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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 11.06.2008
Aktenzeichen: 14 V 439/08
Rechtsgebiete: MinöStG, EnergieStG, AO


Vorschriften:

MinöStG § 2a Abs. 1
EnergieStG § 50
EnergieStG § 94 Abs. 1 S. 1
AO § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 V 439/08

Aussetzung der Vollziehung in Sachen Mineralölsteuer bzw. Energiesteuer

In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ......,

des Richters am Finanzgericht ...... und

der Richterin am Finanzgericht ......

ohne mündliche Verhandlung

am 11. Juni 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Die Vollziehung des Steuerbescheids vom 17. September 2007 wird für die Dauer des Einspruchsverfahrens ausgesetzt.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob der Antragsgegner (das Hauptzollamt - HZA) von der Antragstellerin Mineralöl- bzw. Energiesteuer anfordern durfte.

Das HZA setzte mit Steuerbescheid vom 17. September 2007 gegenüber der Antragstellerin Mineralöl- und Energiesteuer in Höhe von insgesamt 64.092 EUR fest, weil sie im Zeitraum vom 28. Juli bis 17. Oktober 2006 136.250 l Pflanzenöl aus den Niederlanden bezogen hat. Der Steuerbescheid enthielt den Hinweis, dass eine Steuerentlastung für Biokraft- und Heizstoffe auf Antrag nach § 50 Energiesteuergesetz (EnergieStG) gewährt werden könnte. Mit Schreiben vom 28. September 2007 legte die Antragstellerin gegen den Steuerbescheid Einspruch ein und stellte einen formlosen Antrag auf Steuerentlastung nach § 50 EnergieStG. Daraufhin wies das HZA die Antragstellerin mit Schreiben vom 18. Oktober 2007 auf die geltende Antragsfrist und die von ihr zu erbringenden Nachweise sowie darauf hin, wo sie die erforderlichen amtlichen Vordrucke für ihren Antrag nach § 50 EnergieStG im Internet finde.

Am 13. November 2007 wies das HZA die Antragstellerin nochmals auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Vergütungs- bzw. Entlastungsanträgen nach § 2a Abs. 1 Mineralölsteuergesetz (MinöStG) bzw. § 50 EnergieStG hin. Dem Schreiben war lt. Anlagenhinweis jeweils ein Vordruck 1100 Mineralölsteuer und 1100 Energiesteuer beigefügt.

Mit Schriftsatz vom 22. November 2007 beantragte die Antragstellerin Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheids vom 17. September 2007. Dem Schriftsatz war ein Steuerentlastungsantrag nach § 50 EnergieStG (Formular 1100 Energiesteueranmeldungen) für 136.250 l Biokraft- und Heizstoffe beigefügt.

Mit Bescheid vom 3. Dezember 2007 lehnte das HZA diesen Antrag ab, weil die Antragstellerin den Nachweis der Biokraftstoffeigenschaft nicht erbracht habe. Hiergegen legte die Antragstellerin keinen förmlichen Einspruch ein. Am 27. Dezember 2007 ging beim HZA aber ein Entlastungsantrag auf dem Formular 1100 Energiesteueranmeldung für die streitgegenständliche Menge Pflanzenöl ein, dem die entsprechenden Nachweise beigefügt waren. Dieser Antrag ist jedoch nicht an der für die Antragstellerin vorgesehenen Stelle (Feld 6.), sondern im für die Bearbeitung durch das HZA vorgesehenen Feld Nr. 7 unterschrieben. Das HZA wies die Antragstellerin deshalb mit Schreiben vom 10. Januar 2008 daraufhin, dass es sich hierbei um keinen wirksamen Antrag nach § 50 EnergieStG handle.

Der daraufhin von der Antragstellerin am 21. Januar 2008 erneut gestellte Steuerentlastungsantrag wurde vom HZA mit Bescheid vom 11. Februar 2008 wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist abgelehnt.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 hatte das HZA bereits den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheids vom 17. September 2007 abgelehnt.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Steuerbescheides vom 17. September 2007 wegen unbilliger Härte auszusetzen.

Das HZA beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akte sowie die eingereichten Schriftsätze hingewiesen.

II. Der Antrag ist begründet.

Nach Aktenlage bestehen zwar keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids vom 17. September 2007. Die Vollziehung ist jedoch wegen unbilliger Härte gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen, weil bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des aktenkundigen Sachverhalts ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Steuerentlastung hat, der der Höhe der Steuerfestsetzung entspricht.

