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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 27.02.2008
Aktenzeichen: 10 K931/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG § 63 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K931/07

Kindergeld für I von Juni 2004 bis Juni 2005

In der Streitsache

hat der 10. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung ...

ohne mündliche Verhandlung

am 27. Februar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 04.05.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.01.2007 wird insoweit aufgehoben als hierin die Kindergeldfestsetzung für den Monat Juni 2004 aufgehoben und das Kindergeld in Höhe von 154 EUR zurückgefordert wird.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 12/13 und die Beklagte zu 1/13.

4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe:

Streitig ist, ob sich ein Kind in einer Ausbildung befand und deshalb für dieses Kind ein Kindergeldanspruch besteht.

I. Die Klägerin (Klin) ist die Mutter der am ... 1981 geborenen I. Nachdem I im Studiengang Informatik wegen nicht innerhalb der vorgeschriebenen Zeit abgelegter Diplomvorprüfung von der Fachhochschule am 31. August 2003 exmatrikuliert wurde, nahm sie ab 12. Dezember 2003 am Fernlehrgang Web-Designerin des Fernlehrinstituts X teil.

Der Beklagte (die Familienkasse --FK--) forderte die Klin mit Schreiben vom 19. Oktober 2005 auf, mitzuteilen, wie hoch der wöchentliche Zeitaufwand für das Fernstudium sei, und Nachweise über bisher abgelegte Prüfungen einzureichen. Die Klin teilte daraufhin mit Schreiben vom 22. Dezember 2005 mit, dass das Studium täglich ca. 4 - 5 Stunden in Anspruch nehme und I ein Abschlusszertifikat erst im März 2006 erhalte.

Mit Bescheid vom 04. Mai 2006 hob die FK die Kindergeldfestsetzung ab September 2003 auf und forderte das bereits ausgezahlte Kindergeld für den Zeitraum von September 2003 bis Juli 2005 in Höhe von 3.542 EUR von der Klin zurück. Auf den hiergegen gerichteten Einspruch hob die FK den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid hinsichtlich der Monate September 2003 bis Mai 2004 auf. Im Übrigen wies sie den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2007 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die am 08. März 2007 bei Gericht eingegangene Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Aus den von der Klin vorgelegten Belegen ergebe sich, dass es sich bei dem Fernlehrgang um eine Ausbildung handle.

I habe in den Jahren 2004 und 2006 laufend Arbeiten abgegeben. Für bestimmte Ausbildungsabschnitte seien keine Aufgaben vorgesehen gewesen.

Die Klin beantragt,

den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 04. Mai 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2007 insoweit aufzuheben als hierin die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Juni 2004 bis Juni 2005 aufgehoben und das Kindergeld in Höhe von 3 2.002 EUR zurückgefordert wird.

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie darauf, dass I nur bis zum 18. Mai 2004 und dann erst wieder im März 2006 Aufgaben bei X eingereicht habe. Zudem habe X laut Schreiben vom 13. März 2006 die Betreuungszeit verlängert, da I den Lehrgang nicht wie geplant habe verfolgen können.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die Schriftsätze der Klin vom 06. März 2007, 27. April 2007 und 06. November 2007 sowie der FK vom 15. Juni 2007, 10. Oktober 2007 Bezug genommen.

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

II. Die Klage ist zulässig aber nur zum Teil begründet.

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere wurde die Klagefrist nicht versäumt.

Gemäß § 47 Abs. 1 S. 1 FGO beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage einen Monat ab Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung.

Gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung --AO-- gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zuganges nachzuweisen. Im vorliegenden Fall trägt die Einspruchsentscheidung das Datum 30.01.2007. Einen Absendevermerk weist der in der Akte befindliche Entwurf der Einspruchsentscheidung jedoch nicht auf. Der Klägervertreter, an den die Einspruchsentscheidung adressiert war, hat ein Briefkuvert vorgelegt, das den Stempel der Bundesagentur für Arbeit und den Poststempel vom 08. Februar 2007 trägt. Der Senat hat aufgrund dieser Umstände Zweifel daran, dass das Bescheidsdatum auch dem Postaufgabedatum entspricht. Da auch die FK keine Umstände vorgetragen hat, die gegen die Darstellung des Klägervertreters (Zugang am 09. Februar 2007) sprechen, geht der Senat von einem Zugang am 09. Februar 2007 und damit von einer fristgerechten Klageerhebung (Eingang bei Gericht 08. März 2007) aus.

