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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 27.05.2009
Aktenzeichen: 4 K 4193/05
Rechtsgebiete: AnfG, BGB
Vorschriften:
AnfG § 3 Abs. 1 | |
AnfG § 3 Abs. 2 | |
AnfG § 11 | |
AnfG § 15 Abs. 2 | |
BGB § 833 |
In der Streitsache
...
hat der 4. Senat des Finanzgerichts München
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ...
der Richterin am Finanzgericht ... und
des Richters am Finanzgericht ... sowie
der ehrenamtlichen Richter ...
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2009
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Der Duldungsbescheid vom 31. März 2005 in Gestalt des berichtigten Duldungsbescheids vom 27. Oktober 2005, dieser wiederum in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. November 2005 wird hinsichtlich der in Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4 und Nr. 5 getroffenen Regelungen aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
I. Streitig ist, ob der Duldungsbescheid vom 27. Oktober 2005 rechtmäßig ist.
Die Klägerin erhielt Mitte Dezember 1999 ein auf den 15. Dezember 1999 datiertes Schreiben eines anonymen Erpressers, in dem dieser 300.000 DM von ihr forderte. Ihre Zahlungsbereitschaft sollte sie bis 8. Januar 2000 kundtun. Andernfalls drohte der Erpresser, den Finanzbehörden und der Staatsanwaltschaft Folgendes mitzuteilen: "Sie haben im Jahre 1989 von Herrn X, u.a. ein wertvolle Gemälde im Werte von DM 1,3 Mio sowie DM 1 Mio geerbt. Diese Objekte wurden in M versteigert und verkauft. Sie haben in beiden Fällen aus dem Erlös von ca. 2,3 Mio DM keine Erbschaftsteuer bezahlt. Sie müssten zum jetzigen Zeitpunkt über 50% Erbschaftsteuer sowie eine fällige Steuerstrafe von mehr als 1 Mio DM zahlen." Die Klägerin kam der Zahlungsaufforderung des Erpressers nicht nach.
Mit notariellem Vertrag vom 29. Februar 2000, auf den verwiesen wird, gründete die Klägerin, zusammen mit ihrem Sohn (S) und ihrer Tochter (T), die Y-GbR (GbR) und brachte die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke der Gemarkung Z , Fl.-Nr. 1/16 und 1/21 in die GbR ein. Mit notariellen Verträgen vom 29. Februar 2000 und 14. Dezember 2004 brachte sie eine noch zu vermessende Teilfläche von 900 qm der Fl.-Nr. 1/1 in die GbR ein.
In § 5 des Vertrages behielt sich die Klägerin das unentgeltliche Nießbrauchsrecht an den eingebrachten Grundstücken vor. Das Nießbrauchsrecht der Klägerin zu Lasten des Grundstücks Fl.-Nr. 1/21 wurde am 10. August 2000, das Nießbrauchsrecht zu Lasten des Grundstücks Fl.-Nr. 1/1 am 12. Januar 2005 in das Grundbuch eingetragen.
In § 11 des Vertrages wurde der Klägerin unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht zum Rücktritt vom Vertrag eingeräumt. Dieses Recht wurde nicht in das Grundbuch eingetragen.
Gem. § 12 des Vertrages übernahm die GbR die in Abt. III unter Nr. 1 des Grundbuchs zu Lasten der Grundstücke Fl.-Nr. 1/1 und 1/21 eingetragene Buchgrundschuld ohne Brief über einen Betrag von 200.000 DM zuzüglich Zinsen zur weiteren Duldung. Die Rechte in Abt. III waren per 29. Februar 2000 in Höhe von 169.921,02 DM = 86.879,24 EUR valutiert. Die zugrundeliegende Schuldverpflichtung von 86.879,24 EUR wurde nicht von der GbR übernommen. Sie verblieb bei der Klägerin.
Gem. § 13 des Vertrages übernahm die GbR eine Eigentümergrundschuld über 100.000 DM samt Jahreszins in Höhe von 18% zur dinglichen Haftung, deren Valutierung der Klägerin mit notarieller Urkunde vom gleichen Tage eingeräumt wurde. Diese wurde nicht in das Grundbuch eingetragen.
An der GbR sind die Klägerin zu 2%, S zu 49% und T zu 49% beteiligt. Gem. § 5 der Anlage 1 zu o.g. notariellem Vertrag wird die GbR durch die alleinvertretungsberechtigte Klägerin vertreten.
S war seit 27. April 2000 mit Wohnsitz im Haus der Klägerin in Z gemeldet.
Am 18. Mai 2000 wurde die Wohnung der Klägerin in Z von Beamten der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Z durchsucht. Anlass der Durchsuchung war der Verdacht auf Schenkungsteuerhinterziehung gegen die VS aufgrund einer anonymen Anzeige. Es bestand der Verdacht, dass die VS im Jahr 1988 Zuwendungen von ihrem damaligen Lebensgefährten, Herrn X, in erheblicher Höhe erhalten und nicht versteuert hatte.
