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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 11.12.2008
Aktenzeichen: 1 K 2067/06
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 129
AO § 171 Abs. 10
AO § 175 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung ...

sowie

der ehrenamtlichen Richter ...

und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob und in welchem Umfang ein Folgebescheid (Bescheid über den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1996), in dem ein Grundlagenbescheid (Beteiligungseinkünfte 1996) versehentlich doppelt berücksichtigt wurde, aufgrund eines neuerlichen Grundlagenbescheids geändert werden darf, sowie inwieweit die Einkommensteuerfestsetzung des Verlustvortragsjahres 2000 als Folgeänderung zulässig ist.

Die Kläger werden vom Beklagten - dem Finanzamt (FA) - für die Jahre 1996 bis 2000 zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt.

1. Sie erzielten im Jahr 1996 u.a. aus rund 10 geschlossenen Immobilienfonds, davon drei mit mehreren Anteilen, negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (im Folgenden: Verluste aus V+V). Das FA führte die Veranlagung für das Streitjahr 1996 zunächst im Wesentlichen entsprechend der am 30. Juli 1997 eingereichten Steuererklärung durch (ESt- Bescheid vom 2. Oktober 1997).

Nach einer Außenprüfung hob es den zunächst enthaltenen Vorbehalt der Nachprüfung auf (ESt-Bescheid 1996 vom 22. Juni 1998). Die diesem Bescheid zu Grunde gelegten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Klägers enthielten auch die streitgegenständlichen vom zuständigen Finanzamt Berlin-X festgestellten Einkünfte aus den Beteiligungen X bis XX an der "X GmbH & Co. S OHG" (im Folgenden S-OHG). Aufgrund der hohen Werbungskostenüberschüsse bei den Immobilienfonds errechnete sich eine ESt 1996 von 0,-- DM. Den verbleibenden Verlustabzug zur ESt zum 31. Dezember 1996 stellte das FA nach Verlustrücktrag auf 1995 ebenfalls mit Bescheid vom 22. Juni 1998 auf 444.609 DM fest.

In der Folgezeit ergingen aufgrund geänderter Feststellungsbescheide für die verschiedenen Immobilienfonds mehrere Änderungsbescheide für das Jahr 1996: jeweils geänderte ESt- Bescheide sowie geänderte Bescheide über den verbleibenden Verlustabzug zur ESt zum 31. Dezember 1996.

Von Bedeutung im Streitfall sind die Änderungsbescheide vom 6. Juni 2000, in denen das FA die Mitteilung des FA Berlin-X über den mit Feststellungsbescheid vom ... Januar 2000 festgestellten Verlust betreffend die S-OHG ausgewertet hat. Die darin unter Bezugnahme auf den Feststellungsbescheid vom ... Januar 2000 für die Beteiligung des Klägers an der "OHG S c/o A A. Immobilienverw. GmbH, XXXstr. .., XXX Berlin" festgestellten negativen Einkünfte von -2.396.679,28 DM wurden - unstreitig als offenbare Unrichtigkeit - nicht anstelle der bereits im Vorbescheid angesetzten negativen Einkünfte aus dieser Gemeinschaft, sondern zusätzlich angesetzt. Die insgesamt angesetzten Verluste aus V+V in 1996 erhöhten sich damit von zuvor -12.822.462 DM auf -15.219.102 DM, der festgestellte verbleibende Verlustabzug erhöhte sich von zuvor -386.648 DM auf -2.783.288 DM.

Nachdem wegen anderer Mitteilungen im Jahr 2002 neuerlich Änderungsbescheide ergangen waren, wertete das FA mit Bescheiden vom 17. Januar 2005 erneut zwischenzeitlich eingegangene Mitteilungen anderer Finanzämter aus, darunter eine Mitteilung über die geänderte einheitliche und gesonderte Feststellung vom XX. Oktober 2004 betreffend die SOHG. Dabei fiel ihm die in den Vorbescheiden erfolgte "Doppelerfassung" auf und es setzte - die Doppelerfassung korrigierend - die Einkünfte aus der Beteiligung an der S-OHG mit dem vom Feststellungsfinanzamt mitgeteilten Betrag von -2.396.411 DM an. Die in 1996 angesetzten Verluste aus V+V verringerten sich damit auf -12.616.917 DM, der festgestellte verbleibende Verlustabzug verringerte sich auf -195.627 DM. Gegen diese Korrektur wandten sich die Kläger mit ihrem Einspruch.

