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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 11.09.2007
Aktenzeichen: 14 K 5023/06 E
Rechtsgebiete: AO, EStG, SolZG, KiStG
Vorschriften:
AO § 165 | |
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 | |
EStG § 31 | |
EStG § 32 | |
EStG § 51a Abs. 2 S. 1 | |
SolZG § 3 Abs. 2 | |
KiStG § 4 Abs. 2 |
Finanzgericht Münster
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob bestandskräftige Einkommensteuerbescheide wegen der rückwirkenden Gewährung von Kindergeld zu ändern und Kinderfreibeträge zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten. Sie haben zwei Söhne (U, *19. Oktober 1983, N, *14. November 1981). U befand sich in den Streitjahren 2003 und 2004 in einer Berufsausbildung, N beendete seine Berufsausbildung im August 2004.
Der im März 2004 beim Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärung 2003 hatten die Kläger - unter anderem - zwei Anlagen "Kind" beigefügt. Wegen der Höhe der Einkünfte und Bezüge der Kinder berücksichtigte der Beklagte bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2003 im Bescheid vom 2. April 2004 keinen Kinderfreibetrag. Er setzte die Einkommensteuer, ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen von 52.458,00 EUR, auf 10.300,00 EUR, die ev. Kirchensteuer auf 927,00 EUR und den Solidaritätszuschlag auf 566,50 EUR fest. Die Steuerfestsetzung erfolgte hinsichtlich der beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorläufig gem. § 165 der Abgabenordnung (AO).
Der Einkommensteuererklärung 2004, die im März 2005 beim Beklagten einging, war keine Anlage "Kind" beigefügt. Der Beklagte setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 15. April 2005, ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen von 55.872,00 EUR, auf 10.568,00 EUR, die ev. Kirchensteuer auf 951,12 EUR und den Solidaritätszuschlag auf 581,24 EUR fest. Auch diese Steuerfestsetzung erfolgte hinsichtlich der beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen vorläufig.
Mit Schreiben vom 17. Januar 2006 beantragten die Kläger die Änderung der Steuerbescheide 2003 und 2004 und baten um die Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen. Zur Begründung legten sie die Bescheide der Familienkasse O vom 15. November 2005 und 10. Januar 2006 vor, in denen für N (Zeitraum Januar 2003 bis August 2004) und für U (Zeitraum Januar 2003 bis Januar 2005) rückwirkend Kindergeld festgesetzt worden war.
Der Beklagte lehnte den Änderungsantrag mit Bescheid vom 24. März 2006 ab. Zur Begründung führte er aus: Die nachträgliche Bewilligung von Kindergeld stelle weder eine neue Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 AO noch ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 AO dar. Eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide sei daher nicht möglich.
Hiergegen legten die Kläger erfolglos Einspruch ein (Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2006).
Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klage haben die Kläger im Wesentlichen dargelegt: Die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 seien teilweise vorläufig ergangen. Für sie - die Kläger - habe sich aus der Formulierung des Vorläufigkeitsvermerkes ergeben, dass es sich um eine generelle Vorbehaltsklausel für anhängige Musterverfahren gehandelt habe. Sie hätten sich darauf verlassen, dass nach höchstrichterlicher Überprüfung der Frage, welche Einkünfte und Bezüge eines Kindes bei der Gewährung von Kindergeld zu berücksichtigen seien, eine Änderung der Einkommensteuerbescheide zu ihren Gunsten möglich sei.
Des Weiteren seien die Bescheide über die Gewährung von Kindergeld als Grundlagenbescheide anzusehen. Jedenfalls sei der Beklagte gem. R 31 Abs. 4 Satz 3 der Einkommensteuerrichtlinien ( EStR) verpflichtet, die Entscheidung der Familienkasse zu übernehmen. Gem. R 31 Abs. 5 Satz 2 der EStR liege ein rückwirkendes Ereignis gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor.