Mit Schenkungsteuerbescheid vom 22. Oktober 2004 setzte das FA gegen die Klägerin wegen der Zuwendungen, die diese im Jahr 1988 von ihrem Lebensgefährten erhalten hatte, u.a. zwei wertvolle Gemälde, Schenkungsteuer i.H.v. 666.248,09 EUR fest.
Mit notariellem Vertrag vom 14. Dezember 2004 zwischen der Klägerin und der GbR, auf den Bezug genommen wird, wurde die Eintragung des in § 5 der notariellen Urkunde vom 29. Februar 2000 für die Klägerin bestellten Nießbrauchsrechts am Grundstück Fl.-Nr. 1/1 bewilligt und beantragt.
Mit notariellem Vertrag vom 14. Dezember 2004, auf den ebenfalls verwiesen wird, bestellte sich die Klägerin selbst auf Lebensdauer das unentgeltliche Wohnungsrecht an sämtlichen Räumen des ihr gehörenden Anwesens Fl.-Nr. 1/22, Gebäude und Freifläche zu 0,1316 ha vor. Gem. § 2 des Vertrages hat der Eigentümer das Gebäude zur Gewährung des Wohnungsrechts instand zu halten und die Kosten für Schönheitsreparaturen, Strom, Wasser und Heizung zu tragen. Die Klägerin bewilligte und beantragte die Eintragung der Rechte zu ihren Gunsten. Diese Rechte wurden zusammen als Leibgeding zugunsten der Klägerin bestellt, die Grundbucheintragung erfolgte am 12. Januar 2005.
Mit notariellem Vertrag vom 5. Januar 2005, auf den Bezug genommen wird, überließ die Klägerin dem S das Grundstück Fl.-Nr. 1/22. S übernahm das Leibgeding zugunsten der Klägerin zur weiteren Duldung und Gewährleistung. Gem. Pkt. V des Vertrages übernahm S ferner die auf dem Grundstück lastende Buchgrundschuld i.H.v. 200.000 DM und die der Belastung zugrunde liegenden laufenden und rückständigen Verbindlichkeiten im Wege der befreienden Schuldübernahme. Die Buchgrundschuld valutierte zum 20. Dezember 2004 in Höhe von 47.570,07 EUR. Gem. Pkt. VII. erfolgte die Überlassung unter Abgeltung aller Unterhaltsansprüche, die S gegenüber der Klägerin wegen seiner Behinderung hat. Gem. Pkt. VIII ist S während der Dauer des der Klägerin bestellten Leibgedings berechtigt, nach Wahl der Klägerin einen Wohnraum samt Küche und Bad/WC allein als Wohnung zu nutzen. Es wurde die Eintragung einer Wohnungsreallast gem. § 1105 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu Gunsten des S bewilligt und beantragt. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrages am 5. Januar 2005 betrug der Verkehrswert des Grundbesitzes mit der Fl.-Nr. 1/22 unter Berücksichtigung des Leibgedings für die Klägerin nach dem Wertgutachten der Sachverständigen unstreitig 152.000 EUR. Der Grundstückserlös im Fall einer Zwangsversteigerung betrug, ebenfalls unter Berücksichtigung des zugunsten der Klägerin eingetragenen Leibgedings, lt. Gutachten 30% bis 50% des Verkehrswertes des Grundstücks, liegt also zwischen 45.600 EUR und 76.000 EUR.
Das FA unternahm zwischen Februar und März 2005 zahlreiche Vollstreckungsversuche, die insgesamt zu einer Befriedigung in Höhe von 81.312,38 EUR führten.
Am 31. März 2005 erließ das FA gegen die Klägerin einen Duldungsbescheid. Es focht darin wegen der erwähnten Abgabenrückstände der Klägerin folgende Rechtshandlungen gem. § 3 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1 und § 15 Abs. 2 Nr. 1 mit 3 AnfG an:
1. Die Bestellung eines unentgeltlichen Nießbrauchsrechts zugunsten der Klägerin mit not. Vertrag vom 29. Februar 2000 zu Lasten des Grundstücks Fl.-Nr. 1/21.
2. Die Bestellung eines unentgeltlichen Nießbrauchsrechts zugunsten der Klägerin mit not. Vertrag vom 29. Februar 2000 zu Lasten des Grundstücks Fl.-Nr. 1/1.
3. Die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts in § 11 des not. Vertrages vom 29. Februar 2000.
4. Die Einräumung eines Rechts zur Valutierung einer zu bestellenden Eigentümergrundschuld über 100.000 DM zugunsten der Klägerin lt. § 13 des not. Vertrages vom 29. Februar 2000.
5. Die Bestellung eines Wohnungsrechts zugunsten der Klägerin mit not. Vertrag vom 14. Dezember 2004 zu Lasten des Grundstücks Fl.-Nr. 1/22.
6. Die Einräumung eines Rücktrittsrechts lt. Pkt. IX des not. Vertrages vom 5. Januar 2005, sowie die Bestellung einer zugehörigen Rückauflassungsvormerkung nach § 833 BGB, eingetragen als bedingte Auflassungsvormerkung im Grundbuch.
