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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 14.11.2006
Aktenzeichen: 12 K 5060/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 2
EStG § 4 Abs. 5 Nr. 5
EStG § 9 Abs. 5
EStG § 32 Abs. 4
EStG § 70 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

12 K 5060/04

In der Streitsache

...

hat der 12. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht

des Richters am Finanzgericht und

der Richterin am Finanzgericht sowie

der ehrenamtlichen Richter

ohne mündliche Verhandlung

am 14. November 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Gründe:

I. Streitig ist die Gewährung von Kindergeld ab dem 01. Januar 2004 für die Tochter des Klägers, A, (geb. am 05. Oktober 19XX).

Die Tochter A wurde mit Wirkung vom 01. September 2002 zur Beamtin auf Widerruf bei der Landesjustizverwaltung Baden-Württemberg zur Rechtspflegeanwärterin ernannt und nahm im Rahmen des bis Oktober 2005 andauernden Vorbereitungsdienstes für den gehobenen Justizdienst von September 2002 bis August 2003 am Studium I 2002/2003 an der Fachhochschule B (Hochschule für Rechtspflege) -FH -teil (vgl. Bescheinigung der FH vom 06. Mai 2003). Vom September 2003 an befand sich die Tochter des Klägers zur weiteren Ausbildung beim Amtsgericht C (s. Bescheinigung des Amtsgerichts C vom 07. Oktober 2003, Bl. 37 FG-Akte). Im Anschluss daran kehrte sie ab Oktober 2004 wieder an die FH zurück. Ab Dezember 2003 mietete die Tochter A eine Wohnung in der D-Str. 6 in C an (vgl. Bl. 28 FG-Akte).

Der Kläger erhielt für seine Tochter A bis Dezember 2003 Kindergeld.

Mit Bescheid vom 13. April 2004 hob die beklagte Familienkasse der E AG gestützt auf § 70 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes -EStG -die Kindergeld-Festsetzung ab 01. Januar 2004 auf, da der Grenzbetrag von 7.680 EUR voraussichtlich überschritten werde. Der Einspruch dagegen wurde mit Einspruchsentscheidung vom 15. Oktober 2004 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Klage macht der Kläger nunmehr im Wesentlichen geltend, dass ausgehend von einem Bruttoeinkommen der Tochter in Höhe von 11.048 EUR und Werbungskosten in Höhe von insgesamt 4.263 EUR die Einkünfte in Höhe von 6.785 EUR unter dem Grenzbetrag von 7.680 EUR lägen. Die Tätigkeit der Tochter stelle eine Einsatzwechseltätigkeit dar, sodass für die Einsatzorte C und B ein pauschaler Verpflegungsmehraufwand und die Fahrtkosten nach B mit der Dienstreisepauschale angesetzt werden könnten.

Wegen der vom Kläger vorgenommenen Berechnung der Werbungskosten im Einzelnen wird insbesondere auf den Schriftsatz vom 01. August 2005 samt Anlagen (Bl. 103 ff. FG-Akte) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 13. April 2004 über die Aufhebung der Kindergeld-Festsetzung sowie die Einspruchsentscheidung vom 15. Oktober 2004 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, für die Tochter A Kindergeld für das Kalenderjahr 2004 zu zahlen.

Die Familienkasse beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass bei der Tochter A keine Einsatzwechseltätigkeit vorliege und aus diesem und weiteren Gründen lediglich Werbungskosten in Höhe von 3.187 EUR anerkannt werden könnten, sodass die Einkünfte in Höhe von 7.867 EUR in 2004 über dem Grenzbetrag von 7.680 EUR lägen.

Auf die Aufklärungsanordnung des Gerichts vom 18. Mai 2005 (Bl. 80 FG-Akte) wird Bezug genommen.

II. Die Klage ist unbegründet.

Die beklagte Familienkasse durfte die Kindergeldfestsetzung zum 01. Januar 2004 aufheben, da die Tochter des Klägers Einkünfte i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG von mehr als 7.680 EUR in 2004 bezogen hat. Unter den Voraussetzungen der genannten Regelung wird für ein über 18 Jahre altes und in Berufsausbildung befindliches Kind das Kindergeld (s. § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG) gewährt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 EUR im Kalenderjahr hat.

Die Ermittlung der Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen des § 2 Abs. 2 EStG. Deshalb sind die Werbungskosten bzw. Werbungskostenpauschbeträge von den Einkünften des Kindes abzuziehen.

Im Bezug auf die ausbildungsbedingten Arbeitsstätten der Tochter des Klägers in C und in B können entgegen der Ansicht des Klägers jedoch weder Fahrtkosten noch Verpflegungsmehraufwendungen nach den Grundsätzen für eine so genannte Einsatzwechseltätigkeit (vgl. § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG), sondern lediglich die jeweiligen Entfernungspauschalen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angesetzt werden.

Nach § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG sind Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar. Wird der Steuerpflichtige aber vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig (s. § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 EStG) oder wird der Steuerpflichtige bei seiner individuellen betrieblichen Tätigkeit typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten tätig (s. § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 3 EStG), sind für die Mehraufwendungen für die Verpflegung die in § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 EStG näher bestimmten Pauschbeträge abziehbar. Diese Regelungen gelten grundsätzlich auch für in Ausbildung stehende Steuerpflichtige (vgl. Bundesfinanzhof-BFH -Urteil vom 04. Mai 1990 VI R 144/85, BStBI II 1990, 856).

