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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 24.02.2003
Aktenzeichen: 13 K 4791/99
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 2
EStG § 13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

wegen

gesonderter Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 1993, 1994, 1995

hat das Finanzgericht München, ... Senat, durch den Richter am Finanzgericht als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter Aufhebung des Sammelfeststellungsbescheids 1993, 1994, 1995 vom 3. März 1999 und der Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 1999 wird das Finanzamt verpflichtet, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wie folgt festzustellen:

1993: ./. 33.845 DM

1994: ./. 28.480 DM

1995: /. 10.886 DM

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

I.

Die Klägerin und der Beigeladene wurden als Ehegatten für die Streitjahre 1993, 1994 und 1995 zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt.

Der Beigeladene bezog als Finanzbeamter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Mit notariellem Vertrag vom 16. Mai 1991 (Bl. 18-30 ESt-Akten 86-92, Vorheftung) hat der Beigeladene von seiner Mutter ein landwirtschaftliches Anwesen mit einer Größe von insgesamt 0,7244 ha übergeben erhalten. Die Eheleute rissen im November 1991 die vorhandenen alten Gebäude vollständig ab und errichteten ein neues landwirtschaftliches Wohnhaus mit Nebengebäuden.

Die Eheleute behandelten den Stall und einen Teil des Wohnhauses als landwirtschaftliches Vermögen.

Seit dem Veranlagungszeitraum 1991 erklärten die Eheleute negative Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Im Einzelnen stellen sich die für die jeweiligen Wirtschaftsjahre (Wj.) gem. § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelten Ergebnisse wie folgt dar:

 Wj. 1991/92 DMWj. 1992/93 DMWj. 1993/94 DMWj. 1994/95 DMWj. 1995/96 DMZwischensumme
./. 46.759,38 (lt. FG Ø)./. 20.955,00 (lt. FG./. 10.478,00)./. 46.734,00./. 10.225,92./. 11.546,00./. 136.220,30
Wj. 1996/97 DMWj. 1997/98 DMWj. 1998/99 DMWj. 1999/00 DMWj. 2000/01 DMZwischensumme
./. 13.830,35./. 11.563,84./. 10.123,07./. 9.037,41./. 7.501,36./. 188.276,33
Wj. 2001/02 DM    Zwischensumme
./. 5.098,44    ./. 5.098,44
     ./. 587,12 *)
insgesamt    ./. 193.961,89
    (lt. FG:)./. 136.725,51

Dabei betrugen die Erträge (einschließlich Entnahmen und Umsatzsteuer) aus Land- und Forstwirtschaft im

 Wj. 1991/92:1.030,00 DM
Wj. 1992/93:1.268,00 DM
Wj. 1993/94:35.281,80 DM
Wj. 1994/95:7.527,17 DM
Wj. 1995/96:1.520,60 DM
Wj. 1996/97:2.670,70 DM
Wj. 1997/98:4.480,88 DM
Wj. 1998/99:3.641,90 DM
Wj. 1999/00:1.565,67 DM
Wj. 2000/01:1.877,11 DM
Wj. 2001/02:3.502,29 DM.

Lässt man die Einnahmen aus Umsatzsteuererstattung und Entschädigung der Gemeinde für Leitungsrechte außer Betracht, stellen sich die Erträge und der Eigenverbrauch aus der Landwirtschaft wie folgt dar:

 Wj. 1991/92 DMWj. 1992/93 DMWj. 1993/94 DMWj. 1994/95 DMWj. 1995/96 DMWj. 1996/97 DM
Einnahmen923,46352,362.482,692.529,99985,75598,99
Eigenverbrauch/Entnahmen100,00800,00723,36498,13530,85451,41

*) siehe berichtigte Gewinnermittlung 2001/02 (Bl. 208 FG-Akte)

 Wj. 1997/98 DMWj. 1998/99 DMWj. 1999/00 DMWj. 2000/01 DMWj. 2001/02 DM
Einnahmen3.419,57532,96495,211.052,102.457,27
Eigenverbrauch/Entnahmen275,572.628,58877,73640,55891,60

Die Investitionskosten zu Betriebsbeginn bestanden im Wesentlichen aus den Herstellungskosten des landwirtschaftlich genutzten Teils der Hofstelle i. H. v. geltend gemachten 180.000 DM.