Hinsichtlich des noch nicht bestandskräftigen Schenkungsteuerbescheids wurde in den Duldungsbescheid eine § 14 AnfG entsprechende Klausel aufgenommen.
Ebenfalls am 31. März 2005 erließ das FA gegen S einen Duldungsbescheid. Es hat darin wegen der erwähnten Abgabenrückstände der Klägerin u.a. folgende Rechtshandlung gem. § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) angefochten:
Die mit not. Vertrag vom 5. Januar 2005 vereinbarte Überlassung des Grundstücks Fl.-Nr. 1/22.
Mit Änderungsbescheid vom 22. September 2005 setzte das FA die Schenkungsteuer auf 615.732,45 EUR herab. Das FA erließ daraufhin am 27. Oktober 2005 einen diesbezüglich geänderten Duldungsbescheid.
Den Einspruch der Klägerin vom 2. Mai 2005 wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 10. November 2005 als unbegründet zurück.
Zur Begründung der Klage vom 14. November 2005 trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, ein Anfechtungsrecht des FA habe nicht bestanden, denn das FA sei durch die angefochtenen Rechtshandlungen nicht benachteiligt worden.
Da die Einbringung der Grundstücke in die GbR nicht in anfechtbarer Weise erfolgt sei, sei die Bestellung bzw. Einräumung o.g. Rechte nicht in anfechtbarer Weise erfolgt. Bei der Einbringung der Grundstücke in die GbR handle es sich um ein entgeltliches Rechtsgeschäft. Die von der Klägerin in die GbR eingebrachten Grundstücke hätten allenfalls einen Verkehrswert von 400.000 EUR gehabt. Da sich die GbR zur Übernahme der Grundschuld ohne Brief über 200.000 DM verpflichtet habe, sei die Klägerin von Verbindlichkeiten in dieser Höhe befreit worden. Die Bestellung der Eigentümergrundschuld i.H.v. 100.000 DM für die Klägerin mit dem Recht zur Valutierung sei finanziell vorteilhaft. Da der Klägerin auf Lebenszeit auch das unentgeltliche Nießbrauchsrecht eingeräumt worden sei, liege eine kongruente Deckung der Leistungen vor. Auch habe die Klägerin nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Grundstücke in die GbR am 29. Februar 2000 habe sie keine Kenntnis von den Steueransprüchen des Beklagten gehabt. Ihre Vermögensverhältnisse seien geordnet gewesen. Kenntnis von der drohenden Steuerfestsetzung habe sie erst am 4. Juni 2000 mit Zugang des Schreibens der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Z über die Einleitung des Steuerstrafverfahrens erhalten. Vielmehr habe die Klägerin aufgrund einer rheumatischen Erkrankung im Jahr 2000, im Alter von 62 Jahren, ihre Tätigkeit als Ärztin aufgeben müssen. Wegen des Klimas habe sie nach Bolivien auswandern wollen. Deshalb habe sie ihre finanziellen Verhältnisse ordnen wollen und die Grundstücke zur Regelung einer vorweggenommenen Erbfolge in die GbR eingebracht.
Auch die Gesellschafter der GbR hätten zum Zeitpunkt der Einbringung keine Kenntnis vom Anspruch des FA gehabt. Bezüglich der Übertragung des Grundstücks Fl.-Nr. 1/22 auf S habe ebenfalls kein Anfechtungsrecht des FA bestanden. Bei dem zwischen der Klägerin und S geschlossenen Vertrag handle es sich ebenfalls um ein Rechtsgeschäft mit kongruenter Deckung. Als Gegenleistung für die Übereignung des Grundstücks habe S das im Grundbuch eingetragene Grundpfandrecht mit 200.000 DM sowie die Verpflichtungen aus dem zugrunde liegenden Darlehensvertrag übernommen. Auch habe S das zugunsten der Klägerin bestehende Wohnrecht übernommen und müsse für Reparaturen und Nebenkosten aufkommen. Der Wohnungswert sei mit 1.000 EUR, die Übernahme der Nebenkosten mit 300 EUR monatlich zu bewerten; somit bestehe bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung der Klägerin eine Belastung von 312.000 EUR. Diese Belastung mindere den Wert des übertragenen Grundstücks. Weiterhin habe der 30-jährige S, der keine abgeschlossene Berufsausbildung habe und außerstande sei, sich selbst zu unterhalten, auf seine künftigen Unterhaltsansprüche gegen die Klägerin verzichtet. Die Klägerin sei daher gem. §§ 1601, 1602 BGB zur Leistung von Unterhalt verpflichtet. Der Unterhaltsanspruch des S sei mit 700 EUR monatlich in Ansatz zu bringen. Unter Berücksichtigung eines Zeitraums von 20 Jahren ergebe sich ein Betrag von 168.000 EUR, der im Rahmen des Vertragsverhältnisses als Gegenleistung zu berücksichtigen sei. Da das unbelastete Grundstück nur einen Wert von 350.000 EUR habe, liege eine objektive Gläubigerbenachteiligung nicht vor.
Ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Klägerin habe nicht bestanden. Auch habe S von den Steuerschulden der Klägerin keine Kenntnis gehabt.