1. Die Vollziehung eines Steuerbescheids stellt nämlich auch dann eine unbillige Härte dar, wenn sie gegen Treu und Glauben verstößt, weil eine unzulässige Rechtsausübung vorliegt, indem eine Leistung gefordert wird, die alsbald zurückzuerstatten wäre ("dolo agit qui petit, quod statim rediturus est"). Eine Vollstreckung aus einem Steuerbescheid ist danach unbillig, wenn vollstreckt wird, obwohl das Erlangte alsbald zurückzugewähren ist (vgl. Bundesfinanzhof-BFH-Beschluss vom 12. Juni 1991 VII B 66/91, BFH/NV 1992, 156).

Dies gilt im Streitfall insbesondere auch deshalb, weil das HZA im streitgegenständlichen Steuerbescheid auf eine mögliche Steuerentlastung hingewiesen und damit selbst zum Ausdruck gebracht hat, dass der Steuerbescheid nicht vollzogen wird, wenn ein entsprechender Steuerentlastungsantrag gestellt wird. Soweit man im Streitfall von einem ordnungsgemäßen Steuerentlastungsantrag ausgeht, hätte die Antragstellerin gemäß § 2a Abs. 1 MinöStG bzw. § 50 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 EnergieStG einen Anspruch auf Steuerentlastung in voller Höhe (470,40 EUR je 1000 l Pflanzenöl).

2. Dies ist vorliegend bei summarischer Prüfung nach Auffassung des Senats der Fall.

a) Nach Aktenlage sind die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Steuerentlastung nach den maßgeblichen Vorschriften unstreitig erfüllt. Der Antragsteller hat die Nachweise hierfür mit seinem Antrag vom 17. bzw. 21. Dezember 2007 vorgelegt.

b) Der Antrag auf Steuerentlastung ist auch rechtzeitig gestellt worden. Der Anspruch auf Steuerentlastung ist nicht durch Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) erloschen.

Die einjährige Festsetzungsfrist für Verbrauchsteuervergütungen hat mit Ablauf des Jahres 2006 zu laufen begonnen und somit mit Ablauf des Jahres 2007 geendet (§ 170 Abs. 1 AO).

Diese Frist war zum Zeitpunkt des Eingangs des ersten Antrags am 28. November 2007 beim HZA noch nicht abgelaufen. Es hat sich hierbei um einen wirksamen Antrag gehandelt, weil er auf dem nach § 94 Abs. 1 Satz 1 Energiesteuerverordnung (EnergieStV) vorgeschrieben amtlichen Vordruck gestellt worden ist. Der Antrag enthält - anders als in dem vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Fall (Urteil vom 31. Oktober 2007 - 4 K 3170/06 VM, n.v.) - in Feld Nr. 6 die vom Antragsteller abzugebende und zu unterzeichnende Versicherung, dass er die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen vollständig und richtig gemacht habe und dass die Mengenangaben mit den für steuerliche Zwecke geführten Anschreibungen übereinstimmen. Ebenso enthält der Antrag eine zutreffende Berechnung des Entlastungsbetrags für die im Vergütungsabschnitt 2006 bezogenen 136.250 l Pflanzenöl. Der Umstand, dass diesem Antrag die erforderlichen Nachweise noch nicht beigefügt waren, hat keinen Einfluss auf den Ablauf der Festsetzungsfrist. Insoweit reicht es ebenso wie bei einer Steuererklärung auf dem amtlichen Vordruck aus, dass dieser Antrag unterschrieben ist, auch wenn er unvollständig ist (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, Rz. 12 zu § 170).

c) Die Ablaufhemmung ist auch nicht gemäß § 171 Abs. 3a i.V.m. § 155 Abs. 4 AO entfallen, denn der Ablehnungsbescheid vom 3. Dezember 2007 ist nicht bestandskräftig geworden. Aus dem zweiten Antrag vom 17. bzw. 21. Dezember 2007, der innerhalb der Einspruchsfrist beim HZA eingegangen ist, lässt sich zweifelsfrei entnehmen, dass die Antragstellerin mit der Ablehnung ihres ersten Entlastungsantrags nicht einverstanden gewesen ist. Auch die erneute Geltendmachung eines abgelehnten Antrags kann als Einspruch gegen die Ablehnung aufzufassen sein (vgl. BFH-Urteil vom 8. Februar 1974 III R 140/70, BStBl II 1974, 417).

d) Außerdem ist im Antrag vom 17. bzw. 21. Dezember 2007 ein weiterer wirksamer, die Verjährungsfrist unterbrechender, Antrag zu sehen. Nach § 171 Abs. 3 i.V.m. § 155 Abs. 4 AO läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, wenn vor deren Ablauf außerhalb eines Einspruchsverfahrens ein Antrag auf Steuervergütung gestellt wird, bevor über diesen unanfechtbar entschieden worden ist.