Im Laufe des Einspruchsverfahrens ergingen erneut Änderungsbescheide aufgrund einer neuerlichen Mitteilung über eine geänderte Einkünftefeststellung betreffend die S-OHG (Bescheide vom ... November 2005). Die angesetzten Verluste aus V+V in 1996 änderten sich damit geringfügig auf -12.617.186 DM, der festgestellte verbleibende Verlustabzug auf -195.896 DM. Der Einspruch blieb in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 21. April 2006 ohne Erfolg. Nach Anhängigkeit der Klage fand auf Grund eingegangener Mitteilungen eine erneute Bescheidänderung statt (Bescheide vom 11. Juli 2007).

2. Der zum 31. Dezember 1996 festgestellte Verlust wirkte sich auch auf die ESt- Festsetzungen bzw. die Verlustfeststellungsbescheide der Verlustvortragsjahre 1997 bis 2000 aus. Streitgegenstand dieses Verfahrens ist auch der ESt-Bescheid für 2000, zuletzt vom 11. Juli 2007, in dem sich die vorstehend beschriebene Rückgängigmachung der "Doppelerfassung" und der damit verminderte Verlustvortrag auf das Jahr 2000 durch eine effektive Erhöhung der ESt auswirkt.

Mit ihrer Klage tragen die Kläger vor, für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gälten die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung sinngemäß (§ 181 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung [AO]). Die Feststellungsverjährung für die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum Ende 1996 sei zum 31. Dezember 2002 abgelaufen. Eine gesonderte Feststellung könne nach § 181 Abs. 5 AO auch nach Ablauf der für sie geltenden Verjährungsfrist erlassen werden, soweit sie für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist (abhängige Steuerfestsetzung). Der nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO erforderliche Hinweis müsse noch innerhalb der Festsetzungsfrist für die abhängige Steuerfestsetzung erfolgen, wie sich aus § 181 Abs. 5 Satz 3 AO ergebe. Da der Hinweis erst in der Einspruchsentscheidung am 21. April 2006 erfolgt sei, mithin nach Eintritt der Festsetzungsverjährung der ESt 2000 zum 31. Dezember 2005, sei der Änderungsbescheid über den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 1996 - Fassung vom 11. Juli 2007 - rechtswidrig.

Weiter führen die Kläger sinngemäß aus, der doppelte Ansatz der Verluste aus der S-OHG sei eine offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO, deren Berichtigung nur innerhalb der Frist des § 171 Abs. 2 AO (Ablauf 9. Juli 2001) bzw. § 171 Abs. 10 AO (Ablauf 9. Juli 2002) möglich gewesen wäre. Spätere Änderungsbescheide, die die Unrichtigkeit nur fortschreiben, verlängerten die Fristen nicht. Wegen der genauen Argumentation wird auf die Klagebegründung vom 22. Mai 2006 verwiesen.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der EE vom 21. April 2006 den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum 31. Dezember 1996 in der Fassung des Bescheides vom 11. Juli 2007 dahingehend zu ändern, dass der im vorangegangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum 31. Dezember 1996 vom 6. Juni 2000 versehentlich angesetzte Verlust aus der Beteiligung an der S OHG in Höhe von 2.396.679 DM weiterhin zusätzlich berücksichtigt wird, sowie den ESt-Bescheid für 2000 vom 11. Juli 2007 durch Ansatz eines sich daraus ergebenden entsprechend höheren Verlustabzugs zu ändern und die ESt für 2000 entsprechend niedriger festzusetzen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bezieht sich im Wesentlichen auf die EE, auf die wegen der dortigen Rechtsausführungen im Einzelnen verwiesen wird.

Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2008 wird verwiesen.