Die Klage vom 11. Januar 2005 gegen den Schenkungsteuerbescheid vom 22. September 2005 wurde mit Urteil des Finanzgerichts München vom 14. November 2007 4 K 185/05 als unbegründet zurückgewiesen. Die Beschwerde der Klägerin wegen der Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts München wurde mit Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 14. Juli 2008 Az. II B 5/08 als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Duldungsbescheid vom 31. März 2005 in Gestalt des berichtigten Duldungsbescheids des FA vom 27. Oktober 2005, diesen wiederum in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. November 2005, aufzuheben,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Es hat keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Duldungsbescheids.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vollstreckungs- bzw. Rechtsbehelfsakte des FA, die Gerichtsakte, das Sachverständigengutachten der Bausachverständigen vom 2. Februar 2009 bezügl. des Grundstücks Fl.-Nr. 1/22 und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2009 Bezug genommen.
II. Die Klage ist überwiegend begründet. Der angegriffene Duldungsbescheid ist hinsichtlich der in den Nr. 1 bis Nr. 5 getroffenen Regelungen rechtswidrig. Nr. 6 des Duldungsbescheides ist rechtmäßig.
1. Nr. 1 und 2 des Duldungsbescheids:
a) Die Bestellung des lebenslänglichen Nießbrauchsrechts an den Grundstücken Fl.-Nr. 1/21 und 1/1 zugunsten der Klägerin ist nicht gem. §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 2 Nr. 1 AnfG anfechtbar.
aa) Gem. § 3 Abs. 1 AnfG ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 AnfG kann die Anfechtbarkeit gegen einen Rechtsnachfolger geltend gemacht werden, wenn der Rechtsnachfolger zur Zeit seines Erwerbs zu den Personen gehörte, die dem Schuldner nahestehen, es sei denn, dass ihm zu dieser Zeit die Umstände unbekannt waren, welche die Anfechtbarkeit des Erwerbs seines Rechtsvorgängers begründen.
bb) Die Klägerin ist nicht Sonderrechtsnachfolgerin der GbR als der bezüglich der Eigentumsübertragung an den Grundstücken eigentlichen Anfechtungsschuldnerin.
Die Klägerin hat sich mit notarieller Urkunde vom 29. Februar 2000 den Nießbrauch an den Grundstücken Fl.-Nr. 1/1 und 1/21 vorbehalten. Damit hat die GbR das Grundstück bereits mit dem Nießbrauchsrecht belastet erhalten. Der Sachverhalt des Streitfalles weicht von dem der vom FA zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 13 Juli 1995 IX ZR 81/94 zugrunde liegenden Sachverhalt insoweit ab, als in diesem Fall die Eltern das Grundstück unbelastet auf ihre Tochter übertragen haben. Diese hat dann als Gegenleistung den Eltern ein Wohnrecht eingeräumt. Nur in diesem Fall kommt eine Anfechtung gem. §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 2 Nr. 1 AnfG in Betracht, da nur in dieser Sachverhaltskonstellation die Eltern bzgl. des Nießbrauchsrechts Sonderrechtsnachfolger nach ihrer Tochter sind.
b) Die Bestellung des lebenslänglichen Nießbrauchsrechts an den Grundstücken Fl.-Nr. 1/21 und 1/1 zugunsten der Klägerin ist nach Auffassung des Senats auch nicht gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG anfechtbar.
Das Anfechtungsgesetz enthält nach seinem Wortlaut keinen Anfechtungstatbestand, der es ermöglicht, gegenüber dem Schuldner selbst die zu seinen Gunsten erfolgte Bestellung von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten anzufechten (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH vom 14. Juli 1981 VII R 49/80, BStBl II 1981, 751). Voraussetzung einer Anfechtung ist grundsätzlich das Ausscheiden eines Gegenstandes aus dem Vermögen des Schuldners (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juli 1981 VII R 49/80 a.a.O.., Böhle/Stamschräder/Kilger, Anfechtungsgesetz, 5. Aufl., § 1 Anm. III; Huber, Anfechtungsgesetz 10. Aufl., Einf. Rz. 9, § 1 Rz. 12, § 11 Rz. 8). Im Streitfall hat die Klägerin sich den Nießbrauch an den in die GbR eingebrachten Grundstücken vorbehalten. Auf die GbR sind daher Grundstücke übergegangen, die bereits mit einem Nießbrauchsrecht zugunsten der Klägerin belastet waren. Durch die Bestellung des Nießbrauchs hat die Klägerin daher gerade keinen Gegenstand aus ihrem Vermögen weggegeben. Vielmehr hat sie sich mit dem vorbehaltenen Nießbrauchsrecht den weitergehenden wirtschaftlichen Wert der Immobilie bis an ihr Lebensende vorrangig selbst gesichert.
Es ist auch fraglich, welchen Inhalt in einem solchen Fall der Rückgewähranspruch des § 11 AnfG haben sollte, wonach das, was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden muss, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist. Denn etwas, was im Vermögen ist, kann schwerlich in dieses zurückgewährt werden.
