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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: 14 K 4628/05
Rechtsgebiete: UStG, UStDV
Vorschriften:
UStG § 4 | |
UStG § 6a Abs. 1 | |
UStDV § 17a Abs. 1 | |
UStDV § 17c Abs. 1 |
In der Streitsache
...
hat der 14. Senat des Finanzgerichts München
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht
des Richters am Finanzgericht und
der Richterin am Finanzgericht sowie
der ehrenamtlichen Richter
auf Grund mündlicher Verhandlung vom 24. April 2008
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide vom 17. Juni 2002, 4. August 2004 und der Einspruchsentscheidung vom 29. November 2005 sowie der Änderungsbescheide vom 18. April und 17. Mai 2006 wird die Umsatzsteuer für das Jahr 2001 auf einen negativen Betrag von 168.406,25 EUR festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob vier PKW-Lieferungen des Klägers zu Recht vom Finanzamt (FA) aufgrund von Umsatzsteuer-Sonderprüfungen als steuerpflichtig behandelt worden sind.
Der Kläger betreibt einen Kraftfahrzeughandel und beanspruchte im Rahmen seiner Umsatzsteuererklärung für 2001 u.a. für den am 12. Juli 2001 erfolgten Verkauf eines BMW X 5 zum Kaufpreis von 110.000 DM die Steuerfreiheit für eine Ausfuhrlieferung in ein Drittland. Das Fahrzeug ist nach der Lieferung des Klägers am 27. Oktober 2001 in der Ukraine angemeldet und danach dort mehrfach umgemeldet worden.
Das FA versagte der Lieferung die Steuerfreiheit, weil der Zollstempel auf dem Ausfuhrnachweis nach einem Gutachten des Zollkriminalamtes vom 11. März 2002 gefälscht war. Das Zollkriminalamt stellte fest, dass der EG-Dienststempel "Hauptzollamt A (ODER) 282 am 25. Juni 2001 ungültig geworden sei". Außerdem sei die vorgeschriebene Stempelfarbe "Zollblau" nicht verwendet worden, die Kontrollzahl entspreche nicht der vorgeschriebenen Angabe für den Zeitraum und die Randkerben seien nicht richtig wiedergegeben. Das FA setzte daraufhin mit Bescheid vom 17. Juni 2002 die Umsatzsteuer für 2001 auf einen negativen Betrag von 314.552 DM (= 160.827,88 EUR) fest.
Aufgrund des hiergegen eingelegten Einspruch traf das FA im Einspruchsverfahren im Rahmen einer weiteren Umsatzsteuer-Sonderprüfung darüber hinausgehende Feststellungen und kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger für zwei weitere Fahrzeuglieferungen der Marke BMW (Kaufpreis 107.758,62 DM und 86.206,89 DM) an die spanische Firma B Importacion (nachfolgend: Firma B) zu Unrecht die Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung geltend gemacht hat, obwohl er sich u.a. die Umsatzsteuer-IdNr. beim Bundesamt für Finanzen habe bestätigen lassen. Die Lieferungen seien umsatzsteuerpflichtig, weil es sich bei dieser Firma um einen sog. "Missing Trader" gehandelt habe. Die Firma B sei eine zwar rechtlich existente, aber wirtschaftlich völlig inaktive Firma gewesen. Sie sei somit als reine Briefkastenfirma oder als Nichtunternehmer zu qualifizieren und scheide somit als Leistungsempfänger aus. Außerdem habe der Kläger bei der Lieferung an die Firma B nicht die aktuelle und postalisch nachprüfbare Anschrift des Kfz-Abholers, Herrn C D (nachfolgend: P), aufgezeichnet. Die Nachreichung der Anschrift reiche nicht zur Erfüllung der in § 17c UStDV geforderten Unterlagen aus.
Aufgrund dieser Feststellungen setzte das FA mit Umsatzsteuerbescheid vom 4. August 2004 die Umsatzsteuer für 2001 auf einen negativen Betrag von 287.798 DM (= 147.148,78 EUR) fest.
