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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 23.05.2007
Aktenzeichen: 9 K 943/05
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 7g Abs. 3 S. 2 | |
EStG § 7g Abs. 6 | |
EStG § 7g Abs. 7 S. 2 Nr. 1 |
Finanzgericht München
Streitsache
Gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 2002
In der Streitsache
...
hat der 9. Senat des Finanzgerichts München
unter Mitwirkung
...
ohne mündliche Verhandlung
am 23. Mai 2007
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Streitig ist, unter welchen Voraussetzungen eine Ansparrücklage nach § 7 g Abs. 3, 6, 7 Einkommensteuergesetz (EStG) bei einem erst zu eröffnenden Betrieb für die Herstellung eines Wirtschaftsguts gebildet werden kann.
Die Klägerin ist eine mit Vertrag vom 1. November 2001 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Zweck der Betrieb von Anlagen zur Erzeugung elektrischer Energie aus Windkraft ist. Sie ermittelt ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. An der GbR sind Herr M zu 98 v.H. und Herr E zu 2 v.H. als Gesellschafter beteiligt. Der Gesellschafter M erzielte in den Jahren 1996 und 1997 bereits Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer Unternehmensberatung. In der mit der Feststellungserklärung 2002 eingereichten Gewinnermittlung vom 1. Januar bis 31. Dezember 2002 machte die GbR ausschließlich eine Ansparrücklage für Existenzgründer nach § 7 g Abs. 3, 6, 7 EStG i.H.v. 154.000 EUR für den beabsichtigten Erwerb einer Windenergieanlage geltend und erklärte unter Einbeziehung von Sonderbetriebsausgaben i.H.v. 2.801 EUR einen Verlust aus Gewerbebetrieb i.H.v. 156.801 EUR.
Aus der Präambel einer als "Bestellung einer Windenergieanlage" bezeichneten Vereinbarung vom 10. Dezember 2002 zwischen der Klägerin als Käuferin und der E Aktiengesellschaft (AG), als Verkäuferin geht hervor, dass die Verkäuferin den Erwerb eines aus fünf Windenergieanlagen bestehenden Windparks zum Eigenbetrieb und zur teilweisen Weiterveräußerung plane, aus dem die Klägerin eine Anlage "verbindlich" bestelle. Nach § 1 der Vereinbarung sollten die Modalitäten des Verkaufs in einem separaten Kaufvertrag geregelt werden, sobald sämtliche Voraussetzungen der Aufstellung einschließlich der Finanzierungszusage eines Kreditinstituts vorlägen. Gemäß § 2 der Vereinbarung sollte eine Übergabe an die Klägerin noch in 2004 erfolgen, wobei eine Haftung der Verkäuferin für den Lieferzeitpunkt oder die Realisierbarkeit des Parks jedoch ausgeschlossen war. Für den Fall der Nichterrichtung des Windparks bzw. der Nichterzielung des Kaufpreises für den Gesamtpark nach der Kalkulation der Verkäuferin sowie dann, wenn eine Finanzierung nicht zu den der Kalkulation der Verkäuferin zu Grunde liegenden Konditionen möglich sei, bestand ein Rücktrittsrecht beider Parteien. Der Kaufpreis sollte sich nach der der Klägerin bekannten Kalkulation der Verkäuferin aufgrund des prognostizierten Jahresenergieertrags richten, wobei die Festlegung nach Vorliegen des endgültigen Windgutachtens im Kaufvertrag erfolgen und nach der branchenüblichen Investitionskennziffer je Kilowattstunde nach Sicherheitsabschlag nicht mehr als 0,70 EUR betragen sollte (§ 3 der Vereinbarung).
Auf Anfrage des Finanzamts (= der Beklagte) teilte die Klägerin am 19. Januar 2005 mit, dass sie die Investition nicht getätigt habe, da sich die Aufstellung des Windparks aufgrund genehmigungsrechtlicher Probleme verzögere und die intendierten Investitionszahlen damit nicht erreicht worden seien. Deshalb sei auch der separate Kaufvertrag nicht geschlossen worden.
Das FA erkannte daraufhin die Vereinbarung nicht als verbindliche Bestellung an und erließ unter dem Datum vom 11. Februar 2004 einen negativen Feststellungsbescheid. Der dagegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg (vgl. Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2005).
Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung die Klägerin vorträgt, die für die Rücklagenbildung notwendige verbindliche Bestellung der wesentlichen Betriebsgrundlagen sei mit dem Abschluss des Werklieferungsvertrags vom 10. Dezember 2002 erfolgt. Damit habe die Klägerin gegen die AG einen wirksamen und durchsetzbaren Verschaffungsanspruch am bestellten Wirtschaftsgut gehabt. Die vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechte hinderten die Rechtswirksamkeit des Vertrags nicht. Ein Rücktritt sei auch zu keinem Zeitpunkt erklärt worden.