Auch ist das AnfG nach Ansicht des Senats nicht dahingehend erweiternd auszulegen, dass auch in einem solchen Fall die Anfechtung möglich ist, da der Zweck der Gläubigeranfechtung darin besteht, unter bestimmten, fest begrenzten Voraussetzungen Gegenstände, welche ein Schuldner aus seinem Vermögen weggegeben hat, dem Vollstreckungszugriff des Gläubigers wieder zu erschließen und die durch eine Vermögensverschiebung verhinderte Zwangsvollstreckung in einen Gegenstand des Schuldnervermögens wieder zu ermöglichen (vgl. Huber, AnfG, 10. Aufl. Einf. Rz. 9). Zweck des AnfG ist es hingegen nicht, gegenüber dem Schuldner selbst, die zu seinen Gunsten erfolgte Bestellung eines Nießbrauchs anzufechten.
2. Nr. 3 des Duldungsbescheids
Die Vereinbarung des Rechts zum Rücktritt vom Vertrag zugunsten der Klägerin in § 11 des not. Vertrages vom 29. Februar 2000 ist nicht anfechtbar gem. §§ 3 Abs. 1, 15 AnfG.
Die Klägerin ist nicht Sonderrechtsnachfolgerin der GbR i.S. des § 15 AnfG. Ein bloß schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung der Sache begründet für sich noch keine Rechtsnachfolge in die Sache selbst. Das ändert sich erst, sobald der Anspruch durch eine Vormerkung im Grundbuch gesichert ist. Im Streitfall besteht nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung, eine Rückauflassungsvormerkung ist nicht in das Grundbuch eingetragen worden.
3. Nr. 4 des Duldungsbescheids
Die Einräumung des Rechts zur Valutierung einer zu bestellenden Eigentümergrundschuld über 100.000 DM zugunsten der Klägerin lt. § 13 des not. Vertrages vom 29. Februar 2000 ist nicht gem. §§ 3 Abs. 1, 15 AnfG anfechtbar.
Auch hier ist die Klägerin nicht Sonderrechtsnachfolgerin der GbR i.S. des § 15 AnfG, da auch hier nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Valutierung der Grundschuld besteht, der nicht durch eine Vormerkung im Grundbuch gesichert worden ist.
4. Nr. 5 des Duldungsbescheids
a)
Die Bestellung des Wohnungsrechts zu Gunsten der Klägerin am Grundstück Fl.-Nr. 1/22 mit not. Urkunde vom 14. Dezember 2004 ist nicht gem. § 4 AnfG bzw. § 3 AnfG i.V.m. § 15 AnfG anfechtbar.
Die Klägerin ist hier nicht Sonderrechtsnachfolgerin des S gem. § 15 AnfG. Das Wohnrecht ist im Streitfall der Klägerin nicht von S eingeräumt worden. Vielmehr hat sich die Klägerin das Wohnrecht selbst, vor der Übertragung des Grundstücks auf S, mit notarieller Urkunde vom 14. Dezember 2004 bestellt.
Die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit für den Eigentümer des belasteten Grundstücks ist grundsätzlich zulässig, wenn sie, wie im Streitfall, mit Rücksicht auf eine beabsichtigte Veräußerung des Grundstücks geschieht und aus diesem Grund ein Bedürfnis für die Bestellung besteht (BGH-Urteil vom 11. März 1964 V ZR 78/62, BGHZ 41, 209).
b) Die Bestellung des Wohnrechts an den Grundstücken zugunsten der Klägerin ist im Streitfall aus den unter II. 1. b) geschilderten Gründen nach Ansicht des Senats auch nicht gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 4 AnfG anfechtbar.
5. Nr. 6 des Duldungsbescheids
Der Klägerin ist in Pkt. IX des not. Überlassungsvertrages vom 5. Januar 2005 ein Recht zum Rücktritt vom Vertrag eingeräumt worden. Die Bestellung der zugehörigen Rückauflassungsvormerkung zugunsten der Klägerin nach § 833 BGB, eingetragen am 13. Januar 2005 als bedingte Auflassungsvormerkung im Grundbuch, ist anfechtbar gem. § 3 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 AnfG.
a) Die Klägerin ist Sonderrechtsnachfolgerin des S als dem bezüglich der Eigentumsübertragung eigentlichen Anfechtungsgegner. Zwar begründet ein bloß schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung der Sache für sich noch keine Rechtsnachfolge in die Sache selbst. Das ändert sich jedoch, sobald, wie im Streitfall, der Anspruch durch eine Vormerkung im Grundbuch gesichert ist. Der Begriff der Rechtsnachfolge ist funktional so zu verstehen, dass er alle diejenigen - aus dem Vollrecht abgeleiteten - Rechtspositionen erfasst, welche die Rückgewähr durch den Ersterwerber vereiteln oder erschweren (vgl. Jaeger/Henckel, Konkursordnung, § 40 Rz. 29). Die vollzogene Übereignung des anfechtbar weggegebenen Rechts an einen anderen würde diesen zum Rechtsnachfolger machen. Die Vormerkung des Anspruchs auf diesen Zweiterwerb im Grundbuch begründet bereits eine gesicherte Zwischenposition. Sie lässt gem. § 883 Abs. 2 BGB Zwischenverfügungen dem Berechtigten gegenüber unwirksam werden. Das gilt zugleich gegenüber jedem Anfechtungsberechtigten, dem nach § 11 AnfG nicht schon kraft der Anfechtung eine vorrangige dingliche Befugnis am anfechtbar übertragenen Vermögensgut zusteht. Seine Rechte sind durch § 15 Abs. 2 AnfG zu wahren (vgl. BGH-Urteil vom 13. Juli 1995 IX ZR 81/94 a.a.O..).