Während in den Wj. 1991/92 und 1992/93 die landwirtschaftlichen Erträge lediglich aus dem Verkauf von Heu, Mist, Holz und Most stammten, wurde in den Wj. 1993/94 und 1994/95 offensichtlich auch Muttertierhaltung betrieben, wobei jeweils im Frühjahr eine trächtige Kuh gekauft und im Herbst die Kuh und das Kalb wieder veräußert wurden. Auch im Wj. 1997/98, 2000/01 und 2001/02 fanden Viehverkäufe statt.

Die von den Eheleuten erklärten Verluste aus Land- und Forstwirtschaft für die Veranlagungszeiträume 1991 und 1992 wurden durch das Finanzgericht (FG) München mit Urteil vom 2. April 1996 - 13 K 318/94 rechtskräftig nicht anerkannt, da nach Überzeugung des Gerichts die landwirtschaftliche Tätigkeit weder dazu geeignet noch dazu bestimmt sei, Gewinne zu erzielen. Ausschlaggebend für das Gericht war u. a. der Gesichtspunkt, dass bei Beurteilung des Totalgewinns die stillen Reserven außer Ansatz zu lassen seien. Die gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BFH mit Beschluss vom 14. Mai 1997 zurückgewiesen (Az.: IV B 78/96). Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Einspruchsentscheidung (EE) in Sachen ESt 1991 und 1992 sowie auf den Tatbestand des FG-Urteils 13 K 318/94 verwiesen.

Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) erkannte auch in den Veranlagungszeiträumen 1993 bis 1995 die erklärten Verluste aus Land- und Forstwirtschaft nicht an. Die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos (s. die EE vom 10. Juni 1998, Bl. 75-83 ESt-Akte 1995). Auf Anregung des Einzelrichters im (inzwischen ausgesetzten) Verfahren 13 K 3436/98 erließ das FA für die Streitjahre negative Feststellungsbescheide 1993-1995 (s. den Sammelbescheid vom 3. März 1999). Auch der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (s. die EE vom 14. Oktober 1999, Bl. 46-54 Fest-Akte).

Mit ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor; Auf der Grundlage des vom FA eingeholten Verkehrswertgutachtens sowie des ermittelten Verkehrswerts im Schreiben des FA vom 10. April 1995 ergebe sich bis zum Wj. 2006/07 ein Totalgewinn von ca. 54.200 DM. Diese positive Ergebnisprognose bejahe die Gewinnerzielungsabsicht. Liebhaberei komme nicht in Betracht. Der Einzelrichter verweist auf den Schriftsatz vom 30. Dezember 1999 mit der Totalgewinnermittlung des Beigeladenen (Bl. 16 a FG-Akte) sowie auf das Verkehrswertgutachten des Finanzbauamts vom 22. November 1994 (Bl. 82-105 FG-Akte). In die Ermittlung des voraussichtlichen Aufgabegewinns sei die AfA mit einzubeziehen. Das FG-Urteil 13 K 318/94 sei insoweit überholt.

Der Einzelrichter verweist auf die Schriftsätze vom 30. Dezember 1999 und 12. November 2002.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Sammelfeststellungsbescheids 1993, 1994, 1995 vom 3. März 1999 und der EE vom 14. Oktober 1999 das FA zu verpflichten, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wie folgt festzustellen:

 1993./. 33.845 DM
1994./. 28.480 DM
1995./. 10.886 DM.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene stellt keine Anträge.

Es tritt in den Schriftsätzen vom 22. Februar 2000 und 29. November 2002 der Argumentation der Klägerin entgegen. Es vertritt die Auffassung, dass auch weiterhin (wie im FG-Urteil 13 K 318/94) die AfA nicht in die Ermittlung des fiktiven Aufgabegewinns mit einzubeziehen sei.

