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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 27.05.2009
Aktenzeichen: 1 K 312/08
Rechtsgebiete: AO
Vorschriften:
AO § 284 Abs. 1 | |
AO § 284 Abs. 2 |
In der Streitsache
hat der 1. Senat des Finanzgerichts München
unter Mitwirkung ...
sowie
der ehrenamtlichen Richter ...
und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2009
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I. Streitig ist, ob der Kläger zu Recht zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen wurde.
Gegen den Kläger vollstreckt der Beklagte - das Zentralfinanzamt München (ZFA) - wegen Steuerforderungen. Er wurde für das Jahr 2004 beim Finanzamt M zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt. Aufgrund einer geänderten Steuerfestsetzung ergab sich aus dem ESt-Bescheid 2004 eine Steuernachforderung. Das mit dem Bescheid verbundene Leistungsgebot weist eine Steuerschuld von 69.051 EUR aus. Im noch nicht beendeten Einspruchsverfahren gegen diesen Bescheid beantragten der Kläger und seine Ehefrau mit Schreiben vom 13. November 2007 die getrennte Veranlagung und brachten weitere Einwendungen vor. Der Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung wurde vom FA M am 2. Mai 2007 abgelehnt.
Zusammen mit alten Steuerschulden und steuerlichen Nebenforderungen schuldete der Kläger am 5. Juli 2007 einen Gesamtbetrag in Höhe von 98.733,78 EUR.
Ausweislich einer Mitteilung des Amtsgerichts M - Vollstreckungsgericht - vom 29. Juni 2007 ist der Schuldner nicht im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Ein Vollstreckungsversuch am 2. Juli 2007 in der Wohnung des Schuldners blieb erfolglos. Ebenso blieb im Ergebnis eine Forderungspfändung bei der Kreis- und Stadtsparkasse A ohne Erfolg, weil die Drittschuldnerin vorrangige Pfand- und Zurückbehaltungsrechte an dem Sparguthaben in Höhe von 4.343,64 EUR geltend machte.
Mit Verfügung vom 5. Juli 2007 forderte das ZFA den Kläger auf, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen, und lud ihn zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (VollstrA, Bl. 117) auf den 27. August 2007. Ausweislich der beigefügten Rückstandsaufstellung befand sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt mit der Zahlung von insgesamt 98.733,78 EUR fälligen Steuerschulden im Rückstand. Die mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Verfügung wurde mit Zustellungsurkunde am 10. Juli 2007 zugestellt (VollstrA, Bl. 120). Hiergegen wandte sich der Kläger mit Einspruchsschreiben vom 7. August 2007. Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 17. Dezember 2007 wies das ZFA den Einspruch als unbegründet zurück.
Zur Begründung seines Einspruchs und seiner Klage trägt der Kläger vor, der zugrundeliegende ESt-Bescheid für 2004 sei unzutreffend und über seinen Einspruch noch nicht entschieden. Darüber hinaus habe er getrennte Veranlagung beantragt. Schließlich trägt er - allerdings unsubstanttiert - vor, sein berufliches Fortkommen würde durch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in besonders erheblichem Maße beeinträchtigt. Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen im Klageverfahren verwiesen.
Der Kläger beantragt,
die Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 5. Juli 2007 sowie die Einspruchsentscheidung vom 17. Dezember 2007 aufzuheben.
Das ZFA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist im Wesentlichen auf die EE.
Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 27. Mai 2009 wird verwiesen.
II. Die Klage ist nicht begründet.
1. Nach § 284 Abs. 1 AO hat der Vollstreckungsschuldner der Vollstreckungsbehörde in den dort bezeichneten Fällen auf Verlangen ein Verzeichnis seines Vermögens vorzulegen und für seine Forderungen den Grund und die Beweismittel zu bezeichnen.
Die Anordnungen zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sind Maßnahmen der Vollstreckung und stellen Ermessensentscheidungen dar (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. September 1991, VII R 34/90, Bundessteuerblatt - BStBl - 1992, 57 und Urteil des Finanzgerichts München vom 21. November 2001, 1 K 408/98 veröffentlicht in [...]).
Sie unterliegen deshalb nach § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) nur der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Ermessensentscheidung lediglich daraufhin überprüfen, ob sie deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Das Gericht ist nicht befugt, sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltungsbehörde zu setzen.
