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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 16.07.2008
Aktenzeichen: 1 K 4388/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
EStG § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
EStG § 16 Abs. 1 S. 2
EStG § 16 Abs. 2
EStG § 16 Abs. 3
EStG § 16 Abs. 4
EStG § 18 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 4388/06

In der Streitsache

...

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

... sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und ....

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Gründe:

I. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Gewinnrealisierung von erhaltenen Anzahlungen auf vormals noch nicht vollständig erbrachte Werkleistungen den laufenden Gewinn erhöht oder als Aufgabegewinn einer ermäßigten Besteuerung unterliegt.

Die Klägerin ist - vertreten durch ihre Gesellschafter - die Gesellschaft bürgerlichen Rechts "Arbeitsgemeinschaft X" (Arge), deren Gewinn durch den Beklagten - das Finanzamt (FA) - für das Streitjahr 2003 einheitlich und gesondert festgestellt wird. Beide Gesellschafter waren hälftig an der Arge beteiligt.

Die Arge erbrachte im Rahmen langfristiger, sich über mehrere Jahre erstreckender Werkverträge Bauingenieurleistungen ausschließlich an einen Auftraggeber, die "Y GmbH" (GmbH). Da die Werklöhne nach Angabe der Klägerin erst mit Fertigstellung der Projekte oder deren Abnahme fällig wurden, vereinnahmte die Arge von der GmbH Anzahlungen, die bei der Arge noch nicht zu einer Gewinnrealisierung führten. Vielmehr wurde der durch die Geldzahlung erhöhte Aktivposten durch Passivierung desselben Betrages unter der Position "erhaltene Anzahlungen" ausgeglichen. Erst bei Endabnahme der Leistungen hätte bei gewöhnlichem Geschäftsablauf die Auflösung des Postens im Ergebnis zu einer Gewinnrealiserung des gesamten Werklohns geführt.

Der Geschäftsablauf wurde unterbrochen durch die Insolvenz der GmbH im Jahr 2003. Zu diesem Zeitpunkt waren die "erhaltenen Anzahlungen" auf einen Betrag in Höhe von 225.313 EUR angewachsen. Da die GmbH nach Angabe der Klägerin die Leistungen nicht mehr abrufen habe können, sei die Leistungspflicht der Arge entfallen. Daher seien die "erhaltenen Anzahlungen" gewinnrealisierend aufgelöst worden. Dabei habe nach Angabe der Klägerin nicht verbindlich festgestellt werden können, inwieweit "bereits geleistete Arbeit honoriert wurde" bzw. "inwieweit diese bereits einen Gewinnanteil enthielten" oder "Zahlungen enthalten waren, für die noch keinerlei Leistung erbracht war". Die Arge behandelte den Betrag als nach §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigten Aufgabegewinn im Rahmen der Aufgabe und Beendigung der Arge zum Ende des Jahres 2003. Die Insolvenz des einzigen Auftraggebers habe "zwangsweise" zur Beendigung der Arge geführt.

Das FA wich von der eingereichten Feststellungserklärung insoweit ab, als es den Aufgabegewinn um den Betrag von 225.313 EUR minderte und gleichzeitig den laufenden Gewinn um diesen Betrag erhöhte (Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung für 2003 vom 3. August 2005, bekannt gegeben an den ehemaligen Empfangsbevollmächtigten der Arge, den Klägervertreter). Der Einspruch hiergegen namens der Arge blieb in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 20. Oktober 2006 ohne Erfolg.

Die Klägerin trägt vor, aufgrund der durch die Insolvenz erzwungenen Betriebsaufgabe liege eine zusammengeballte Auflösung stiller Reserven vor, die zu einem nach §§ 16, 34 EStG begünstigten Aufgabegewinn führten.

Die Klägerin beantragt,

in Änderung des Bescheids vom 03. August 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie der Einspruchsentscheidung vom 20. Oktober 2006 bei der Einkunftsart "selbständige Arbeit" laufende Einkünfte in Höhe von - 5.163,92 EUR und einen tarifbegünstigten Aufgabegewinn in Höhe von 225.313,20 EUR festzustellen und zu je 50 v.H. auf die beiden Beteiligten zu verteilen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.

II. Die Klage ist nicht begründet.

Das FA hat zu Recht die Gewinnrealisierung der erhaltenen Anzahlungen beim laufenden Gewinn des Geschäftsjahres vorgenommen.

Die Regelungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 2-4 EStG sind nach § 18 Abs. 3 EStG entsprechend auf die Aufgabe der selbständigen Arbeit anzuwenden.

