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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 04.12.2006
Aktenzeichen: 1 K 1770/05
Rechtsgebiete: AO, EStG, EStDV


Vorschriften:

AO § 129
EStG § 22 Nr. 1a S. 1
EStG § 22 Nr. 1a S. 2
EStG § 22 Nr. 1a S. 3
EStG § 22 Nr. 1a S. 4
EStDV § 55 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 1770/05

In der Streitsache

hat das Finanzgericht München, 1. Senat,

als Einzelrichter

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04. Dezember 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Streitig ist, ob ein bestandskräftiger Steuerbescheid nach § 129 der Abgabenordnung (AO) geändert werden muss.

Die Kläger werden für das Streitjahr 2002 beim Beklagten - dem Finanzamt (FA) - zur Ein- kommensteuer (ESt) zusammen veranlagt. Sie erklärten in ihre ESt-Erklärung auf der Anlage SO sonstige Einkünfte aus einer Rente des Klägers. Die Kläger füllten folgende Felder dieser Anlage wie folgt aus:

"Einnahmen Altersrente": angehakt

"Die Rente läuft seit": 10.02.2000

"Die Rente erlischt mit dem Tod von": des Ber.

"Rentenbetrag": 16.801 EUR

"Falls Bekannt: Ertragsanteil der Rente": 36%.

Das FA veranlagte mit Bescheid vom 7. August 2003 unter Übernahme der erklärten Zahlen.

Mit Schreiben vom 6. April 2004 bat der steuerliche Vertreter der Kläger das FA um eine Änderung des ESt-Bescheids für 2002 nach § 129 AO. Bei der erklärten Rente handele es sich um eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Da der Mandant bei Beginn der Rente 59 1/2 Jahre alt gewesen sei, könne es sich nicht um eine Altersrente handeln. Dies begründe die offenbare Unrichtigkeit. Das FA sah die Voraussetzungen des § 129 AO für nicht gegeben und lehnte die Änderung zuletzt in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 18. April 2005 ab.

Mit ihrer Klage tragen die Kläger vor, der Ertragsanteil sei richtigerweise mit 13% anzusetzen. Es handele sich um einen klassischen Fall des § 129 AO. Der Fehler sei einem Angestellten der Steuerkanzlei unterlaufen, der im Computerprogramm ein falsches Kästchen angekreuzt habe. Der Computer habe den Fehler dann in die Anlage SO übernommen.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid vom 07. August 2003 durch Erlass eines Änderungsbescheides gemäß § 129 AO dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer auf 0 EUR festgesetzt wird,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

II. Die Klage ist nicht begründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Änderung der angefochtenen Bescheide nach § 129 AO.

1. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Sinne dieser Vorschrift müssen Schreib- oder Rechenfehlern ähnlich und ebenso wie mechanische Fehler ohne weitere Prüfung erkennbar sein, um die Berichtigung eines Verwaltungsakts zu rechtfertigen (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH -vom15. März 1994 XI R 78/92, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV -1995, 937). Ein mechanisches Versehen liegt nicht vor, wenn die Möglichkeit eines Rechtsirrtums, Denkfehlers oder einer unvollständigen Sachverhaltsaufklärung besteht (ständige Rechtsprechung z.B. Urteil des BFH vom 14. Juni 1991 III R 64/89, BStBl II 1992, 52). Eine unvollständige Sachverhaltsermittlung ist dann anzunehmen, wenn für die Besteuerung wesentliche Tatsachen nicht durch ein mechanisches Versehen unberücksichtigt geblieben sind. Ermittlungsfehler gehen über mechanisches Versehen hinaus, weil ein Teil des rechtserheblichen Sachverhalts wegen fehlerhafter oder unterlassener oder unrichtiger Tatsachenaufklärung noch nicht bekannt ist. Ist hingegen ohne weitere Prüfung erkennbar, dass ein Teil des bekannten Sachverhalts aus Unachtsamkeit bei der Besteuerung nicht erfasst worden ist, darf diese offenbare Unrichtigkeit zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen durch Berichtigung der versehentlich fehlerhaften Steuerfestsetzung korrigiert werden (vgl. Urteile des BFH vom 26. April 1989 VI R 39/85, BFH/NV 1989, 619;vom 3. April 1987 VI R 218/83, BFH/NV 1987, 553;vom 29. März 1985 VI R 140/81, BStBl II 1985, 569).