Die Durchführung der Günstigerprüfung könne kein Kriterium für die Änderung sein. Sie, die Kläger, seien im Bürgerbüro des Beklagten bei der Abgabe der Einkommensteuererklärung 2003 darauf hingewiesen worden, dass "die Kinder nicht in den Antrag aufgenommen" werden müssten, solange kein Kindergeld gezahlt werde. Es könne abgewartet werden, wie die Kindergeldkasse entscheide. Nur aus diesem Grunde sei keine Günstigerprüfung erfolgt.
Zudem sei die Regelung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO einschlägig und auch der Sinn und Zweck des § 31 EStG gebiete es, die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 zu ändern.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Beklagten zu verpflichten, den Ablehnungsbescheid vom 24. März 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2006 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 vom 2. April 2004 bzw. 15. April 2005 dergestalt zu ändern, dass bei der Festsetzung des Solidaritätszuschlages und der ev. Kirchensteuer Kinderfreibeträge berücksichtigt werden,
hilfsweise, für den Fall des Unterliegens,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, für den Fall des Unterliegens,
die Revision zuzulassen.
Er verweist zur Begründung auf die Darlegungen der Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus: Eine Änderung gem. § 165 AO sei nicht möglich. Die Vorläufigkeit der Bescheide beziehe sich nur auf die beschränkte Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen gem. § 10 Abs. 3 EStG.
Auch lasse R 31 Abs. 5 EStR keine Änderung der Bescheide zu. Die Regelung betreffe nur Fälle, in denen zuvor eine Günstigerprüfung vorgenommen worden sei und die nachträgliche Kindergeldzahlung eine erneute Günstigerprüfung mit einer geänderten Steuerfestsetzung zur Folge habe. Die nachträgliche Zahlung von Kindergeld habe jedoch keinen Einfluss darauf, ob das Kind dem Grunde nach bei der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen sei. Auch sei der Kindergeldbescheid kein Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung gem. § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verzichtet.
II. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig ( § 40 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Wird die beantragte Aufhebung bzw. Änderung eines Steuerbescheids abgelehnt, so sind gegen den Ablehnungsbescheid der Einspruch und die Verpflichtungsklage gegeben ( §§ 40 Abs. 1, 44 Abs. 1 FGO; vgl. z.B. BFH Urteil vom 23. November 2001 VI R 125/00, BStBl II 2002, 296; BFH Urteil vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BStBl II 1983, 324, Tipke/Kruse AO/FGO, § 40 FGO Tz 11). So ist es hier. Die Klage richtet sich gegen den Ablehnungsbescheid vom 24. März 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2006. Sie zielt darauf, den Beklagten zur Änderung der Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 zu verpflichten.
Die Klage richtet sich nicht allein gegen die zugleich mit den Einkommensteuerbescheiden ergangenen Bescheide über den Solidaritätszuschlag und die ev. Kirchensteuer. Der ursprüngliche Änderungsantrag der Kläger vom 17. Januar 2006 bezog sich zwar auf sämtliche Steuerbescheide der Jahre 2003 und 2004, jedoch hat der Beklagte mit Bescheid vom 24. März 2006 lediglich die Änderung der Einkommensteuerbescheide abgelehnt. Dementsprechend erstreckten sich auch der Einspruch der Kläger sowie deren Klage auf die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004.
