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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 25.07.2007
Aktenzeichen: 6 V 1097/07
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 171 Abs. 10
AO § 175 Abs. 1 Nr. 1
AO § 182 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

6 V 1097/07

Aussetzung der Vollziehung in Sachen

Körperschaftsteuer 1998

Gewerbesteuermessbetrag 1998

In der Streitsache

...

hat der 6. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

ohne mündliche Verhandlung

am 05. Juli 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob die Steuerbescheide der Antragstellerin zu Recht gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geändert werden konnten.

Der Antragsgegner (Finanzamt -FA-) erließ am 11.8.2006 geänderte Bescheide für 1998 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag und über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1998 sowie am 11.9.2006 geänderte Bescheide über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags zum 30.6.1998 und über den gewerbesteuerlichen Verlustvortrag zum 31.12.1998. Die Änderungen erfolg- ten wegen der geänderten Feststellungsbescheide für die Tochtergesellschaften der Antragstellerin vom 24.2.2005 (G-KG) und vom 25.7.2006 (L-KG).

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Bericht über die Außenprüfung vom 29.6.2001, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung der Änderungsbescheide vom 11.8.2006 betreffend Körperschaftsteuer 1998, Solidaritätszuschlag 1998, die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1998

und der Änderungsbescheide vom 11.9.2006 betreffend die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags zum 30.6.1998 den gewerbesteuerlichen Verlustvortrag zum 31.12.1998

wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit und wegen einer unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte auszusetzen,

hilfsweise

die Beschwerde zuzulassen.

Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

II.

Der Antrag ist unbegründet.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte im Sinne des § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) bestehen nach Aktenlage nicht.

1) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei überschlägiger Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist bereits dann begründet, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird (Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 7. Juni 1994 IX R 141/89, BStBl II 1994, 756; BFH-Beschlüsse vom 15. Januar 1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994;vom 25. August 1998 II B 25/98, BStBl II 1998, 674;vom 23. Juli 1999 VI B 116/99, BStBl II 1999, 684).

2) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

a) Das FA hat die Änderungen der Bescheide zu Recht auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) gestützt.

Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO, dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Das bedeutet, dass es im Umfang der in § 182 Abs. 1 AO festgelegten Bindungswirkung entweder zu einer erstmaligen Regelung oder zu einer inhaltlichen Veränderung des bisherigen Regelungszustands kommen muss (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.2000 X R 42/96, BFH/NV 2001, 1053).

Bei überschlägiger Prüfung sind die Feststellungsbescheide vom 24.2.2005 und vom 25.7.2006 betreffend die Einkünfte aus den Beteiligungen an der G-KG und der L-KG als Grundlagenbescheide i.S.d. § 171 Abs. 10 AO zu qualifizieren.

Nach dieser Regelung ist ein Feststellungsbescheid, Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt, soweit er für die Festsetzung einer Steuer bindend ist, als Grundlagenbescheid anzusehen.

Die in den Feststellungsbescheiden enthaltenen Feststellungen sind als Besteuerungsgrundlagen bindend, soweit die Bindungswirkung des § 182 Abs. 1 Satz 1 AO reicht. Die Feststellungswirkung eines Grundlagenbescheids bezieht sich gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO stets nur auf die gemeinschaftlich verwirklichten Tatbestandsmerkmale, nicht aber auf Tatbestandsmerkmale außerhalb der Beteiligung im Bereich der persönlichen Einkünfteerzielung. Diese treten vielmehr zu den verbindlich festgestellten Besteuerungsgrundlagen im Bereich der persönlichen Tatbestandsverwirklichung der Gesellschafter hinzu. Sie gehören nicht in den Regelungsbereich des Grundlagenbescheids sondern in jenen des Folgebescheids. Die Entscheidung über Art und Höhe der betreffenden Einkünfte, die von außerhalb der der Gesellschaft verwirklichten Tatbestandsmerkmalen abhängig sind, muss deswegen auf der Ebene des Gesellschafters erfolgen (vgl. BFH-Beschluss vom 11.4.2005 GrS 2/02, BFH/NV 2005, 1648).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann im Streitfall davon ausgegangen werden, dass eine zur Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO berechtigende Bindung hinsichtlich der festgestellten, anteilig in gewerbliche Einkünfte umzuqualifizierenden land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte gegeben ist.

