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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 07.03.2007
Aktenzeichen: 1 K 2578/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9a Nr. 1a
EStG § 33 Abs. 1
EStG § 33 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 2578/06

In der Streitsache

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

... sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und ...

ohne mündliche Verhandlung

am 7. März 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Streitig ist der Ansatz von Werbungskosten und Sonderausgaben.

Die Kläger werden für das Streitjahr 2004 beim Beklagten - dem Finanzamt (FA) - zur Einkommensteuer (ESt) zusammen veranlagt. Der ESt-Bescheid für 2004 vom 11. August 2005 erging im Wesentlichen unter Übernahme der erklärten Zahlen. Mit ihrem Einspruch reichten die Kläger Belege über Einkünfte aus Kapitalvermögen der Ehefrau einschließlich der einbehaltenen Zinsabschlagsteuer sowie die Anlagen VL der Ehefrau ein. Diese Unterlagen berücksichtigte das FA im Änderungsbescheid vom 29. September 2005. Der hiergegen eingelegte erneute Einspruch der Kläger wurde trotz mehrfacher Aufforderung durch das FA nicht begründet und schließlich in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 1. Juni 2006 zurückgewiesen.

Mit ihrer Klage legten die Kläger Aufstellungen und Belege unter der Überschrift "Außergewöhnliche Belastungen" und "Werbungskosten" vor.

Das FA berücksichtigte einen unter "Werbungskosten" geltend gemachten Betrag für Steuerliteratur als Steuerberatungskosten bei den Sonderausgaben. Die übrigen als Werbungskosten geltend gemachten Beträge ließ es außer Ansatz, weil es die berufliche Veranlassung der Aufwendungen nicht nachvollziehen konnte und ein Ansatz darüber hinaus schon deshalb keine steuerliche Auswirkung haben konnte, weil die Aufwendungen lediglich den bereits gewährten Arbeitnehmerpauschbetrag von 920 EUR abgeschmolzen hätten, ohne zu einem höheren Werbungskostenansatz zu führen.

Die geltend gemachten "außergewöhnlichen Belastungen" konnten nach Ansicht des FA insoweit nicht anerkannt werden, als es sich um Prozess- und Gerichtskosten in Sachen Wohngeldantrag und um Aufwendungen für Arzneimittel u.Ä. handele. Erstere seien nach der Rechtsprechung nicht zwangsläufig, letztere nur mit 407,94 EUR anzuerkennen, weil ihre Notwendigkeit nicht durch ärztliche Verordnung nachgewiesen sei. Die übrigen geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 1.127 EUR lägen unter der zumutbaren Eigenbelastung der Kläger von 1.444 EUR.

Die Kläger beantragen sinngemäß

unter Aufhebung der ESt-Bescheide vom 1. August 2005 und 29. September 2005 und der EE vom 1. Juni 2006 die ESt für 2004 neu festzusetzen und bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens - nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung - einen Betrag von 769 EUR als außergewöhnliche Belastungen (Überbelastung) abzuziehen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist insbesondere auf seine Stellungnahme vom 25. September 2006.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II.

Die Klage ist nicht begründet.

Das Finanzamt hat mit zutreffender Begründung die geltend gemachten Werbungskosten in Höhe von 140,49 EUR unberücksichtigt gelassen. Diese Beträge würden - unterstellt die berufliche Veranlassung wäre nachgewiesen - lediglich den gewährten Freibetrag von 920 EUR gem. § 9a Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausfüllen und hätten somit keine Auswirkung auf das zu versteuernde Einkommen.

Das FA hat im Ergebnis ebenfalls zutreffend die geltend gemachten "außergewöhnlichen Belastungen" nicht bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigt.

1. Prozesskosten Nach § 33 Abs. 1 EStG kann die Einkommensteuer ermäßigt werden, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen sind in diesem Sinne zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 EStG). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die aufgeführten Gründe der Zwangsläufigkeit von außen, das heißt vom Willen der Steuerpflichtigen unabhängig, auf ihre Entschließung in einer Weise einwirken, dass sie ihnen nicht ausweichen können (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH--vom29. November 1991 III R 192/90, BFH/NV 1992, 457 , m.w.N.).