Auch wenn die Kläger keine Herabsetzung der Einkommensteuer erreichen können, ist ihre Klage nicht mangels Beschwer ( § 40 Abs. 2 FGO) unzulässig. Die Kläger begehren eine Minderung der Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag und die ev. Kirchensteuer und - in der weiteren Folge - die Herabsetzung des Solidaritätszuschlages und der Kirchensteuer. Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag und die ev. Kirchensteuer ist die Einkommensteuer, die abweichend von § 2 Abs. 6 EStG unter Berücksichtigung von Freibeträgen gem. § 32 Abs. 6 EStG in allen Fällen des § 32 EStG festzusetzen wäre ( § 51a Abs. 2 Satz 1 EStG, § 3 Abs. 2 des Solidaritätszuschlaggesetzes (SolZG), § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern in NRW (KiStG NW); vgl. auch FG Düsseldorf Urteil vom 14. Januar 2000 18 K 5985/98, EFG 2000, 439). Eine Änderung der Bemessungsgrundlage kann mithin lediglich durch eine Änderung des Einkommensteuerbescheides, nicht aber durch eine Klage gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlages bzw. der Kirchensteuer erreicht werden ( § 51a Abs. 5 EStG, § 1 Abs. 5 SolZG). Der Einkommensteuerbescheid ist insoweit Grundlagenbescheid für die Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag (vgl. BFH Urteil vom 24. März 1999 IV 14/98, BFH/NV 1999, 1383; FG Düsseldorf Urteil vom 14. Januar 2000 18 K 5985/98, EFG 2000, 439).
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die streitbefangenen Einkommensteuerbescheide zu ändern und bei der Berechnung der ev. Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlages die Kinderfreibeträge für die Söhne der Kläger zu berücksichtigen. Für die von den Klägern begehrte Änderung der Einkommensteuerbescheide fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.
Im Streitfall scheidet eine Änderung der Einkommensteuerbescheide gem. § 165 AO aus.
Der Umfang des in den streitigen Einkommensteuerbescheiden enthaltenen Vorläufigkeitsvermerkes umfasst - für die Kläger erkennbar - nicht den Fall der nachträglichen Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen. Eine dahingehende Auslegung des Vorläufigkeitsvermerkes ist sowohl nach dessen Wortlaut als auch Sinn und Zweck ausgeschlossen.
Eine Änderung der streitigen Einkommensteuerbescheide gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid ( § 171 Abs. 10 AO), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Grundlagenbescheide sind alle Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide und alle anderen Verwaltungsakte, die für die Festsetzung einer Steuer bindend sind ( § 171 Abs. 10 AO).
Im Abgabenrecht können aus Gründen der Rechtssicherheit und Verwaltungsvereinfachung Entscheidungen (auch anderer Behörden als der Finanzbehörden) präjudizielle Wirkungen entfalten, wenn sie Vorfragen für nachfolgende Verwaltungsentscheidungen regeln (vgl. BFH Urteil vom 13. Dezember 1985 III R 204/81, BStBl II 1986, 245). Die in dem Grundlagenbescheid geregelte Vorfrage ist in dem nachfolgenden Verwaltungsakt (Folgebescheid) ohne weitere Prüfung und Entscheidung zugrunde zu legen. Grundsätzlich ist für die Annahme einer Bindungswirkung eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erforderlich. Ohne eine solche kommt die Annahme eines Grundlagenbescheides nur dort in Betracht, wo Sachverhalte zu beurteilen sind, die die Finanzbehörde mangels eigener Sachkunde nicht selbst nachzuprüfen vermag (BFH Beschluss vom 13. April 2005 VI B 197/04, BFH/NV 2005, 1231, BFH Urteil vom 10. Juni 1988 III R 232/84, BStBl II 1988, 981, vgl. auch Kruse in Tipke/Kruse AO/FGO, § 171 AO Tz 90).
Die Bescheide über die Festsetzung des Kindergeldes sind keine Verwaltungsakte in diesem Sinne. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für die Annahme einer Bindungswirkung der Kindergeldbescheide fehlt. Dies gilt ungeachtet der Regelung in R 31 Abs. 4 Satz 4 EStR, wonach die Finanzbehörde "grundsätzlich" die Entscheidung der Familienkasse für die Berücksichtigung des Kindes zu übernehmen hat. Hieraus folgt keine gesetzliche Bindungswirkung der Entscheidung der Kindergeldkasse.
Ebenso kann die Finanzbehörde die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld bzw. die Frage, ob die Söhne der Kläger zu berücksichtigende Kinder im Sinne des § 62 EStG sind, aufgrund eigener Sachkunde überprüfen.
Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, die streitigen Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern.
Gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Ereignis in diesem Sinne ist jeder rechtlich relevante Vorgang. Dazu gehören tatsächliche Lebensvorgänge ebenso wie Vorgänge mit ausschließlich rechtlichem Bezug. Dem Ereignisbegriff unterfallen nur sachverhaltsändernde Geschehnisse (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 1/92 und GrS 2/92, BStBl II 1993, 894 und 897; Loose in Tipke/Kruse AO/FGO, § 175 AO Tz. 25 m. w. N.).
Ein Ereignis entfaltet steuerliche Wirkung für die Vergangenheit, wenn anstelle des zunächst der Besteuerung zugrunde gelegten Sachverhalts der aufgrund des eingetretenen Ereignisses veränderte Sachverhalt der Besteuerung zu berücksichtigen ist. Ob dies der Fall ist, lässt sich nur auf der Grundlage der für den betreffenden Sachverhalt maßgeblichen Normen des materiellen Steuerrechts beantworten (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BStBl II 1993, 897; Loose in Tipke/Kruse AO/FGO, § 175 AO Tz. 26). Ein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit kann auch ein Verwaltungsakt sein (Loose in Tipke/Kruse AO/FGO, § 175 AO Tz. 47 ff. m. w. N.). Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Verwaltungsakt Tatbestandsmerkmal eines Steuergesetzes ist oder den Tatbestand des Steuergesetzes jedenfalls mittelbar beeinflusst. Wird ein Verwaltungsakt, dessen Existenz oder inhaltliche Ausgestaltung Einfluss auf die Entstehung und die Höhe eines Steueranspruchs hatte, rückwirkend korrigiert, so liegt ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung vor (Loose in Tipke/Kruse AO/FGO, § 175 AO Tz. 47 ff. m. w. N.). Kein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit ist hingegen eine rückwirkende Gesetzesänderung oder eine Änderung der Rechtsprechung (Loose in Tipke/Kruse AO/FGO, § 175 AO Tz 43 ff.).
Nach diesen Grundsätzen ist die Festsetzung und Zahlung von Kindergeld für die Streitjahre ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Die Bescheide vom 15. November 2005 und 10. Januar 2006 sind Verwaltungsakte, die den Tatbestand der §§ 31, 32 Abs. 6 EStG zumindest mittelbar beeinflussen.
§ 31 EStG regelt den sog. Familienleistungsausgleich. Er verknüpft das Kindergeld mit dem tariflichen Kinderfreibetrag gem. § 32 EStG in der Weise, dass die für den Steuerpflichtigen günstigste Lösung gewählt wird. In § 31 Satz 4 EStG in der im Jahr 2003 geltenden Fassung heißt es: "Wird die gebotene steuerliche Freistellung durch das Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt, sind bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 abzuziehen". Die Regelung stellt damit ersichtlich auf die tatsächliche Zahlung und - dieser zwangsläufig vorausgehend - die Festsetzung des Kindergeldes ab.
Aus dem Regelungszusammenhang jener Normen ergibt sich, dass die Festsetzung von Kindergeld durch einen entsprechenden Bescheid der zuständigen Behörde zugleich eine Entscheidung über die Frage beinhaltet, ob ein Kind im Sinne des § 32 EStG vorliegt und eine Günstigerprüfung im Sinne des § 31 EStG vorzunehmen ist. Die rückwirkende Festsetzung und Zahlung von Kindergeld hat - ebenso wie die rückwirkende Aufhebung der Festsetzung von Kindergeld - Einfluss auf den Tatbestand des § 31 EStG und die Frage der Durchführung der Günstigerprüfung. Sie stellt daher ein sachverhaltsänderndes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar (vgl. hierzu auch FG Köln Urteil vom 18. Oktober 2006 14 K 5952/04, EFG 2007, 427 zum Fall der rückwirkenden Aufhebung von Kindergeld).
