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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 25.09.2007
Aktenzeichen: 1 K 2892/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1
EStG § 12
EStG § 33
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 2892/05

In der Streitsache

...

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

sowie der ehrenamtlichen Richter ... und ...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I. Streitig ist, ob die Rückzahlung eines vom Arbeitsamt zur Deckung des Unterhalts während einer Fortbildung ausgereichten Darlehens zu einer Minderung des Einkommens als außergewöhnliche Belastungen oder Werbungskosten führt.

Die Kläger werden vom Beklagten -dem Finanzamt (FA) -für das Streitjahr 2002 zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt.

Im Jahr 2002 erzielte der Kläger im Wesentlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Anwendungsentwickler. In seiner ESt-Erklärung für dieses Jahr machte er einen Betrag von 7.117,76 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend. Hierbei handelte es sich nach Angabe des Klägers um die "Rückzahlung von Unterhaltsgeld auf Darlehensbasis für Fortbildung beim Arbeitsamt". Die Rückzahlung sei wegen Arbeitslosigkeit und Zinslosigkeit des Darlehens hinausgezögert worden. Die Fortbildung sei notwendig gewesen, um die heutige Tätigkeit als Anwendungsentwickler auszuüben.

In seinem ESt-Bescheid vom 3. September 2004 lehnte das FA den steuermindernden Ansatz dieses Betrages mit der Begründung ab, die ursprüngliche Leistung des Unterhaltsgeldes sei nicht versteuert worden, weshalb auch eine steuerliche Berücksichtigung der Rückzahlung ausscheide.

Ihren Einspruch begründeten die Kläger mit der Verwendung des Darlehens für Fortbildungszwecke. Die Fortbildung habe mit Erfolg geendet, weshalb der Betrag als zusätzliche Werbungskosten anzuerkennen sei. Telefonisch erläuterte die Klägerin gegenüber dem FA, das Darlehen habe der Kläger nach längerer Arbeitslosigkeit für eine Umschulung erhalten. Als das Arbeitsamt die Rückzahlung gefordert habe, hätten sie mangels eigener Mittel von ihrem Vater Geld hierfür erhalten, das sie derzeit mit monatlich 150 EUR zurückzahlten. Das FA forderte daraufhin verschiedene Nachweise an (Schreiben vom 9. Juni 2005), die jedoch nicht vorgelegt wurden. Schließlich wies das FA den Einspruch in seiner Einspruchsentscheidung (EE) vom 12. Juli 2005 als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage tragen die Kläger vor, das Arbeitsamt habe dem Kläger im Jahre 1989 zur Förderung beruflicher Fortbildung und Umschulung gem. § 44 Abs. 2a des Arbeitsförderungsgesetzes ein rückzahlbares Darlehen gewährt, um ihm die Teilnahme an einer einjährigen Ganztagsschulung für die Qualifikation als Kommunikationsprogrammierer zu ermöglichen. Er sei damals fast ein Jahr arbeitslos gewesen und habe entsprechend den Auflagen des Arbeitsamtes ein Jahr seiner Arbeitskraft für den Schulbesuch aufgewendet. Nach erfolgreichem Abschluss habe er eine Arbeit gefunden. Das Darlehen in Höhe von 6.370,08 EUR zuzüglich 744,68 EUR Darlehensnebenkosten habe er im Jahr 2002 zurückgezahlt. Weiter beantrage er nunmehr im Jahr 1990 entstandene Werbungskosten in Höhe von 751,60 EUR (auf die mit der Klageschrift eingereichte Aufstellung wird verwiesen).

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des ESt-Bescheids für 2002 vom 3. September 2004 und der hierzu ergangenen EE vom 12. Juli 2005 die ESt für dieses Jahr neu festzusetzen und dabei zusätzliche Werbungskosten in Höhe von 7.866,21 EUR bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zum Abzug zu bringen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bezieht sich im Wesentlichen auf die EE, auf die wegen der dortigen Rechtsausführungen im Einzelnen verwiesen wird.

Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2007 wird verwiesen.

II. Die Klage ist nicht begründet.

Bei den streitgegenständlichen Zahlungen zur Tilgung des Darlehens handelt es sich nicht um Werbungskosten oder um außergewöhnliche Belastungen.

