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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 08.03.2006
Aktenzeichen: 1 K 1188/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 7g Abs. 3 S. 2
EStG § 7 Abs. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 1188/03

Gesonderte Gewinnfeststellung 2001

In der Streitsache

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

ohne mündliche Verhandlung am 8. März 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Kläger berechtigt ist, eine Ansparabschreibung als Existenzgründer vorzunehmen.

Der Kläger war bis zum 30. September 2001 im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nichtselbständig tätig. Mit Schreiben vom 28. November 2001 unter Einreichung eines ausgefüllten Fragebogens zeigte er dem Beklagten - dem Finanzamt (FA) - die Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit als Berater für den Vertriebs-und Marketingbereich der X-branche an. In seiner am 6. August 2002 beim FA eingegangenen Erklärung zur gesonderten Feststellung der diesbezüglichen Einkünfte wies er einen Verlust in Höhe von./. 205.252 DM aus, der im Wesentlichen auf der Berücksichtigung einer Ansparrücklage in Höhe von 40% aus 489.100 DM, ergibt 195.640 DM, als Betriebsausgabe beruht. Auf die eingereichten Aufstellungen wird verwiesen (Bl. 1 ff. der Feststellungsakte). Das FA stellte die Einkünfte des Klägers mit Bescheid vom 21. Oktober 2002 auf ./. 9.612 DM fest. Die beantragte Ansparrücklage berücksichtigte es nicht. Es begründete dies mit der nicht nachgewiesenenverbindlichen Bestellung der nach Angabe in der Erklärung beabsichtigten Investitionen.

Der Bescheid erging vorläufig nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung hinsichtlich der Frage der Gewinnerzielungsabsicht. Der Einspruch des Klägers blieb in der Einspruchsentscheidung(EE) vom 5. Februar 2003 erfolglos. Nachdem der Kläger ein Bestellformular als Nachweis einer verbindlichen Bestellung für eines der aufgeführten Investitionsgüter im Klageverfahren beigebracht und das Gericht für Zwecke der Aussetzung der Vollziehung die Bildung einer Rücklage für Investitionen in Höhe von 90.000 DM zugelassen hat, hat das FA eine Ansparrücklage in Höhe von 36.000 DM anerkannt und die Einkünfte unter Einbeziehung der anderen Betriebsausgaben auf ./. 45.612 DM festgestellt (Änderungsbescheid vom 7. November 2006). Der Kläger begehrt nunmehr die Berücksichtigung der verbleibenden Ansparrücklage.

Zur Begründung seines Antrags trägt er vor, er sei Existenzgründer gewesen. Deshalb sei die Rechtsprechung, die in anderen Fällen eine verbindliche Bestellung fordere, auf ihn nichtanwendbar. Eine weitere Konkretisierung der Bestellung sei nicht erforderlich.

Der Kläger beantragt,

die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit für das Jahr 2001 unter Änderung des Feststellungsbescheids vom 7. November 2001 neu festzustellen und dabei zusätzliche Betriebsausgaben für die Bildung der Ansparrücklage in Höhe von ./. 159.640 DM zu berücksichtigen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist auf die EE und sieht mangels verbindlicher Bestellungen die Voraussetzungen für die Bildung der noch streitigen Ansparrücklagen nicht als gegeben an.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II.

Die Klage ist nicht begründet. Das FA hat im Ergebnis zu Recht die noch streitigen Rücklagen nicht zum Abzug zugelassen.

1. Nach § 7g Abs. 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) können Steuerpflichtige, die den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln, bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden. Die Ansparrücklage darf dabei 40 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige "voraussichtlich" bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird. Eine Ansparrücklage kann auch gebildet werden, wenn dadurch ein Verlust entsteht oder sich erhöht (§ 7g Abs. 3 Satz 4 EStG). Ermittelt der Steuerpflichtige -wie im Streitfall den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, so sind gemäß § 7g Abs. 6 EStG die Abs. 3 bis 5 mit Ausnahme von Abs. 3 Nr. 1 mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Bildung der Rücklage als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre spätere Auflösung als Betriebseinnahme(Zuschlag) zu behandeln ist.

2. Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, ob und ggf. wie nachzuweisen oder glaubhaft zu machen ist, dass eine Investition i.S. von § 7g Abs. 7 i.V.m. Abs. 3 und 1EStG "beabsichtigt" ist (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 12. Dezember 2001 XI R13/00, BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385). Der Steuerpflichtige ist nicht gehalten, die Absichteiner Investition nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen (BFH-Urteile in BFHE 197,448, BStBl II 2002, 385; und vom 19. September 2002 X R 51/00, BFHE 200, 343, BStBl II2004, 184, unter II.2.). Allerdings muss die Investition bei Bildung der Rücklage so genau bezeichnet werden, dass im Investitionsjahr festgestellt werden kann, ob eine Investition derjenigen entspricht, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde. Dazu sind Angaben insbesondere zur Funktion des Wirtschaftsguts sowie zu den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten erforderlich (BFH-Urteil in BFHE 197, 448, BStBl II 2002,385).

