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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 14.11.2007
Aktenzeichen: 1 K 1604/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10d Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 1604/07

In der Streitsache

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und ...

ohne mündliche Verhandlung am 14. November 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob die angefochtenen Steuerbescheide bestandskräftig sind oder - ggf. mittels Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist - Einsprüche rechtzeitig eingelegt wurden.

Die Kläger wurden als Ehegatten vom Beklagten - dem Finanzamt (FA) - für das Streitjahr 2001 zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt.

Das FA änderte nach einer Außenprüfung mehrere Bescheide, darunter unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung den ESt-Bescheid für 2001, indem es die Steuer auf null DM festsetzte (ESt-Bescheid vom 28. Juli 2005). Den verbleibenden Verlustvortrag zur ESt für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb zum 31. Dezember 2001 setzte es mit Bescheid vom 9. August 2005 für die Ehefrau auf null DM fest. Darüber hinaus änderte es die Umsatzsteuer-( USt-)bescheide für 2000 und 2001 mit Änderungsbescheiden vom 28. Juli 2005, die beide ohne Vorbehalt der Nachprüfung bzw. unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung ergingen.

Mit Schreiben vom 25. November 2005 übersandte der Steuerberater der Kläger an das FA eine "Begründung" für einen früheren Einspruch gegen mehrere Bescheide, darunter die streitgegenständlichen Bescheide (ESt-Bescheid für 2001, USt-Bescheide für 2000 und 2001). Das FA wies in der Folgezeit u.a. auf die Steuerfestsetzung Null bei der ESt hin, weshalb der Einspruch insoweit unbegründet sei. Darüber hinaus war im Einspruchsverfahren streitig, ob der Steuerberater rechtzeitig Einspruch für seine Mandanten eingelegt hatte. Dies sollte nach dessen Vortrag per Fax am 8. August 2005 erfolgt sein. Als Nachweis legte der Steuerberater eine Kopie des Faxjournals vor, aus dem sich ergibt, dass am 8. August 2005 um 22:20 Uhr ein Fax mit einer Übertragungsdauer von 30 Sekunden und 2 Seiten Umfang an die Gegenstelle des FA mit dem Ergebnisvermerk "OK" übertragen worden ist (Bl. 74 der ESt-Akte 2001). In der Akte finden sich - aus anderen Steuerakten kopiert - zwei Kopien von Einsprüchen, die andere Steuerarten bzw. -zeiträume als die hier im Streit befindlichen, nämlich einmal die USt 2003 und zum anderen ESt 2003, USt 2003 und gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt zum 31. Dezember 2003, betreffen und die in einer Faxsendung mit zwei Seiten vom selben Tag um 22:21 Uhr an das FA übersandt worden waren. Mit Schreiben vom 20. Juli 2006 beantragte der Kläger mit Schreiben an das FA Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das FA lehnte die Wiedereinsetzung ab und wies die Einsprüche mit Entscheidungen (EE) jeweils vom 30. März 2007 als unzulässig wegen Versäumung der Einspruchsfrist zurück.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

unter Aufhebung der EE jeweils vom 30. März 2007

den ESt-Änderungsbescheid für 2001 vom 28. Juli 2005 aufzuheben, so dass der vorherige Steuerbescheid vom 5. Mai 2004 wieder in Kraft tritt;

den USt-Änderungsbescheid für 2001 vom 28. Juli 2005 aufzuheben, so dass der vorherige Steuerbescheid vom 5. Mai 2004 wieder in Kraft tritt;

den USt-Änderungsbescheid für 2000 vom 28. Juli 2005 aufzuheben, so dass der vorherige Steuerbescheid vom 6. Februar 2004 wieder in Kraft tritt.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bezieht sich im Wesentlichen auf die EE, auf die wegen der dortigen Rechtsausführungen im Einzelnen verwiesen wird.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Auf die Aufklärungsanordnung des Berichterstatters erläuterte der neue Prozessvertreter der Kläger die Umstände der Faxübermittlung (auf Bl. 62 der Klageakte, Schreiben vom 29. Oktober 2004 wird verwiesen). Danach hätten sich nach Darstellung des damaligen Steuerberaters offensichtlich zwei der drei Blätter des Schriftsatzes im Fax verklebt, was in der Praxis des Öfteren passiere. Die Anzahl der versandten Blätter sei wegen der späten Sendezeit nicht anhand des Sendeprotokolls kontrolliert worden.