Ein etwaiger (Nicht)-Erwerb des Wirtschaftguts sei für die Frage der Rücklagenbildung unerheblich. Es komme insoweit auch nicht auf den Grad der Fertigstellung an, so dass auch die angeblich mangelnde Planungsreife wegen angeblich fehlender immissionsschutzrechtlicher Genehmigung, nicht endgültiger Windgutachten und angeblich nicht sichergestellter Finanzierung unerheblich sei.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des negativen Feststellungsbescheids vom 11. Februar 2004 und der Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2005 den Beklagten zu verpflichten, die Grundlagen zur Einkommensbesteuerung 2002 auf der Grundlage der eingereichten Feststellungserklärung unter Anerkennung der Bildung einer Ansparrücklage nach § 7 g Abs. 3 EStG gesondert und einheitlich festzustellen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Er bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO -).
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Zu Recht hat das FA den Abzug der geltend gemachten Ansparrücklage i.H.v. 154.000 EUR nach § 7 g Abs. 3 EStG verweigert.
1. Nach § 7 g Abs. 3 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung können Steuerpflichtige unter den dort geregelten Voraussetzungen für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage (Ansparabschreibung) bilden. Nach § 7 g Abs. 3 Satz 2 EStG darf die Ansparrücklage 40 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird. Wenn die Rücklage von einem Existenzgründer im Wirtschaftsjahr der Betriebseröffnung und den fünf folgenden Wirtschaftsjahren (Gründungszeitraum) gebildet wird, ist § 7 g Abs. 3 EStG u.a. mit der Maßgabe anzuwenden, dass das begünstigte Wirtschaftsgut vom Steuerpflichtigen voraussichtlich bis zum Ende des fünften auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs angeschafft oder hergestellt wird (§ 7 g Abs. 7 EStG). Existenzgründer ist u.a. nach § 7 g Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 EStG eine natürliche Person, die innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Wirtschaftsjahr der Betriebseröffnung weder an einer Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt gewesen ist noch Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG erzielt hat. Bei Personengesellschaften müssen sämtliche Gesellschafter die Voraussetzungen eines Existenzgründers erfüllen (Schmidt/Drenseck, EStG, 25. Aufl. § 7 g Rz. 28). Eine Ansparrücklage kann auch gebildet werden, wenn dadurch ein Verlust entsteht oder sich erhöht (§ 7 g Abs. 3 Satz 4 EStG). Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, ob und ggf. wie nachzuweisen oder glaubhaft zu machen ist, dass eine Investition i.S. von § 7 g Abs. 3 und 1 EStG "beabsichtigt" ist. Der Steuerpflichtige ist nicht gehalten, die Absicht einer Investition nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen. Allerdings muss die Investition bei Bildung der Rücklage so genau bezeichnet werden, dass im Investitionsjahr festgestellt werden kann, ob eine Investition derjenigen entspricht, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde. Dazu sind Angaben insbesondere zur Funktion des Wirtschaftsguts sowie zu den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten erforderlich.
Das Tatbestandsmerkmal "voraussichtlich" des § 7 g Abs. 3 Satz 2 EStG erfordert eine Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten des Steuerpflichtigen. Die Prognoseentscheidung ist bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, aus der Sicht des Endes des Gewinnermittlungszeitraums zu treffen. Hieraus folgt, dass die "voraussichtliche" Investition von Gesetzes wegen hinreichend konkretisiert sein muss. Ob dies zutrifft, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Wird die Ansparrücklage für die Anschaffung wesentlicher Betriebsgrundlagen eines noch zu eröffnenden Betriebes gebildet, gelten strengere Anforderungen an die Glaubwürdigkeit der voraussichtlichen Investitionsabsicht. Hier setzt die hinreichende Konkretisierung voraus, dass diese wesentlichen Betriebsgrundlagen am maßgeblichen Stichtag bereits verbindlich bestellt worden sind. Denn durch § 7 g Abs. 3 EStG sollte zwar für mittelständische Unternehmen die Möglichkeit geschaffen werden, im Vorgriff auf spätere Abschreibungsmöglichkeiten zur Finanzierung künftiger Investitionen eine Rücklage zu bilden (Bundestagsdrucksache 12/4487 S. 33). Die wirtschaftsfördernde Zielsetzung der Norm erfordert es jedoch, eine ungerechtfertigte Förderung durch gleichsam "ins Blaue hinein" gebildete Ansparrücklagen zu vermeiden. Nur so kann verhindert werden, dass ein Steuerpflichtiger mit dem Ziel einer Steuerersparnis die Gründung eines Betriebs nur behauptet (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Februar 2007 XI R 24/06, juris;vom 28. Juni 2006 III R 40/05, BFH/NV 2006, 2058 m.w.N.). Ausreichend dafür ist der Abschluss eines entsprechenden Werk- oder Kaufvertrags (Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 5. April 2005 11 K 286/04, EFG 2005, 1416). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. 2. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat das FA zu Recht angenommen, dass die Klägerin die geltend gemachte Ansparrücklage nach der im Streitfall - wegen der innerhalb des Fünfjahreszeitraums des § 7 g Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 EStG vor dem Beginn der Eröffnung des Betriebs im Jahr 2001 bereits in den Jahren 1996 und 1997 ausgeübten gewerblichen Tätigkeit des Gesellschafters M - allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 7 g Abs. 3 EStG nicht bilden durfte. Die Rücklage wurde im Streitfall für die einzige wesentliche Betriebsgrundlage, die Windenergieanlage, des noch zu eröffnenden Betriebs der Klägerin gebildet. Die zur hinreichenden Konkretisierung dieser Investition erforderliche verbindliche Bestellung dieser Anlage i.S. des § 7 g Abs. 3 EStG liegt jedoch nicht vor. Die am 10. Dezember 2002 zwischen der Klägerin und der AG geschlossene Vereinbarung erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die Bezeichnung als "verbindliche Bestellung" ändert daran nichts. Es handelt sich dabei weder um einen rechtsverbindlichen Kauf- noch um einen Werklieferungsvertrag.