1. Nach § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Ausgaben sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind (§ 11 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Soweit der Kläger die steuerliche Berücksichtigung von im Jahr 1990 entstandenen Werbungskosten in Höhe von 751,60 EUR bei der Veranlagung des Jahres 2002 begehrt, kann die Klage schon deshalb keinen Erfolg haben, weil solche Werbungskosten nach dem das deutsche Ertragssteuerrecht bestimmenden Grundsatz der Abschnittsbesteuerung allenfalls im Jahre der Verausgabung, also 1990 zu berücksichtigen wären (§ 11 Abs. 2 Satz 1 EStG). Damit konnte der erkennende Senat dahingestellt sein lassen, ob einzelne dieser geltend gemachten Werbungskosten schon wegen einer Erstattung durch das Arbeitsamt steuerlich außer Ansatz bleiben müssten. Eine solche - jedenfalls teilweise - Erstattung ist in Fällen geförderter Umschulung naheliegend (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs [BFH]vom 13. Oktober 2003 VI R 71/02, BStBl II 2004, 890). Soweit der Vortrag der Kläger dahingehend verstanden werden könnte, dass mit Teilbeträgen aus dem erhaltenen Unterhaltsgeld im Jahr 1990 Werbungskosten bestritten worden seien und die Refinanzierung durch das Arbeitsamtsdarlehen diese Werbungskosten in das Darlehens-Tilgungsjahr verlagere, können die Kläger ebenfalls nicht durchdringen. Die Aufnahme eines Darlehens und dessen Tilgung stellen bei den Überschusseinkünften reine Verschiebungen von Vermögensposten dar und führen weder zu Einnahmen noch zu Werbungskosten (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1971 VI R 209/69, BStBl II 1972, 250; für Sonderausgaben BFH-Urteil vom 15. März 1974 VI R 252/71 BStBl II 1974, 513; vgl. zu Gewinneinkünften die BFH-Urteile vom 2. September 1971 IV 342/65, BStBl II 1972, 334;vom 11. Juli 2007 XI B 184/06, [...]; Heinicke in Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. 383f, 400). Da nach dem Vorstehenden die Berücksichtigung im Streitjahr bereits am Prinzip der Abschnittsbesteuerung scheitert, lässt der erkennende Senat dahingestellt, ob die geltend gemachten Fortbildungskosten dem Grunde nach als Werbungskosten oder Sonderausgaben zu beurteilen wären.

2. Auch unter dem Gesichtspunkt der außergewöhnlichen Belastungen scheidet ein Abzug der Tilgungszahlungen aus.

a) Der Gesetzgeber ordnet in § 12 EStG Ausgaben für die persönliche Lebensführung grundsätzlich dem steuerlich unbeachtlichen Bereich zu. Ausnahmsweise sind auch Aufwendungen in diesem Bereich nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, die außerhalb der normalen Lebensführung in außergewöhnlichen, atypischen und unüblichen Situationen getätigt werden (vgl. Mellinghoff in Kirchhof, EStG- Kompaktkommentar, § 33 EStG, Rz. 31, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Entscheidend für die Bejahung einer außergewöhnlichen Belastung ist nach § 33 Abs. 1 EStG, dass einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen erwachsen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands.

Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Letztere Kriterien dienen der Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 33 EStG auf Fälle, in denen der existenzielle Bereich des Steuerpflichtigen betroffen ist (vgl. Mellinghoff in Kirchhof, EStG-Kompaktkommentar, § 33 EStG, Rz. 31, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Darüber hinaus dient das Kriterium der "Zwangsläufigkeit" aber auch dem Ausscheiden solcher Fallgestaltungen aus dem Bereich der außergewöhnlichen Belastungen, in denen die zugrunde liegende Zwangssituation letztlich auf ein Vorverhalten des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist, das freiwillig war oder jedenfalls stark durch ein willentliches Element mitgeprägt ist.

Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung erwachsen einem Steuerpflichtigen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig nicht zwangsläufig, weil er selbst bei Minderjährigen der Sorgeberechtigte -sich in der Regel frei entscheiden kann, welche Ausbildung er sich zukommen lässt (BFH-Urteil vom 18. April 1990 III R 126/86, BStBl II 1990, 738, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 21.4.1987 III B 165/86, BFH/NV 1987, 501).

