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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 07.12.2005
Aktenzeichen: 1 K 1447/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 1447/04

Einkommensteuer 2001 und 2002

In der Streitsache

...

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung ... sowie

der ehrenamtlichen Richter und

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 07. Dezember 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Kläger Aufwendungen aus doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten abziehen kann.

Der Kläger wurde in den Streitjahren 2001 und 2002 bei dem Beklagten - dem Finanzamt (FA) -zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Er ist seit 1995 verwitwet und erzielte als Bauarbeiter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er unterhält neben einer Wohnung in MXXXXX ein Haus in Bosnien, in dem nach Angabe seit dem Tod seiner Ehefrau seine im Jahr 1977 geborene Tochter wohnt, die er mit Unterhaltszahlungen unterstützt. Der Kläger trägt Aufwendungen für Strom und Telefon für die Wohnung in Bosnien. Er ist im Jahr 2001 insgesamt 13 mal mit dem Autobus nach Bosnien und zurück gefahren und im Jahr 2002 insgesamt 11 mal.

Das FA setzte die ESt für die Streitjahre im Wesentlichen nach den Angaben in den Steuererklärungen fest. Außer Ansatz ließ es in beiden Jahren die beantragten Fahrtkosten als Kosten für doppelte Haushaltsführung. Andere Abweichungen sind nicht mehr streitig. Die Steuerbescheide ergingen am 29. Oktober 2002 (für das Jahr 2001) und am 14. Oktober 2003 (für das Jahr 2002). Die Einsprüche des Klägers wies das FA mit Einspruchsentscheidungen (EE) vom 1. März 2004 (für das Jahr 2001) und 12. März 2004 (für das Jahr 2002) als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Ziel der Anerkennung der beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten weiter, wobei er den Antrag im Einspruchsverfahren um Mietaufwand und Stromkosten für die MXXXXer Wohnung erweiterte.

Der Kläger trägt vor, sein Haushalt in Bosnien bestehe seit dem Tode seiner Ehefrau weiterhin, und in diesem Haushalt lebe seine von ihm finanziell abhängige Tochter. Die Zahl der nachgewiesenen Fahrten reiche für die Anerkennung der doppelten Haushaltsführung aus, zumal die Begrenzung auf zwei Jahre nicht mehr bestehe.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung der ESt-Bescheide für 2001 vom 29. Oktober 2002 in Gestalt der EE vom 1. März 2004 und für 2002 vom 14. Oktober 2003 in Gestalt der EE vom 12. März 2004 die ESt für diese Jahre neu festzusetzen und dabei folgende Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zusätzlich zum Abzug zuzulassen:

für 2001: 14.380 DM (= 7.352,38 EUR)

für 2002: 6.320 EUR.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist auf die EE und trägt vor, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers in seinem Haushalt in Bosnien aufgrund der geringen Anzahl von Fahrten nicht nachgewiesen sei.

II.

Die Klage ist nicht begründet.

1. Als Werbungskosten sind gem. § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) die notwendigen Mehraufwendungen abzugsfähig, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach Nr. 5 Satz 2 der Vorschrift vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Auch ein alleinstehender Arbeitnehmer kann einen doppelten Haushalt führen (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH--vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90, BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180, und zuletzt vom 4. November 2003 VI R 170/99, BFHE 203, 386, BStBl II 2004, 16).

Ein nicht verheirateter Arbeitnehmer unterhält einen eigenen Hausstand im Sinne der Vorschrift allerdings nur dann, wenn er am Ort seines Lebensmittelpunkts eine eigenständige, seinen Lebensbedürfnissen entsprechende Wohnung aus eigenem oder abgeleitetem Recht nutzen kann. Dabei muss es sich um den Haupthausstand handeln. Der Arbeitnehmer muss sich an dessen Führung sowohl finanziell als auch durch seine persönliche Mitwirkung maßgeblich beteiligen (BFH-Urteil vom 12. September 2000 VI R 165/97, BFHE 193, 282, BStBl II 2001, 29).

Der eigene Hausstand außerhalb des Beschäftigungsorts muss jedoch für den Arbeitnehmer zugleich Haupthausstand und Lebensmittelpunkt sein. Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstands i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG zu werten.

Diesem Umstand kommt bei der Beurteilung der doppelten Haushaltsführung nicht verheirateter Arbeitnehmer besondere Bedeutung zu. Indizien hierfür können sich etwa aus einem Vergleich von Größe und Ausstattung der Wohnungen des Arbeitnehmers sowie aus der Dauer und der Häufigkeit der jeweiligen Aufenthalte ergeben; ausschlaggebend ist dabei die Abwägung und Bewertung der Umstände des Einzelfalles (BFH-Urteile in BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180; in BFHE 203, 386, BStBl II 2004, 16, sowie zu den Voraussetzungen im Einzelnen vom 10. Februar 2000 VI R 60/98, BFH/NV 2000, 949; vom 22. Februar 2001 VI R 192/97, BFH/NV 2001, 1111). Das Risiko der Unaufklärbarkeit des Sachverhalts (die Feststellungslast) trägt bei steuermindernden Tatsachen der Steuerpflichtige (BFH-Urteil vom 28. Januar 1997 IX R 23/94, BFHE 182, 542, BStBl II 1997, 655).