Dies gilt im Streitfall auch für das Jahr 2004, und zwar ungeachtet der in diesem Jahr wirkenden Neufassung des § 31 Satz 4 EStG. Nach dieser erhöht sich die unter Berücksichtigung des Abzuges der Freibeträge für Kinder ermittelte tarifliche Einkommen- steuer um den Anspruch auf Kindergeld, wenn der Abzug der Freibeträge für Kinder günstiger ist als der Anspruch auf Kindergeld. Mithin stellt § 31 Satz 4 EStG in der im Jahr 2004 geltenden Fassung nicht mehr auf die Festsetzung und tatsächliche Zahlung des Kindergeldes, sondern maßgebend auf den Anspruch auf Gewährung von Kindergeld ab (vgl. Loschelder in Schmidt EStG, 26. Aufl. 2007, § 31 EStG Rz 11 unter Hinweis auf BT-Drs. 15/1945, S. 8 f.). Den Kindergeldbescheiden kommt auch insoweit Tatbestandswirkung zu (vgl. Heuermann in Blümich EStG § 31 Rz 96 unter Hinweis auf Littmann EStG § 31 Rz 246), denn sie setzen nicht nur das Kindergeld fest, sondern enthalten zugleich die - für die Festsetzung zwingende - Feststellung, dass ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Wird - wie im Streitfall - rückwirkend für das Jahr 2004 Kindergeld festgesetzt, so ist damit (auch) der Anspruch auf Kindergeld festgestellt. Die rückwirkende Festsetzung von Kindergeld hat mithin auch bezogen auf das Jahr 2004 Einfluss auf den Tatbestand des § 31 EStG und die Frage der Durchführung der Günstigerprüfung. Sie stellt daher ein sachverhaltsänderndes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.
Auch die Einkommensteuerrichtlinien sehen in der rückwirkenden Festsetzung von Kindergeld ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Gem. R 31 Abs. 5 EStR ist im Falle der rückwirkenden Bejahung oder auch Versagung des Kindergeldanspruchs der Steuerbescheid gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Die gegenteilige - nicht näher begründete - Auffassung der Finanzverwaltung, die im BMF Schreiben vom 18. November 2005 (IV C 4 -S 2282-27/05) bzw. in der Verfügung der OFD Münster vom 22. Dezember 2005 (StEK EStG § 32/175) zum Ausdruck kommt, überzeugt demgegenüber nicht.
Das Ereignis ist im Streitfall auch geeignet, Rückwirkung für die Steuerfestsetzung des Streitjahres zu entfalten (anders FG Köln Urteil vom 18. Oktober 2006 14 K 5952/04, EFG 2007, 427 zum Fall der rückwirkenden Aufhebung von Kindergeld und den Auswirkungen auf die Höhe der Einkommensteuer). Im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 Satz 4 EStG hat die sog. Günstigerprüfung zwischen dem Kindergeld(-anspruch) und dem Kinderfreibetrag stattzufinden, wobei ggf. das Kindergeld anzurechnen ist. Gem. § 51a Abs. 2 Satz 1 EStG, § 3 Abs. 2 SolZG, § 4 Abs. 2 KiStG NW ermittelt sich die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer nach der Einkommensteuer, die abweichend von § 2 Abs. 6 EStG unter Berücksichtigung von Freibeträgen gem. § 32 Abs. 6 EStG in allen Fällen des § 32 EStG festzusetzen wäre.
Im Streitfall ergibt sich demnach mit der rückwirkenden Festsetzung des Kindergeldes und der damit einhergehenden Klärung der Frage, ob die Söhne der Kläger zu berücksichtigende Kinder im Sinne des § 32 EStG sind, dass bei der Bemessung des Solidaritätszuschlages und der Kirchensteuer entsprechende Freibeträge zu berücksichtigen sind.
Eine Änderung der streitigen Einkommensteuerbescheide gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist jedoch durch § 175 Abs. 2 Satz 2 AO ausgeschlossen.