Unter dem Gesichtspunkt der Abschnittsbesteuerung erfolgt die zeitliche Zuordnung abziehbarer Aufwendungen entsprechend § 11 Abs. 2 EStG nach dem Zeitpunkt der tatsächlichen Verausgabung (BFH-Urteile vom 30. Juli 1982 VI R 67/79, BFHE 136, 396, BStBl II 1982, 744;vom 30. Juni 1999 III R 8/95, BFHE 189, 371, BStBl II 1999, 766; BFH-Beschluss vom 9. Dezember 2003 III B 135/03, BFH/NV 2004, 339). Dies gilt auch, wenn die Aufwendungen aus einem Darlehen bestritten werden (vgl. BFH-Urteile vom 17. Dezember 1997 III B 155/96, BFH/NV 1998, 850;vom 10. Juni 1988 III R 248/83, BStBl II 1988, 814). Demgegenüber ging die Rechtsprechung vor der zuletzt genanten Entscheidung davon aus, dass kreditfinanzierte Aufwendungen erst im Zeitpunkt der Kreditrückzahlung zu berücksichtigen sind. Folgerichtig führte eine Schuldentilgung dann zu außergewöhnlichen Belastungen, wenn die der Schuldaufnahme zugrunde liegende Schuld einen Aufwand betrifft, der eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG begründen kann, was die Rechtsprechung für Kosten der Lebensführung grundsätzlich verneint hat (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1964 VI 124/63, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung [HFR] 1964, 418). Konsequenterweise hat der BFH hinsichtlich eingegangener Studiendarlehen eine Zwangsläufigkeit verneint. Er begründete dies damit, dass es grundsätzlich Sache der freien Entscheidung des Steuerpflichtigen sei, welcher Ausbildung er sich unterzieht; deshalb seien Ausgaben für das Studium keine außergewöhnlichen Belastungen (BFH-Urteil vom 6. März 1964 VI 133/63 U, BStBl III 1964, 330). Darüber hinaus ergibt sich diese Folge aber auch schon daraus, dass ein Studiendarlehen regelmäßig zum weit überwiegenden Teil die Kosten der Lebensführung des Studenten finanzieren soll. Nach der Rechtsprechungsänderung im Jahr 1988 (BFH-Urteil in BStBl II 1988, 814) ergibt sich die Nichtabziehbarkeit der Tilgungsleistungen für Studiendarlehen schon daraus, dass auch bei einer Darlehensfinanzierung lediglich die ursprünglichen Aufwendungen steuerlich zu beurteilen sind, die Finanzierung also nicht zu einer zeitlichen Verschiebung auf den Zeitpunkt der Tilgung führen kann (Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 3. Dezember 1996 2 K 59/95, Entscheidungen der Finanzgerichte [EFG] 1997, 887, zu BAFöG-Darlehen; Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 9. Juli 2003 5 K 4256/02, [...]). Ebenso hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Schuldzinsen und andere mit einem Kredit in Zusammenhang stehende Aufwendungen grundsätzlich nur dann eine außergewöhnliche Belastung bilden, wenn die Schuldaufnahme durch Ausgaben veranlasst ist, die ihrerseits eine außergewöhnliche Belastung darstellen (vgl. BFH-Urteil vom 3. März 2005 III R 54/03, BFH/NV 2005, 1529, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1997 III B 155/96, BFH/NV 1998, 850, vorgehend FG Münster, Urteil vom 11. Juni 1996 11 K 3857/95 E, EFG 1996, 1224 , zu BAFöG-Darlehen). Damit ist auf die ursprüngliche Verwendung der Darlehensmittel abzustellen. Soweit diese für Kosten der Lebensführung verwendet werden, scheidet die Annahme einer außergewöhnlichen Belastung aus.

