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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 14.05.2009
Aktenzeichen: 15 K 2945/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 4
EStG § 4 Abs. 5
EStG § 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat das Finanzgericht München, 15. Senat,

durch

den Richter am Finanzgericht ... als Einzelrichter

ohne mündliche Verhandlung

am 14. Mai 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob zum einen das vom Kläger geführte Fahrtenbuch als ordnungsgemäß anzuerkennen ist und zum anderen, ob es sich bei den Fahrten des Klägers von seiner Steuerkanzlei zurück an seinen Wohnort, an dem er eine weitere Betriebsstätte unterhielt, um Geschäftsfahrten oder Familienheimfahrten gehandelt hat.

Der Kläger ist freiberuflich tätiger Steuerberater und erzielte in den Streitjahren hieraus Einkünfte aus freiberuflicher Arbeit, die er im Wege einer Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte. Der Wohnsitz des Klägers befand sich in F (Ortsteil W), seine Steuerberatungskanzlei demgegenüber in M. Zum einen unterhielt der Kläger im räumlichen Zusammenhang mit seiner Wohnung in Füssen noch eine Betriebsstätte seiner Kanzlei, an der er einen Kanzleileiter eingesetzt hatte; zum anderen hatte der Kläger noch eine Wohnung in M, die jedoch nicht Familienwohnsitz war. Der Beklagte stellte als das hierfür zuständige Finanzamt die freiberuflichen Einkünfte des Klägers aus seiner Steuerberatungskanzlei in M in der für die Streitjahre erklärten Höhe gesondert fest. Die festgestellten Gewinne beliefen sich somit auf 175.047 DM (Bescheid vom 22.03.1999 für 1997), auf 249.990 DM (Bescheid vom 8.05.2000 für 1998) und auf 244.479 DM (Bescheid vom 20.03.2001 für 1999). Im Rahmen einer vom Beklagten beim Kläger durchgeführten Außenprüfung (Prüfungsbericht vom 25.04.2002) beanstandete der Betriebsprüfer u.a. zum einen die Führung der Fahrtenbücher für den im Betriebsvermögen befindlichen Pkw der Marke Volvo des Klägers und kürzte zum anderen die Betriebsausgaben des Klägers um einen Teil der Kosten etlicher Fahrten, die der Kläger zwischen F und M unternommen hatte mit der Begründung, es habe sich um Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte gehandelt.

In Bezug auf die Fahrtenbücher ermittelte der Betriebsprüfer folgende Fehleintragungen:

....

Der Beklagte schloss sich der Rechtsansicht des Betriebsprüfers an und änderte die Gewinnfeststellungen für die Streitjahre mit Bescheiden vom 21.08.2002. Die festgestellten Gewinne beliefen sich nunmehr auf 185.810 DM (1997), auf 260.608 DM (1998) und auf 252.824 DM (1999).

Gegen die o.g. Änderungsbescheide erhob der Kläger Einspruch. Er wandte sich dabei nicht nur gegen die Versagung der Anerkennung des Fahrtenbuchs und die Sachbehandlung der Fahrten zwischen M und F als Familienheimfahrten, sondern machte wegen der Änderung der Rechtslage in Bezug auf die bis dahin angewandte zeitliche Beschränkung einer betrieblich veranlassten doppelten Haushaltsführung erstmals für die Streitjahre Mietaufwendungen für seine Wohnung in M geltend. Der Beklagte ermittelte daraufhin die Einkünfte des Klägers aus der Steuerberatungskanzlei in M neu, ließ dabei etliche Prüfungsfeststellungen des Betriebsprüfers unberücksichtigt und änderte die Gewinnfeststellungen mit Bescheiden jeweils vom 16.09.2004. Die streitige Erhöhung der Betriebseinnahmen wegen der unterlassenen Anerkennung des Fahrtenbuchs errechnete der Beklagte weitgehend in Anlehnung an den Prüfungsbericht durch Saldierung des Werts nach der so genannten 1%-Regelung auf der Grundlage des der Höhe nach unstreitigen Bruttolistenpreises des Pkw Volvo von 60.000 DM mit den vom Kläger ursprünglich für die Privatnutzung verbuchten Kosten zuzüglich etwaiger Umsatzsteuerbeträge. Hiernach ergaben sich Gewinnerhöhungen von 1.503 DM (1997), von 3.719 DM (1998) und von 2.169 DM (1999). Die Höhe der nach Ansicht des Beklagten nicht abzugsfähigen Kosten der Familienheimfahrten ermittelte der Beklagte auf jeweils 1.750 DM. Dieser Betrag ergab sich durch Saldierung des Produkts aus 0,002% von 60.000 DM/km x 70 km/Fahrt x 50 Fahrten mit dem Produkt aus 0,70 DM/km x 70 km/Fahrt x 50 Fahrten. Die Änderungen stellten sich nunmehr wie folgt dar (in DM):