b) Die Anfechtbarkeit der Grundstücksübertragung gegenüber dem Ersterwerber, hier dem S, gem. § 3 Abs. 2 AnfG, die Voraussetzung ihrer Geltendmachung gegenüber der Sonderrechtsnachfolgerin ist, liegt vor.
Gem. § 3 Abs. 2 AnfG ist anfechtbar ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den seine Gläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor der Anfechtung geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt gewesen ist.
Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn durch die Rechtshandlung des Schuldners die Befriedigungsmöglichkeit des Gläubigers aus dem Schuldnervermögen beeinträchtigt wird, d.h. ganz oder teilweise wegfällt, erschwert oder auch verzögert wird (BGH-Urteil vom 20. Oktober 2005 IX ZR 276/02, WM 2006, 490). Dabei kommt es nicht auf die Verminderung des Schuldnervermögens insgesamt an, sondern auf die Erschwerung der Vollstreckungsmöglichkeiten in den konkreten Gegenstand (Urteil des Oberlandesgerichts - OLG Saarbrücken vom 14. Dezember 2004 4 U 639/03, veröffentlicht in [...]).
Im Streitfall sind die Vollstreckungsmöglichkeiten des FA dadurch beeinträchtigt worden, dass die Klägerin mit notariellem Vertrag vom 5. Januar 2005 das Grundstück Fl.-Nr. 1/22 auf den S übertragen hat. Ohne Vornahme dieser Rechtshandlungen hätte das FA die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreiben können. Durch die Übertragung des Grundstücks auf den S ist dieses den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des FA entzogen worden.
Bei dieser Sachlage würde eine Benachteiligung im Sinne des § 1 AnfG nur dann ausscheiden, wenn das Grundstück bei Vornahme der Rechtshandlung wertausschöpfend belastet gewesen wäre oder wenn zugleich eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt wäre.
aa) Das Grundstück ist vorliegend nicht wertausschöpfend belastet gewesen.
Die Übertragung eines belasteten Grundstücks kann nur dann eine Benachteiligung des Gläubigers zur Folge haben, wenn der in der Zwangsvollstreckung erzielba(re Wert des Grundstücks die vorrangigen Belastungen und die Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens übersteigt BGH-Urteil vom 17. Dezember 1998 IX ZR 196/97, ZIP 1999, 196). Abzustellen ist dabei auf die tatsächliche Höhe der Forderungen, die durch die eingetragenen Grundbuchrechte gesichert werden, nicht maßgebend ist das eingetragene Grundpfandrecht (BGH-Urteil vom 27. März 1984 IX ZR 49/83, ZIP 1984, 753). Für die Feststellung der Werte der in Betracht kommenden Rechte und des Grundstücks kommt es im Streitfall auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts an, da § 3 Abs. 2 AnfG eine Gläubigerbenachteiligung durch den Abschluss des Rechtsgeschäfts, also eine unmittelbare Benachteiligung verlangt (vgl. Huber a.a.O.., § 1, Rz. 45, 46).
Zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrages am 5. Januar 2005 hat der Verkehrswert des Grundbesitzes unter Berücksichtigung des Leibgedings für die Klägerin nach dem Gutachten der Sachverständigen 152.000 EUR betragen.
Zum Zeitpunkt der Übertragung des Grundstücks auf den S valutierte die dem Grundpfandrecht zugrunde liegende Forderung noch in Höhe von 47.500 EUR.
Der Grundstückserlös im Fall einer Zwangsversteigerung beträgt lt. Gutachten 30% bis 50% des Verkehrswertes des Grundstücks, liegt also zwischen 45.600 EUR und 76.000 EUR. Im Streitfall ist das Grundstück daher mit Grundpfandrechten belastet, die der Höhe nach einem Erlös von 30% des Verkehrswertes, also dem untersten vom Sachverständigen angenommenen Erlös, der bei einer Zwangsversteigerung des Grundstücks zu erzielen wäre, entsprechen. Da sich die Ergebnisse einer Zwangsvollstreckung im Anfechtungsprozess nicht mit letzter Sicherheit und Genauigkeit feststellen lassen, muss es genügen, dass eine Zwangsvollstreckung in den anfechtbar übertragenen Gegenstand nicht aussichtslos erscheint (vgl. BGH-Urteil vom 24. September 1996 IX ZR 190/95, NJW 1996, 3341). Im Streitfall kann der Erlös im Fall der Zwangsversteigerung des Grundstücks nach dem Sachverständigengutachten bis zu 50% des Verkehrswertes, also 76.000 EUR betragen. Die Zwangsvollstreckung erscheint deshalb nicht aussichtslos. Das Grundstück ist zum Zeitpunkt der Übertragung auf den S nicht wertausschöpfend belastet gewesen.
bb) Die Klägerin hat vorliegend auch keine gleichwertige Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks erlangt.