3. Der auch im Rahmen einer Existenzgründerrücklage nach § 7 Abs. 7 EStG entsprechendanwendbare § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 17. November 2004 X R 38/02,BFH/NV 2005, 846) setzt voraus, dass ein Wirtschaftsgut in einem nachfolgenden Wirtschaftsjahr" voraussichtlich" angeschafft oder hergestellt wird. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert das Tatbestandsmerkmal "voraussichtlich" eine Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten des Steuerpflichtigen, welche bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermitteln, aus der Sicht des jeweiligen Bilanzstichtagsund bei Steuerpflichtigen, die -wie im Streitfall -ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG berechnen, aus der Sicht des Endes des Gewinnermittlungszeitraums zu treffen ist. Hieraus folgt, dass die "voraussichtliche" Investition von Gesetzes wegen hinreichend konkretisiert sein muss. Ob dies zutrifft, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (BFH-Urteile in BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184, unter 4.a bis d der Gründe; und vom 17. November 2004X R 38/02, BFH/NV 2005, 846).

Handelt es sich -wie im Streitfall -um eine Neugründung eines Betriebes und bezieht sich die Bildung der Ansparrücklage auf erst noch anzuschaffende wesentliche Betriebsgrundlagen, so setzt eine Konkretisierung im vorgenannten Sinne zwecks Vermeidung einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme der steuerlichen Förderung durch gleichsam "ins Blaue hinein" gebildete Ansparrücklagen voraus, dass diese wesentlichen Betriebsgrundlagen am maßgeblichen Stichtag bereits verbindlich bestellt worden sind (vgl. BFH-Urteile vom 25. April 2002 IV R 30/00, BFHE 199, 170, BStBl II 2004, 182, unter 3.b der Gründe; vom17. November 2004 X R 38/02, BFH/NV 2005, 846).

4. Nach diesen Maßstäben hat das FA im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Klägerin seiner Eigenschaft als Existenzgründer die streitig gebliebenen Rücklagen nicht bilden durfte.

Bei den Investitionsgütern handelt es sich um Büroeinrichtung, PKWs für Vertriebsmitarbeiter, einen Server-Computer, ein Call-Center, die für ein personalintensives Vertriebsund Marketing-Unternehmen als Geschäftsausstattung zu den wesentlichen Betriebsgrundlagengehören. Eine verbindliche Bestellung hat der Kläger nicht nachgewiesen.

Darüber hinaus ist im Streitfall auch aus anderen Gründen die Voraussetzung einer "voraussichtlichen" Investition nicht gegeben. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger für den Aufbau eines Vertriebs- und Marketing-Unternehmens, das Investitionen der geltend gemachten Art und in diesem Umfang voraussehbar hätte erwarten lassen, etwas unternommen hätte. Dargelegt sind hingegen Anstrengungen des Klägers, über Kooperationen mit Firmen an Auftraggeber zu gelangen, die Bedarf an einem Interimsmanager, an Führungskräften auf Zeithaben. Derartige Verträge werden üblicherweise mit konkreten Führungskräften abgeschlossen, die die projektierten Leistungen höchstpersönlich zu erbringen haben. Das zeigt schon die besondere Bedeutung der persönlichen Tätigkeitsprofile, die die Erfahrung der sich bewerbenden Kräfte darstellen. Für eine derartige Tätigkeit sind jedoch Investitionen in der Größenordnung, wie sie der Kläger als beabsichtigt vorgibt, nicht erforderlich und im Streitfalle auch nicht "voraussichtlich" i.S. des § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG. Die Geltendmachung in der Erklärung geschah nach Einschätzung des erkennenden Senats "ins Blaue hinein". Dieser Befund aus der Sicht des Endes des Gewinnermittlungszeitraums 2001 wird im nachhinein bestätigt durch die vom Kläger im Folgejahr erzielten Jahresumsätze in Höhe von 4.160 EUR (vgl. Bericht über die Umsatzsteuersonderprüfung vom 28. März 2003, Bl. 39 der Feststellungsakte).

5. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des BFH, weil dieser in der zitierten Rechtsprechung die streitentscheidenden Zweifelsfragen um die Ansparrücklage entschieden hat. Insbesondere hat er in ständiger Rechtsprechung klargestellt, dass eine verbindliche Bestellung auch im Bereich des § 7g Abs. 7 EStG regelmäßig erforderlich ist, um eine Ansparrücklage zu rechtfertigen. Darüber hinaus ist es Aufgabe der Rechtsprechung, Zweifelsfragen zur Gesetzesanwendung zu beantworten, was - das liegt in der Natur der Sache - auch Antworten zum Nachteil des Steuerpflichtigen einschließt und mit dem Verbot rückwirkender belastender Gesetze nichts zu tun hat.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung. Die Kosten sind dem Kläger auch insoweit aufzuerlegen, als sich die Hauptsache durch Nachgeben des FA erledigt hat, da der Kläger den Nachweis, der das FA zu einer Teilabhilfe bewegte, erst im Klageverfahren und damit verspätet vorgelegt hat (§ 138 Abs. 2 i.V.m. § 137 der Finanzgerichtsordnung)

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.



Ende der Entscheidung

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