b) In einem gewissen Gegensatz hierzu stehen einzelne Entscheidungen, die unter Berufung auf eine früher in den Einkommensteuerrichtlinien (EStR) seit 1925 enthaltene Formulierung (vgl. z.B. EStR 1981 Abschn. 189a Abs. 1 Satz 2) als Ausnahme von den vorstehenden Grundsätzen Tilgungszahlungen auf Schulden, die in Zeiten längerer Arbeitslosigkeit durch Kreditaufnahmen zum Zwecke der Lebensführung begründet wurden, als mögliche außergewöhnliche Belastungen benennen (z.B. BFH-Urteil in HFR 1964, 418). Die EStR nennen konkret eine Dauer der Arbeitslosigkeit von mehr als einem Jahr. Mit den EStR 1984 wurde die maßgebliche Formulierung gestrichen. Fälle solcher durch Arbeitslosigkeit verursachten Kreditaufnahmen hatten danach das FG München (Urteil vom 15. Dezember 1982 I 132/79E, EFG 1983, 412), das FG Nürnberg (Urteil vom 8. August 1984 V 372/83, EFG 1985, 243) und das FG Düsseldorf (Urteil vom 5. Mai 1992 16 K 116/88 E, EFG 1993, 235) zu beurteilen. In sämtlichen Entscheidungen wurde das Vorliegen von außergewöhnlichen Belastungen im Ergebnis verneint. Dabei äußerte das FG München Zweifel, ob die Ausnahmeregelung der EStR auch die Finanzierung üblicher Lebenshaltungskosten umfassen könne. Das FG Nürnberg zweifelte, ob die EStR das Gesetz insoweit zutreffend auslegen.

Der BFH führt in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1964 (in HFR 1964, 418) aus, die Tilgung der Schulden sei in den von der Verwaltung ins Auge gefassten Fällen insofern eine außergewöhnliche Belastung, obwohl die Aufnahme der Schulden der Lebensführung gedient hatte, weil sie neben den Kosten für den laufenden Lebensunterhalt habe erfolgen müssen. Er äußert aber Zweifel, ob dieser Grundsatz in der Zeit der Vollbeschäftigung im Einzelfall angewandt werden könne. In solchen Zeiten beruhe eine Arbeitslosigkeit oft auf einer persönlichen Entscheidung des Steuerpflichtigen, der z.B. auf einen seinen Wünschen entsprechenden oder besser bezahlten Arbeitsplatz wartet oder sich für eine andere Berufstätigkeit vorbereitet. Daher sei in diesen Fällen die Arbeitslosigkeit und damit die spätere Tilgung nicht zwangsläufig. Ohne näheres Eingehen auf diese Fragen hat der BFH eine Arbeitslosigkeit von 8 Monaten jedenfalls für zu kurz gehalten, um eine Außergewöhnlichkeit zu begründen (BFH-Beschluss vom 15. Dezember 1993 X B 47/93, BFH/NV 1994, 707).

c) Der erkennende Senat schließt sich der vorstehend unter a) dargestellten Rechtsprechung an. Mit der neueren Rechtsprechung, dass darlehensfinanzierte Aufwendungen grundsätzlich im Jahr der Aufwendung auf ihre Berücksichtigung nach § 33 EStG zu prüfen sind (BFH- Urteil vom 10. Juni 1988 III R 248/83, BStBl II 1988, 814) und damit ein Darlehen grundsätzlich nicht zu einer zeitlichen Verlagerung in einen späteren Veranlagungszeitraum führen kann, bleibt allerdings für eine Berücksichtigung von Tilgungsleistungen - gleich welchem Grund die Darlehensaufnahme gedient haben mag - kein Raum mehr. Zwar steht dem Steuerpflichtigen, der Tilgungszahlungen zu leisten hat, zweifellos ein geringerer Geldbetrag zur Verfügung, als einem anderen, der solchen Belastungen nicht unterworfen ist. Gleichwohl kann dies - auch in Fällen der durch Arbeitslosigkeit bedingten Verschuldung - nicht als Minderung der Leistungsfähigkeit im Sinne des Gesetzes gewertet werden. Denn auch demjenigen, der z.B. Krankheitskosten nur durch Darlehen zu finanzieren in der Lage war, steht - wenn nur der Zeitraum der späteren Tilgungsleistung betrachtet wird - in diesem Zeitraum ein geringerer Geldbetrag zur Verfügung. Gleichwohl wird die Minderung der Leistungsfähigkeit im Jahr der Verausgabung der ursprünglichen Aufwendungen berücksichtigt. Somit würde bei Anerkennung der Tilgungszahlungen nach Arbeitslosigkeit im Ergebnis derjenige, der - nach einhelliger Ansicht eindeutig -außergewöhnliche Aufwendungen (z.B. krankheitsbedingte) hatte, im Jahr der Tilgung schlechter gestellt, als derjenige, der steuerlich grundsätzlich nicht zu berücksichtigende Lebenshaltungskosten finanziert hat. Diese Schlechterstellung kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass er die Krankheitskosten selbst im Jahr der Aufwendung steuermindernd geltend machen konnte. Denn der Arbeitslose wäre im Jahr der Aufwendung (der Darlehensaufnahme) unter keinem Gesichtpunkt berechtigt gewesen, seine Lebenshaltungskosten steuermindernd abzusetzen.