Mit der Einspruchsentscheidung vom 29. November 2005 wies das FA den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Nach Klageerhebung fanden Ermittlungen in einer Steuerstrafsache statt, in der dem Kläger vorgeworfen wurde, für eine weitere Lieferung an die Firma E Car srl (nachfolgend: Firma E) zu Unrecht eine Steuerbefreiung in Anspruch genommen zu haben.
Das FA setzte daher mit dem Umsatzsteuerbescheid vom 18. April und 17. Mai 2006 die Umsatzsteuer für 2001 auf einen negativen Betrag von 280.418,00 DM (= 143.375,45 EUR) fest und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Auch bei dieser Lieferung an die Firma E kam das FA aufgrund der Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle zu dem Ergebnis, dass diese ein sog. "Missing Trader" gewesen sei, also eine Briefkastenfirma ohne eigenen Geschäftsbetrieb.
Im Einzelnen wickelte der Kläger diesen Verkauf des Fahrzeugs wie folgt ab:
Bei dem Verkauf an die Firma E, vertreten durch die nach dem vorgelegtem Handelsregisterauszug Generalbevollmächtigte Frau F G, faxte der Kläger der Firma zunächst einen Vorvertrag über den Verkauf des Mercedes zum Kaufpreis von netto 53.500 DM, der unterschrieben und an ihn zurückgesandt wurde. Anschließend ließ er sich gleichfalls per Fax von der Firma E eine Verbringungserklärung unterschreiben, wonach das Fahrzeug nach Italien, Italien verbracht werden soll. Dabei wurde versichert, dass der Fahrzeugabholer, Frau H G, Handlungsvollmacht für die Firma E besitze. Bei Abnahme des Fahrzeugs am 26. November 2001 unterschrieb die Abholerin H G eine weitere Verbringungserklärung für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XY. Außerdem faxte der Kläger den tatsächlichen Kaufvertrag an die Firma E, die diesen gleichfalls unterschrieb und an ihn zurückfaxte. In diesem Kaufvertrag ist im Unterschied zum Vorvertrag durch den Käufer bestätigt, dass Kfz, Kfz- Brief und die Abmeldebescheinigung nach erfolgter Bezahlung übernommen worden sind.
Mit seiner Klage macht der Kläger im Wesentlichen Folgendes geltend:
Ihm sei Vertrauensschutz zu gewähren, weil er den vom leistenden Unternehmer verlangten buch- und belegmäßigen Nachweis für die innergemeinschaftlichen Lieferungen erbracht habe. Die aktuelle Anschrift des Abholers bei der Lieferung an die Firma B sei dem FA rechtzeitig mitgeteilt worden. Bei der Lieferung an die Firma E habe er zahlreiche Unterlagen vorgelegt, die eine innergemeinschaftliche Lieferung belegen würden.
Im Übrigen handele es bei dem § 17c der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) um eine Sollvorschrift, die auch dann erfüllt sei, wenn eine der hierin genannten Voraussetzungen nicht aufgezeichnet worden sei. Es komme im Übrigen nicht darauf an, ob der Abnehmer ein "Missing trader" sei oder nicht, wenn dies für den leistenden Unternehmer nicht erkennbar sei.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide vom 17. Juni 2002, 4. August 2004 und der Einspruchsentscheidung vom 29. November 2005 sowie der Änderungsbescheide vom 18. April und 17. Mai 2006 die Umsatzsteuer für 2001 auf einen negativen Betrag von 168.406,25 EUR festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist in seiner Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.
Wegen der weiteren -- vom Kläger zu den streitigen innergemeinschaftlichen Lieferungen vorgelegten-- Nachweise wird auf die Einspruchsentscheidung und die vom FA vorgelegte Steuerakte Bezug genommen.
II.
Die Klage ist begründet. Das FA hat die vier PKW-Lieferungen zu Unrecht als steuerpflichtig behandelt.