II. Die Klage ist nicht begründet.

1. Das FA hat rechtlich zutreffend den Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum 31. Dezember 1996 an den Bescheid über die Feststellung der Beteiligungseinkünfte 1996 an der S-OHG vom ... Oktober 2004 (und nachfolgend an den neuerlich insoweit ergangenen Änderungsbescheid vom ... Januar 2005) angepasst.

a) Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid i.S. von § 171 Abs. 10 AO, dem Bindungswirkung für diesen Bescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird.

aa) Diese Bindungswirkung beinhaltet, dass das für den Erlass eines Folgebescheids zuständige FA verpflichtet ist, die Folgerungen aus dem Grundlagenbescheid zu ziehen. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO begründet eine "absolute Anpassungsverpflichtung". Die Vorschrift stellt die Anpassung des Folgebescheids mithin nicht in das Ermessen der Finanzbehörden. Sie bezweckt die Ermittlung und Festsetzung der zutreffenden Steuer, wobei sie der materiellen Richtigkeit des Folgebescheids den Vorrang vor der Bestandskraft eines bereits ergangenen Folgebescheids einräumt.

Insofern unterscheidet sich § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO von anderen Änderungsvorschriften wie z.B. § 173 AO, aufgrund deren die Bestandskraft von Bescheiden nur in genau bezeichneten Ausnahmefällen durchbrochen werden kann. Jene Vorschriften bewerten die Bestandskraft eines Bescheids im Hinblick auf den Vertrauensschutz höher als die Richtigkeit des Bescheids.

Dass demgegenüber § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO dem Vertrauensschutz eine geringere Bedeutung beimisst, ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen Grundlagen- und Folgebescheid. Eines Vertrauensschutzes bedarf es nicht, wenn bereits ein Grundlagenbescheid ergangen ist und der Steuerpflichtige mit einer Auswertung dieses Grundlagenbescheids in einem Folgebescheid rechnen muss. Nach der Aufgabe, die das Gesetz dem Grundlagenbescheid zugedacht hat, soll dieser dem Folgebescheid in verbindlicher Weise bestimmte Besteuerungsgrundlagen zuführen. Solange diese Besteuerungsgrundlagen im Folgebescheid nicht (oder nicht vollständig) berücksichtigt sind, ist die dem Grundlagenbescheid zugedachte Aufgabe nicht erfüllt.

Aus diesen Erwägungen wird nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Verpflichtung zur Anpassung des Folgebescheids nicht beseitigt, wenn das für den Erlass des Folgebescheids zuständige FA einen ihm bereits bekannt gegebenen Grundlagenbescheid übersehen hat.

bb) Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des BFH nicht nur, wenn aus dem zunächst nicht oder fehlerhaft ausgewerteten Grundlagenbescheid später noch die zutreffenden Folgerungen im Folgebescheid gezogen werden, sondern auch dann, wenn ein zunächst nicht ausgewerteter Grundlagenbescheid später geändert wird und das FA aus dem Änderungsbescheid die gebotenen Konsequenzen ziehen möchte. Es ist kein Grund ersichtlich, in Fällen, in denen der Finanzbehörde bei der Auswertung eines Grundlagenbescheids eine offenbare Unrichtigkeit (§ 129 AO) unterlaufen ist, von einem "Verbrauch" der Änderungsmöglichkeit auszugehen. Aus dem Wortlaut des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO kann eine solche Einschränkung der Änderungsmöglichkeit nicht hergeleitet werden. Die in der Formulierung "soweit" in § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zum Ausdruck kommende Einschränkung zeigt lediglich, dass die Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid nicht die Wiederaufrollung der gesamten Steuerveranlagung rechtfertigt, sondern die Anpassungspflicht nur so weit reicht, wie es die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids verlangt. Aus dem oben dargelegten Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich vielmehr, dass eine Änderung des Folgebescheids zur Herbeiführung eines materiell richtigen Ergebnisses selbst dann geboten ist, wenn sie dazu dient, eine zuvor versäumte Anpassung des Folgebescheids nachzuholen. Dies gilt auch, soweit Grundlage für die Anpassung des Folgebescheids der geänderte Grundlagenbescheid ist, denn dieser hat den ursprünglichen Bescheid in sich aufgenommen und insoweit dessen Suspendierung bewirkt.