Die Antragstellerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass soweit die festgestellten Einkünfteanteile (§ 13 EStG) in gewerbliche Einkünfte umzuqualifizieren sind, weil die Antragstellerin gewerbliche Einkünfte erzielt (§ 8 Abs. 2 KStG), die Entscheidung über die Art der Einkünfte das für die persönliche Besteuerung zuständige FA zu treffen hat. Insoweit wird die Bindungswirkung des Feststellungsbescheids durchbrochen, da die Entscheidung über die Art der Einkünfte hier von außerhalb der Gesellschaft verwirklichten Tatbestandsmerkmalen abhängig ist.

Im Streitfall führt aber die Umqualifizierung der Einkunftsart nicht dazu, dass die Bindungswirkung der festgestellten anteilig zuzurechnenden Einkünfte auch der Höhe nach aufgehoben wird.

Wie sich dem Beschluss des Großen Senats des BFH im BFH/NV 2005, 1648 entnehmen lässt, muss die Entscheidung über die Art und Höhe der festgestellten Einkünfte nur dann und insoweit auf der Ebene des Gesellschafters erfolgen, als sich durch besondere steuererhebliche Merkmale in seiner Person Abweichungen vom Grundlagenbescheid ergeben. Dies trifft vorliegend aber nur auf die Art der Einkünfte, nicht aber auf deren Höhe zu.

Die Einkünfte werden sowohl bei Land- und Forstwirtschaft als auch bei Gewerbebetrieb gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach dem Gewinn ermittelt. Im Streitfall ermittelt die Antragstellerin wie die G-KG und die L-KG, die als handelsrechtliche Personengesellschaften nach § 140 AO i.V.m. § 238, 6, des Handelsgesetzbuchs buchführungspflichtig sind, den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich dadurch von dem dem Beschluss des Großen Senats zugrunde liegenden Fall (Umqualifizierung der Art der Einkünfte von Überschuss in Gewinneinkünfte führt zugleich zu abweichender Einkünfteermittlung). Im Gegensatz dazu stimmt im Streitfall die auf der Ebene der Gesellschaften durchgeführte Einkünfteermittlung mit der beim Gesellschafter, der Antragstellerin, anzuwendenden Ermittlungsmethode überein. Dass sich infolge der Umqualifizierung der Einkünfte bei der Antragstellerin unterschiedliche Einkünfte der Höhe nach ergeben würden, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dies bedeutet, dass es bei der Entscheidung über die Höhe der Einkünfte durch das für die Besteuerung der KGs zuständige Gesellschafts-FA verbleibt. Denn diese Entscheidung wird durch die Umqualifizierung der Art der Einkünfte auf der Ebene der Antragstellerin nicht beeinflusst und ist somit nicht -wie für die Durchbrechung der Bindungswirkung der Feststellungsbescheide nach dem Beschluss des Großen Senats vorausgesetzt -"von außerhalb der Gesellschaft verwirklichten Tatbestandsmerkmalen abhängig".

Auf diese Weise wird auch der Ordnungszweck des Feststellungsverfahrens im Interesse einer Vereinfachung und Vereinheitlichung des Besteuerungsverfahrens, verbindliche Entscheidungsvorgaben für alle (materiell-rechtlich) an der Einkunftsquelle Beteiligten zu liefern und divergierende Entscheidungen der Finanzämter möglichst zu vermeiden, erfüllt (vgl. BFH-Beschluss vom 11.4.2005 a.a.O.).

3.) Die Vollziehung ist ferner nicht wegen unbilliger Härte gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen.

Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne dieser Vorschriften liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (BFH-Beschlüsse vom 21. Februar 1990 II B 98/89, BStBl II 1990, 510;vom 5. März 1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325). Hierzu hat die Antragstellerin keinen substantiierten Sachvortrag geliefert.

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

5.) Die Beschwerde an den Bundesfinanzhof gegen diesen Beschluss wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 128 Abs. 3 i.V. mit § 115 Abs. 2 FGO).



Ende der Entscheidung

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