Dies ergibt sich schon daraus, dass in § 2 der Vereinbarung bestimmt ist, dass der Vereinbarung ein separater Kaufvertrag zur Regelung der Modalitäten der Abwicklung folgen sollte. Dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn es sich bei der vorgelegten Vereinbarung bereits um den entsprechenden Kauf- bzw. Werklieferungsvertrag gehandelt hätte, der alle Hauptpflichten der Parteien festgelegt hätte. Denn nach dem Wesen dieser Vertragstypen ist unverzichtbarer Bestandteil des Kauf- wie auch des Werklieferungsvertrags nach § 433 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der im Streitjahr geltenden Fassung bzw. § 651 i.V.m. § 433 BGB die detaillierte Regelung der wesentlichen Hauptpflichten der Parteien, nämlich der Pflicht des Verkäufers, dem Käufer das Eigentum der Sache zu verschaffen und der Pflicht des Käufers zur Kaufpreiszahlung. Die bloßen Modalitäten der Abwicklung sind dagegen nicht notwendiger Bestandteil eines Kauf- bzw. Werklieferungsvertrags und werden auch nicht in einem separaten Kaufvertrag abgefasst. Hinzu kommt, dass der Verkäufer jegliche Haftung für den Lieferzeitpunkt und insbesondere die Realisierbarkeit des geplanten Parks und damit der von der Klägerin zu erwerbenden Anlage ausschlossen hat und durch zahlreiche Rücktrittsrechte beider Parteien ein quasi folgenloses Aussteigen aus der Vereinbarung ermöglicht wurde. Dies entspricht in ihrem Gehalt nicht der Rechtsverbindlichkeit eines Kauf- bzw. Werklieferungsvertrags.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach dem eigenen Vortrag der Klägerin der Park und damit die zu erwerbende Anlage mindestens bis Anfang 2005 nicht genehmigt und deren Errichtung damit nicht möglich war. Es stellt sich insoweit schon die Frage, ob die Investition der Klägerin überhaupt objektiv durchführbar war (vgl. dazu B. Meyer in Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG und KStG, § 7 g EStG Anm. 96). Jedenfalls stellt die Ungewissheit hinsichtlich des Erwerbs der für den Betrieb wesentlichen Betriebsgrundlage, ohne die der Zweck der GbR nicht erfüllt werden konnte, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die GbR auch nicht Eigentümerin einer anderen Windenergieanlage war, den Betrieb als solches und damit das Erreichen des wirtschaftsfördernden Ziels des § 7 g EStG insgesamt in Frage.
Die Anerkennung der Rücklage ist steuerlich auch deshalb zu versagen, da - wohl aufgrund der sehr vagen "Entgeltabsprache" mangels Vorliegens der entsprechenden Windgutachten - die für die Bildung der Rücklage erforderliche Angabe der voraussichtlichen Anschaffungskosten des Wirtschaftsguts nicht erfolgte und so eine Überprüfung seitens des FA nicht möglich ist. Schließlich war zum Zeitpunkt der Vereinbarung die Finanzierung des Projekts keineswegs gesichert, wie sich - entgegen der nunmehrigen Behauptung der Klägerin - aus § 2 Abs. 2 der Vereinbarung ergibt. Beides sind entscheidende Indizien für die erforderliche Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten der Klägerin (vgl. B. Meyer in Herrmann/Heuer/ Raupach, a.a.O., § 7 g EStG Anm. 95 und 96).
Die Vereinbarung stellt deshalb unter Beachtung des Sinns und Zwecks der Vorschrift des § 7 g EStG nur eine Vorbereitungshandlung dar, die den Voraussetzungen der hinreichenden Konkretisierung einer voraussichtlichen Anschaffung nicht genügt. Damit bestanden zum 31. Dezember 2002, dem Ende des Gewinnermittlungszeitraums keine gesicherten Anhaltspunkte, dass es zur Investition kommen würde. Dass der Abschluss des Kaufvertrags und die Investition bis Anfang 2005 tatsächlich nicht erfolgt sind, ist demgegenüber, wie die Klägerin richtig feststellt, unbeachtlich, da es für die Beurteilung auf die Verhältnisse zum Ende des Gewinnermittlungszeitraums ankommt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
4. Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Der BFH hat mehrfach entschieden, dass Vorbereitungshandlungen keine hinreichende Konkretisierung einer voraussichtlichen Anschaffung darstellen. Der Senat ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen.
Ende der Entscheidung
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