In der Streitsache hat eine Beweisaufnahme stattgefunden (s. Beweisbeschluss vom 1. Juli 2002 mit Ergänzungen vom 12. Juli und 16. September 2002, Bl. 116-118, 126 f., 130 FG-Akte). Auf das Gutachten (in der FG-Akte) vom 25. Oktober 2002 wird verwiesen.

Hierzu haben die Beteiligten Stellung genommen (Klägerin mit Schriftsätzen vom 12. November 2002 und 4. Februar 2003; FA mit Schriftsatz vom 29. November 2002). Mit Stellungnahme vom 4. Februar 2003 hat der Gutachter sein Gutachten ergänzt (Bl. 195-204 FG-Akte).

Gründe

II.

Die Klage ist begründet.

1. Zu Unrecht hat das FA die laufenden Verluste der Streitjahre außer Ansatz gelassen.

Da die Klägerin und der Beigeladene zum 1. August 2003 einen Totalgewinn erwirtschaften werden, ist der landwirtschaftliche Kleinbetrieb nicht als Liebhaberei einzustufen. Gemäß Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Juni 1998 XI R 64/97 (BFHE 187, 347, BStBl II 1998, 727) setzt sich der für die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht maßgebliche Totalgewinn aus den erzielten und künftig zu erwartenden Gewinnen/Verlusten (hier: mit Ausnahme des Wirtschaftsjahres 2002/03 ausschließlich Verluste) und dem sich bei Betriebsbeendigung voraussichtlich ergebenden Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn/-verlust (hier: Aufgabegewinn) zusammen.

Der Aufgabegewinn wird durch Gegenüberstellung des Aufgabeanfangsvermögens und des Aufgabeendvermögens ermittelt. Beim Endvermögen sind gem. § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG 1994/95 die gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter, die nicht veräußert werden, anzusetzen. Dies bedeutet, dass die jeweils entstandenen stillen Reserven mit einzubeziehen sind. Genau diese Werte sind im sehr sorgfältig ausgearbeiteten Gutachten vom 29. Oktober 2002 im Einzelnen ermittelt worden. Die Beteiligten haben keine Einwendungen dagegen erhoben. Das Anfangsvermögen bestimmt sich nach den Buchwerten des hergestellten erworbenen oder eingelegten Wirtschaftsguts, gemindert um die jährlich angefallene AfA. Die AfA ist aus Gründen einer korrekten (Aufgabe-)Gewinnermittlung zwingend zu berücksichtigen, da sie sich ja auch in den laufenden jährlichen Ausgaben niedergeschlagen hat. Ginge es hier nicht um die (fiktive) Ermittlung eines Totalgewinns im Rahmen der Beurteilung einer Tätigkeit als Liebhaberei, sondern um einen normalen Aufgabegewinn als Abschluss einer gewerblichen Betätigung, würde auch dem FA nicht anstehen, die AfA von den Buchwerten abzuziehen, da dies ja den Aufgabegewinn erhöht.

Ähnlich verhält es sich mit den stillen Reserven, welche aufgrund der kostensparenden, aber sehr soliden Bauweise in den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden verkörpert sind. Sie können auch aufgrund der Ausführungen im Schriftsatz des FA vom 29. November 2002 nicht außer Betracht bleiben. Es ist zwar richtig, dass im Urteil des FG München vom 2. April 1996 - 13 K 318/94 (Tz. 2 der Gründe, S. 8 f) diese Auffassung vertreten wird. Der Senat legte damals eine Äußerung der damaligen Kläger (Beigeladene und Klägerin) zugrunde, wonach an eine Aufgabe oder Veräußerung in absehbarer Zeit nicht gedacht sei. Spätestens im vorliegenden Verfahren hat der Prozessbevollmächtigte diese missverständliche Einlassung dahingehend modifiziert, dass sehr wohl an eine Betriebsaufgabe gedacht ist, und zwar zum Eintritt der Pensionierung des Beigeladenen am 1. August 2004 (s. S. 2 des Schriftsatzes vom 30. Dezember 1999, Bl. 13 FG-Akte). Dabei wird richtigerweise (jedenfalls bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft) die Periode für die Ermittlung des Totalgewinns subjektbezogen verstanden. Der Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung diese Aussagen und Rechtsausführungen bestätigt (s. S. 2 der Sitzungsniederschrift). Es erscheint daher unangebracht, die Klägerin und den Beigeladenen an ihren im Vorprozess abgegebenen Erklärungen festzuhalten.

