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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 07.10.2008
Aktenzeichen: 13 K 1680/08
Rechtsgebiete: AO, ZPO, BGB


Vorschriften:

AO § 37 Abs. 2
AO § 45 Abs. 2
AO § 218 Abs. 1
AO § 218 Abs. 2
AO § 265
ZPO § 781
BGB § 1922
BGB § 1967
BGB § 1990
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

13 K 1680/08

Erstattung

In der Streitsache

...

hat der 13. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

ohne mündliche Verhandlung am 7. Oktober 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Eine auf Zahlung gerichtete Leistungsklage kann nur dann Erfolg haben, wenn aufgrund eines abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens der geltend gemachte Anspruch durch Verwaltungsakt festgestellt ist und nur seine Verwirklichung (Erfüllung) noch aussteht.

2. Wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch betrifft, wird der sog. Abrechnungsbescheid zur Grundlage für die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis.

3. Die beschränkte Erbenhaftung wegen übergegangener Steuerschulden ist allein im Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigen.

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob dem Kläger ein Erstattungsanspruch zusteht.

I. Der Kläger (geb. [....]) ist der Gesamtrechtsnachfolger nach seinem am [...] 2001 verstorbenen Bruder. Mit Schreiben vom 18. April 2002 forderte der Beklagte - das Finanzamt (FA) - den Kläger auf, als Alleinerbe nach seinem Bruder, die Abgabenschulden seines Bruders in Höhe von derzeit insgesamt 79.711,68 EUR zu begleichen. Mit Schreiben vom 13. Mai 2002 teilte der Kläger dem FA mit, dass er mit Schreiben vom 28. November 2001 gegenüber dem Amtsgericht die Erbschaft ausgeschlagen habe und außerdem vorsorglich die Anfechtung der Fristversäumnis angefochten habe.

Mit Erbschein vom [...] 2004 stellte das Amtsgericht fest, dass der Kläger Alleinerbe nach seinem Bruder ist. Mit Schreiben vom 3. Juni 2004 teilte der Kläger dem FA mit, dass der Nachlass überschuldet sei, und beantragte die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass.

Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 14. Oktober 2004 pfändete das FA die Konten des Klägers bei der Sparkasse [...] S-Stadt wegen der Abgabenrückstände des Bruders, die zu diesem Zeitpunkt 84.808,62 EUR (davon Säumniszuschläge in Höhe von 51.868,36 EUR) betrugen. Mit Schreiben vom 3. November 2004 beantragte der Kläger die Einstellung der Zwangsvollstreckung. Das FA setzte mit Verfügung vom 22. November 2004 die Pfändungsund Einziehungsverfügung aus und gewährte mit Verfügung vom 22. November 2004 dem Kläger gegen monatliche Ratenzahlungen in Höhe von 500,00 EUR einen bis 10. Juni 2005 befristeten Vollstreckungsaufschub; vom Kläger wurden sechs Raten zu 500,00 EUR überwiesen. Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 18. Oktober 2005 erfolgte eine weitere Vollstreckungsmaßnahme in die Konten des Klägers bei der Sparkasse S-Stadt. Die Sparkasse S-Stadt überwies aufgrund dieser Vollstreckungsmaßnahme einen Betrag in Höhe von 4.396,78 EUR an das FA. Mit Verfügungen vom 3. und 24. November 2005 hob das FA die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 14. Oktober 2004 und vom 18. Oktober 2005 auf und gewährte mit weiterer Verfügung vom 25. November 2005 einen zweiten bis zum 1. Mai 2006 befristeten Vollstreckungsaufschub; das FA forderte wiederum monatliche Ratenzahlungen in Höhe von 500,00 EUR. Zahlungen des Klägers auf diesen Vollstreckungsaufschub erfolgten nicht. Mit einer erneuten Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 22. Februar 2006 vollstrecke das FA wieder in die Konten des Klägers bei der Sparkasse SStadt. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 14. März 2006 dem FA mit, dass er am 21. Oktober 2003 die Nachlassverwaltung gemäß § 1975 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beantragt habe und diesen Antrag am 19. Dezember 2003 wieder zurückgenommen habe, nachdem das Nachlassgericht mit Schreiben vom 3. November 2003 mitgeteilt habe, dass davon ausgegangen werden müsse, dass eine den Kosten entsprechenden Masse gemäß § 1982 BGB nicht vorhanden sein dürfte. Daraufhin schränkte das FA mit Verfügung vom 20. März 2006 die Einziehungsverfügung ein.

Ausweislich einer sogenannten I-Abfrage wurden dem Steuerkonto des Bruders des Klägers in dem Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 23. Juli 2008 insgesamt Zahlungen in Höhe von 7.396,78 EUR gutgeschrieben (Vollstreckungsakte Bl. 192).

