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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 09.11.2006
Aktenzeichen: 14 K 5014/03
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 75
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 5014/03

Haftung für Umsatzsteuer

In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom

9. November 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob die Klägerin zu Recht für Steuerschulden des Herrn H. L. in Anspruch genommen worden ist.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die am 28. April 1999 von Herrn A. L. mit einem Kapitalanteil von 24.750 EUR und Frau B. L. mit einer übernommenen Stammeinlage von 250 EUR gegründet wurde. Unternehmensgegenstand ist der Verkauf von Fleisch- und Wurstwaren und sonstigen Lebensmittel. Alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter ist Herr A. L. Der am 11. Juli 1999 begonnene Betrieb eines Metzgereifachgeschäfts in M wurde am 14. Juli 1999 bei der Gemeinde angemeldet. Dabei wurde als früherer Betriebsinhaber Herr H. L. angegeben.

Herr H. L., Vater von Herrn A. L. und Ehegatte von Frau B. L., betrieb seit 1994 in R eine Metzgerei und in M ein Metzgereifachgeschäft. Der Betrieb in Rl wurde zum 20. April 1999 und der Betrieb in M am 10. Juli 1999 als aufgegeben abgemeldet. Bezüglich des Geschäfts in M wurde der Gemeinde von Herrn H. L. mitgeteilt, dass es von der Klägerin fortgeführt werde, an die es gegen Übernahme von Schulden in Höhe von 20.000 DM veräußert worden sei. Am 11. Juli 1999 erfolgte die Gewerbeanmeldung durch die Klägerin.

Nach den Erkenntnissen der Vollstreckungsstelle des Finanzamts (FA) war über das Vermögen von Herrn H. L. bereits im Jahr 1998 die Eröffnung des Konkursverfahrens abgelehnt worden. Am 2. Februar und 2. September 1999 habe er beim zuständigen Amtsgericht die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Mit Beschluss vom 17. April 2003 sei auf eigenen Antrag das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden. Vollstreckungsmaßnahmen des FA verliefen erfolglos.

Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für eine Haftung wegen Betriebsübernahme bat das FA die Klägerin erfolglos um Darstellung des von Herrn H. L. übernommenen Anlagevermögens, die Vorlage des Pachtvertrages über die Ladenräume in M sowie die Vereinbarungen mit den Hauptzulieferbetrieben der Metzgerei. Mit Bescheid vom 25. Januar 2000 wurde die Klägerin daraufhin für rückständige Lohn- und Umsatzsteuer des Herrn H. L. aus den Jahren 1998 und 1999 in Höhe von 62.490,97 DM in Haftung genommen.

Dem dagegen erhobenen Einspruch wurde mit Entscheidung vom 10. November 2003 hinsichtlich der Haftung für Steuerrückstände resultierend aus dem Betrieb in R stattgegeben. Hinsichtlich der Haftung für Steuerschulden aus dem Betrieb in Mn hielt das FA seine Entscheidung aufrecht.

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht geltend, dass der Weiterführung des Geschäfts in M keine Betriebsübernahme zugrunde liege, da kein Übergang der wesentlichen Betriebsgrundlagen erfolgt sei. So seien im Jahr 1999 zwei PKW, ein Kühlanhänger, Lampen und ein Tischkutter im Wert von 64.802,45 DM neu angeschafft worden. Gegenstände der Ladeneinrichtung wie Regale, Waagen, Schränke und Theken im Wert von 46.957,37 DM hätten nicht von Herrn H. L., sondern von dritter Seite übereignet werden können. Aufgrund seiner Zahlungsunfähigkeit sei der Sicherungsfall für die im Wege des Vorbehaltskaufs erworbene Ladeneinrichtung eingetreten. Eine Haftung komme deshalb nicht in Betracht.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Haftungsbescheid vom 21. Januar 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. November 2003 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen. Insbesondere wird auf die Aufklärungsanordnung des Finanzgerichts vom 1. August und 11. September 2006 hingewiesen.

II. Die Klage ist unbegründet, das FA hat die Klägerin zu Recht in Haftung genommen.

1. Gemäß § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung 1977 (AO) kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Bei der Übereignung eines Unternehmens im Ganzen haftet der Erwerber gemäß § 75 AO für Steuern, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmers gründet, vorausgesetzt, dass die Steuern seit Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entstanden sind und bis zum Ablauf von einem Jahr nach Anmeldung des Betriebes durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) muss es sich bei dem übertragenen Betrieb um ein lebendes Unternehmen handeln, das in der bisherigen Art ohne nennenswerte zusätzliche Aufwendungen fortgeführt werden kann (vgl. Urteil des BFH vom 7. November 2002 VII R 11/01, BStBl II 2003, 226). Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 75 Abs. 1 AO 1977. Denn die Inanspruchnahme des Haftenden rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass sich der Erwerber die wirtschaftliche Kraft des übernommenen Unternehmens zuführen und daraus die rückständigen Steuern begleichen kann. Im Streitfall sind die Voraussetzungen für eine die Haftung begründende Betriebsübernahme erfüllt.