2. Die Klage ist jedoch nur teilweise begründet.

Der Klin steht für den streitigen Zeitraum Juni 2004 bis Juni 2005 Anspruch auf Kindergeld nur für den Monat Juni 2004 zu.

a) Ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, wurde in den Streitjahren 2004 und 2005 für das Kindergeld u.a. dann berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wurde (§ 63 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a Einkommensteuergesetz --EStG--).

Der Begriff der Berufsausbildung umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- jede Ausbildung zu einem künftigen Beruf. In Berufsausbildung befindet sich, wer seine Berufsziele noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft darauf vorbereitet (BFH-Urteile vom 24. Juni 2004 III R 3/03, BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294;vom 15. Juli 2003 VIII R 78/99, BFHE 203, 90, BStBl II 2003, 841;vom 16. April 2002 VIII R 58/01, BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523; undvom 15. Juli 2003 VIII R 75/00, BFH/NV 2004, 171). Einzubeziehen sind alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufes geeignet sind (BFH-Urteile vom 15. Juli 2003 VIII R 47/02, BFHE 203, 106, BStBl II 2003, 848; und in BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523). Der Tatbestand einer Berufsausbildung setzt dabei nicht voraus, dass die Vorbereitung auf den künftigen Beruf die Arbeitskraft des Kindes überwiegend beansprucht (BFH-Urteil vom 14. Mai 2002 VIII R 61/01, BFHE 199, 210, BStBl II 2002, 807). Entscheidend ist jedoch, dass das Kind in der Lage ist, sich ernsthaft und nachhaltig auf das angestrebte Ausbildungsziel vorzubereiten, und dem auch nachkommt (BFH-Urteil vom 16. März 2004 VIII R 65/03, BFH/NV 2004, 1522). Da der Wortlaut des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG auf die tatsächliche Durchführung von auf die Ausbildung gerichteten Maßnahmen und nicht auf das Weiterbestehen eines Ausbildungsverhältnisses abstellt, hat die Unterbrechung einer Ausbildung zur Folge, dass das Kind während der Zeit der Unterbrechung nicht im Sinne der gesetzlichen Vorschrift für einen Beruf ausgebildet wird (BFH-Urteil in BFHE 203, 106 , BStBl II 2003, 848).

Maßgebend für diese erweiternde Auslegung des Begriffs Berufsausbildung ist der Gesichtspunkt, dass die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern auch dann gemindert wird, wenn sich ein Kind unabhängig von vorgeschriebenen Studiengängen in Ausbildung befindet und von seinen Eltern unterhalten wird (BFH-Urteil vom 09. Juni 1999 VI R 50/98, BFHE 189, 98, BStBl II 1999, 706). Das Berufsziel wird weitgehend von den Vorstellungen der Eltern und des Kindes bestimmt. Denn Kindern und Eltern kommt bei der Gestaltung der Ausbildung von Verfassungs wegen ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Kindern muss daher zugebilligt werden, zur Vervollkommnung und Abrundung von Wissen 5 und Fähigkeiten auch Maßnahmen außerhalb eines fest umschriebenen Bildungsgangs zu ergreifen (BFH-Urteil in BFHE 189, 98, BStBl II 1999, 706 m.w.N.).

Da der Kindergeldberechtigte die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Kindergeldanspruchs trägt, geht es zu seinen Lasten, wenn er nicht den Nachweis erbringt, dass sich das Kind in Berufsausbildung befand.

b) Bei Anwendung der o.g. Grundsätze hat die Klin nachgewiesen, dass sich I im Juni 2004 in einer Berufsausbildung befand. Für die übrigen streitigen Monate Juli 2004 bis Juni 2005 wurde diese Anspruchsvoraussetzung für das Kindergeld nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.

Nach der vorgelegten Bestätigung der X vom 20. Dezember 2003 nahm I ab 12. Dezember 2003 am Fernlehrgang "Web-Designerin" teil. Insoweit bezweifelt der Senat zwar -- ebenso wie die FK-- nicht, dass die Teilnahme an diesem Lehrgang für I grundsätzlich eine Berufsausbildung darstellte. Denn zum einen hatte I ihr Berufsziel nach dem abgebrochenen Fachhochschulstudium der Informatik noch nicht erreicht. Zum anderen ist die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zur Planung und Erstellung von professionellen Webseiten in einem staatlich geprüften und zugelassenen Lehrgang und der angestrebte Erwerb eines Abschlusszertifikats, das in der Berufswelt als Befähigungsnachweis genutzt werden kann, geeignet, Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufes zu sein.