Als Arbeitnehmer wird typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten tätig, wer im Betrieb seines Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte innehat, die für ihn den ortsgebundenen Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit darstellt. § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 3 EStG ist nur dann anzuwenden, wenn es an einem solchen Tätigkeitsmittelpunkt fehlt (BFH-Urteile vom 14. September 2005 VI R 93/04, BFH/NV 2006, 53 undvom 11. Mai 2005 VI R 16/04, BFH/NV 2005,1692). Der Tätigkeitsmittelpunkt bzw. die regelmäßige Arbeitsstätte i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist dabei der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zu erbringen hat. Dies ist im Regelfall der Betrieb oder die Betriebsstätte des Arbeitgebers. Entscheidend ist insoweit, ob der Arbeitnehmer den Betriebssitz des Arbeitgebers oder sonstige betriebliche Einrichtungen, denen er zugeordnet ist, nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit immer wieder aufsucht. Liegen diese Voraussetzungen vor, kann ein Arbeitnehmer auch mehrere regelmäßige Arbeitsstätten nebeneinander innehaben (BFH in BFH/NV 2006, 53 m.w.N. und BFH-Urteil vom 11. Mai 2005 VI R 15/04, BFH/NV 2005, 1691).

Demnach liegt keine Einsatzwechseltätigkeit vor, wenn ein Arbeitnehmer mehrere ortsfeste Betriebsstätten seines Arbeitgebers ständig oder auch nacheinander aufsucht (vgl. Schmidt/Drenseck, EStG, Komm., § 19 Rz. 60 Stichwort: Einsatzwechseltätigkeit).

Nach diesen Grundsätzen hat die Tochter des Klägers während des Streitjahrs 2004 keine Einsatzwechseltätigkeit ausgeführt. Vielmehr hat die Tochter A ihre Ausbildung zur Rechtspflegerin nacheinander an zwei staatlichen Einrichtungen betrieben, nämlich am Amtsgericht in C und an der internen Fachhochschule des Landes Baden-Württemberg in B.

Die Ausbildung der Tochter A hat sich wie folgt gegliedert: 12 Monate fachwissenschaftliches Studium I an der FH, 13 Monate Studienpraxis I bei einem Amtsgericht, 9 Monate fachwissenschaftliches Studium II an der FH und 2 Monate Studienpraxis II bei einer Staatsanwaltschaft (vgl. Ausbildungsüberblick der FH B unter www.jum.baden-wuerttemberq.de). Das Studium I und II findet dabei an der FH in B statt. Dienstvorgesetzter der Rechtspflegeranwärter während des Studium I und II ist der Direktor der FH für Rechtspflege und während der Studienpraxis I und II der Vorstand des Amtsgerichts, bei dem die Studienpraxis I abgeleistet wird (siehe § 8 Abs. 1 der Verordnung des Justizministeriums über die Ausbildung und Prüfung der Rechtspfleger des Landes Baden-Württemberg).

Danach ergibt sich, dass jede der zueinander gleichrangigen Tätigkeitsstätten für sich abschnittweise den alleinigen beruflichen Mittelpunkt der beruflichen Ausbildung der Tochter des Klägers dargestellt hat. Deshalb können weder Verpflegungsmehraufwendungen, wie vom Kläger (in Höhe von 960 EUR für den Einsatzort C und in Höhe von 66 EUR für den Einsatzort B) geltend gemacht, noch Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten abgezogen werden. Vielmehr sind die Aufwendungen für die Fahrten zu den beiden Arbeitsstätten, Amtsgericht C und FH B, lediglich in Höhe der Entfernungspauschale gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für die Wege zwischen der Wohnung der Tochter in C und der jeweiligen Arbeitsstätte zu berücksichtigen.

Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers zur Entfernung und zur Anzahl der Tage errechnen sich danach anzuerkennende Kosten für Fahrten zur FH in Höhe von 825 EUR (50 x 55 Kilometer x 0,30 EUR pro Kilometer) und Kosten für Fahrten zum Amtsgericht C, wie vom Kläger berechnet, in Höhe von 249 EUR.

Die weitere Prüfung der vom Kläger angegebenen Werbungskosten seiner Tochter kann im vorliegenden Kindergeldverfahren unterbleiben. Denn selbst wenn die weiteren Werbungskosten in Höhe von insgesamt 1.338 EUR (für Arbeitsmittel, Reisekosten, Fachliteratur und Steuerberatungskosten) in vollem Umfang anerkannt werden könnten, ergäben sich zu berücksichtigende Einkünfte der Tochter des Klägers i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in Höhe von 8.636 EUR, die damit über dem Kindergeld unschädlichen Grenzbetrag von 7.680 EUR lägen. Dies gilt selbst dann noch, wenn -was derzeit streitig ist (s. die beim BFH anhängigen Revisionsverfahren III R 72/05 und III R 74/05) -auch die Kosten der Tochter für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 763,08 EUR (s. Bl. 90 FG-Akte) bei der Ermittlung des Jahresgrenzbetrags gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu berücksichtigen wären.

Einer Aussetzung des Verfahrens, wie von der beklagten Familienkasse angeregt, bedarf es deshalb im Streitfall nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO -.

Das Gericht erachtet es für sachgerecht mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (s. § 90 Abs. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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