 Streitjahre199719981999
Gewinne laut Feststellungserklärungen175.047249.990244.479
Streitige Erhöhung der Betriebseinnahmen (Fahrtenbuch)1.5033.7192.169
Unstreitige Erhöhung der Betriebseinnahmen3.759691224
Nachträgliche Anerkennung e. doppelten Haushaltsführung./. 4.219./. 3.889./. 4.222
Streitige nicht abzugsfäh. Betriebsausgaben für Familienheimfahrten1.7501.7501.750
Umsatzsteuer hierauf (Regelung bis einschließl. März 1999)26227470
Unstreitige Kürzung von Betriebsausgaben5201.0411.310
Gewinne laut Änderungsbescheiden vom 16.09.2004178.622253.576245.780

Im Übrigen blieb der Einspruch des Klägers erfolglos und wurde durch Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 1.10.2004 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 13.10.2004 erhobene Klage. Nach Übertragung der Streitsache zur Entscheidung auf den Einzelrichter aufgrund Beschlusses des Senats vom 16.08.2006 wurde die Klage zunächst mit Urteil vom 13.11.2006 aus verfahrensrechtlichen Gründen abgewiesen. Auf erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hiergegen hob der Bundesfinanzhof (BFH) das Urteil mit Beschluss vom 1.08.2007 (Az.: XI B 183/06) unter Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht auf.

Die Klage, über die das Gericht im zweiten Rechtszug zu entscheiden hat, begründet der Kläger in der Sache wie folgt:

Die klagegegenständlichen Gewinnfeststellungsbescheide seien zum einen deswegen rechtswidrig, weil die Privatnutzung des betrieblichen Pkw Volvo anhand der Aufzeichnungen im Fahrtenbuch des Klägers zu bemessen sei und zum anderen die Fahrten zwischen M und F keine Familienheimfahrten sondern Fahrten zwischen zwei Betriebsstätten darstellten. Das Fahrtenbuch müsse als ordnungsgemäß anerkannt werden, weil es sich bei den fehlerhaften Eintragungen lediglich um geringfügige Mängel handle, die es nicht zuließen, sämtliche Aufzeichnungen zu verwerfen. Die Kilometerstände seien immer am Ende einer Reise im Fahrtenbuch eingetragen worden, der Beginn und das Ende einer Reise, der Name der besuchten Person und oft auch der Zielort ergäben sich aus dem Terminkalender des Klägers und die Eintragungen im Fahrtenbuch seien auch immer zeitnah, spätestens am Folgetag vorgenommen worden. Insgesamt habe der Beklagte 15 Eintragungen im Zeitraum über drei Jahre beanstandet. Es habe sich dabei im Wesentlichen um Verwechslungen und Irrtümer gehandelt. Die Widersprüche zwischen den Eintragungen im Fahrtenbuch und denen im Terminkalender beruhten teilweise darauf, dass im Fall von Terminverschiebungen diese nicht mehr im Kalender korrigiert worden seien. Abgesehen davon führe die Anwendung der 1%- Regelung im Streitfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung. Die Betriebsstätte in W bestehe seit dem Jahr 1977, sei gegenüber der Betriebsstätte in Mn von untergeordneter Bedeutung und werde von einem Nebenstellenleiter geführt.