Mit seiner Klage trägt der Kläger vor, dass das FA vom Kläger Ratenzahlungen in Höhe von 3.000,00 EUR und aus einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung einen Betrag von 4.396,78 EUR erhalten habe. Da eine Steuerschuld des Klägers nicht bestehe, sei dieser Betrag dem Kläger vom FA zurückzuerstatten. Mit Schreiben vom 5. März 2007 habe er vom FA unter Fristsetzung bis zum 26. März 2007 die Rückzahlung des zu Unrecht erlangten Betrages gefordert. Die Zahlung sei aber bis heute nicht erfolgt.

Der Kläger beantragt

das Finanzamt zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 7.396,78 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basissatz seit dem 31. Januar 2006 zu zahlen.

Das Finanzamt beantragt

die Klageabweisung.

Das FA ist der Auffassung, dass die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei, denn es habe die geforderte Leistung zuvor nicht abgelehnt. Das Schreiben vom 5. März 2007, mit dem der Kläger das FA zur Leistung aufgefordert haben wolle, sei gar nicht zugegangen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

II. Die Klage hat keinen Erfolg.

Ist eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages (§ 37 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung - AO -). Ohne rechtlichen Grund gezahlt ist eine Steuer, wenn der rechtliche Grund entweder von Anfang an fehlt oder später wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO).

Unabhängig, ob die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs vorliegen, fehlt es jedenfalls an den formalen Voraussetzungen für dessen Geltendmachung. Denn eine auf Zahlung gerichtete Leistungsklage kann nur dann Erfolg haben, wenn aufgrund eines abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens der geltend gemachte Anspruch durch Verwaltungsakt festgestellt ist und nur seine Verwirklichung (Erfüllung) i.S. des § 218 Abs. 1 AO noch aussteht (vgl. BFHUrteile vom 30. November 1999 VII R 97/98, BFH/NV 2000, 412;vom 29. Januar 1991 VII R 45/90, BFH/NV 1991, 791;vom 12. Juni 1986 VII R 103/83, BStBl II 1986, 702; BFHBeschluss vom 10. Mai 2007 VII B 195/06, n.v. [...]).

Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen auch die Erstattungsansprüche gehören (§ 37 Abs. 1 und 2 AO), d.h. für ihre Erfüllung im Steuererhebungsverfahren, ist nämlich nach § 218 Abs. 1 AO ein entsprechender im Steuerfestsetzungsverfahren ergangener Bescheid. Als weitere Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis kommen im Steuererhebungsverfahren ergehende Abrechnungsbescheide in Betracht (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1986, 702). Für diese sieht § 218 Abs. 2 AO ein besonderes Verwaltungsverfahren vor. Danach entscheidet über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen, die Finanzbehörde durch Verwaltungsakt. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch betrifft (§ 218 Abs. 2 Satz 2 AO). Der Verwaltungsakt nach § 218 Abs. 2 AO, der sog. Abrechnungsbescheid, wird in diesem Fall zur Grundlage für die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 218 Abs. 1 AO (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1986, 702, m.w.N.).

Dies zugrunde gelegt, folgt daraus für den Streitfall: Die Leistungsklage, mit der der Kläger die Erstattung der von ihm auf das Steuerkonto seines Bruders geleisteten Zahlungen begehrt, hat keinen Erfolg, denn ein etwaiger Erstattungsanspruch ist nicht zuvor durch einen Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 2 AO festgesetzt worden.

Das FA wird in einem Abrechnungsbescheid - der nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist - darüber zu entscheiden haben, ob der Kläger als Erbe seines Bruders gemäß § 45 Abs. 2 AO für die Abgabenschulden nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts über die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten einzustehen hat (§§ 1922, 1967 BGB) und ob Erstattungsansprüche des Klägers bestehen. Die beschränkte Erbenhaftung (§ 1990 BGB) wegen übergegangener Steuerschulden ist im Übrigen nicht im Steuerfestsetzungsverfahren oder gegen das Leistungsgebot bzw. unmittelbar im Rückforderungsverfahren, sondern allein im Zwangsvollstreckungsverfahren (§ 265 AO i.V.m. § 781 Zivilprozessordnung - ZPO -) zu berücksichtigen (BFH-Urteile vom 17. Januar 2008 VI R 45/04, BStBl II 2008, 418;vom 11. August 1998 VII R 118/95, BStBl II 1998, 705; BFH-Beschluss vom 24. Juni 1981 I B 18/81, BStBl II 1981, 729).

Im Übrigen kann die Klage auf Zahlung von Zinsen schon deshalb keinen Erfolg haben, weil Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur verzinst werden, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 233 Satz 1 AO), und Prozesszinsen (§ 236 AO) im Streitfall ausscheiden, weil der gerichtliche Rechtsstreit nicht um eine Steuerfestsetzung geführt wird (BFH-Urteile vom 6. Mai 2008 VII R 10/07, BFH/NV 2008, 1714;vom 5. April 2006 I R 80/04 BFH/NV 2006, 1435).

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Ende der Entscheidung

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