1. Innergemeinschaftliche Lieferungen
Der Kläger hat die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der drei streitgegenständlichen Pkw-Lieferungen buch- und belegmäßig nachgewiesen und konnte auf die Angaben der Firmen E und B nach § 6a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes in der hier maßgebenden Fassung (UStG) vertrauen.
Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b und § 6a Abs. 1 UStG steuerfrei, wenn der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG), wenn der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 2 Buchst a UStG) und wenn der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung bei dem Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG). Diese Voraussetzungen müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein (§ 6a Abs. 3 Satz 1 UStG).
Die Einzelheiten der Nachweispflicht ergeben sich aus § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG i.V.m. § 17a ff der UStDV. Danach hat der Lieferer den Nachweis durch Belege (§ 17a UStDV) und durch Bücher (§ 17c UStDV) zu führen. Die Nachweispflichten sind zwar keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferungen, sondern bestimmen lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 72/05, BFH/NV 2008, 905). Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind. Eine Ausnahme ist lediglich dann zu machen, wenn auch ohne Beleg- und Buchnachweis zweifelsfrei feststeht - was vorliegend unstreitig nicht der Fall ist -, dass der streitige Umsatz eine innergemeinschaftliche Lieferung ist (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BFH/NV 2008, 515).
a) Nach § 17a Abs. 1 UStDV muss der Unternehmer durch Belege nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert hat. Dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (§ 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV).
In Fällen, in denen der Unternehmer oder Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, soll der Unternehmer den Nachweis u.a. durch das Doppel der Rechnung, einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt (insbesondere durch Lieferschein), durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten und in den Fällen der Beförderung des Gegenstandes durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragen, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern, führen (§ 17a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 UStDV).
Diese Voraussetzungen der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen sind in Bezug auf die hier streitigen Fahrzeuglieferungen erfüllt. Insoweit hat der Kläger den erforderlichen Belegnachweis unstreitig ordnungsgemäß erbracht. Er hat durch das Doppel der Rechnung, einen Beleg aus dem sich der jeweilige Bestimmungsort B bzw. Italien ergibt, eine Empfangsbestätigung des jeweils ausdrücklich bevollmächtigten Abholers der Firmen B bzw. E und eine Versicherung der Abnehmer bzw. zusätzlich der bevollmächtigten Abholer alle Belegnachweise erbracht, die nach § 17a Abs. 2 UStDV für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung verlangt werden.
b) Nach § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV muss der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich USt-IDNr. des Abnehmers buchmäßig nachweisen. Die Voraussetzungen müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV). Nach Abs. 2 dieser Regelung soll der Unternehmer u.a. regelmäßig Folgendes aufzeichnen: Name und Anschrift des Abnehmers und des Beauftragten des Abnehmers, die Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet, den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet (§ 17c Abs. 2 Nr. 1, 2, 8, 9 UStDV).
Der Buchnachweis gem. § 17c UStDV ist hinsichtlich der Lieferungen an die Firma E auch nach der Ansicht des FA bis auf eine Ausnahme vollständig erbracht. Lediglich hinsichtlich der Lieferungen an die Firma B beanstandet das FA die fehlende Anschrift des Abholers und damit die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers nach § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV.
Da der Buchnachweis nicht mehr materiell-rechtliche Voraussetzung für die Gewährung der Steuerfreiheit ist, kann der buchmäßige Nachweis in diesem Sinne auch dann erbracht sein, wenn eine der in § 17c Abs. 2 UStDV genannten Angaben nicht aufgezeichnet worden ist (vgl. hierzu: BFH-Urteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03 BStBl II 2007, 420). Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn sich die Aufzeichnung als reine Formsache darstellt, etwa weil sich die Angabe durch die Bezugnahme auf einen korrespondierenden und der Buchführung beigehefteten Beleg oder anderweitig leicht und eindeutig ermitteln lässt. Der Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 17 c Abs. 1 UStDV ist jedenfalls dann als geführt anzusehen, wenn sich aus der Gesamtheit der Buchführungsvorgänge die jeweilige innergemeinschaftliche Lieferung eindeutig und leicht nachprüfbar ergibt (vgl. FG München, Urteil vom 29. November 2007 14 K 519/07, bisher n.v.).
