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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 06.02.2009
Aktenzeichen: 2 V 108/08
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 6 Abs. 1
FGO § 69 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 2. Senat,

...

am 06. Februar 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 1.563,70 EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Streitig ist, ob ein unverzinsliches Gesellschafterdarlehen und ein unverzinsliches Darlehen der Ehefrau des Alleingesellschafters gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Bilanz der Antragstellerin zum 31.12. 2006 abzuzinsen sind.

Die Antragstellerin ist eine GmbH, die seit 1991 Reisen und Reiseveranstaltungen plant, verkauft und durchführt. Ihr alleiniger Gesellschafter/Geschäftsführer ist S.

S. gewährte der Antragstellerin aufgrund eines Rahmenvertrages vom 25.3.1991 ein Darlehen i. H. v. bis zu 75.000,00 DM. Das Darlehen war zinsfrei, die Rückzahlung sollte spätestens nach Ablauf von 10 Jahren erfolgen. Mit Nachtrag vom 1.11.1998 zu dem Rahmenvertrag erhöhte S. den Darlehensbetrag zu den bisherigen Bedingungen auf bis zu 400.000,00 DM. In der Bilanz der Antragstellerin war das Darlehen zum 31.12.2006 (Darlehen I) mit einem Rückzahlungsbetrag von 291.000,43 EUR passiviert. Eine Verzinsung des Darlehens I erfolgte nicht.

Mit Vereinbarung vom 26.10.1996 hatte die Ehefrau des S. der Antragstellerin nach Aktenlage ein zinsloses Darlehen in Höhe von 20.000,00 DM gewährt , das am 6.4.1999 um 80.000,00 DM aufgestockt wurde und in der Bilanz der Antragstellerin zum 31.12.2006 (Darlehen II) noch i. H. v. 25.903,35 EUR passiviert war. Eine Verzinsung des Darlehens II erfolgte nicht.

Unter dem 4.1.2007 vereinbarten S. und seine Ehefrau mit der Antragstellerin jeweils aufgrund von Nachträgen zu den Darlehensverträgen, dass die Darlehen I und II ab dem 1.1.2007 mit 4,5% jährlich zu verzinsen seien.

Die Antragstellerin legte ihrer Gewerbesteuererklärung für 2006 unter Zugrundelegung der nicht abgezinsten Darlehen I und II einen Gewinn von ./. 2.334,00 EUR zugrunde.

Im Rahmen einer 2007/2008 durchgeführten Außenprüfung beanstandete das FA neben anderen hier nicht streitigen Punkten unter Hinweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG die fehlende Abzinsung der Darlehen I und II.

Das FA ermittelte einen Abzinsungsbetrag für das Darlehen I in Höhe von 144.627,22 EUR zum 31.12.2006, woraus sich ein zu passivierender Betrag für das Darlehen I nur noch i. H. v. 146.373,21 EUR ergab. Gem. § 52 Abs. 16 Sätze 10 und 11 EStG errechnete es für 2006 eine gewinnmindernde Rücklage von 19.839,72 EUR, so dass sich ein steuerlicher Gewinn aus der Abzinsung des Darlehns I in Höhe von 124.787,50 EUR ergab.

Das vom FA für 2006 ebenfalls gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG i. H. v. 12.873,96 EUR abgezinste Darlehen II (ohne Ansatz einer Rücklage gem. § 52 Abs. 16 Sätze 10 und 11 EStG) war zum 31.12.2006 nur noch mit 13.029,35 EUR zu passivieren.

Zu Einzelheiten der Berechnung der Abzinsungen und des Rücklagebetrages wird auf Tz. 16 und 17 des Prüfungsberichtes vom 2.4.2008 verwiesen.

Das FA erließ u.a. aufgrund dieser Feststellungen einen gem. § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid für 2006 vom 10.4.2008 über den Gewerbesteuermessbetrag. Diesen setzte es auf der Grundlage eines durch die Außenprüfung neu berechneten Gewinns aus Gewerbebtrieb von 118.339,00 EUR und weiterer Besteuerungsgrundlagen nach einer Bemessungsgrundlage von 89.000,00 EUR auf nunmehr 4.450,00 EUR fest. Mit ebenfalls geändertem Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2006 vom 10.4.2008 lehnte das FA die gesonderte Feststellung nach § 10 a Gewerbesteuergesetz (GewStG) ab, weil ein vortragsfähiger Gewerbeverlust nicht bestehe.

Gegen den geänderten Bescheid für 2006 über den Gewerbesteuermessbetrag legte die Antragstellerin am 9.5.2008 Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Die Aussetzung der Vollziehung lehnte das FA mit Bescheid vom 3.6.2008 ab. Eine Einspruchsentscheidung in der Sache ist noch nicht ergangen.

