntnismöglichkeiten hat.
Im vorliegenden Fall war die Klin nach eigenem Vortrag im Zeitpunkt der Übergabe des Schriftstücks nicht anwesend. Der Postbedienstete konnte daher eine Ersatzzustellung vornehmen. Die Tochter L ist Familienangehörige der Klin und war im Zeitpunkt der Übergabe des Schriftstücks bereits über 17 Jahre alt. Anhaltspunkte dafür, dass der Postbedienstete bei L nicht von einer erwachsenen und einsichtsfähigen Person ausgehen durfte, liegen nicht vor. Die Einspruchsentscheidung wurde damit bereits am 01.08.2006 wirksam zugestellt und damit bekannt gegeben. Darauf, dass die Klin das Schriftstück tatsächlich erst am 04.08.2006 zur Kenntnis genommen hat, kommt es hinsichtlich des Bekanntgabezeitpunkts nicht an. Die einmonatige Klagefrist wurde durch die wirksame Bekanntgabe (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO) der Einspruchsentscheidung in Gang gesetzt. Sie endete gemäß § 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch am Freitag, den 01.09.2006. Da die Klageschrift erst am 04.09.2006 bei Gericht einging, ist die Klagefrist versäumt.
Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht erfüllt. Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen.
Im vorliegenden Fall hat die Klin als Hindernis für die Fristwahrung ihre urlaubsbedingte Abwesenheit geltend gemacht. Diese urlaubsbedingte Abwesenheit kann ohne die angebotene Zeugenvernehmung des Ehemanns der Klin als wahr unterstellt werden. Denn es fehlt zum einen bereits an der Ursächlichkeit des Hindernisses für die Fristversäumung. Nach eigenem Vortrag hat die Klin die Einspruchsentscheidung am 04.08.2006 tatsächlich zur Kenntnis genommen. Es blieben ihr daher noch vier Wochen und damit fast die gesamte Klagefrist um Klage einzureichen. Zum anderen hat die Klin die Klagefrist auch nicht ohne ihr Verschulden versäumt. Wenn sie vorbringt, sie habe die Klageschrift am 01.09.2006 zur Post gegeben, so war das zu spät, da dies der Tag des Fristablaufs war (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 21. August 1974 I R 78/74, BFHE 113, 270, BStBl II 1975, 18). Aufgrund der erst am Tag des Fristablaufs erfolgten Aufgabe des Schreibens zur Post scheidet auch eine Verzögerung auf dem Postweg als Wiedereinsetzungsgrund aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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