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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 03.12.2008
Aktenzeichen: 1 K 2183/07
Rechtsgebiete: EStG, FGO, SGB V
Vorschriften:
EStG § 12 | |
EStG § 33 Abs. 1 | |
EStG § 33 Abs. 2 | |
FGO § 105 Abs. 5 | |
SGB V § 278 |
In der Streitsache
...
hat der 1. Senat des Finanzgerichts München
unter Mitwirkung
ohne mündliche Verhandlung
am 3. Dezember 2008
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I. Streitig ist, ob die Klägerin Aufwendungen für den Besuch eines Fitnessstudios als außergewöhnliche Belastungen geltend machen kann.
Die Kläger werden vom Beklagten - dem Finanzamt (FA) - für das Streitjahr 2004 zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt.
Im ESt-Bescheid für 2004 vom 28. November 2005 (und dem Folgebescheid) wich das FA insoweit von der eingereichten Erklärung ab, als es Aufwendungen für den Besuch eines Fitnessstudios - Jahresbeitrag 448 EUR und Fahrtkosten 1.622,40 EUR nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zuließ. Da die Summe der weiteren angegebenen Belastungen unter der Zumutbarkeitsgrenze des § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) lag, erfolgte kein Ansatz außergewöhnlicher Belastungen.
Die Kläger trugen im Einspruchsverfahren und nach dessen Erfolglosigkeit nunmehr mit ihrer Klage vor, der Besuch des Studios zur Durchführung rückenmuskulaturstärkender Übungen sei aus ärztlicher Sicht und insbesondere um dauerhafte Folgeschäden zu vermeiden, empfohlen. Entsprechende Bescheinigungen eines Praktischen Arztes vom 25. Februar 2004 und vom 7. Dezember 2005 legten sie vor (auf diese wird verwiesen, Bl. 13, 34 des Gehefts "Rechtsbehelfsverfahren"). Darüber hinaus legten sie im Einspruchsverfahren ein amtsärztliches Attest vom 30. Januar 2006 vor, das die Erforderlichkeit des durchgeführten Trainingsprogramms aus medizinischen Gründen bestätigt (Bl. 39 des Gehefts). Die Krankenkasse der Klägerin bestätigte unter dem 8. Juni 2006, dass sie niemals die Kosten für ein Fitnessstudio erstattet oder in irgendeiner Form bezuschusst habe (Bl. 46 des Gehefts). Ein vom 20. Januar 2006 datierendes Schreiben des Fitnessstudios bestätigt, dass die Klägerin unter Aufsicht und Anleitung von ausgebildeten Trainern nach einem speziell für sie gestalteten Übungsprogramm trainiert. Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 18. Mai 2007 als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung des ESt-Bescheides für 2004 zuletzt vom 26. März 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 2007 einen zusätzlichen Betrag von 2.071 EUR als außergewöhnliche Belastungen anzusetzen und die ESt entsprechend niedriger festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bezieht sich im Wesentlichen auf die EE, auf die wegen der dortigen Rechtsausführungen im Einzelnen verwiesen wird. Im Übrigen verweist es auf eine Auskunft der Krankenversicherung der Klägerin - X -, nach der eine Wirbelsäulengymnastik oder eine Rückenschule bei medizinischer Indikation und ärztlicher Verordnung auch von der Krankenkasse übernommen wird.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II. Die Klage ist nicht begründet.
Das FA hat rechtlich zutreffend den Ansatz der Aufwendungen für den Besuch des Fitnessstudios als außergewöhnliche Belastungen abgelehnt.
Nach § 33 Abs. 1 EStG ermäßigt sich die Einkommensteuer, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung).
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind krankheitsbedingte Maßnahmen und die dadurch veranlassten Aufwendungen regelmäßig aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig, soweit sie entweder der Heilung dienen oder den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglicher zu machen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. Juni 1991 III R 102/89, BStBl II 1991, 763 m.w.N.). Aufwendungen für die Ausübung eines Sports sind dagegen grundsätzlich nicht zwangsläufig i. S. des § 33 Abs. 1 und 2 EStG; sie zählen zu den gemäß § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1971 VI R 80/68, BStBl II 1972, 14). Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Sport betrieben wird, um eine Krankheit oder ein Gebrechen zu heilen oder zu seiner Besserung oder Linderung beizutragen. Diese Voraussetzungen sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH durch eine im Vorhinein ausgestellte amts- oder vertrauensärztliche Bescheinigung nachzuweisen (vgl. insbesondere BFH-Urteile vom 30. Juni 1995 III R 52/93, BStBl II 1995, 614 und 14. August 1997 III R 67/96, BStBl II 1997, 732 m.w.N.). Der Sport muss außerdem nach genauer Einzelverordnung und unter Verantwortung eines Arztes, Heilpraktikers oder einer sonst zur Ausübung der Heilkunde zugelassenen Person betrieben werden (vgl. z.B. BFH-Urteil in BStBl II 1997, 732 m.w.H.).