a) Das FA ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin ein lebendes Unternehmen und nicht nur einzelne Vermögensgegenstände erworben hat. Das ergibt sich bereits daraus, dass sie in der Lage war, das erworbene Unternehmen ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen fortzuführen. Nach Abmeldung des Gewerbes durch Herrn H. L. am 10. Juli 1999 erfolgte die Anmeldung des Gewerbes der Klägerin am darauf folgenden Tag. Das Metzgereigeschäft konnte offensichtlich ohne Unterbrechung fortgeführt werden. Ferner hat Herr H. L. in den Monaten Mai und Juni 1999 Umsätze von durchschnittlich jeweils 60.000 DM erzielt, die in etwa den Umsätzen der Klägerin im ersten Wirtschaftsjahr entsprachen (durchschnittlich etwa 55.000 DM). Es wurde daher ein lebendes Unternehmen mit fortbestehender Ertragskraft übertragen.

b) Auch die von der Klägerin behauptete Überschuldung der Rechtsvorgängerin steht der Annahme eines lebenden Unternehmens nicht entgegen, denn maßgebend für die Haftung ist die --hier bei nachträglicher Betrachtung erwiesene--fortbestehende Ertragskraft des Unternehmens, die es dem Erwerber ermöglicht, die Betriebsschulden zu bezahlen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH -vom10. Dezember 1991 VII R 57/89, BFH/NV 1992, 712).

Die Tatsache, dass Herr H. L. aus wirtschaftlichen Gründen zum Verkauf des Unternehmens gezwungen war und etwaige Sicherungsnehmer (Banken) damit einverstanden waren, schließt die Haftung der Erwerberin nach § 75 AO 1977 nicht aus. Finanzielle Schwierigkeiten oder gar eine Überschuldung stehen einer Haftung des Betriebsübernehmers dann nicht entgegen, wenn es sich - wie im Streitfall um ein lebensfähiges Unternehmen handelt (BFH-Beschluss vom 21. Juni 2004 VII B 345/03, BFH/NV 2004, 1509 m.w.N.). Denn für die Haftung kommt es allein darauf an, dass sich der Erwerber die wirtschaftliche Kraft des übernommenen Unternehmens zuführen und daraus die rückständigen Betriebsteuern zahlen kann (BFH-Urteil vom 2. Juli 1985 VII R 129/80, BFH/NV 1986, 573 m.w.N.).

Der Streitfall kann somit --entgegen der Auffassung der Klägerin--auch nicht einem Erwerb aus der Konkursmasse oder dem Erwerb im Vollstreckungsverfahren gleichgestellt werden, für den nach § 75 Abs.2 AO 1977 die Haftung des Erwerbers nicht gegeben ist.

c) Im übrigen können die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens auch dann i. S. des § 75 AO 1977 übereignet werden, wenn sie einem Dritten zur Sicherung übereignet sind oder unter Eigentumsvorbehalt stehen, der Erwerber aber in vollem Umfang in die Rechte des Sicherungsgebers (Vorbehaltskäufers) einrückt und wie dieser wirtschaftlicher Eigentümer des Sicherungsguts (Vorbehaltsguts) wird (BFH-Urteile vom 12. März 1985 VII R 140/81, BFH/NV 1986, 64 undvom 19. Januar 1988 VII R 74/85, BFH/NV 1988, 479). Von diesem Sachverhalt muss im Streitfall bezüglich der durch die Klägerin von den Firmen P und B sowie von der Sparkasse T übernommenen Anlagengegenstände ausgegangen werden. Der Aufforderung des Gerichts zur Vorlage der Verträge im Zusammenhang mit der Betriebsübernahme kam die Klägerin nicht nach.

Die darüber hinaus erfolgte Anschaffung weiterer Anlagegegenstände hindert die Haftungsinanspruchnahme nach § 75 AO nicht. Zum einen handelt es sich bei den Neuerwerbungen, die im Wesentlichen aus zwei Pkws bestehen, um keine wesentlichen Betriebsgrundlagen einer Metzgerei, zum anderen ist nicht ersichtlich, dass das übernommene Unternehmen ohne die Anschaffung nicht hätte weitergeführt werden können.

d) Das FA hat die Klägerin auch der Höhe nach zutreffend für die aus dem übernommenen Betrieb in M resultierenden Steuerrückstände in Haftung genommen. Da die Klägerin dem FA trotz mehrfacher Aufforderung keinen Aufteilungsmaßstab für die Steuerrückstände mitgeteilt hat, die auf den übernommenen Betrieb in M entfallen, hat das FA zulässigerweise eine Schätzung mit einem Ansatz von 50% vorgenommen.

Die haftungsgegenständlichen Steuern sind auch innerhalb des in § 75 Abs.1 Satz 1 AO 1977 definierten Haftungszeitraums entstanden und angemeldet bzw. festgesetzt worden. Ermessensfehler des FA sind nicht ersichtlich.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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