Darüber hinaus führte die ausnahmsweise Berücksichtigung von Tilgungsleistungen solcher Darlehen, die zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten in Zeiten der Arbeitslosigkeit aufgenommen wurden, zu einer nicht zu rechtfertigenden Besserstellung desjenigen, der arbeitslos war, zu solchen Steuerpflichtigen, die aus anderen Gründen nur in der Lage sind, so geringe Verdienste zu erzielen, dass sie ihre existenziellen Bedürfnisse ebenfalls nur durch ergänzende Darlehensaufnahme befriedigen können. Die bloße Tatsache der Arbeitslosigkeit darf aber nicht zu einer Umqualifizierung von gewöhnlichen Lebenshaltungskosten -die jeden betreffen -in außergewöhnliche Belastungen -die anteilig der Allgemeinheit aufgebürdet würden -führen.

Schließlich setzt die von der unter b) zitierten Rechtsprechung vorausgesetzte Zwangsläufigkeitsprüfung eine Prüfung der Ursächlichkeit der Arbeitslosigkeit für die Darlehensaufnahme voraus, die sich letztlich in der Antwort erschöpft, dass nicht genug Haushaltseinnahmen zur Bestreitung der existenziellen Bedürfnisse da gewesen ist. Die Prüfung der Zwangsläufigkeit erstreckte sich somit weiter auf die Frage, ob die Arbeitslosigkeit selbst zwangsläufig gewesen ist. Die Ursachen letzterer sind jedoch - was bereits in der Entscheidung des BFH von 1964 anklingt - so mannigfaltig, dass eine Beantwortung durch den Tatrichter nahezu unmöglich erscheint, ohne dass dieser sich dem Vorwurf der Willkür aussetzen müsste.

Die Ursachen für eine eingetretene Arbeitslosigkeit sind vielfältig und haben äußerst komplexe Wechselbeziehungen. Gründe können zum Beispiel in persönlichen Eigenschaften des Arbeitswilligen liegen, die potentielle Arbeitgeber von einer Anstellung abhalten, in persönlichen Entscheidungen, die den Arbeitswilligen hindern, etwa in einer anderen Region nach Arbeit zu suchen oder bestimmte Arbeiten anzunehmen, etwa gering bezahlte, mit bestimmten Berufsrisiken behaftete oder solche, die nicht der eigenen Ausbildung oder dem bisherigen beruflichen Status entsprechen. Des weiteren können Krankheit oder Behinderungen, aber auch etwa fehlende oder zu gering oder zu stark ausgeprägte körperliche oder geistige Fähigkeiten die Aufnahme bestimmter Tätigkeiten ausschließen. Schließlich hindern fehlende Befähigungs- bzw. Ausbildungsnachweise die Anstellung für entsprechende Tätigkeiten. Letztlich entscheiden dieselben Ursachen im persönlichen Lebensweg eines jeden darüber, wie er seine existenziellen Bedürfnisse befriedigt oder befriedigen kann, ob er "beruflichen Erfolg" hat oder wie und in welcher Höhe er "am Markt" Geld zu verdienen in der Lage ist, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Es überforderte den Tatrichter in diesem komplexen Gemenge von Ursachen eine "Zwangsläufigkeit" zuzuerkennen. Zu Recht bejaht die Rechtsprechung daher Zwangsläufigkeit im Bereich des § 33 EStG nur in wenigen Fällen, in denen diese auf der Hand liegt und die außergewöhnliche Situation ohne Einfluss des Steuerpflichtigen eingetreten ist, wie durch Krankheit oder Katastrophen. Ähnliche Überlegungen ließen den BFH bereits 1964 zweifeln, ob die Tilgung arbeitslosigkeitsbedingter Schulden in Zeiten der Vollbeschäftigung überhaupt unter § 33 EStG fallen kann. Der erkennende Senat ist der Auffassung dass dies nicht der Fall ist. Er sieht sich nicht in der Lage, der Arbeitslosigkeit eine "Zwangsläufigkeit" zuzuerkennen, die der Unabwendbarkeit von Krankheit oder Katastrophen entspräche -jedenfalls in der wirtschaftlichen Situation Deutschlands seit den 50er Jahren.

