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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 05.05.2009
Aktenzeichen: 14 K 4321/06
Rechtsgebiete: UStG
Vorschriften:
UStG § 1 Abs. 1 | |
UStG § 10 Abs. 1 | |
UStG § 15 Abs. 1 | |
UStG § 17 Abs. 1 |
In der Streitsache
...
hat der 14. Senat des Finanzgerichts München
unter Mitwirkung
[....]
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05. Mai 2009
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Unter Aufhebung des Umsatzsteuerbescheids vom 14. Juli 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 04. Oktober 2006 wird die Umsatzsteuer für 2004 auf einen Negativbetrag von 138.958,22 EUR festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Gründe:
I. Streitig ist der Vorsteuerabzug aus Rückvergütungen der Klägerin an ihre Mitglieder.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine im Jahr 1938 gegründete Genossenschaft, deren Unternehmensgegenstand im Wesentlichen darin besteht, die von ihren Mitgliedern angelieferte Milch aufzubereiten, zu lagern und zu verschiedenen Milchprodukten zu verarbeiten (vgl. § 2 Satzung der Klägerin). Nachdem der Geschäftsumfang bedingt durch den Umstrukturierungsprozess in der Landwirtschaft kontinuierlich abnahm, veräußerte die Klägerin im Jahr 2001 ein von ihr im Jahr 1940 bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 2.889.866 EUR, der am 1. Oktober 2002 vereinnahmt wurde.
Für das Wirtschaftsjahr 2001 war zunächst eine Warenrückvergütung für angelieferte Milch der Genossenschaftsmitglieder von einem Pfennig je Kilogramm vereinbart worden. Am 24. Juni 2002 habe die Generalsversammlung der Genossenschaft die Auszahlung einer Dividende beschlossen, die den Mitgliedern nach Höhe ihrer Beteiligung und unabhängig von getätigten Milchlieferungen ausbezahlt wurden. Im November 2002 wurde von Vorstand und Aufsichtsrat eine zusätzliche Milchgeldnachzahlung von 30 Pfennig je Kilogramm angelieferter Milch festgelegt (TOP 2 des Protokolls vom 6. November 2002, blaue Heftung FA).
Mit Datum vom 15. Dezember 2003 erteilte die Klägerin den jeweiligen Mitgliedern eine "berichtigte Abrechnung/Warenrückvergütung für das Jahr 2001" in Höhe von 30 Pfennig je angelieferte KG Milch mit Ausweis der hierauf entfallenden Mehrwertsteuer. Die Zustellung der Gutschriften erfolgte im April 2004.
Aufgrund einer Umsatzsteuersonderprüfung (Bericht vom 19. März 2004, blaue Heftung FA) erkannte das Finanzamt (FA) die von der Klägerin geltende gemachte Vorsteuer von 139.064 EUR nicht an. Das FA vertrat die Auffassung, dass das Entgelt für die Rückvergütung nicht aus dem operativen Geschäft stamme und deshalb nicht als umsatzsteuerliche Entgeltberichtigung zu behandeln sei.
Mit Bescheid vom 6. August 2004 setzte das FA die Umsatzsteuer für April 2004 auf 0 EUR, mit Bescheid vom 14. Juli 2006 die Umsatzsteuer für das Jahr 2004 auf 105,78 EUR fest.
Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 4. Oktober 2006 verwarf das FA den Einspruch gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer April 2004 als unzulässig und wies den Einspruch gegen den Umsatzsteuerjahresbescheid 2004 als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen eingelegten Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Erfüllung des Förderauftrags als Zweck und Ziel der Genossenschaft aufgrund der Besonderheiten des Genossenschaftsrechts im Vordergrund ihres Handelns stehe. Sie sei verpflichtet, Überschüsse an ihre Mitglieder in Form von Rückvergütungen weiterzugeben. Dabei handle es sich nach Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) um eine spezielle Form der Überschussverteilung, die sich auf die verschiedenen Geschäftssparten der Genossenschaft beziehen müsse. Im Streitfall bezögen sich die gewährten Rückvergütungen auf die Milchverwertung der Genossenschaft und damit auf die mit den Mitgliedern getätigten Umsätze. Somit liege eine nachträgliche Änderung der Bemessungsgrundlage vor, die zum Vorsteuerabzug berechtige.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Umsatzsteuerbescheids vom 14. Juli 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 4. Oktober 2006 die Umsatzsteuer 2004 unter Anerkennung eines Vorsteuerbetrags von 139.064 EUR auf einen Negativbetrag von 138.958,22 EUR festzusetzen. (105,78 ./. 139.064).
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
II. Die Klage ist begründet. Das FA hat der Klägerin zu Unrecht den Vorsteuerabzug aus den streitigen Gutschriften versagt.
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung (UStG) kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die ihm von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
Als Rechnung gilt auch eine Gutschrift, mit der ein Unternehmer über eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet, die an ihn ausgeführt wird (§ 14 Abs. 5 Satz 1 UStG). Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 geändert, so hat nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den Steuerbetrag und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen.