§ 175 Abs. 2 Satz 2 AO in der Fassung des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl I S. 3310) ist erstmals anzuwenden, wenn die Bescheinigung oder Bestätigung nach dem 28. Oktober 2004 vorgelegt oder erteilt wird (§ 9 Abs. 3 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO - in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes - EURLUmsG - vom 9. Dezember 2004, BGBl I 2004, 3310). Sie besagt, dass die nachträgliche Erteilung und Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung nicht als rückwirkendes Ereignis gilt. Eine Bescheinigung oder Bestätigung ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein Schriftstück, dass etwas Bestimmtes dokumentiert (vgl. von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO/FGO, § 175 AO Rz 425).
Die Bescheide über die Festsetzung von Kindergeld vom 15. November 2005 und 10. Januar 2006 sind nach dem 28. Oktober 2004 vorgelegte und erteilte Bescheinigungen bzw. Bestätigungen im Sinne des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO. Sie sind Schriftstücke, die den Anspruch der Kläger auf Kindergeld für ihre Söhne für den Streitzeitraum dokumentieren. Sie sind ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, gelten aber gem. § 175 Abs. 2 Satz 2 AO nicht als solches.
Eine einschränkende Auslegung der Regelung des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO dahingehend, dass der Kindergeldbescheid keine Bescheinigung bzw. Bestätigung darstellt, lässt sich weder mit dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Regelung begründen.
Der Wortlaut des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO ist weit gefasst. Er enthält keinerlei Beschränkungen in Bezug auf die Begriffe "Bescheinigung" oder "Bestätigung". Auch die Tatsache, dass sich die Regelung des Satzes 2 in Abs. 2 des § 175 AO befindet, führt nicht dazu, dass ihr Anwendungsbereich beschränkt ist. Vielmehr ist § 175 Abs. 2 Satz 2 AO auch auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO anwendbar (z.B. v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO/FGO, § 175 Rz 410, 422).
Auch der Sinn und Zweck der Regelung rechtfertigt keine einschränkende Auslegung. Die im Jahr 2004 in das Gesetz eingefügte Vorschrift des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO war durch die sog. Manninen-Entscheidung des EuGH ( EuGH vom 7. September 2004, C-319/02, Manninen, DB 2004, 2023) veranlasst und sollte - nach allgemeiner Auffassung (z.B. von Wedelstädt in Beermann/Gosch AO/FGO, § 175 AO Rz 51.2, Loose in Tipke/Kruse AO/FGO, § 175 AO Tz 49 m.w.N.) - negative Konsequenzen aus der nachträglichen Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer auf Grund entsprechender Steuerbescheinigungen verhindern. Die Begründung des Gesetzgebers für die Neuregelung nimmt hierauf hingegen keinen Bezug. Vielmehr stellt sie auf die unterschiedliche Regelung der Festsetzungsfrist bei der nachträglichen Vorlage von Beweismitteln einerseits (Änderung gem. § 173 AO nur innerhalb der regulären Festsetzungsfrist) und von Bescheinigungen bzw. Bestätigungen, die Bestandteil des materiellen Besteuerungstatbestandes sind, andererseits ab und erstrebt insoweit eine Angleichung (BT-Drs. 15/4050, S. 61).
Die von den Klägern begehrte Änderung der Einkommensteuerbescheide lässt sich auch nicht aus § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO herleiten.
Gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen und Beweismittel erst nachträglich bekannt geworden sind. Im Streitfall fehlt es hingegen - wie dargelegt - an nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen oder Beweismitteln. Vielmehr stellt die mit Bescheiden vom 15. November 2005 und 10. Januar 2006 erfolgte Kindergeldfestsetzung ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 AO dar, das die Anwendung von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ausschließt (vgl. Loose in Tipke/Kruse AO/FGO, § 175 AO Tz 23, 49a).
Die Änderung der Einkommensteuerbescheide gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO scheitert aber auch aus anderen Gründen, und zwar auch dann, wenn die Kindergeldfestsetzung in Bezug auf das Jahr 2004 - abweichend von der hier vertretenen Auffassung - kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 AO darstellte.