Die Antragstellerin hat das Gericht am 26.11.2008 um vorläufigen Rechtsschutz ersucht. Zusammenfassend trägt sie zur Begründung unter Hinweis auf Rechtsprechung und Literatur vor, dass das aus § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG resultierende Abzinsungsgebot im Falle unverzinslicher Gesellschafterdarlehen mit dem Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit nicht zu vereinbaren sei und mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sowie dem Gebot der Verhältnismäßigkeit der Besteuerung in Konflikt gerate. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, die rein gesellschaftsrechtlich motivierte Hingabe eines unverzinslichen Darlehens an die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene GmbH seitens des Gesellschafters zu steuerpflichtigem Einkommen der Gesellschaft umzufunktionieren. Aus § 4 Abs. 1 EStG ergebe sich, dass Einlagen unbeschadet etwaiger Nutzungsvorteile bei der steuerlichen Gewinnermittlung nicht gewinnerhöhend anzusetzen seien. So sei der Verzicht eines Gesellschafters auf Entgelt für die Erbringung von Dienstleistungen, für die Überlassung von Wirtschaftsgütern oder die Gewährung von Darlehen seit zwei Jahrzehnten als nicht steuerbar anerkannt. Aus den vorgenannten Gründen sei § 6 Abs. 1 Nr. 6 EStG teleologisch dahin zu reduzieren, dass die Vorschrift auf Darlehen von Gesellschaftern an die Gesellschaft und auf Darlehen von nahestehenden Personen des Gesellschafters an die Gesellschaft nicht anzuwenden sei.

Gesetzeswortlaut und -zweck stimmten nicht überein. Nach der Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG habe das Abzinsungsgebot aus finanzpolitischen Erwägungen heraus in erster Linie auf Rückstellungen für Aufwandsverbindlichkeiten großer Unternehmen Anwendung finden sollen. Aus Gründen der Gleichbehandlung sei die ursprünglich geplante Regelung auf alle Verbindlichkeiten ausgedehnt worden. Der Abzinsung unverzinslicher Gesellschafterdarlehen stehe kein Aufwand gegenüber. Nur der sich aus der Abzinsung ergebende Gewinn werde zunächst wirksam, erst später folge Mehraufwand aus der Aufzinsung. Daraus ergebe sich eine anfängliche zusätzliche Belastung insbesondere kleiner und mittelständischer Unternehmen, die aber nicht dem Gesetzeszweck unterfiele. Die Gesetzesbegründung lasse Raum dafür, unverzinsliche Gesellschafterdarlehen vom Abzinsungsgebot auszunehmen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Vollziehung des Bescheides für 2006 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 10.4.2008 bis zur Entscheidung über den gegen den vorgenannten Bescheid erhobenen Einspruch ohne Sicherheitsleistung insoweit auszusetzen, als darin eine Gewinnerhöhung aufgrund der Abzinsung der Darlehen I und II berücksichtigt worden ist.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt das FA vor, dass der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG eindeutig sei und unverzinsliche Gesellschafterdarlehen erfasse. Es sei sachlich gerade nicht gerechtfertigt, unverzinsliche Gesellschafterdarlehen oder Darlehen Gesellschaftern nahestehender Personen steuerrechtlich anders zu behandeln als unverzinsliche Fremddarlehen. Für eine teleologische Reduktion sei kein Raum. Die Vorschrift führe keine Folgen herbei, die bei ihrem Erlass nicht bedacht worden seien. Das Gesetz habe aus Gründen der Gleichbehandlung alle Rückstellungen und Verbindlichkeiten erfassen sollen, mithin auch die Verbindlichkeiten der Antragstellerin gegenüber ihrem Gesellschafter und dessen Ehefrau.

Dem Senat lagen ein Band Gewerbesteuerakte, ein Band Einspruchsakte, ein Band Dauerbelegakte, ein Band Körperschaftsteuerakte, ein Band Gesonderte Feststellungen, ein Band Allgemeine Akten -KSt-, ein Band Bilanz-, Gewinn- und Verrechnungsakte, ein Band Umsatzsteuerakte, ein Band Betriebsprüfungsakte und ein Band Betriebsprüfungshandakte vor.

II. Der zulässige Antrag ist unbegründet.

An der Rechtmäßigkeit des geänderten Gewerbesteuermessbescheides für 2006 vom 10.4.2008 bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FA hat die von dem Alleingesellschafter/Geschäftsführer der Antragstellerin und dessen Ehefrau gewährten Darlehen I und II zum Bilanzstichtag 13.12.2006 zu Recht abgezinst.