Zweifelhaft scheint dem Einzelrichter die Annahme des FG zur Vorentscheidung 13 K 318/94, dass die stillen Reserven bei Zugrundelegung einer längeren Totalgewinnperiode (als hier angenommen) völlig aufgezehrt sein werden. Nach der Beschreibung im Gutachten und den vorgelegten Photos machen die Baulichkeiten einen sehr soliden, wohlgepflegten Eindruck, so dass auch nach Ablauf zweier oder dreier Jahrzehnte kein 100%iger Wertverzehr eingetreten sein wird.

Der Einzelrichter kann sich daher den Erwägungen des FA (zuletzt im Schriftsatz vom 29. November 2002, S. 6 ff.) nicht anschließen. Auf dem von der Mutter 1991 übernommenen landwirtschaftlichen Anwesen wurde ein kleiner landwirtschaftlicher Betrieb errichtet, der zwar mit Verlusten arbeitete, aber aufgrund der erheblichen stillen Reserven ein positives Gesamtergebnis zum 1. August 2004 aufweist. Gerade in der Landwirtschaft, wo der Grund und Boden sowie die aufstehenden Gebäude oft erhebliche stille Reserven aufweisen, können selbst erhebliche laufende Verluste gleichwohl eine steuerlich relevante Betätigung indizieren, weil diese den voraussichtlichen Aufgabegewinn nicht aufzehren. Derartige Ergebnisse sind mit der durch Beschluss des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) begründeten Methodik der Totalgewinnermittlung unausweichlich.

Der Totalgewinn ermittelt sich im Streitfall bei Berücksichtigung der in den FG-Urteilen 13 K 318/94 und 13 K 4791/99 festgesetzten Betriebsergebnisse wie folgt (ausgegangen wird von dem Zahlenwerk, das der Beigeladene im Schriftsatz vom 18. Februar 2002, vorgelegt in der mündliche Verhandlung, erarbeitet hat: Bl. 208-210 FG-Akte):

 laufende VerlusteWirtschaftsjahr 91/920
 Wirtschaftsjahr 92/9310.477 DM
 Wirtschaftsjahr 93/9446.734 DM
 Wirtschaftsjahr 94/9510.226 DM
 Wirtschaftsjahr 95/9611.815 DM
 Wirtschaftsjahr 96/9714.372 DM
 Wirtschaftsjahr 97/9812.107 DM
 Wirtschaftsjahr 98/9910.413 DM
 Wirtschaftsjahr 99/009.324 DM
 Wirtschaftsjahr 00/017.788 DM
 Wirtschaftsjahr 01/025.979 DM
 Wirtschaftsjahr 02/030
 Wirtschaftsjahr 03/045.000 DM
  144.235 DM

Diesem laufenden Gesamtverlust steht ein fiktiver Aufgabegewinn zum 1. August 2004 von 205.493,83 DM gegenüber (s. die Gewinnermittlung Bl. 209 FG-Akte). Hierbei ist anzumerken, dass der Einzelrichter die erklärten Herstellungskosten für zutreffend erachtet; die vom FA im Schriftsatz vom 29. November 2002 (S. 5) angemeldeten Zweifel hält er nicht für durchgreifend (s. auch den klägerischen Schriftsatz vom 4. Februar 2003, S. 1 f.).

Da somit voraussichtlich ein Totalgewinn erzielt werden wird, scheidet die Annahme einer Liebhaberei aus, ohne dass es eines Eingehens auf persönliche Gründe und Neigungen bedarf.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter gem. § 6 Abs. 1 FGO (s. Beschluss vom 13. März 2000).

Ende der Entscheidung

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