d) Bei Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Fall sind die Tilgungszahlungen nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Unterstellt, dass die der Darlehensaufnahme zu Grunde liegenden Aufwendungen außergewöhnliche Belastungen darstellen, wären sie im Jahr der Verausgabung zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 17. Dezember 1997 III B 155/96, BFH/NV 1998, 850;vom 10. Juni 1988 III R 248/83, BStBl II 1988, 814). Die steuerliche Berücksichtigung von Tilgungszahlungen auf wegen Arbeitslosigkeit aufgenommene Schulden scheidet nach dem Vorstehenden grundsätzlich aus. Entsprechendes gilt für darlehensweise gezahltes Unterhaltsgeld. Im Streitfall kommt hinzu, dass der Zeitraum, während dessen der Kläger arbeitslos war, kürzer als ein Jahr war, so dass auch keine von der früheren Richtlinie und der Rechtsprechung vorausgesetzte "längere" Arbeitslosigkeit gegeben war.

3. Schließlich scheidet auch eine Berücksichtigung als "negative Einnahme" im Jahr 2002 aus (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 4. Mai 2006 VI R 33/03, [...]). Selbst wenn das Unterhaltsgeld nicht als Darlehen, sondern als Zuschuss gewährt worden wäre, so würde die Steuerfreiheit des Zuflusses im Jahr 1990 (§ 3 Nr. 2 EStG) nach § 3c Abs. 1 EStG im Gegenzug zur Verneinung negativer Einnahmen oder Werbungskosten im Jahr der Rückzahlung führen (vgl. (vgl. Schmidt, Kommentar zum EStG, 23. Auflage, § 9 Rz. 63, m.w.N.). Entsprechendes ergibt sich für das Darlehen schon aus dem oben unter a) Ausgeführten. Auch der Hinweis der Kläger darauf, dass ihm durch die ganztägige Teilnahme an der Umschulung ein Gehalt in Höhe eines Jahresgehalts eines Informatikers entgangen sei, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Ein Verdienstausfall stellt nach einhelliger Meinung keine Aufwendung i.S. der §§ 33 ff. EStG dar (vgl. BFH 18. August 1995 III B 26/95, BFH/NV 1996, 128). Auch Werbungskosten scheiden insoweit aus (vgl. Schmidt, Kommentar zum EStG, 23. Auflage, § 9 Rz. 3, m.w.N.).

4. Die Revision wird zugelassen, weil die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Bislang war der oben dargestellte Widerspruch zwischen der (neueren) Rechtsprechung zur Abziehbarkeit der ursprünglichen Aufwendungen (und nicht der Darlehenstilgung) und der von der (älteren) BFH-Rechtsprechung (und neuerer Instanzrechtsprechung) erkannten Möglichkeit, dass Tilgungszahlungen bei vorangegangener Arbeitslosigkeit außergewöhnliche Belastungen darstellen können, noch nicht ausdrücklicher Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung. Gleichwohl dürften vergleichbare Fallgestaltungen nicht selten vorkommen. Es erscheint daher sinnvoll, wenn der BFH Gelegenheit erhält, sich zur Kreditaufnahme wegen Arbeitslosigkeit und der Frage, zu welchem Besteuerungszeitraum die Minderung der Leistungsfähigkeit zeitlich zuzuordnen ist, zu äußern.

5. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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