Die Pflicht des FA zur Änderung des Folgebescheids richtet sich deshalb in diesen Fällen nach dem geänderten Grundlagenbescheid. In diesem Rahmen bleibt es - unabhängig von früheren Auswertungsversäumnissen oder Anpassungsfehlern - bei der Verpflichtung des FA zur Änderung des Folgebescheids.

cc) In Fällen, in denen der Finanzbehörde bei der Änderung des Folgebescheids eine offenbare Unrichtigkeit i.S. von § 129 AO unterlaufen ist, steht einer weiteren Änderung des Folgebescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO als Folge einer Änderung des unzutreffend ausgewerteten Grundlagenbescheids nicht eine (Teil-)Bestandskraft im Umfang der Bindungswirkung des nicht richtig ausgewerteten Grundlagenbescheids entgegen. § 171 Abs. 10 AO bewirkt nämlich nicht, dass eine zunächst abgelaufene Festsetzungsfrist durch den Erlass von Grundlagenbescheiden im Umfang der von diesen ausgehenden Bindungswirkung stets wieder erneut in Lauf gesetzt würde. Vielmehr ist nach § 171 Abs. 10 AO der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Folgesteuer im Ausmaß der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids gehemmt, soweit und solange in offener Feststellungsfrist ein Feststellungsbescheid, der für die Festsetzung einer Steuer bindend ist, noch zulässig ergehen kann (BFH-Urteil vom 29. Juni 2005 X R 31/04, BFH/NV 2005, 1749).

b) Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze - denen sich der erkennende Senat anschließt - auf den Streitfall ergibt sich, dass das FA nicht nur nicht gehindert, sondern nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO verpflichtet war, den im gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid vom ... Oktober 2004 vom FA Charlottenburg festgestellten Verlust aus der Beteiligung an der S-OHG in Höhe von -2.396.411 DM als Besteuerungsgrundlage bei der Einkommensteuerveranlagung der Kläger für 1996 bzw. mangels Auswirkung auf die Einkommensteuer nach § 10d Abs. 3 Sätze 4 und 5 Einkommensteuergesetz in der für das Jahr 1996 geltenden Fassung (EStG) bei der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum Ende 1996 anzusetzen. In gleicher Weise löste der geänderte Feststellungsbescheid vom ... Januar 2005 eine erneute Anpassungsverpflichtung aus. Für das FA verbindlich ist die Regelung des zuletzt ergangenen Grundlagenbescheides. Denn der geänderte Grundlagenbescheid vom 21. Januar 2005 hat sowohl den ursprünglichen Grundlagenbescheid vom 1. November 1995 bzw. als auch sämtliche nachfolgenden geänderten Grundlagenbescheide einschließlich desjenigen vom 25. Januar 2000 in seinen Regelungsinhalt mit aufgenommen. Der Folgebescheid - der ESt-Änderungsbescheid 1996 vom 17. Januar 2005 bzw. 7. November 2005 - und dessen weiterer Folgebescheid - die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum Ende 1996 - ergingen jeweils innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntgabe der geänderten Feststellungsbescheide vom ... Oktober 2004 bzw. vom ... Januar 2005 und somit innerhalb der Fristhemmung des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO. Die Feststellungsfrist für die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum Ende 1996 hatte daher im Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsbescheide (vom 17. Januar 2005 bzw. 7. November 2005) noch nicht geendet, weil die Festsetzungsfrist für die Festsetzung der ESt 1996 insoweit noch nicht abgelaufen war (§ 10d Abs. 4 Satz 6 EStG).

c) Der Ablauf der Festsetzungsfrist des ESt-Bescheids 1996 und damit auch der Feststellungsfrist des Bescheids über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum Ende 1996 richtet sich somit alleine nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO. Damit gehen die Ausführungen des Klägers zu § 181 Abs. 5 AO insoweit fehl. Die Frage des Hinweises nach § 181 Abs. 5 AO wäre in einem Verfahren gegen den Feststellungsbescheid über die Beteiligungseinkünfte an der S-OHG zu klären und wäre dort auch nur dann von Bedeutung, wenn die Frist für die Feststellung der Einkünfte der S-OHG abgelaufen gewesen wäre. Für letzteres sind keine Anhaltspunkte ersichtlich und auch nichts vorgetragen. Im Übrigen wäre diese Frage im Verfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid für die S-OHG zu klären (vgl. BFH in BFH/NV 2005, 930 unter 3.).

d) Entgegen den Ausführungen des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung ergibt sich auch aus dem BFH-Urteil vom 24. Oktober 2007 (XI R 31/06, BFH/NV 2008, 378) nichts anderes. Denn in diesem Urteil hat der BFH sehr wohl die Hemmung der Festsetzungsfrist des Folgebescheides nach § 171 Abs. 10 AO im Ausmaß der Bindungswirkung des Grundlagenbescheides bejaht. Allerdings hatte dort das FA den hieraus nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eröffneten Änderungsrahmen mit einer Fehlersaldierung nach § 177 Abs. 2 AO ausgeschöpft (siehe im zitierten Urteil unter Tz. II. 1. b). Im Ergebnis bestätigt daher dieses Urteil das hier gefundene Ergebnis.