Wegen der Schwierigkeit der Beurteilung der medizinischen Indikation von Maßnahmen, die nicht ihrer Art nach eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können (zu dem anderenfalls ausreichenden Nachweis der medizinischen Indikation durch eine ärztliche Verordnung siehe z.B. BFH-Urteil vom 6. April 1990 III R 60/88, BFHE 161, 432, BStBl II 1990, 958), verlangt die durch das BFH-Urteil vom 14. Februar 1980 (VI R 218/77, BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295) eingeleitete neuere Rechtsprechung des BFH grundsätzlich ein vorher ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten, aus dem sich die medizinische Notwendigkeit der betreffenden Maßnahme klar ergibt. Denn nicht das FA, sondern nur der rechtzeitig eingeschaltete Amtsarzt oder etwa der Medizinische Dienst einer öffentlichen Krankenversicherung nach § 278 des Sozialgesetzbuches V (SGB V), der frühere vertrauensärztliche Dienst nach § 369b der Reichsversicherungsordnung a.F. (BFH-Urteil in BFHE 178, 81, BStBl II 1995, 614), besitzt zugleich Sachkunde und die notwendige Neutralität, um die medizinische Indikation solcher nicht nur für Kranke nützlichen Maßnahmen ohne die für den behandelnden Arzt bestehende Gefahr einer Störung des Vertrauensverhältnisses zu seinem Patienten objektiv beurteilen zu können. Da auch Maßnahmen, wie sie die Klägerin in Anspruch genommen hat, zumal wenn sie in einem auch von gesunden Menschen besuchten Fitnessstudio durchgeführt werden, ihrer Art nach nicht eindeutig rein medizinische Maßnahmen einer Heilbehandlung darstellen, muss auch für sie das Erfordernis einer vorherigen amts- oder vertrauensärztlichen Begutachtung gelten (zu alledem vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1997, 732).
Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze - denen sich der erkennende Senat anschließt - auf den Streitfall kann die Klage keinen Erfolg haben, weil das amtsärztliche Bestätigungsschreiben vom 30. Januar 2006 stammt, also erst mehr als ein Jahr nach Ablauf des streitgegenständlichen Veranlagungszeitraums eingeholt wurde. Vom Erfordernis einer vorherigen amtsärztlichen Begutachtung kann auch nicht ausnahmsweise abgewichen werden. Das Gericht folgt insoweit der Begründung der EE und sieht von einer weiteren Begründung nach § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ab. Im Übrigen verweist das Gericht auf die Entscheidung des BFH in BStBl II 1997, 732, wo dieser in einem vergleichbaren Fall ebenfalls am Erfordernis der vorherigen Begutachtung festgehalten hat und die Möglichkeit eines ausnahmsweisen Abweichens verneint.
2. Darüber hinaus scheitert die Anerkennung der Aufwendungen für den Studio-Besuch auch daran, dass keine ausreichend detaillierte "Programmierung" des Übungsprogramms durch einen Arzt bzw. eine vergleichbare zur Ausübung der Heilkunde gesetzlich zugelassene Person nachgewiesen wurde. Durch die Instruktion eines Trainers, die zu den üblichen Leistungen eines Sportstudios gehören, wird diese "Programmierung" nicht ersetzt. Auch insoweit folgt das Gericht der EE, die die vom BFH ausführlich in BStBl II 1997, 732 unter 2. dargestellten Grundsätze zutreffend auf den Streitfall anwendet und sieht von einer weiteren Begründung nach § 105 Abs. 5 FGO ab.
3. Schließlich muss die Klage auch unter dem dritten vom BFH in BStBl II 1997, 732 ausgeführten Gesichtspunkt scheitern. Der Kläger hat die auf ihn zukommende Belastung nicht dadurch vermieden, dass er etwa die Voraussetzungen für eine Übernahme der Kosten durch die Krankenversicherung geschaffen bzw. dort Ansprüche angemeldet und betrieben hat. Im Übrigen zeigt die Tatsache, dass der Besuch eines Sportstudios unter den gegebenen Umständen nicht von der Krankenkasse erstattet wird, dass auch für die Erstattung durch die Krankenkasse ähnliche Voraussetzungen gegeben sein müssen, wie für die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung.
4. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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