Der in dem Kindergeldbescheid verkörperte Anspruch der Kläger auf Kindergeld ist keine Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
Tatsache im Sinne der Vorschrift ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art, nicht dagegen Schlussfolgerungen, insbesondere juristische Subsumtionen (BFH Urteil vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BStBl II 1993, 569).
Der Kindergeldbescheid ist Ergebnis der juristischen Subsumtion - unter anderem - unter den Begriff der Einkünfte und Bezüge im Sinne des § 32 EStG. Als solcher ist er keine Tatsache im vorgenannten Sinn. Ebenso wenig ist er ein neues Beweismittel im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, da sich ein solches nur auf die Existenz von Tatsachen beziehen kann (z.B. BFH Urteil vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BStBl II 1989, 585).
Als neue Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO könnte hingegen die Zahlung gesetzlicher Sozialversicherungsbeiträge durch die Kinder der Kläger anzusehen sein. Eine Entscheidung hierzu kann jedoch dahinstehen, denn selbst wenn es sich hierbei um eine neue Tatsache handelte, scheiterte die Änderung der Einkommensteuerbescheide gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO mangels deren Rechtserheblichkeit.
Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO kommt nur in Betracht, wenn das Finanzamt bei rechtzeitiger Kenntnis der später bekannt werdenden Tatsachen schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer anderen Steuer gelangt wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. November 1987 GrS 1/86, BStBl II 1988, 180; BFH Urteile vom 27. Oktober 1998 X R 157/95, BStBl II 1999, 91; vom 15. Dezember 1999 XI R 38/99, BFH/NV 2000, 820, und vom 25. Juli 2001 VI R 82/96, BFH/NV 2001, 1533). Die Frage, wie die Finanzbehörde den Sachverhalt bei Kenntnis der neuen Tatsache gewürdigt hätte, ist grundsätzlich unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Veranlagung vorliegenden Rechtsprechung und der damaligen Verwaltungsauffassung zu beurteilen. Dabei ist davon auszugehen, dass eine - gemessen an den zum Veranlagungszeitpunkt herrschenden Grundsätzen - rechtlich zutreffende Entscheidung ergangen wäre (z.B. BFH Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. November 1987 GrS 1/86, BStBl II 1988, 180). Weil § 173 AO keine Rechtsgrundlage für die Beseitigung von Rechtsfehlern bietet, verlangt die Anwendung dieser Vorschrift auch im einzelnen Korrekturfall die Kontrolle, dass nicht rechtliche Erwägungen die eigentliche Ursache für die Aufhebung oder Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids sind (BFH Urteil vom 11. Juni 1997 X R 117/95, BFH/NV 1997, 853).
Der Beklagte hätte bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2003 am 2. April 2004 bzw. der Festsetzung der Einkommensteuer 2004 am 15. April 2005 die Zahlung der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge gem. § 32 EStG unberücksichtigt gelassen.
Im Zeitpunkt des Bescheiderlasses minderten die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge die Einkünfte und Bezüge des Kindes weder nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (z.B. BFH Urteil vom 4. November 2003, VIII R 59/03, BStBl II 2004, 584) noch nach der Auffassung der Verwaltung (Abschnitt 63.4.2.1 Abs. 2 Satz 6 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG), Stand August 2004 (BStBl I 2004, 743) bzw. R 180c EStR).
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 11. Januar 2005 (2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) zur Frage der Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen im Rahmen des § 32 Abs. 4 EStG war zum maßgeblichen Zeitpunkt (hier: 2. April 2004 und 15. April 2005) weder den Beteiligten bekannt gegeben noch veröffentlicht worden. Dies folgt aus der Tatsache, dass die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichtes vom 13. Mai 2005 stammt.