Der Kläger beantragt,

1.) den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewinns aus freiberuflicher Tätigkeit für 1997 vom 16.09.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1.10.2004 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn auf 175.107 DM herabgesetzt wird,

2.) den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewinns aus freiberuflicher Tätigkeit für 1998 vom 16.09.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1.10.2004 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn auf 247.833 DM herabgesetzt wird,

3.) den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewinns aus freiberuflicher Tätigkeit für 1999 vom 16.09.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1.10.2004 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn auf 241.791 DM herabgesetzt wird und

4.) hilfsweise für den Fall der Klageabweisung, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Ansicht sei das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß geführt. Die Eintragungen seien nicht laufend zu Beginn und am Ende einer jeden Dienstreise, sondern im Nachhinein anhand von Vermerken im Terminkalender rekonstruiert worden. Dies sei aus den fehlerhaften Eintragungen zu erkennen. Mangels eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs müssten die Familienheimfahrten nach den Pauschsätzen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Einkommensteuergesetz in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) bewertet werden. Dass es sich bei den Fahrten von M nach F um Geschäftsfahrten zur dortigen Betriebsstätte handle, sei nicht glaubhaft.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, insbesondere auf den Schriftsatz des Klägers vom 15.04.2008 zu den Mängeln des Fahrtenbuchs sowie auf die dem Gericht vorgelegten Fahrtenbücher, Terminkalender und Belegsammlungen, auf die Finanzamtsakten des Klägers und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 14.05.2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1.) Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter (§ 6 FGO). Da der BFH den Rechtsstreit an das Finanzgericht zurückverwiesen hat, ohne ausdrücklich eine Zurückverweisung an den Vollsenat auszusprechen, ist der Einzelrichter auch für den zweiten Rechtszug zuständig geblieben (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Oktober 1998 I R 22/98, BStBl II 1999, 60).

2.) Die zulässige Klage ist unbegründet.

a) Der Beklagte hat die private Nutzung des betrieblichen Pkw der Marke Volvo durch den Kläger zu Recht für jeden Kalendermonat der Streitjahre mit 1% des inländischen Listenpreises angesetzt (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG).

aa) Entnahmen des Steuerpflichtigen für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke sind mit dem Teilwert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG). Die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs ist für jeden Kalendermonat mit 1% des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG). Die Obergrenze für den Ansatz des Werts der Privatnutzung bilden die insgesamt angefallenen Aufwendungen (sog. Deckelung als Billigkeitsmaßnahme; vgl. BFH-Urteil vom 14. März 2007 XI R 59/04, BFH/NV 2007, 1838). Abweichend hiervon kann die private Nutzung aufgrund der tatsächlichen Aufwendungen nur angesetzt werden, wenn die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG).

Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung sind jedoch die Voraussetzungen, die an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen sind, im Wesentlichen geklärt (BFH-Urteil vom 10. April 2008 VI R 38/06, BStBl II 2008, 768). Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss hiernach zeitnah und in geschlossener Form geführt werden. Die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes müssen im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden (BFH-Urteil vom 9. November 2005 VI R 27/05, BStBl II 2006, 408). Dabei ist jede einzelne berufliche Verwendung grundsätzlich für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs aufzuzeichnen. Die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch müssen außerdem eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten. Sie müssen mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein. Weisen die Fahrtenbücher inhaltliche Unregelmäßigkeiten auf, kann dies die materielle Richtigkeit der Kilometerangaben in Frage stellen. Die erforderlichen Angaben müssen sich dem Fahrtenbuch selbst entnehmen lassen. Ein Verweis auf ergänzende Unterlagen ist nur zulässig, wenn der geschlossene Charakter der Fahrtenbuchaufzeichnungen dadurch nicht beeinträchtigt wird (BFH-Urteil vom 16. März 2006 VI R 87/04, BStBl II 2006, 625). Ebenso wie eine Buchführung trotz einiger formeller Mängel aufgrund der Gesamtbewertung noch als formell ordnungsgemäß erscheinen kann (vgl. dazu Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 158 AO Rz 13, m.w.N.), führen jedoch auch kleinere Mängel nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und nicht zur Anwendung der 1%-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind (Blümich/ Glenk, § 8 EStG Rz 119; Schmidt/Drenseck, EStG, 28. Aufl. 2009, § 8 Rz 47). Maßgeblich ist, ob trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist (BFH-Urteil vom 10. April 2008, a.a.O.).

bb) Bei Anlegung dieser Grundsätze sind die vom Kläger dem Gericht vorgelegten Fahrtenbücher nicht mehr als hinreichend ordnungsgemäß anzusehen.

Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger in den Fahrtenbüchern für alle drei Streitjahre lediglich die Tagesdaten, die Start- und Zielorte der Einzelfahrten, die Kilometerstände am Ende der Einzelfahrten und die gefahrenen Kilometer, gegebenenfalls aufgeschlüsselt nach Geschäftsfahrt oder Privatfahrt aufgezeichnet hat. Genauere Aufzeichnungen über den jeweiligen Fahrtzweck und die gegebenenfalls besuchten Personen fehlen in den Fahrtenbüchern fast ausnahmslos. Diese lassen sich nur zu einem geringen Teil durch die stichpunktartigen Eintragungen in den vorgelegten Terminkalendern des Klägers nachvollziehen. Einem Terminkalender kann in Korrespondenz mit den Eintragungen in einem Fahrtenbuch allenfalls erläuternde Bedeutung beigemessen werden, weil ein Terminkalender - anders als ein Fahrtenbuch nach seiner abgeschlossenen Konzeption - keinerlei Gewähr dafür bietet, dass nachträgliche Korrekturen oder Ergänzungen unterblieben sind. Die Eintragungen in einem Fahrtenbuch müssen zum einen in sich schlüssig, lückenlos und abgeschlossen sein und dürfen zum anderen zu den übrigen die Kraftfahrzeugnutzung betreffenden Belegen nicht im Widerspruch stehen. An die Fehlerfreiheit der Aufzeichnungen sind dabei keine pedantischen Anforderungen zu stellen, sodass geringfügige versehentliche Fehleintragungen die Ordnungsmäßigkeit des Fahrtenbuchs noch nicht zwingend entfallen lassen. Anders ist dies allerdings dann zu sehen, wenn etliche Einzeleintragungen in einer gewissen Regelmäßigkeit und Ähnlichkeit Fehler und Widersprüche zu den übrigen Belegen aufweisen, die die Beweiskraft des Fahrtenbuchs in Bezug auf das Erfordernis der zeitnahen Erstellung und Authentizität dieses Dokuments in erheblichem Maße in Zweifel ziehen und die Unrichtigkeit auch der übrigen Eintragungen befürchten lassen.

Die vom Beklagten beanstandeten Mängel der Fahrtenbücher bestehen im Wesentlichen darin, dass die dort für bestimmte Tage angegebenen Zielorte regional erheblich von den Orten abweichen, von denen die zeitgleich ausgestellten Tankquittungen stammen. Der häufigste Widerspruch besteht zwischen den Eintragungen von Fahrten von W nach M und gegebenenfalls zurück im Verhältnis zu den tagesgleichen Tankrechnungen aus S bei U. Dies gilt für die Eintragungen für folgende Tage: 21.01.1997, 23.06.1997, 11.11.1997, 8.12.1997, 12.01.1998, 2.02.1998, 8.05.1998, 11.05.1998, 3.09.1998, 4.01.1999, 29.03.1999 und 21.10.1999. M liegt in etwa 70 km nördlich von W. Die vom Kläger tatsächlich gefahrene Strecke nach U hat ihn demgegenüber noch zusätzlich knapp 60 km in etwa derselben Richtung weitergeführt. Die genannten Abweichungen ergeben sich jedoch nur im Vergleich der Fahrtenbücher mit den Tankbelegen. Die Fahrtenbücher stimmen demgegenüber mit den jeweiligen Eintragungen in den vorgelegten Terminkalendern weitgehend überein. Die Übereinstimmungen belegen, dass die Eintragungen im Fahrtenbuch regelmäßig nachträglich anhand der Vermerke in den Terminkalendern vorgenommen worden sind. Der Sachvortrag des Klägers, er habe die Fahrtenbücher stets zeitnah, spätestens jedoch an dem auf die jeweilige Fahrt folgenden Tag ausgefüllt, überzeugt das Gericht deswegen nicht, weil nach der allgemeinen Erfahrung davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger jedenfalls an den jeweiligen Folgetagen seiner Geschäftsreisen mit Sicherheit den zutreffenden Zielort noch gewusst hätte. Erst eine zeitlich wesentlich spätere Fahrtenbuchvervollständigung bringt erfahrungsgemäß ein höheres Risiko für Erinnerungslücken und Widersprüchlichkeiten mit sich. Dass der Kläger im Streitfall die Eintragungen in seinen Fahrtenbüchern in der Regel doch erst geraume Zeit später - und damit eben nicht mehr zeitnah - nachgetragen hat, wird letztlich auch durch seinen eigenen Sachvortrag bestätigt, indem er die Widersprüche zwischen den Eintragungen in den Terminkalendern zu den Tankbelegen dadurch erklärt, dass er etwaige Terminsänderungen nicht mehr nachträglich in seinen Terminkalendern korrigiert habe, was für sich betrachtet durchaus verständlich ist. Damit handelt es sich aber nicht mehr um vereinzelte, versehentliche Fehleintragungen, die einem bei jeder Art von Aufzeichnung unterlaufen können, sondern um systematische, sich über alle drei Streitjahre erstreckende Eintragungsmängel, die die Beweiskraft der Fahrtenbücher als Urkunden beeinträchtigen und die Ordnungsmäßigkeit der darin enthaltenen Aufzeichnungen ausschließen.