II. Die Klage hat keinen Erfolg.

Sie ist hinsichtlich des ESt-Bescheides für 2001 mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in ständiger Rechtsprechung das Rechtsschutzbedürfnis bei einer Klage gegen einen ESt-Bescheid, der die ESt auf 0 DM festsetzt, grundsätzlich verneint (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 1998 VIII R 21/95, BFH/NV 1998, 1356, m.w.N.; BFHBeschluss vom 15.12.2000 IX B 92/00, [...]). Setzt der ESt-Bescheid die ESt auf 0 DM fest, dann bleibt die Frage, ob ein Gewerbeverlust zu niedrig festgesetzt worden ist, dem Verfahren gemäß § 10d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorbehalten (ebenda).

Im Übrigen ist die Klage unbegründet, weil die angefochtenen Bescheide bestandskräftig sind. Dies gilt auch für die ESt, sofern von der Zulässigkeit der Klage auszugehen wäre.

Gesetzliche Fristen sind bei Übermittlung fristwahrender Schriftsätze nur dann eingehalten, wenn auch die letzte Seite des Schriftsatzes, auf der sich die Unterschrift befindet, vor Ablauf der Frist beim (zuständigen) Gericht eingeht. Wird der fristgebundene Schriftsatz per Telefax übermittelt, ist diese Voraussetzung grundsätzlich nur erfüllt, wenn der vollständige Text vor Fristablauf auf dem Empfängergerät eingegangen ist (vgl. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. November 1999 2 BvR 565/98, Neue Juristische Wochenschrift 2000, 574; BFH-Beschluss vom 2. März 2000 VII B 137/99, BFH/NV 2000, 1344).

Das angegebene Telefaxschreiben vom 8. August 2005 hat das FA nicht innerhalb der Einspruchsfrist erreicht. Es steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass nur die zwei bei den Akten befindlichen Einsprüche, die andere Steuerarten bzw. -jahre betreffen, das FA tatsächlich erreicht haben, denn das Faxjournal weist nur zwei übersandte Seiten auf. Die um eine Minute vom Faxjournal abweichende Zeit auf den beim FA eingegangenen zwei Seiten erklärt sich aus der minimal abweichenden Zeit der Uhr im Empfängerfax.

Andere als Einspruch gegen die angefochtenen Bescheide auslegbare Äußerungen haben das FA erst nach Ablauf der Einspruchsfrist erreicht.

Eine Wiedereinsetzung in die Frist ist nicht zu gewähren, da die Kläger sich ein etwaiges Verschulden oder Organisationsverschulden ihres Steuerberaters zurechnen lassen müssen.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, hat sich derjenige, der fristwahrende Schriftsätze mit dem Telefax versendet, mindestens durch Kontrolle des Sendeberichts davon zu überzeugen, dass das Fax zum einen an den zutreffenden Faxanschluss übersandt wurde (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. September 2007 I R 39/04, [...]; Urteil des OLG Koblenz vom 22. April 2002 1 Verg 1/02, [...]; Beschlüsse des BVerwG vom 18. März 2004, 6 PB 16/03, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2004, 1007; OLG Frankfurt vom 1. März 2004 23 U 118/03, [...]) und zum anderen, dass mehrere gesendete Seiten auch tatsächlich vollständig übersandt wurden (BGH-Beschluss vom 22. Februar 2007 VII ZA 7/06, Zeitschrift für Familienrecht 2007, 809). Da das Faxjournal lediglich zwei übersandte Seiten ausweist, erscheint es ausgeschlossen, dass das Sendeprotokoll etwas anderes hätte bestätigen sollen. Die Nichtübertragung der maßgeblichen Seite hätte daher unschwer beim Vergleich mit dem Sendeprotokoll erkannt werden können. Zu einem solchen Vergleich wäre der Telefax-Versender insbesondere auch deshalb verpflichtet gewesen, weil ein "Zusammenkleben" von Seiten im Loseblatteinzug in der Praxis häufiger vorkam (vgl. Schriftsatz der Kläger vom 29. Oktober 2004). Im Übrigen hat der Klägervertreter dargelegt, dass die erforderliche Kontrolle gerade nicht stattgefunden hat. Die späte Uhrzeit entschuldigt den damaligen Steuerberater nicht. Das FA hat daher zu Recht den Einspruch für unzulässig gehalten.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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