Als Vorsteuerbetrag abziehbar ist allerdings nur die für einen ausgeführten, berechneten Umsatz geschuldete Umsatzsteuer (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. April 2002 V R 26/01, Deutsches Steuerrecht 2002, 992; vom 2. April 1998 V R 34/97, BStBl II 1998, 695, und vom 1. Februar 2001 V R 23/00, BFH/NV 2001, 991). Die in den streitigen Gutschriften ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge sind deshalb nur abziehbar, wenn die Rückvergütung an die Mitglieder der Genossenschaft als nachträgliche Erhöhung des vereinbarten Entgelts für die Milchlieferungen zu beurteilen ist (§ 10 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG, vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 2002 V R 59/00, BStBl II 2003, 214).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
Nach ständiger Rechtsprechung stellt eine Zahlung/Aufwendung grundsätzlich (nur) dann Entgelt/Gegenleistung für eine bestimmte Leistung dar, wenn sie "für die Leistung" bzw. "für diese Umsätze" gewährt wird bzw. der Leistende sie hierfür erhält. Entscheidend ist, dass zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich aus dem "Rechtsverhältnis", d.h. in der Regel aus den vertraglichen Beziehungen zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ergibt (z.B. BFH-Urteile vom 19. Oktober 2001 V R 48/00, BFHE 196, 376, m.w.N. der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH--). Grundsätzlich bestimmt der Leistungsempfänger, ob er das "Entgelt für die Leistung" erhöht (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 1972 V R 118/71, BFHE 105, 79, BStBl II 1972, 405 --Trinkgeld--).
Für die Beurteilung von Leistungen zwischen Personenvereinigungen und ihren Mitgliedern gelten insoweit keine Besonderheiten. Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Leistungen zwischen einer Gesellschaft und deren Gesellschafter richtet sich danach, ob es sich um Leistungen handelt, die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung an Gewinn oder Verlust ausgeglichen werden oder um Leistungen, die gegen Entgelt ausgeführt werden und damit auf einem Leistungsaustausch beruhen. Gleiches gilt für die Beurteilung von Leistungsbeziehungen zwischen den Mitgliedern einer Genossenschaft und der Genossenschaft.
Steuerbare Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 UStG liegen daher vor, wenn Grundlage hierfür konkrete Leistungsbeziehungen eines Mitgliedes der Genossenschaft zur Genossenschaft sind, die auf den Austausch der Leistungen des Genossenschaftsmitgliedes gegen Entgelt gerichtet sind (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 2002 V R 59/00, a.a.O., m.w.N.). Diese Unterscheidung entspricht der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH-Urteil vom 27. Januar 2000 Rs. C-23/98 --Heerma-- Slg. I-2000, 419, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2000, 121, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 2000, 141 Rz. 13). Ohne Bedeutung für die Beurteilung ist dabei, ob die Leistungen auf gesellschaftsrechtlicher Verpflichtung beruhen.
Wie die Klägerin unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 6. Juni 2002 (a.a.O., mit weiteren Literaturnachweisen) richtig ausführt, handelt es sich bei der genossenschaftlichen Rückvergütung um eine spezielle, gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte Form der genossenschaftlichen Überschussverteilung, die sich auf verschiedene Geschäftssparten (Bezugs-, Absatz-, Leistungs- oder Kreditgeschäfte) beziehen kann. Daher ist auch entgegen der Ansicht des FA nicht darauf abzustellen, ob das Entgelt für die Rückvergütung aus dem operativen Geschäft der Klägerin stammt. Anders als die Verteilung des Reingewinnes - die wie im Streitfall durch die Ausschüttung einer Dividende erfolgen kann - richtet sie sich nicht nach der Anzahl der von dem Mitglied gezeichneten Geschäftsanteile oder nach der Höhe der Einzahlungen und stellt keine Form der Gewinnverteilung dar.
Für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Rückvergütung ist jedoch allein entscheidend, ob durch sie die Entgelte für bestimmte Umsätze geändert werden - sei es als Entgeltsrückzahlung für Leistungen der Genossenschaft an ihre Mitglieder oder als nachträgliches Entgelt für Lieferungen der Mitglieder an die Genossenschaft. Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf die konkreten rechtlichen Beziehungen, nicht jedoch - wie vom FA vorgenommen - auf Höhe und Angemessenheit der Rückvergütung. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass derartige Anforderungen weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung zu entnehmen sind.
Im Streitfall richtet sich die Rückvergütung auf eine zusätzliche Milchgeldnachzahlung von 30 Pfennig je Kilogramm angelieferter Milch und damit nach dem Umfang bestimmter entgeltlicher Lieferungen des einzelnen Mitglieds an die Genossenschaft. Sie stellt somit eine nachträgliche Erhöhung des Entgelts i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO.
Ende der Entscheidung
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