Nach § 30 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) entscheidet das Bundesverfassungsgericht in geheimer Beratung. Anschließend wird die Entscheidung schriftlich abgefasst, begründet und von den Richtern, die an ihr mitgewirkt haben, unterzeichnet. Hat keine mündliche Verhandlung stattgefunden, wird die Entscheidung den Beteiligten bekannt gegeben ( § 30 Abs. 3 BVerfGG). Bei öffentlichem Interesse an der Entscheidung ergehen Presseverlautbarungen, die vom Vorsitzenden und Berichterstatter gebilligt werden müssen und erst veröffentlicht werden dürfen, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung den Beteiligten zugegangen ist (§ 32 der Geschäftsordnung des BVerfG). In der Regel gibt die zuständige Geschäftsstelle die Pressemitteilungen einen Tag nach Veranlassung der Bekanntgabe hinaus (BFH Urteil vom 19. Oktober 2006 III R 31/06, BFH/NV 2007, 392 unter Hinweis auf Schraft-Huber in Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfG, Mitarbeiterkommentar, 2. Aufl., § 17a Rz. 54). Die Entscheidung war mithin im April 2005 weder den Beteiligten bekannt gegeben noch veröffentlicht worden.
Eine Rechtsgrundlage für die Änderung der Einkommensteuerbescheide findet sich auch nicht in den Regelungen des § 174 AO. Zwar ist § 174 AO nicht nur auf Steuerfestsetzungen in Steuerbescheiden anwendbar, sondern auch auf andere widerstreitende Bescheide, die den Regeln für Steuerbescheide unterliegen, d.h. auch für Kindergeldbescheide (vgl. Loose in Tipke/Kruse AO/FGO, § 174 AO Tz 1 mwN). Jedoch kann mit Hilfe des § 174 AO keine korrespondierende steuerliche Behandlung eines Sachverhaltes in verschiedenen Steuerbescheiden erreicht werden. Eine Änderung gem. § 174 AO verlangt vielmehr die Kollision von Festsetzungen bzw. Regelungen in Steuerbescheiden.
§ 174 Abs. 1 und 2 AO setzen voraus, dass ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten oder zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen. Hieran fehlt es im Streitfall, in dem der Widerstreit in der Gewährung von Kindergeld einerseits und der Versagung der Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen andererseits liegt.
Auch liegen die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 AO nicht vor. Danach ist eine Änderung einer Steuerfestsetzung möglich, wenn ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der - unzutreffenden - Annahme nicht berücksichtigt worden ist, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen ist. Ein solcher negativer Widerstreit fehlt im Streitfall. Es geht nicht darum, dass ein bestimmter Sachverhalt in mehren Bescheiden unberücksichtigt geblieben ist, obwohl er in einem der Bescheide hätte berücksichtigt werden müssen, sondern darum, dass er in zwei Bescheiden unterschiedlich berücksichtigt worden und diese Behandlung widersprüchlich ist.
Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO sind gleichfalls nicht erfüllt. Nach § 174 Abs. 4 AO können nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden, wenn auf Grund irriger Beurteilung ein Bescheid ergangen war, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten geändert worden ist. Zwar ist § 174 Abs. 4 AO nicht auf die Fälle alternativ zu berücksichtigender Sachverhalte beschränkt (BFH Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647). Jedoch bezweckt diese Regelung den Ausgleich einer zugunsten des Steuerpflichtigen eingetretenen Änderung. Dieser besteht darin, dass derjenige, der erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten hat, auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen muss. § 174 Abs. 4 AO lässt hingegen nicht zu, dass die durch Rechtsbehelf erwirkte Änderung eines Bescheides zugunsten des Steuerpflichtigen auf bestandskräftige andere Bescheide entsprechend übertragen wird (BFH Urteil vom 10. März 1999 XI R 28/98, BFHE 188, 409, BStBl II 1999, 475, BFH Beschluss vom 27. Juli 2001 XI B 85/00, BFH/NV 2001, 1534).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 FGO zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, da die Möglichkeit der Änderung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide infolge einer rückwirkenden Festsetzung von Kindergeld in der Rechtsprechung ungeklärt und in der Finanzverwaltung uneinheitlich geregelt ist. Eine Fortbildung des Rechts erachtet der Senat in Bezug auf den Anwendungsbereich des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO für erforderlich.
Ende der Entscheidung
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