An einer gleichwertigen Gegenleistung fehlt es schon dann, wenn die Gegenleistung für den Gläubiger schwerer zu verwerten ist (BGH-Urteil vom 15. Dezember 1994 IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184; Huber a.a.O.., § 3 Rz. 48). Denn die Frage der objektiven Benachteiligung ist stets vom Standpunkt des Gläubigers zu beurteilen. Es ist insoweit unerheblich, ob die Rechtshandlung dem Schuldner selbst Vorteile bringt (Kilger/Huber a.a.O.., § 1 IV Anm. 8).
Der Verzicht des S auf gegenüber der Klägerin bestehende Unterhaltsansprüche stellt keine Gegenleistung dar. Dabei kann unentschieden bleiben, ob Unterhaltsansprüche des S tatsächlich bestanden haben.
Zum einen fehlt es an der Gleichwertigkeit der Gegenleistung. Die Befreiung der Klägerin von einer Verbindlichkeit als Gegenleistung stünde dem FA nicht als vollstreckungsfähiges Gut zur Verfügung, es wäre kein Ausgleich an haftendem Vermögen geschaffen worden (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 4. Oktober 2007 2 K 188/06, veröffentlicht in [...]).
Zum anderen kann im Hinblick auf § 1614 Abs. 1 BGB für die Zukunft auf den Unterhalt nicht wirksam verzichtet werden. Auch ein entgeltlicher Unterhaltsverzicht ist nichtig (Palandt, BGB, 65. Auflage, § 1614 Rz. 1). Da selbst für den Fall, dass Unterhaltsansprüche des S für die Zukunft gegen die Klägerin bestanden hätten, der Verzicht des S auf diese Unterhaltsansprüche nichtig gewesen ist, hat die Klägerin durch den Verzicht des S keine Befreiung von einer Verbindlichkeit erlangt.
Die Übernahme der der Grundschuld zugrunde liegenden Forderung durch S ist nicht gleichwertig, da diese nur i.H.v. 47.500 EUR valutierte, der Verkehrswert des Grundstücks, auf den hier abzustellen ist, lt. Sachverständigengutachten aber 152.000 EUR betragen hat.
cc) Die umfangreich durchgeführten Pfändungen des FA sind zum großen Teil erfolglos verlaufen. Die vom FA zwischen Februar und März 2005 durchgeführten zahlreichen Vollstreckungsversuche gegen die Klägerin haben insgesamt nur zu einer Befriedigung in Höhe von 81.312,38 EUR geführt. Damit hat das FA nachgewiesen, dass es bei der Klägerin keine vollständige Befriedigung gefunden hat.
c) Die gesetzliche Vermutung gem. § 3 Abs. 2 AnfG, dass die Klägerin in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt hat und dies dem S bekannt war, konnte nicht widerlegt werden.
Mit dieser Beweislastregel hat der Gesetzgeber im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit eine vereinheitlichende Regelung getroffen und bewusst in Kauf genommen, dass es zu Schwierigkeiten führen kann, die eigene Unkenntnis nachzuweisen (BGH-Urteil vom 17. September 1975 VIII ZR 217/14, NJW 1975, 2193). Der Grund besteht darin, dass nahe Angehörige in der Regel die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners kennen, daher seine Absichten leichter durchschauen und wegen ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Verbundenheit eher bereit sind, zum Schaden seiner Gläubiger Verträge abzuschließen.
aa) Die Darstellung des S, die Klägerin habe ihm das Grundstück übertragen, um sich von seinen Unterhaltsansprüchen zu befreien, widerlegt nicht die gesetzliche Vermutung des Benachteiligungsvorsatzes der Klägerin, da die Gläubigerbenachteiligung nicht das Ziel des Schuldnerhandelns sein muss. Der Tatbestand des § 3 Abs. 2 AnfG ist auch erfüllt, wenn bei einem auf einen anderen Zweck gerichteten Handeln der Schuldner die Benachteiligung als mögliche Folge seines Handelns erkennt und billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH-Urteil vom 13. Juli 1995 IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314, 319; BGH-Urteil vom 20. Oktober 2005 IX ZR 276/02, ZIP 2006, 387).
Spätestens mit Erhalt des Schenkungsteuerbescheids vom 22. Oktober 2004 musste die Klägerin mit der Möglichkeit rechnen, die gegen sie festgesetzte Steuer auch bezahlen zu müssen. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Klägerin bei Übertragung des Grundstücks auch bewusst war, dass sich diese Übertragung zum Nachteil des FA auswirken würde, da weiteres nennenswertes Vermögen der Klägerin, in das das FA hätte vollstrecken können, nicht vorhanden war. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin damit rechnete, dass sie im Falle des für sie nachteiligen Ausgangs des Rechtsstreits vor dem FG München ihre Verpflichtungen gegenüber dem FA trotz der Übertragung des Grundstücks auf S würde in vollem Umfang erfüllen können.