Im Streitfall hat der Kläger in überaus sorgsamer und gewissenhafter Weise seine Belege und Aufzeichnungen geführt und sich zum Teil durch mehrfache Bestätigungen seiner Vertragspartner abzusichern gesucht. Dies gilt auch für die Lieferungen der PKW's an die Firma B. Allerdings hat er in dem vom FA beanstandeten Fall zwar den Pass des von der Firma B ermächtigten Abholers P kopiert, jedoch offensichtlich übersehen, dass die vollständige Anschrift nicht auf den gefertigten Kopien vermerkt war. Auf den kopierten Passteilen lässt sich andererseits erkennen, dass der von der Republik Kroatien ausgestellte Pass des Abholers mit einer Aufenthaltsberechtigung der Stadt I versehen war, womit es ohne größeren Aufwand für das FA möglich gewesen wäre, die Anschrift des Abholers zu ermitteln. In Anbetracht dessen und des Umstandes, dass der Kläger im Einspruchsverfahren die exakte Anschrift des Abholers aus I nochmals ausdrücklich nachgereicht hat, erscheint es dem Senat für die Erbringung des Buchnachweises als ausreichend, dass der Kläger zunächst lediglich die genannten Seiten des vom Abholer vorgelegten Passes kopiert und damit seine Identität festgehalten hat. Die Aufzeichnungen sind im Rahmen des zu führenden Buchnachweises ordnungsgemäß, weil sie erkennen lassen, wer tatsächlich der Abholer war und in welchem Ort er sich aufhielt, so dass der Kläger mit seinen getätigten Aufzeichnungen dem Sinn und Zweck des Buchnachweises in § 17c Abs. 2 UStDV ausreichend Rechnung getragen hat. Es kann folglich dahin gestellt bleiben, ob die genaue Anschrift des Abholers bereits bei der Prüfung in den Unterlagen des Klägers vorzufinden gewesen wäre und der Prüfer dies übersehen bzw. nicht danach gefragt hat oder ob die Anschrift erstmals im Einspruchsverfahren dem FA zugänglich gemacht worden ist.
c) Den demnach buch- und belegmäßig nachgewiesenen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit bei der Lieferung der genannten Fahrzeuge steht nicht entgegen, dass die beiden fraglichen Firmen nach den Ermittlungen der ausländischen Steuerbehörden als Scheinfirmen (missing trader) betrachtet werden, da sie am angegebenen Sitz weder ein Büro angemietet noch aktiv am Wirtschaftsleben teilgenommen haben sollen. Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass den Leistungsempfängern die Unternehmereigenschaft fehlt, konnte der Kläger auf die Angaben der Firmen nach § 6a Abs. 4 UStG vertrauen.
Nach § 6a Abs. 4 UStG ist eine Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Im Streitfall konnte der Kläger (die mangelnde Unternehmereigenschaft von E und B unterstellt) nicht erkennen, dass diese Firmen angeblich keine weiteren Geschäfte betrieben haben. Der Kläger hat seine Sorgfaltspflichten durch die Überprüfung der jeweils angegebenen USt-IdNr. in ausreichendem Maße erfüllt; insbesondere hatte er auch keinen durchgreifenden Anhaltspunkt dafür, dass die Firmen tatsächlich keine Geschäfte betrieben haben sollen. Auch aus der Abwicklung der Kaufgeschäfte konnte der Kläger keinen Grund dafür entnehmen, dass die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorgelegen haben sollen, er musste vielmehr davon ausgehen, dass sich die Firmen aktiv unternehmerisch betätigt haben.