Die vom Kläger aus den vorgelegten Beweismitteln ersichtliche Handhabung durch nachträgliche Erstellung des Fahrtenbuchs wird auch durch die übrigen, vom Beklagten beanstandeten Fahrtenbucheintragungen belegt. Dies gilt etwa für die tatsächlich durchgeführte Privatfahrt am 13.04.1997 nach R, für die im Fahrtenbuch überhaupt kein Vermerk vorgenommen worden ist, wie für die Privatfahrten dorthin am 9.05.1998 und am 3.03.1999, die laut Fahrtenbuch in A stattgefunden haben sollen. Weitere Hinweise auf eine regelmäßig spätere Fertigung der Aufzeichnungen ergeben sich auch aus den Eintragungen vom 23.06.1997 und vom 8.05.1998. Die Eintragung vom 23.06.1997 über eine Fahrt von W nach M steht in einem krassen Widerspruch zur Angabe der gefahrenen Strecke von 252 km und zu dem Tankbeleg aus S. Die Eintragung vom 8.05.1998 über die üblicherweise verzeichnete Strecke von W nach M und zurück steht nicht nur zu dem tagesgleichen Tankbeleg im Widerspruch, sondern ist auch unvereinbar mit der Angabe des Klägers, 145 km geschäftlich und 560 km privat gefahren zu sein. Auch wenn die Anzahl der vom Beklagten aufgegriffenen Fehleintragungen im Verhältnis zu den insgesamt in den drei Streitjahren erfolgten Eintragungen gering ist, so beeinträchtigen diese Mängel dennoch in entscheidendem Maß die Ordnungmäßigkeit der Fahrtenbücher. Es handelt sich ersichtlich nicht um einmalige kleinere Versehen - wie der Kläger behauptet - sondern um typische Verwechslungen und Fehler, die regelmäßig dann auftreten, wenn Aufzeichnungen aufgrund anderweitiger Unterlagen und aus der Erinnerung rekonstruiert werden. Im Ergebnis besteht keine Gewähr mehr dafür, dass der Kläger wenigstens die übrigen Aufzeichnungen, die keine formalen Mängel oder äußerlich erkennbaren Widersprüche aufweisen, zeitnah vorgenommen hat.