Bei nicht verheirateten Arbeitnehmern spricht - je länger die Beschäftigung dauert - vieles dafür, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen am Beschäftigungsort befindet und die weitere zur Verfügung stehende Wohnung lediglich für Besuchs bzw. Ferienzwecke vorgehalten wird (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 1111).

2. Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf den Streitfall kommt ein Abzug von Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang mit einer beruflich begründeten Führung eines doppelten Haushalts nicht in Betracht.

Das Gericht konnte sich auch nach dem Vortrag des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugen, dass der - unstreitig bestehende - zweite Hausstand in Bosnien in den Streitjahren der Haupthausstand und Lebensmittelpunkt des Klägers war. Dabei hat der erkennende Senat berücksichtigt, dass die Wohnung in Bosnien bis zum Jahr 1995 unstreitig der Lebensmittelpunkt des Klägers war. Zu diesem Zeitpunkt befand sich dort der gemeinsame Familienwohnsitz. Die Ehefrau lebte ständig in der Wohnung, ebenso die damals 18 Jahre alte Tochter und nach Angabe des Prozessvertreters in der mündlichen Verhandlung auch die Mutter des Klägers.

Indes hat der Senat zu berücksichtigen, dass sich die Lebensumstände des Klägers seit dem Tod der Ehefrau und der Mutter und auch durch die zunehmende Reife der Tochter wesentlich geändert haben. In den Streitjahren war die Tochter des Klägers 25 und 26 Jahre alt. Eine gemeinsame Familienwohnung mit der Ehefrau gab es seit über 6 Jahren nicht mehr. Zwar unterstützte der Kläger offensichtlich die arbeitslose Tochter finanziell. Dies alleine reicht jedoch bei Würdigung der dem Senat erkennbaren Gesamtumstände nicht aus, um einen Lebensmittelpunkt des Klägers in Bosnien nachzuweisen. Denn trotz der Aufklärungsanordnung blieben auch in der mündlichen Verhandlung die genauen Lebensumstände des Klägers im Unklaren. Der Klägervertreter wusste substantiell lediglich vorzutragen, dass er den Kläger auch aus der hiesigen Kirchengemeinde kenne und er seit 15 Jahren seine Steuererklärungen beim Klägervertreter fertigen lasse. Zu den genauen Wohnverhältnissen in MXXXXXX und in Bosnien konnte er nichts aussagen. Nach dem Vorstehenden - insbesondere, wenn man die lange Zeit einer Beschäftigung in Deutschland berücksichtigt - wäre sonach eine Einbindung in einen Freundes- und Bekanntenkreis und ein entsprechendes "Wurzelschlagen" in MXXXXXX - vorrangig vor einer möglicherweise noch bestehenden emotionalen Bindung nach Bosnien - denkbar und wahrscheinlich.

Alleine die Zahl von 11 bzw. 13 jährlichen Fahrten zur Tochter belegen weder für sich noch im Zusammenhang mit den anderen dem Senat bekannten Umständen einen "Hauptwohnsitz" in Bosnien. Eine derartige Anzahl von Fahrten kommt regelmäßig auch bei Inhabern von Ferienhäusern oder eben Personen vor, die enge familiäre Bindungen zu Angehörigen durch häufige Besuche pflegen. Bei etwa einem monatlichen Aufenthalt in dem Haushalt in Bosnien ist eine Einbindung in einen gemeinsamen Haushalt mit der volljährigen Tochter nicht von vorneherein zu bejahen. Auch die Annahme der Prozessvertreter, dass der Kläger nach dem Ende seiner Berufstätigkeit in Deutschland in Bosnien vermutlich seinen Alterssitz nehmen werde, reicht nicht für die Annahme eines lebendigen Hauptwohnsitzes in den Streitjahren aus. Denn die tatsächlichen Wohnverhältnisse in Bosnien in den Streitjahren konnten in der mündlichen Verhandlung nicht geklärt werden. Danach bleibt der für die Beurteilung der beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung maßgebliche Sachverhalt ganz überwiegend im Unklaren. Der Vortrag und die Nachweise, die der Kläger auf die Aufklärungsanordnung des Berichterstatters mit Ausschlussfrist beibrachte, reichen auch unter Berücksichtigung des Vortrages der Prozessvertreter in der mündlichen Verhandlung und in Anwendung der Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils in BFH/NV 2001, 1111 nicht aus, um den Senat von einem Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt in Bosnien zu überzeugen. Da der Kläger die Feststellungslast hierfür trägt, ist die Klage demnach abzuweisen.

3. Die Kostenfolge richtet sich nach § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.



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