Im Ergebnis erfolgte die Anpassung des ESt-Bescheids 1996 und damit der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum Ende 1996 innerhalb der (gehemmten) offenen Verjährungsfrist.

2. Das FA hat rechtlich zutreffend auch den Verlustvortrag nach 2000 an die geänderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum Ende 1996 angepasst (Folgeänderung).

a) Der geänderte Feststellungsbescheid über den verbleibenden Verlustabzug zur ESt zum Ende 1996 ist Grundlagenbescheid für die Feststellungen des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt der Folgejahre bis hin zum Verbrauch des Verlusts in der ESt-Veranlagung 2000. Insoweit ist auch der ESt-Bescheid für 2000 Folgebescheid der Folgebescheids-"kaskade". Die Voraussetzungen des § 10d Abs. 3 Sätze 4, 5 AO sind gegeben, weil sich die maßgeblichen Beträge geändert haben. An der Festsetzungsverjährung des Folgebescheids bzw. der Folgebescheide scheitert die Folgeänderung nicht, weil sie innerhalb der regulären Festsetzungsverjährung für die ESt 2000 erfolgte (Verjährung zum Ende 2005). Im Übrigen griffe auch hier die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO ein. Innerhalb dieser Frist - nämlich mit dem ESt-Bescheid für 2000 vom 17. Januar 2005 (und erneut am 7. November 2005 sowie am 11. Juli 2007) - erfolgte die Anpassung an den Grundlagenbescheid - hier den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum 31. Dezember 1996 vom selben Tag.

b) Auch hier gehen die Ausführungen des Klägers zum fehlenden Hinweis nach § 181 Abs. 5 AO fehl. Diese Vorschrift regelt nur den Fall, dass der Erlass des Grundlagenbescheids - für sich und isoliert betrachtet - bereits verjährt wäre. Sein Erlass ist dann nach § 181 Abs. 5 AO gleichwohl - wenn auch mit beschränktem Regelungsgehalt - insoweit möglich, als die abhängige Steuerfestsetzung noch nicht verjährt ist. Der hier zur Entscheidung stehende Sachverhalt ist anders: Der Grundlagenbescheid (Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum Ende 1996) erging in offener gehemmter Frist (siehe oben unter 1). Eine Feststellungsverjährung war also gerade noch nicht eingetreten. Es liegt somit kein Fall des § 181 Abs. 5 AO vor.

c) Schließlich kann der Kläger auch nicht mit seinem sinngemäßen Vortrag durchdringen, eine Änderungsmöglichkeit nach § 129 AO, die nur innerhalb eines Jahres (§ 171 Abs. 2 AO) erfolgen könne, verdränge die Änderungsmöglichkeit nach § 175 Abs. 1 AO (mit der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO). Nach der Konzeption des § 171 AO stehen beide Ablaufhemmungen unabhängig nebeneinander. Ein Vorrang oder gar der Verbrauch der Änderungsmöglichkeit nach § 175 Abs. 1 AO bzw. § 10d Abs. 3 Sätze 4 und 5 EStG durch den Ablauf der für die Änderung nach § 129 AO geltenden Fristhemmung kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Vielmehr gibt der BFH der materiellen Richtigkeit des Folgebescheides den Vorrang vor der Bestandskraft oder etwaigen Vertrauensschutzerwägungen (siehe BFH in BFH/NV 2005, 930 unter 1. b).

3. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch ein anderer Revisionsgrund des § 115 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) vorliegt. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch das zitierte Urteil des BFH vom 29. Juni 2005 (in BFH/NV 2005, 1749) im Sinne des FA geklärt. Eine Änderung der Rechtsauffassung des BFH ist nicht zu erwarten.

4. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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