Eine beim Erlass des Bescheids unterlaufende Unrichtigkeit muss aber grundsätzlich in der Sphäre der den Bescheid erlassenden Behörde entstanden sein (BFH-Urteil vom 23.1.1991 I R 26/90, BFH/NV 1992, 360 m.w.N.). Fehler in der Steuererklärung -von den Fällen der Selbstveranlagung abgesehen -rechtfertigen für sich allein keine Berichtigung nach § 129 AO, weil diese Bestimmung nach ihrem Wortlaut und Sinn nicht für Versehen des Steuerpflichtigen gilt (BFH-Urteil vom 3.6.1987 X R 61/81, BFH/NV 1988, 342).

Nur dann, wenn die Fehlerhaftigkeit der Angaben des Steuerpflichtigen für das Finanzamt als offenbare Unrichtigkeit erkennbar gewesen wäre, das Finanzamt also eine offenbare Unrichtigkeit des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt, kommt eine Berichtigung nach § 129 AO in Betracht (BFH-Urteil vom 23. Januar 1991 I R 26/90, BFH/NV 1992, 359; BFH-Urteile vom 31.7.1990 I R 116/88, BFHE 162, 115 undvom 23. Oktober 2002, III R 32/00, BFH/NV 2003, 441).

2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen kommt eine Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung nicht in Betracht. Unabhängig davon, wie die Unrichtigkeit in der Sphäre der Kläger - hier beim Steuerberater - entstanden ist, ist im Streitfall entscheidungserheblich, dass auf Seiten des FA nicht erkennbar war, dass es sich bei der angegebenen Rente nicht um eine Leibrente im Sinne des § 22 Nr. 1a Sätze 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handelt, sondern um eine sog. abgekürzte Leibrente gem. § 22 Nr. 1a Satz 4 EStG i.V.m. § 55 Abs. 2 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung. Damit fehlt es an einer "Offenbarkeit", die § 129 AO für eine Änderung fordert.

Aus Sicht des Bearbeiters im FA war in keiner Weise ersichtlich, dass keine Altersrente vorliegen sollte. Vielmehr war für ihn aus den weiteren Angaben ersichtlich, dass die Rente bis zum Ableben des Steuerpflichtigen gezahlt werden sollte. Hierzu passte auch der ausgewiesene Ertragsanteilssatz. Da auch in den Vorjahren die Rente gleichermaßen (falsch) erklärt worden war (vgl. hierzu den Vermerk des Bearbeiters auf Bl. 1 der Anlage SO zur ESt- Erklärung, Bl. 6 der ESt-Akte für 2002), konnte der Bearbeiter selbst aus einem Vorjahresvergleich keinerlei Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit entnehmen. Insbesondere waren für ihn keine besonderen Ermittlungen veranlasst. Auch ein außenstehender Dritter, dem die FA-Akten und die Steuererklärung vorgelegen hätten, hätte nicht erkennen können, dass statt einer Altersrente tatsächlich eine abgekürzte Leibrente mit geringerem Ertragsanteil erklärt werden sollte.

Da die Voraussetzungen des § 129 AO nach dem Vorstehenden nicht erfüllt sind, ist ein Anspruch der Kläger auf eine Änderung zu verneinen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Absatz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), da die Kläger in vollem Umfang unterlegen sind.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH. Die Voraussetzungen für die Änderung einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach § 129 AO sind - wie die zitierte Rechtsprechung zeigt - durch die Rechtsprechung des BFH bereits bis ins Detail herausgearbeitet und werden von den Gerichten gleichförmig angewendet.

Ende der Entscheidung

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