Von dem allgemeinen Grundsatz, dass Prozesskosten regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind (vgl. Schmidt/Drenseck, EStG, 25. Aufl., § 33 Rz. 35 "Prozesskosten", m.w.N.) hat der BFH zwar Ausnahmen sowohl für die Kosten eines Zivilprozesses als auch eines Verwaltungsprozesses anerkannt (z.B. BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 , m.w.N., und BFH-Beschluss vom 17. September 1999 III B 38/99, BFH/NV 2000, 315 , m.w.N.). Der BFH lässt Prozesskosten aber nur dann ausnahmsweise zum Abzug zu, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit trotz unsicheren Ausgangs einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (vgl. BFH-Urteil in BFHE 181, 12 , BStBl II 1996, 596; BFH-Urteil vom 20. April 2006 III R 23/05, BFH/NV 2006, 1916).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Die geltend gemachten Aufwendungen betreffen einen Prozess um die Rückforderung von Wohngeld. Angesichts der Einkommensverhältnisse der Kläger war dieser Prozess nicht existenziell in dem oben genannten Sinne (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 17.09.1999 III B 38/99, BFH/NV 2000, 315).

2. Medikamente In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten -ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen.

Eine derartig typisierende Behandlung der Krankheitskosten hält die Rechtsprechung zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre für geboten.

Berücksichtigungsfähig sind allerdings nur solche Kosten, die zum Zwecke der Heilung oder mit dem Ziel aufgewendet werden, die Krankheit erträglich zu machen. Nicht zu den Krankheitskosten gehören deshalb vorbeugende Aufwendungen, die der Gesundheit ganz allgemein dienen (BFH-Urteil vom 11. Januar 1991 III R 70/88, BFH/NV 1991, 386). Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für Arzneimittel werden nach der BFH-Rechtsprechung als außergewöhnliche Belastung in der Regel nur anerkannt, wenn ihre durch Krankheit bedingte Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen ist (BFH-Urteil vom 5.Dezember 1968 IV 79/65 , BStBl II 1969, 260 ; bestätigt durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9.Mai 1969 1 BvR 228/69 , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1969, 346).

Zu den geltend gemachten Aufwendungen für Medikamente und Stärkungsmittel haben die Kläger keine ärztliche Verordnung vorgelegt. Zumindest bei dem vom FA nicht anerkannten Betrag handelt es sich auch nicht um Medikamente, die zur Behandlung einer länger dauernden Krankheit benötigt werden, deren Vorliegen schon früher nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wurde und die einen laufenden Verbrauch bestimmter Medikamente erfordert (BFH-Urteil vom 6. April 1990 III R 60/88, BStBl II 1990, 958). Vielmehr handelt es sich im vorliegenden Fall u.a. um Stärkungsmittel und Nahrungsergänzungsmittel, die nicht die obigen Voraussetzungen erfüllen.

3. Die Zwangsläufigkeit der danach verbleibenden Aufwendungen kann der Senat dahingestellt sein lassen, da sie - unterstellt, sie wären als außergewöhnliche Belastungen dem Grunde nach zu berücksichtigen - jedenfalls unter der zumutbaren Belastung der Kläger gem. § 33 Abs. 3 EStG liegen.

4. Die als Sonderausgaben zu berücksichtigenden Aufwendungen für Steuerliteratur führen zu einer um 2 EUR niedrigeren Steuer, die nach § 1 Abs. 1 der Kleinbetragsverordnung nicht zu einer geänderten Steuerfestsetzung führt. Die ursprünglich auf Grund der Ermächtigung durch § 156 der Abgabenordnung durch das Bundesministerium der Finanzen erlassene und durch Gesetz vom 19.12.2000 (BGBl. I 2000, 1790) durch den Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates bestätigte und geänderte Verordnung ist auch durch die Finanzgerichte zu beachten, wenn sie die Steuer durch Urteil abweichend festsetzen, weil die Steuerfestsetzung durch das Gericht den Steuerpflichtigen nicht schlechter, aber auch nicht besser stellen soll, als eine Festsetzung im Verwaltungsverfahren (vgl. noch zur ursprünglichen Fassung: Urteil des FG Nürnberg vom 17. März 1982 V 195/81, EFG 1982, 479).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.



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