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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 23.10.2008
Aktenzeichen: 14 K 1743/06
Rechtsgebiete: ZollVG, AO, ZollV, FGO
Vorschriften:
ZollVG § 32 Abs. 3 | |
AO § 382 Abs. 1 | |
ZollV § 30 Abs. 4 | |
FGO § 102 |
In der Streitsache
...
hat der 14. Senat des Finanzgerichts München
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht,
der Richterin am Finanzgericht und
des Richters am Finanzgericht sowie
der ehrenamtlichen Richter und
ohne mündliche Verhandlung
am 23. Oktober 2008
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Unter Änderung des Einfuhrabgabenbescheides vom 28. Februar 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 24. April 2006 wird der Zollzuschlag auf 14,18 EUR herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Gründe:
I. Streitig ist die Festsetzung eines Zollzuschlags.
Am 28. Februar 2006 reiste der Kläger in Begleitung seiner Ehefrau aus T kommend über das Hauptzollamt (HZA) - Zollamt Flughafen in die Europäische Gemeinschaft ein. Er benutzte den grünen Ausgang "anmeldefreie Waren", wobei er Kleidung im Gesamtwert von 480,00 EUR, die er in T hatte anfertigen lassen, in einem Aufbewahrungsbeutel bei sich trug.
Erst auf Nachfrage des Abfertigungsbeamten im Rahmen einer Zollkontrolle gab der Kläger die mitgeführten Kleidungsstücke an.
Die Rechnung über die Kleidungsstücke wies für ein Herrensakko, zwei Herrenhosen, ein Herrenhemd und zwei Krawatten einen Gesamtbetrag von 280,00 EUR sowie für eine Damenjacke, eine Damenhose und ein Tuch einen Gesamtbetrag von 200,00 EUR aus.
Mit mündlichem Steuerbescheid vom selben Tag setzte das HZA neben den pauschalen Einfuhrabgaben i.H.v. 64,80 EUR einen Zuschlag in derselben Höhe fest. Beide reduzierte das HZA im Einspruchsverfahren auf jeweils 27,00 EUR. Bei der Berechnung der Einfuhrabgaben schätzte das HZA den Wert der zwei Herrenhosen, des Herrenhemdes und der beiden Krawatten auf insgesamt 175,00 EUR und beließ diese als Freimenge. Bei der Damenbekleidung beließ es eine Jacke mit einem geschätzten Wert von 105,00 EUR und zwei Tücher mit einem geschätzten Wert von 45,00 EUR als Reisefreimenge. Schließlich besteuerte das HZA eine Herrenjacke und eine Damenhose mit einem pauschalen Zollsatz von 13,5% und ging insgesamt von einem Zollwert i.H.v. 200,00 EUR aus.
Da der Einspruch im Übrigen jedoch erfolglos blieb (vgl. Einspruchsentscheidung vom 24. April 2006), erhob der Kläger (nur) gegen den Zollzuschlag Klage, mit der er im Wesentlichen vorbringt, die Festsetzung des Zuschlages sei ermessensfehlerhaft. Insbesondere habe das HZA den Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitstatbestand nicht vollständig und einwandfrei ermittelt, ein solcher liege auch nicht vor. Er habe sich hinsichtlich der Wareneigenschaft der Kleidungsstücke und der Freigrenzen im Irrtum befunden, weshalb Vorsatz ausgeschlossen sei. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht beachtet worden. Ferner sei eine Wahlfeststellung bei der Festsetzung des Zuschlages im Hinblick auf eine differenzierende Ausschöpfung des Zuschlagsrahmens nicht zulässig. Das HZA habe gegen den Grundsatz "in dubio pro reo" verstoßen. Schließlich habe er im Gepäckausgabebereich noch nie Hinweistafeln gesehen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 28. Februar 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. April 2006 insoweit aufzuheben, als ein Zuschlag festgesetzt wird.
Das HZA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Für die über die Reisefreimenge von 175,00 EUR pro Person hinaus eingeführten Kleidungsstücke hätten die Voraussetzungen für die Abgabe einer Zollanmeldung durch Passieren des grünen Ausgangs nicht vorgelegen, weil es sich um abgabenpflichtige Waren gehandelt habe.
Daher sei bereits mit Betreten des grünen Ausgangs die Abgabenschuld entstanden.
Dass der Kläger die Kleidungsstücke bei der sich anschließenden Kontrolle auf Nachfrage angegeben hat, ändere daran nichts. Der Kläger habe ordnungswidrig gehandelt, da er für die über die Reisefreimenge hinaus eingeführten Textilien nicht unaufgefordert eine summarische Zollanmeldung abgegeben habe. Dass sich der Kläger hinsichtlich der Wareneigenschaft der Textilien in einem Tatbestandsirrtum befunden haben soll, widerspreche jeglicher Lebenserfahrung. Die Auffassung des Klägers zur Reisefreimenge sei abwegig, ein derartiger Irrtum werde zudem durch die nicht zu übersehenden Hinweistafeln am Flughafen ausgeräumt.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO).
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akte und die im Verfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II. Die Klage ist nur zum Teil begründet.