Die Ermessensgrenzen bestimmen sich hierbei nach den Umständen des Einzelfalles. Anerkannt ist in der Rechtsprechung des BFH, dass der Steuergläubiger die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht verlangen kann, wenn er die Vermögensverhältnisse des Schuldners bereits zuverlässig kennt oder weiß, dass der Schuldner pfändbares Vermögen nicht besitzt. Andererseits ist bei der Entscheidung auch die gesetzliche Wertung zu beachten, dass grundsätzlich nur die unter dem psychologischen Druck der Strafbarkeit abgegebene Erklärung nach § 284 Abs. 2 AO der Vollstreckungsbehörde zuverlässige Kenntnisse über die Vermögenslage des Schuldners bieten kann (vgl. Beschluss des BFH vom 9. Mai 1989 VII B 205/88 in BFH/NV 1990, 79).
2. Unter Anwendung dieser Grundsätze erweisen sich die Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und die Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als rechts - und ermessensfehlerfrei.
Im Streitfall liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 284 Abs. 1 AO vor, wonach die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen nicht zu einer vollständigen Begleichung der Steuerrückstände des Klägers geführt hat. Dies bestreitet auch nicht der Kläger.
Das FA hat erkannt, dass es eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, wie die in der Einspruchsentscheidung ausdrücklich vorgenommene Beurteilung zeigt, die Ladung zur eidesstattlichen Versicherung sei weder unbillig noch ermessensmissbräuchlich. Auch hat es sich in der Einspruchsentscheidung mit dem Vorbringen des Klägers - soweit substantiiert - auseinandergesetzt und dieses unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gewürdigt.
Die Einwände des Klägers richten sich im Wesentlichen gegen die der Vollstreckung zugrunde liegenden Steuerbescheide. Mit diesen kann er im Vollstreckungsverfahren nicht gehört werden, da er solche Einwendungen nur im Verfahren gegen die Steuerfestsetzungen verfolgen kann. Der darin enthaltene Hinweis auf die noch nicht eingetretene Bestandskraft der Steuerfestsetzungen, deretwegen vollstreckt wird, vermag nicht zu begründen, dass die Aufforderungen zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ermessensfehlerhaft sind. Die Aufforderung zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist eine Maßnahme im Rahmen der Vollstreckung. Vollstreckt werden können grundsätzlich auch noch nicht bestandskräftige Verwaltungsakte (§ 251 Abs. 1 AO). Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt sind außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen (§ 256 AO). Daraus ergibt sich, dass die Berufung auf die mangelnde Bestandskraft der Steuerfestsetzung als solche noch nicht dazu führen kann, dass tatbestandlich in Betracht kommende Vollstreckungsmaßnahmen als ermessensfehlerhaft anzusehen wären (BFH-Urteil vom 22. September 1992 VII R 96/91, BFH/NV 1993, 220).
Soweit der Kläger vorträgt, ihm "würde durch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ein erheblicher Nachteil entstehen, als ihm in unverhältnismäßiger Weise erschwert würde, in absehbarer Zeit einen von ihm selbständig zu führenden Betrieb aufzubauen, womit sein berufliches Fortkommen in besonders erheblichem Maße beeinträchtigt würde", hat er diesen Vortrag nicht substantiiert. Jedenfalls lagen dem Finanzamt auch keine dahingehenden Erkenntnisse im Zeitpunkt seiner Entscheidung vor, wie es auch in der Einspruchsentscheidung feststellt.
An der vorstehenden Beurteilung ändert sich nichts durch die Tatsache, dass der Kläger mittlerweile - im September 2008 - aufgrund des Antrags eines anderen Gläubigers die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, da für die hier vorzunehmende Überprüfung einer behördlichen Ermessensentscheidung die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letztinstanzlichen Verwaltungsentscheidung maßgebend sind (BFH-Urteil vom 26. März 1991 VII R 66/90, BStBl II 1991, 545). Allerdings wird das FA bei der weiteren Sachbehandlung die mittlerweile abgegebene eidesstattliche Versicherung zu berücksichtigen haben. Im Übrigen steht es dem Antragsteller nach dem soeben zitierten Urteil frei, Aufhebung des im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßigen Verwaltungsaktes unter Hinweis auf die veränderte Sachlage gemäß § 131 Abs.1 AO zu beantragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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