Die von der Klin vorgelegten Nachweise reichen jedoch nicht aus, um die Überzeugung des Senats zu begründen, dass sich I im gesamten streitigen Zeitraum ernsthaft und nachhaltig auf das angestrebte Ausbildungsziel vorbereitete. Insbesondere kann der Senat nach den Gesamtumständen auch nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass I ihre Ausbildung während dieser Zeit unterbrochen hat. In dem von der X mit Schreiben vom 30. Oktober 2007 erteilten Leistungsnachweis wird zwar bestätigt, dass I seit 12. Dezember 2003 am Fernlehrgang teilnahm. Aus der anliegenden Übersicht ergibt sich jedoch, dass I am 02. Juni 2004 eine Aufgabe eingesandt hat, dann jedoch weitere Aufgaben erst wieder am 13. März 2006. Mithin wurde für einen Zeitraum von 21 Monaten kein Nachweis über die Einsendung von Aufgaben vorgelegt. Der Senat geht danach davon aus, dass sich I nur im Juni 2004 noch in Ausbildung befand. Für die übrige streitige Zeit Juli 2004 bis Juni 2005 sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass I sich weiter ernsthaft und nachhaltig auf das Ausbildungsziel vorbereitete. Die Einsendeaufgabe zu X 3 trägt zwar das Erstelldatum 17. Januar 2005. Nach der Leistungsnachweisübersicht wurde diese Aufgabe aber erst am 13. März 2006 eingesandt. Mangels weiterer Anhaltspunkte für Ausbildungsbemühungen der I im Zeitraum Juli 2004 bis Juni 2005 reicht dieses eine --und zudem willkürlich festlegbare-- Erstelldatum für sich nicht 6 aus, den Senat davon zu überzeugen, dass ein Ausbildungsverhältnis nicht nur formal bestand, sondern auch tatsächlich durchgeführt wurde. Vielmehr liegen Anzeichen dafür vor, dass die Ausbildung über einen längeren Zeitraum unterbrochen wurde. Nach der von der Klin vorgelegten Auftragsbestätigung der X, die eine Kursbeschreibung enthält, beträgt die gewöhnliche Studiendauer 18 Monate bei einer wöchentlichen Studienzeit von 10 - 12 Stunden. Der Kurs ist dabei so ausgelegt, dass er auch berufsbegleitend durchgeführt werden kann. Bei gewöhnlicher Durchführung des Lehrgangs hätte I, die nach der Erklärung vom 10. Juli 2005 zu den Einkünften und Bezügen im Jahr 2004 keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, den Lehrgang daher jedenfalls bis ca. Juni 2005 abschließen können. Aus der E-Mail des Fernlehrgangs-Betreuers der I vom 06. März 2006 ergibt sich zudem, dass I den Fernlehrgang "nicht wie geplant verfolgen" konnte.

Daher wurde die ursprünglich bis 12. März 2006 befristete maximale Betreuungszeit auf Antrag der I bis 31. März 2007 verlängert. Wie sich aus dem Leistungsnachweis der X vom 30. Oktober 2007 ergibt, hatte I aber auch innerhalb dieser verlängerten Betreuungszeit noch nicht alle Leistungsnachweise erbracht. Die Betreuungszeit wurde daher nochmals auf 48 Monate und mithin bis 31. Dezember 2007 verlängert. Dies deutet darauf hin, dass sich I für einen oder mehrere längere Zeiträume nicht ernsthaft und nachhaltig auf das angestrebte Ausbildungsziel vorbereitete. Da das bloße Bestehen eines Ausbildungsverhältnisses ohne tatsächliche Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen nicht ausreicht, einen Kindergeldanspruch zu begründen, hat die FK insoweit zu Recht die Kindergeldfestsetzung aufgehoben und das Kindergeld zurückgefordert (§ 37 Abs. 2 Abgabenordnung, § 31 S. 3 EStG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 1 FGO.

4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Ende der Entscheidung

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