1. Das HZA hat bezüglich der eingeführten Herrenbekleidung zu Recht gegenüber dem Kläger gem. § 32 Abs. 3 des Zollverwaltungsgesetzes in der hier maßgeblichen Fassung (ZollVG) einen Zollzuschlag festgesetzt. Im Hinblick auf die Damenbekleidung ist die Festsetzung des Zollzuschlages jedoch zu Unrecht erfolgt.
Nach dieser Vorschrift kann in den Fällen von Steuerstraftaten oder Steuerordnungswidrigkeiten, die im grenzüberschreitenden Reiseverkehr begangen und als solche nicht verfolgt werden, weil sich die Tat auf Waren bezieht, die weder zum Handel noch zur gewerblichen Verwendung bestimmt sind und der verkürzte Einfuhrabgabenbetrag oder der Einfuhrabgabenbetrag, dessen Verkürzung versucht wurde, 130 EUR nicht übersteigt, ein Zuschlag bis zur Höhe der Einfuhrabgaben, höchstens jedoch bis zu 130 EUR erhoben werden.
a) Die Festsetzung des Zuschlages war dem Grunde nach zulässig, da eine vom Kläger im grenzüberschreitenden Reiseverkehr begangene Ordnungswidrigkeit nicht verfolgt worden ist.
Der Kläger hat eine Ordnungswidrigkeit gem. § 382 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung 1977 (AO) i.V.m. § 30 Abs. 4 Nr. 3 der Zollverordnung (ZollV) i.V.m. Art. 43 Abs. 1 des Zollkodex (ZK) begangen, indem er den Ausgang "anmeldefreie Waren" benutzt hat, obwohl er teilweise einfuhrabgabenpflichtige Waren mit sich führte, für die er eine summarische Anmeldung hätte abgeben müssen.
Die Abfertigungsfiktion des Art. 234 Abs. 1 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex (ZK-DVO) kommt vorliegend nicht zum Tragen, weil die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden Art. 230 ZK-DVO nicht erfüllt sind. Eine Zollanmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr kann gem. Art. 59 Abs. 1, Art. 61 Buchst. c ZK i.V.m. Art. 230 Buchst. a, Art. 233 Abs. 1 Buchst. a erster Anstrich ZK-DVO nur dann durch Benützen des grünen Ausgangs "anmeldefreie Waren" abgegeben werden, wenn die eingeführten Waren abgabenfrei sind.
Dies ist bei den aus T und damit einem Drittland eingeführten Herrenbekleidungsstücken jedoch nicht in vollem Umfang der Fall gewesen. Insbesondere ist die Herrenbekleidung nicht vollständig gem. Art. 47 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 (ABl (EG) Nr. 1 105/1 vom 23. April 1983), § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 der Einreise-Freimengen-Verordnung abgabenfrei gewesen, da der Gesamtwert der Kleidungsstücke über 175,00 EUR gelegen hat.
Dass der Kläger bei der sich anschließenden Zollkontrolle doch noch angegeben hat, dass er Kleidungsstücke aus T eingeführt hat, ändert an dem Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit nichts, da er den Ausgang "anmeldefreie Waren" schon gar nicht hätte benützen dürfen und bereits mit Betreten des grünen Ausgangs ein Verstoß gegen die Anmeldepflicht vorgelegen hat.
Der Kläger hat die Ordnungswidrigkeit zumindest fahrlässig begangen, weil er sich vor dem Verbringen der Kleidungsstücke nach Deutschland über die Einreisefreimengen hätte informieren müssen. Ein Reisender muss sich insbesondere auch über die Bedeutung des roten und des grünen Ausgangs an den Flughäfen Kenntnis verschaffen, wenn er aus einem Drittland nach Deutschland mit Waren einreist, von denen er weiß oder bei denen er zumindest für möglich halten muss, dass sie anzumelden und für sie Einfuhrabgaben zu entrichten sind (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofes vom 16. März 2007 VII B 21/06, BFHE 216, 468, zur leichtfertigen Steuerverkürzung).
Ob sich der Kläger hinsichtlich der Wareneigenschaft der Kleidungsstücke oder deren Einfuhrabgabenpflicht in einem Irrtum befunden hat, kann dahin stehen, da dieser jedenfalls vermeidbar gewesen ist, da er sich über eine eventuelle Einfuhrabgabenpflicht hätte informieren können. Auf eine Vernehmung des Abfertigungsbeamten zu dieser Frage - wie vom Kläger beantragt - kann daher verzichtet werden.
Ebenso wenig hat das HZA eine Wahlfeststellung getroffen, da es nicht zwei denkbare gleichwertige Alternativen für möglich gehalten hat, sondern vielmehr zugunsten des Klägers von einer Ordnungswidrigkeit und nicht von einer Straftat ausgegangen ist. Es hat also eine Straftat gerade nicht näher in Erwägung gezogen.
b) Das HZA hat jedoch die Höhe des Zuschlags nicht richtig festgesetzt. Bei der Festsetzung des Zuschlags handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die gem. § 102 Satz 1 FGO lediglich darauf hin überprüft werden darf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz des finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen (§ 102 Satz 2 FGO).
