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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 07.11.2005
Aktenzeichen: 1 K 2208/05
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 2208/05

Einkommensteuer 1999 Gewerbesteuermessbetrag 1999

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht München, 1. Senat,

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07. November 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Streitig ist die Änderung der bestandskräftigen Festsetzung der Einkommensteuer (ESt) 1999 und des Gewerbesteuermessbetrages (GewSt-Messbetrag) 1999 aufgrund neuer Tatsachen.

Die Klägerin wurde im Streitjahr beim Beklagten - dem Finanzamt (FA) - zur ESt veranlagt.

Die Klägerin verkauft Kurzbeiträge an Fernsehsender und erhält hierfür Honorare. Diese erklärte sie in der von ihrer Steuerberaterin gefertigten und selbst unterschriebenen ESt-Erklärung für 1999 als solche aus freiberuflicher "journalistischer Tätigkeit". Darüber hinaus erhielt sie - nach eigener Angabe unaufgefordert -Zahlungen von Firmen, deren Produkte sich offenbar aufgrund der ausgesendeten Beiträge besser verkauften. Diese Zahlungen ordnete die Steuerberaterin den gewerblichen Einkünften zu und erklärte sie in der Anlage GSE als solche unter der Bezeichnung "PR-Service".

Der ESt-Bescheid für 1999 vom 16. Mai 2001 ist den Erklärungen der Klägerin folgend ergangen.

Die Festsetzung des GewSt-Messbetrages für 1999 vom 23. April 2001 blieb zunächst ohne Widerspruch. Mit Schreiben vom 21. August 2003 beantragte die Klägerin abweichend von ihren Erklärungen in den Steuererklärungsformularen die Umqualifizierung der dort als gewerbliche Einkünfte erklärten Beträge aus "PR-Service" in solche aus freiberuflicher Tätigkeit. Das Finanzamt (FA) lehnte eine Änderung im Hinblick auf die Bestandskraft der Bescheide mit Schreiben vom 27. August 2003 ab. Der Einspruch der Klägerin blieb mit Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2005 erfolglos.

Mit Ihrer Klage verfolgt die Klägerin die Änderung der vorstehenden Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) weiter. Sie trägt vor, dass sie kein grobes Verschulden daran treffe, dass Ihre als "gewerblich" erklärte Tätigkeit nicht so detailliert dargestellt worden sei, dass sie vom FA zutreffend als freiberuflich hätte erkannt werden können. Darüber hinaus treffe die Verantwortung an dem Missverständnis ihre Steuerberaterin. Sie selbst habe diese jedoch stets ausreichend informiert.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des ESt-Bescheides für 1999 vom 16. Mai 2001 die ESt für 1999 neu festzusetzen und dabei die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 258.449,--DM niedriger, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit um diesen Betrag höher anzusetzen sowie unter Änderung des Bescheides über die Festsetzung des GewSt-Messbetrages für 1999 vom 23. April 2001 den GewSt-Messbetrag neu auf 0,--DM festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA verweist im Wesentlichen auf die Bestandskraft der Bescheide. Darüber hinaus äußert es Zweifel, ob die Firmenzahlungen tatsächlich als freiberufliche Einkünfte zu qualifizieren seien.

II.

Die Klage ist nicht begründet.

Die streitgegenständlichen Bescheide sind bestandskräftig. Die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO liegen nicht vor.

Bestandskräftige Bescheide dürfen nach § 172 Abs. 1 AO nur aufgehoben oder geändert werden, wenn - wie im Streitfall nicht - ein Antrag oder eine Zustimmung des Steuerpflichtigen vor Ablauf der Einspruchsfrist erfolgte oder eine Änderung gesetzlich zugelassen ist. Im Streitfall kommt als Änderungsvorschrift lediglich § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht. Danach ist eine Änderung aufgrund neuer Tatsachen zu Gunsten des Steuerpflichtigen nur dann möglich, wenn diesen kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden trifft.

Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige nach ständiger Rechtsprechung Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2). Ob ein Beteiligter grob fahrlässig gehandelt hat, ist im Wesentlichen Tatfrage. Im Rahmen des § 173 Absatz 1 Nr. 2 Satz 1 AO muss der Steuerpflichtige ein grobes Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung und Überprüfung der Bescheide in gleicher Weise vertreten, wie das Verschulden eines Bevollmächtigten (vgl. BFH-Urteil vom 03.02.1983 IV R 153/80, BStBl II 1983, 324). Eigenes grobes Verschulden des Steuerpflichtigen hat die Rechtsprechung z.B. bejaht, wenn der Steuerpflichtige eine vorgefertigte Steuererklärung ungeprüft unterzeichnet (BFH-Urteil vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2), seinen Steuerberater mangelhaft unterrichtet (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1998 IX R 14/97, BFH/NV 1999, 743), oder wenn der Steuerpflichtige seine Erklärungspflicht schlecht erfüllt, indem er unzutreffende oder unvollständige Erklärungen abgibt (Urteile in BStBl II 1983, 324; in, BStBl II 1984, 2, und vom 29. Juni 1984 VI R 181/80, BFHE 141, 232, BStBl II 1984, 693).

Unterstellt, die Zahlungen der Firmen wären materiellrechtlich den freiberuflichen Einkünften der Klägerin zuzuordnen, wäre die Erklärung als gewerbliche Einkünfte in der Steuererklärung falsch gewesen. Das FA hätte von den detaillierten Umständen der Zahlungen erst nachträglich erfahren, so dass unter der genannten Voraussetzung diese Tatsachen erst nachträglich bekannt geworden wären.

Allerdings kommt eine Änderung schon deshalb nicht in Betracht, weil ein von der Klägerin zu vertretendes grobes Verschulden zu bejahen ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerin selbst das Verschulden trifft, oder ob sie das ihrer Beraterin zu vertreten hat.

Das Gericht musste daher nicht ermitteln, ob die Klägerin ihre Beraterin damals nicht hinreichend über den Charakter ihrer Tätigkeit informiert hatte, oder ob die Beraterin die Verantwortung für das vorgetragene Informationsdefizit trägt. In beiden Fällen wäre grobes Verschulden der Antragstellerin zuzurechnen.

Darüber hinaus haben sich Berater und Antragstellerin offenkundig Gedanken über die Zuordnung der Einkünfte zu § 18 oder § 15 EStG gemacht, weil sie beide Einkunftsarten erklärt haben. Auch hat die Antragstellerin die vorbereiteten Erklärungen unterschrieben. Selbst wenn die Qualifikation der streitigen Zahlungen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf einer Fehleinschätzung der Steuerberaterin beruhte, wäre diese als grobes Verschulden der Steuerpflichtigenseite zuzurechnen. Gleiches gilt, wenn bei einer solchen Sachlage das FA nicht besonders auf das Zuordnungsproblem hingewiesen wird, ein entsprechender Sachvortrag unterbleibt und Einspruchsfristen ungenutzt bleiben. Die der Bestandskraft innewohnende Rechtssicherheit genießt gegenüber Fehleinschätzungen Vorrang, weil anderenfalls Rechtsbehelfsfristen ihrer Funktion beraubt würden.

Auch die vorgelegten Äußerungen des Wirtschaftsministeriums und der Agentur für Arbeit ändern an dem der Klägerin zuzurechnenden groben Verschulden nichts. Wenn - wie die Klägerin vorträgt - sie aufgrund dieser Äußerungen stets davon ausgegangen ist, dass auch die Firmenzahlungen der freiberuflichen Tätigkeit zuzuordnen sind, so ist es angesichts der überschaubaren steuerlichen Verhältnisse nicht erklärlich, dass sie die Erklärung unterschrieb, obwohl die Steuerberaterin diese Zahlungen einem Gewerbebetrieb zuordnete. Ein solches Unterlassen begründete für sich genommen bereits den Vorwurf eines groben Verschuldens.

Da eine Änderung der angegriffenen Bescheide schon nach dem Vorstehenden ausscheidet, kann das Gericht dahingestellt lassen, ob der Antragstellerin gefolgt werden könnte, dass die Firmenzahlungen der freiberuflichen Tätigkeit der Antragstellerin zuzuordnen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 der Finanzgerichtsordnung.

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.



Ende der Entscheidung

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