Verbindlichkeiten sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG, also in Höhe der Anschaffungskosten, anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 v. H. abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorauszahlung beruhen. Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG dem Wortlaut nach vorliegen.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG bestehen nicht. Gründe für eine teleologische Reduktion, unverzinsliche Gesellschafterdarlehen oder gar unverzinsliche Darlehen von Personen an Gesellschaften, die Gesellschaftern nahestehen, vom Abzinsungsgebot auszunehmen, greifen nicht durch. Die Abzinsung bewirkt, dass eine unentgeltliche Leistung des Darlehensgebers im Jahr der Abzinsung zu steuerpflichtigen Einkünften des Darlehensnehmers führt (vgl. BFH, Urteil vom 10.11.2005, IV R 13/04, BStBl II 2006, 618). Das ist, wie das FG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 17.11.2008 (6 V 6154/08 -[...]) zutreffend ausgeführt hat, die vom Gesetzgeber gewollte Konsequenz des generell alle längerfristigen unverzinslichen Verbindlichkeiten erfassenden Abzinsungsgebotes in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Diese Rechtsfolge gilt infolge der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers für alle Fälle des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Das schließt es aus, hinsichtlich der Fallgruppe der (eigenkapitalersetzenden) Gesellschafterdarlehen eine Ausnahme im Wege teleologischer Reduktion vorzunehmen. Soweit das Abzinsungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG in Teilen der Literatur als Bewertungsvorschrift beurteilt wird, die bilanzrechtliche Prinzipien berührt oder sogar dagegen verstoßen soll (siehe z.B. Beiser, DB 2001, 296; Stümper/Entenmann, GmbHR 2008, 312), begründet das keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der Norm. Die Lösung vom Maßgeblichkeitsgrundsatz des Handelsrechts ( § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) ist aufgrund des steuerrechtlichen Bewertungsvorbehaltes in § 5 Abs. 6 EStG zulässig (Kiesel/Görner in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Tz. 1141 ff. -1142-). § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG führt zwar dazu, dass ein Vorteil, den die Gesellschaft durch die unentgeltliche Kapitalüberlassung durch ihren Gesellschafter erlangt, der Besteuerung unterworfen wird, während er bei Gewährung von Eigenkapital nicht steuerpflichtig wäre. Das trifft auf sonstige Nutzungseinlagen, die nicht zu aktivierungsfähigen Wirtschaftsgütern führen, nach sonst geltender Rechtslage aber auch zu (FG Berlin-Brandenburg , Beschluss vom 8.9.2008, 12 V 12115/07, EFG 2008, 1947 m.w.N.). Der Gesetzgeber war deshalb nicht gehalten, eine besondere Regelung für unverzinsliche Gesellschafterdarlehen zu treffen. Im Übrigen war sich der Gesetzgeber bewusst, dass sich mit dieser Regelung "die Steuerbilanz von der Handelsbilanz löst" (Glanegger in Schmidt, EStG, 27. Aufl., § 6 Tz. 402; BT-Drs. 14/23 S. 239). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Abzinsungsgebot in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG finden sich in der Großkommentarliteratur zum Einkommensteuergesetz denn auch nicht (Ehmcke in Blümich, EStG, § 6 Tz. 956 ff; Hoffmann in Littmann; Bitz, Pust, EStG, § 6 Tz. 679-683; Fischer in Kirchhoff, EStG, 7. Aufl., § 6 Tz. 148; Mayer-Wegelin in Bordewin/Brandt, EStG, § 6 Tz. 491 b - 491 d; Hermann in Frotscher, EStG, § 6 Tz. 364 ff. -366-; Glanegger in Schmidt, EStG, 27. Aufl., § 6 Tz. 402). Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung hat der Senat deshalb nicht (ebenso FG Berlin-Brandenburg , Beschluss vom 17.11.2008, 6 V 6154/08 -[...]; Beschluss vom 8.9.2008, 12 V 12115/07, EFG 2008, 1947; vgl. auch FG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2007, 6 K 446/06; vergleichbar zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 a EStG: FG Niedersachsen, Urteil vom 18.4.2007, 3 K 11463/05, BB 2007, S. 1550).

Der sich aus der Abzinsung der Darlehensverbindlichkeiten ergebende Gewinn durfte durch die Qualifikation als Einlage schließlich nicht neutralisiert werden. Einlagefähig sind nur Wirtschaftsgüter; die unentgeltliche Nutzungsüberlassung von Kapital stellt kein solches einlagefähiges Wirtschaftsgut dar, sondern führt lediglich zu einer bloßen Aufwandsersparnis bei der Gesellschaft als Darlehensnehmerin ( BFH, Urteil vom 10.11.2005, IV R 13/04, BStBl II 2006, 618; FG Berlin-Brandenburg , Beschluss vom 17.11.2008, 6 V 6154/08 -[...]; Beschluss vom 8.9.2008, 12 V 12115/07, EFG 2008, 1947).

Die Beteiligten streiten nicht über die Höhe der vom FA errechneten Abzinsungsbeträge oder über die Höhe der Rücklage nach § 52 Abs. 16 Sätze 10 und 11 EStG. Das Gericht sieht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren keinen Anlass, diese in Frage zu stellen, Berechnungsfehler drängen sich nicht auf (vgl. die Berechnung im Prüfungsbericht vom 2.4.2008, Tz. 16 f.).

Weitere Prüfungsfeststellungen, die (vergleichsweise geringfügig) gewinnerhöhend waren, waren auch nicht streitig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat hat die Beschwerde aus Gründen der Rechtsfortbildung und im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren mit dem Aktenzeichen I R 4/08 zugelassen, § 128 Abs. 3, § 115 Abs. 2 FGO.

Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 63, 53 Abs. 3 Nr. 3, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Ende der Entscheidung

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