Das HZA hat sein Ermessen zunächst entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt.
Insbesondere durfte es nach den Umständen des vorliegenden Falles grundsätzlich den höchstmöglichen Zuschlag festsetzen, weil der Kläger die Kleidungsstücke erst auf Nachfrage des Abfertigungsbeamten im Rahmen der Zollkontrolle angegeben hat. Ob das HZA vorliegend von einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Tatbegehung ausgegangen ist, ist zwar nicht eindeutig erkennbar. Dies kann jedoch letztlich dahin stehen, da das HZA in jedem Fall alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt und angemessen gewichtet hat. Aus denselben Gründen ist die Festsetzung des Zollzuschlages auch nicht unverhältnismäßig.
Seine Ermessenserwägungen hat das HZA im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich ergänzt (§ 102 Satz 2 FGO) und nicht erstmalig angestellt, da es bereits in der Einspruchsentscheidung die für die angegriffene Entscheidung maßgeblichen Erwägungsgründe benannt hat.
Allerdings hat das HZA die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten (§ 102 Satz 1 1. Alt. FGO), weil es die maximale Höhe des Zollzuschlages zu hoch angesetzt hat.
Gem. § 32 Abs. 3 ZollVG darf ein Zollzuschlag lediglich bis zur Höhe der Einfuhrabgaben erhoben werden. Diese sind jedoch nur hinsichtlich der Herrenbekleidung entstanden und haben nur 14,18 EUR und nicht, wie das HZA errechnet hat, 27,00 EUR betragen.
Hinsichtlich der Herrenbekleidung hat das HZA dem Kläger richtigerweise zwei Hosen, ein Hemd und zwei Krawatten im Rahmen der Freimenge i.S.d. Art. 47 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 zollfrei belassen und nur noch die Herrenjacke im geschätzten Wert von 105,00 EUR der Besteuerung unterworfen. Dabei durfte das HZA auch den pauschalierten Abgabensatz i.H.v. 13,5% gem. § 29 Abs. 2 Satz 1 ZollV anwenden.
Für die eingeführte Damenbekleidung sind jedoch entgegen den Ausführungen des HZA keine Einfuhrabgaben zu Lasten des Klägers entstanden.
Zum einen ist der Kläger insoweit nicht gem. Art. 202 Abs. 3 erster Anstrich ZK Zollschuldner geworden, weil nicht er die Damenbekleidung vorschriftswidrig verbracht hat. Zwar hat er sie in einem Aufbewahrungsbeutel durch den grünen Ausgang getragen. Jedoch ist vorliegend unstreitig, dass die Damenbekleidung seiner mitreisenden Ehefrau gehört hat, weshalb eine eindeutige Zuordnung zu ihrer Person möglich gewesen ist. Dafür, dass auch das HZA die Damenbekleidung eigentlich der Ehefrau des Klägers zugerechnet hat, spricht, dass es für die Herren- und die Damenbekleidung jeweils eine Freimenge gewährt hat. Deshalb hat sich das HZA auch insofern widersprüchlich verhalten, als es den Kläger als alleinigen Steuerschuldner für alle Kleidungsstücke in Anspruch genommen, ihm aber zweimal die Freimenge eingeräumt hat.
Zum anderen ist auch die Berechnung der Einfuhrabgaben bezüglich der Damenbekleidung widersprüchlich. Das HZA ist in der Einspruchsentscheidung insoweit von einem Zollwert i.H.v. 95,00 EUR (200,00 EUR abzüglich 105,00 EUR für das Herrensakko) ausgegangen, obwohl von der Damenbekleidung nach Abzug der zollfrei belassenen Jacke (105,00 EUR) und der beiden Tücher (45,00 EUR) nur noch eine Hose übrig geblieben ist, deren Zollwert im Hinblick auf den auf der Rechnung für Damenbekleidung ausgewiesenen Betrag von 200,00 EUR nur noch 50,00 EUR betragen kann. Außerdem ist das HZA bei der Abgabenberechnung ohne weitere Erklärung von zwei Tüchern mit einem geschätzten Gesamtwert von 45,00 EUR ausgegangen, obwohl auf der Rechnung nur eines aufgeführt ist.
c) Auch wenn dem HZA ein Ermessensfehler unterlaufen ist und das Gericht nicht eigene Ermessenserwägungen an die Stelle der Ermessenserwägungen des HZA setzen darf, kann der Senat im vorliegenden Verfahren abschließend entscheiden. Denn infolge der fehlerhaften Abgabenberechnung hat sich lediglich die zulässige Obergrenze des Zuschlagsrahmens abgesenkt, während die grundsätzliche Entscheidung des HZA, den Zuschlag in maximaler Höhe festzusetzen, ermessensgerecht getroffen worden ist. Der Höchstbetrag des Zuschlages orientiert sich jedoch automatisch am Betrag der Einfuhrabgaben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 136 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., 135 Abs. 1 FGO.
3. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Ende der Entscheidung
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