Die Fahrtenbücher können deshalb der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden, auch wenn dem Gericht durchaus bewusst ist, dass der Kläger in den Streitjahren bedingt durch die regionale Lage seiner Steuerkanzlei und seines Wohnsitzes zumeist Fahrten zwischen W und M zurückgelegt haben dürfte. Sind die Fahrtenbücher nicht hinreichend ordnungsgemäß, so ist auch eine realistische Schätzung des Teilwerts der privaten Nutzung des betrieblichen Kraftfahrzeugs nicht mehr zulässig. In diesem Fall ist die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zwingend anzuwenden. Da die Berechnung nach der so genannten 1%- Regelung, insbesondere der vom Beklagten angenommene Bruttolistenpreis für den Pkw zwischen den Beteiligten unstreitig ist und sich aus dem Sachvortrag keine Anhaltspunkte für einen etwaigen Berechnungsfehler ergeben, ist der vom Beklagten für die Streitjahre jeweils angesetzte Wert auch nicht zu beanstanden. Die Frage der sogenannten Deckelung der Privatnutzung stellt sich angesichts der tatsächlich höheren Gesamtkosten für den betrieblichen Pkw der Marke Volvo (Absetzung für Abnutzung, KFZ-Steuer, Versicherung und Bezinkosten etc.) im Streitfall nicht, wobei hierüber ohnehin in einem eigenständigen Verfahren nach § 163 AO zu entscheiden wäre. Der Einwand des Klägers, die Anwendung der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG würde in den Streitjahren zu einer "unzutreffenden Besteuerung" führen, ist nicht begründet. Abgesehen davon, dass dieser Einwand in der Regel nur bei Anwendung von gesetzlich normierten Pauschbeträgen greift, wird dem Gesichtspunkt einer Übermaßbesteuerung bereits durch die o.g. - im Streitfall aber nicht anwendbare - Deckelung der Kosten Rechnung getragen.

b) Die Klage hat auch insoweit keinen Erfolg, als sie sich gegen die Kürzung der Betriebsausgaben des Klägers aufgrund der o.g. Fahrten von M zurück nach W wendet.

aa) Die Kosten für Fahrten zwischen zwei Betriebsstätten einer selbständigen Tätigkeit sind in vollem Umfang als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG abzugsfähig. Für den Abzug der Kosten für Familienheimfahrten im Rahmen einer betrieblich veranlassten doppelten Haushaltsführung bestehen demgegenüber § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG Beschränkungen. Die zeitliche Beschränkung der doppelten Haushaltsführung durch die seinerzeitige Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 a EStG ist wegen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz entfallen (Bundesverfassungsgericht-Beschluss vom 4. Dezember 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BStBl II 2003, 534). Die Kosten der Familienheimfahrten sind jedoch nur in betragsmäßig beschränktem Umfang von Werbungskosten für Fahrten nichtselbständig Tätiger zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ertragsteuerrechtlich berücksichtigungsfähig (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4, Abs. 4 Satz 4 EStG). Ermittelt der freiberufliche Steuerpflichtige seine Fahrtkosten anhand eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs so richtet sich die Höhe der hierfür ansetzbaren Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Halbsatz 2 EStG, andernfalls nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Halbsatz 1 EStG. Gesetzessystematisch handelt es sich bei der Abzugsbeschränkung um nichtabzugsfähige Betriebsausgaben. Die Kürzung ist daher neben dem Ansatz der Privatnutzung des Fahrzeugs zulässig.

bb) Dass es sich bei den streitigen Fahrten um solche zwischen zwei Betriebsstätten gehandelt hat - wie der Kläger vorträgt - und nicht um Familienheimfahrten ist nicht hinreichend nachgewiesen. Dem Kläger ist einzuräumen, dass er seit 1977, mithin gleichfalls in den Streitjahren, an seinem Wohnsitz in W auch eine Betriebsstätte seiner Steuerberatungskanzlei unterhalten hat. Nach seinem eigenen Sachvortrag habe diese jedoch gegenüber der Betriebsstätte in M nur untergeordnete Bedeutung gehabt und sei von einem von ihm eingesetzten Nebenstellenleiter geführt worden. Dass seine sämtlichen Fahrten von M zurück nach W ausschließlich wegen der dort befindlichen Betriebsstätte erfolgt sind, ist angesichts dessen nicht glaubhaft. Die Fahrten haben nach der Überzeugung des Gerichts in erster Linie der Rückkehr an seinen Familienwohnsitz in W gedient. Dies ist jedenfalls für in etwa eine wöchentliche Fahrt vom Beklagten angenommen worden, woraus letzterer die - der Höhe nach unstreitigen - jährlichen 50 Familienheimfahrten abgeleitet hat. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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