Der Antrag vom 17. bzw. 21. Dezember 2007 ist nicht deshalb unwirksam, weil er von der Antragstellerin auf dem Formular 1100 Energiesteueranmeldung im falschen Feld Nr. 7. unterschrieben worden ist.

Das HZA kann sich hierbei nicht auf das BFH-Urteil vom 21. Oktober 1999 V R 76/98 (BFHE 190, 239, BStBl II 2000, 214) berufen, denn in dem vom BFH entschiedenen Fall war der Vergütungsantrag nicht mit einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck gestellt worden.

Ebenso wenig ist der streitgegenständliche Sachverhalt mit den Fällen vergleichbar, in denen zwar ein amtlicher Vordruck verwendet worden ist, dieser aber nicht bzw. nicht von der richtigen Person unterschrieben worden ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. Februar 2002 V R 42/01, BFH/NV 2002, 963).

Im Hinblick auf die Gesamtumstände des Streitfalles hat der Senat vielmehr keine Zweifel daran, dass die Unterschrift auf dem Antrag vom 17. bzw. 21. Dezember 2007 nur versehentlich in Feld Nr. 7 angebracht worden ist und der Antrag mit der an der falschen Stelle angebrachten Unterschrift dahin auszulegen ist, dass damit auch die Versicherung verbunden gewesen ist, die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen vollständig und richtig gemacht zu haben und dass die Mengenangaben mit den für steuerliche Zwecke geführten Anschreibungen übereinstimmen. Ein Antrag auf Verbrauchsteuererstattung ist nämlich als Willenserklärung der Auslegung zugänglich, für welche wiederum in sinngemäßer Anwendung der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs der objektive Erklärungswert der Willenserklärung maßgebend ist (vgl. BFH-Urteile vom 27. Oktober 2004 VII R 70/03, BFH/NV 2005, 929, zur Zollanmeldung undvom 12. Februar 2008 VII R 26/05, BFH/NV 2008, 915, zur Ausfuhranmeldung).

Bei summarischer Prüfung liegen somit zwei innerhalb der Festsetzungsfrist wirksam gestellte Anträge vor, über die noch nicht bzw. noch nicht unanfechtbar entschieden worden ist. Soweit man im Schreiben des HZA vom 10. Januar 2008 einen Ablehnungsbescheid sieht, ist insoweit jedenfalls mangels Rechtsbehelfsbelehrung die Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen.

3. Soweit die Antragstellerin für den ersten Bezug von Pflanzenöl am 28. Juli 2006 vor Inkrafttreten des Energiesteuergesetzes zum 1. August 2006 nicht den gesonderten Vordruck 1100 Mineralölsteuer verwendet hat, sieht der Senat dies als unbeachtlich an. Wegen des zeitlichen Zusammentreffens der streitgegenständlichen Pflanzenölbezüge mit der Änderung der Rechtsgrundlage für die Steuerentlastung musste die Antragstellerin nicht erkennen, dass sie für die erste Lieferung einen Antrag auf einem gesonderten Formular hätte stellen müssen, zumal die Steuerentlastung (470,40 EUR) jeweils gleich war. Das HZA war hierdurch nicht an der Bearbeitung des Antrags gehindert, denn durch die Verwendung des Vordrucks 1100 war sichergestellt, dass der Antrag alle Angaben enthält, die das HZA für eine Entscheidung über das Vergütungsbegehren benötigt (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1999 V R 76/98, BFHE 190, 239, BStBl II 2000, 214 zum Antrag auf Vergütung von Vorsteuerbeträgen).

Im Übrigen enthält die MinöStV keine Durchführungsvorschrift für den Erlass oder die Erstattung für die mit Wirkung vom 1. Januar 2003 in § 2a MinöStG eingeführte Steuerbegünstigung für Biokraft- und Bioheizstoffe. Die §§ 46 ff. MinöStV enthalten nur Durchführungsvorschriften für die in den §§ 24 ff MinöStG geregelten Erstattungs- bzw. Vergütungsfälle. Da die Verwendung eines amtlichen Vordrucks für die Beantragung der Steuerbegünstigung für Biokraft- und Bioheizstoffe nach § 2a Abs.1 MinöStG demnach nicht gesetzlich vorgeschrieben war, konnte die Antragstellerin den Antrag für das zum Zeitpunkt der Geltung des MinöStG bezogene Pflanzenöl jedenfalls auch mit dem Vordruck 1100 Energiesteueranmeldung beantragen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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