Da die Benachteiligungsabsicht der Klägerin nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, bleibt es bei der gesetzlichen Vermutung des Vorliegens des Vorsatzes.
bb) Die Kenntnis des S vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Klägerin ist gleichfalls nicht widerlegt worden. Das Bestreiten des S allein reicht nicht aus, um die gesetzliche Vermutung der Kenntnis des S vom Benachteiligungsvorsatz der Klägerin zu widerlegen. Vielmehr hält es der Senat nicht für glaubhaft, dass S von den Steuerschulden der Klägerin nichts gewusst hat. Diese Überzeugung gewinnt der Senat aus Folgendem: S hat seit 27. April 2000 wieder mit seiner Mutter zusammen in Z gewohnt. Dieses Haus ist am 18. Mai 2000, also zu einer Zeit, als S darin gewohnt hat, von Beamten der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Z wegen der Schenkungen, die die Klägerin von ihrem damaligen Lebensgefährten erhalten hat, durchsucht worden. Dass die Durchsuchungsmaßnahme und der Anlass für diese Maßnahme dem S verborgen geblieben ist, ist nicht sehr wahrscheinlich. Angesichts der persönlichen und räumlichen Verbundenheit liegt es vielmehr nahe, dass ihm die Steuerschulden der Klägerin bekannt waren. Der Beweis, davon nichts gewusst zu haben, ist dem S jedenfalls nicht gelungen.
d) Die Vormerkung des Rückauflassungsanspruchs benachteiligt die Gläubiger, indem sie den durch die ursprüngliche Übereignung geschaffenen Zustand verfestigt. Daran ändert es nichts, dass eine Erfüllung des vorgemerkten Anspruchs, hier das Eigentum, gerade wieder an die Klägerin zurückfallen lassen würde. Dadurch wird bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht etwa die benachteiligende Wirkung der vorangegangenen Eigentumsübertragung an den Sohn der Klägerin beseitigt. Ob die Voraussetzungen für die Rückauflassung künftig eintreten werden, ist mehrfach bedingt und damit ungewiss. Als eigenständiges Pfandobjekt ist die Forderung damit wertlos. Sicher ist andererseits, dass die Vormerkung gegenwärtig die Verwirklichung des Rückgewähranspruchs gegen den Sohn der Klägerin (§ 11 AnfG) erschwert, solange sie den vom FA ergriffenen Maßnahmen im Rang vorgeht (vgl. BGH-Urteil vom 13. Juli 1995 IX ZR 81/94 a.a.O..).
e) Das FA kann die Anfechtbarkeit nach allen 3 Ziffern des § 15 Abs. 2 AnfG geltend machen. Ziffer 2 beinhaltet insoweit nur eine -vorliegend nicht zum Tragen kommende- Beweislastumkehr gegenüber Ziffer 1. Die Klägerin wusste bei Übertragung des Grundstücks auf S um die tatsächlichen Umstände, die deren Anfechtbarkeit gegenüber S gem. §§ 4, 3 Abs. 2 AnfG begründeten, nämlich deren Unentgeltlichkeit bzw. die Verschlechterung der Vollstreckungsmöglichkeiten für ihre Gläubiger. Außerdem hat sie den Anspruch auf den bedingten Übereignungsanspruch unentgeltlich erhalten.
f) Die Anfechtungsfrist ist schon mit dem fristgerechten Erlass des Duldungsbescheids gegen S am 31. März 2005 als Rechtsvorgänger der Klägerin gewahrt (Kilger/Huber AnfG 9.Auflage, § 15 Rz. 15).
Erforderlich ist die Einhaltung der für die Erstveräußerung nach §§ 3 ff. AnfG geltenden Anfechtungsfristen gegenüber dem Rechtsnachfolger nur, "sofern nicht schon innerhalb der Frist der Anspruch gegenüber dem Ersterwerber gerichtlich geltend gemacht ist." Ist -wie hier- gegenüber dem Ersterwerber fristgemäß ein Duldungsbescheid erlassen worden, besteht für eine Geltendmachung dieser gegenüber dem Ersterwerber begründeten Anfechtbarkeit auch gegenüber dem Rechtsnachfolger nach § 15 AnfG -unter dessen sonstigen Voraussetzungen- keine Frist mehr.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.
7. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3, § 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Regelung gilt auch nach der Änderung der ZPO durch das Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24. August 2004 (BGBl. I 2004, 2198) sinngemäß noch für finanzgerichtliche Urteile (FG München, Urteil vom 20. Januar 2005 3 K 4519/01, EFG 2005, 969).
8. Die Revision ist gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO zuzulassen. Die Frage, ob ein vom Vollstreckungsschuldner sich selbst eingeräumtes Wohnrecht oder ein vom Schuldner vorbehaltener Nießbrauch nach dem Anfechtungsgesetz, eventuell unter Ausweitung der Anfechtungstatbestände des Anfechtungsgesetzes im Wege der Analogie anfechtbar ist, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 2 FGO.
Ende der Entscheidung
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