2. Ausfuhrlieferung in die Ukraine
Nach § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen u.a. die Ausfuhrlieferungen (§ 6 UStG) steuerfrei. Eine Ausfuhrlieferung liegt gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG vor, wenn bei einer Lieferung der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG, befördert oder versendet hat und ein ausländischer Abnehmer ist.
Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 UStG müssen die Voraussetzungen des Abs. 1 vom Unternehmer nachgewiesen sein. Dazu bestimmt § 8 Abs. 1 UStDV, dass der Unternehmer bei Ausfuhrlieferungen durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Ausland bzw. in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet hat (Ausfuhrnachweis). Die Voraussetzung muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben. In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Ausland oder Drittlandsgebiet befördert hat, soll der Unternehmer den Ausfuhrnachweis regelmäßig durch einen Beleg führen, der u.a. eine Ausfuhrbestätigung der Grenzzollstelle enthält (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 UStDV).
Im Streitfall kann der Kläger keinen ordnungsgemäßen Ausfuhrnachweis vorlegen, weil der Zollstempel auf dem Ausfuhrnachweis nach einem Gutachten des Zollkriminalamtes vom 11. März 2002 unstreitig gefälscht worden ist. Da auch kein Ersatzbeleg vorgelegt werden konnte, aus dem sich die Ausfuhr eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben würde (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juni 1987 V R 143/79, BFH/NV 1988, 125), kommt es vorliegend darauf an, ob der Kläger auf die Richtigkeit des Zollstempels vertrauen durfte.
Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften -EuGH- (Urteil vom 21. Februar 2008 Rs. C-271/06, Netto Supermarkt, DStR 2008, 450) muss der Lieferer auf die Rechtmäßigkeit des Umsatzes, den er tätigt, vertrauen können, ohne Gefahr zu laufen, sein Recht auf Befreiung von der Mehrwertsteuer zu verlieren, wenn er selbst bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns außerstande ist, zu erkennen, dass die Voraussetzungen für die Befreiung in Wirklichkeit nicht gegeben waren, weil die vom Abnehmer vorgelegten Ausfuhrnachweise gefälscht waren.
Im Streitfall gibt es kein Indiz dafür, dass der Kläger erkennen konnte, dass der mit einer anderen Farbe versehene Zollstempel am 25. Juni 2001 ungültig geworden ist, die Kontrollzahl nicht der vorgeschriebenen Angabe für den Zeitraum entsprechen und die Randkerben nicht richtig wiedergegeben sind.
Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung anschaulich erläutert hat, war er nach dem Erhalt von abgestempelten Ausfuhrnachweisen oftmals vergeblich darum bemüht, von der örtlich ansässigen Zollverwaltung Auskünfte über die Echtheit der Zollstempel zu erhalten, weil sich die Beamten entweder nicht zuständig fühlten oder sich zu einer Auskunft nicht in der Lage sahen. Unter diesen Umständen ist nicht erkennbar, welche Maßnahmen der Kläger hätte ergreifen sollen, um eine -- wie vorliegend -- nicht offenkundige Fälschung des Zollstempels zu erkennen. Solange die Zollverwaltung keine praktikable und kostengünstige Auskunftsmöglichkeit für den Steuerpflichtigen schafft, kann diesem grundsätzlich nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe nicht die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes gewahrt. Der Verweis auf ein möglicherweise kostenintensives Gutachten durch das Zollkriminalamt oder die Einschaltung von anderen Gewerbetreibenden, die sich die Auskünfte über die Echtheit von Zollstempeln gleichfalls vergüten lassen, kann einem exportierenden Unternehmen jedenfalls nicht in der Regel zugemutet werden. Der Kläger kann daher im Streitfall unter Bezugnahme auf die o.g. Entscheidung des EuGH einen Vertrauensschutz auf die Echtheit des Zollstempels geltend machen, weil er keinen Anlass hatte, an der Gültigkeit zu zweifeln, so dass auch die Ausfuhrlieferung in die Ukraine umsatzsteuerfrei bleibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 Zivilprozessordnung.
Ende der Entscheidung
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