Der nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehörende Gewinn aus der Veräußerung des Gewerbebetriebs, der gemäß § 34 EStG als außerordentlicher Gewinn steuerbegünstigt ist, ist von dem übrigen Gewinn aus dem laufenden Gewerbebetrieb zu trennen. Auch bei einem zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe können Gewinne aufgrund ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der laufenden Geschäftstätigkeit als laufender Gewinn zu qualifizieren sein (vgl. Schmidt, Kommentar zum EStG, 27. Auflage 2008, § 16 Rz. 341 m.w.N.). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind Gewinne aus Geschäftsvorfällen, die auf der im Wesentlichen unveränderten Fortführung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit beruhen, im Regelfall nicht tarifbegünstigt (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 19. Mai 1971 I R 46/70 , BStBl II 1971, 688 ;vom 2.Juli 1981 IV R 136/79, BStBl II 1981, 798; vom 24. November 1982 I R 60/79, BStBl II 1983, 243, und vom 1. Dezember 1988 IV R 140/86, BStBl II 1989, 368). Einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe hat der BFH etwa verneint, wenn Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens an den bisherigen Kundenkreis abgesetzt werden (vgl. BFH-Urteil vom 7. April 1989 III R 9/87, BStBl II 1989, 874; vom 14. Dezember 2004 XI R 36/02, BFH/NV 2005, 1985 [auch Anlagevermögen]).

Veräußerungsgewinne nach § 16 Abs.1 EStG und Gewinne aus der Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG unterliegen einer begünstigten Besteuerung, weil es zu Härten führen würde, wenn durch die Auflösung aller stillen Reserven eines Betriebs jahrelang aufgestaute Gewinne in einem Zug mit dem normalen Steuersatz versteuert werden müssen (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1979 IV R 69/74 , BStBl II 1980, 239, m.w.N.). Dies gilt grundsätzlich auch, soweit die stillen Reserven durch Bewertungsabschläge und Sonderabschreibungen zu Lasten des laufenden Gewinns entstanden sind (BFH-Urteil vom 25. Juni 1975 I R 201/73, BStBl II 1975, 848). Entscheidend ist jedoch, dass die zusammengedrängte Aufdeckung aller stillen Reserven unmittelbare Folge der Betriebsaufgabe ist (vgl. BFH-Urteil vom 15. November 1979 IV R 49/76, BStBl II 1980, 150).

Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze ist der realisierte Gewinn aus den aufgelösten "erhaltenen Vorauszahlungen" beim laufenden Gewinn zu erfassen.

Zwar können im Einzelfall auch die in halbfertigen Arbeiten ruhenden stillen Reserven erst bei einer Betriebsaufgabe realisiert werden, wenn sie wirtschaftlich mit der Betriebsaufgabe zusammenhängen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1979 IV R 69/74, BStBl II 1980, 239).

Im Streitfall ist jedoch ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Realisierung mit der Insolvenz des einzigen Auftraggebers und damit dem laufenden Geschäftsbetrieb, nicht aber der Betriebsaufgabe, gegeben. Realisationstatbestand war die Insolvenz des Auftraggebers bzw. die offenbar von diesem ausgesprochene Ablehnung der Erfüllung der Verträge (vgl. § 103 der Insolvenzordnung). Damit hängt die zusammengeballte Realisation aber wirtschaftlich nicht mit der Betriebsaufgabe zusammen, sondern mit der Insolvenz des Geschäftspartners, die als Vorgang der laufenden Geschäftsbeziehung zuzuordnen ist. Der Wegfall des einzigen Auftraggebers führt nicht zu einer Zwangsaufgabe. Das FA weist zutreffend auf die Rechtsprechung des BFH zur vergleichbaren Zerstörung betrieblicher Gebäude hin (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung auf Seite 5 der EE). Grundsätzlich wäre nämlich die Fortsetzung der Arge mit Aufträgen anderer Auftraggeber möglich gewesen. Dass die Klägerin die Insolvenz der GmbH zum Anlass genommen hat, auch die Arge zu beenden, ändert daran nichts. Somit geht der Senat gerade nicht von einer "Zwangsaufgabe" aus.

Des Weiteren kommt es im Streitfall gerade aufgrund der besonderen Ausgestaltung der Verträge mit einer sehr späten Ertragsauswirkung der Erlöse auch im laufenden Geschäftbetrieb immer wieder zu einer zusammengeballten Gewinnrealisation am Ende eines Großprojekts bzw. dann, wenn mehrere Großprojekte in einem Jahr beendet werden. Wenn aber solche Zusammenballungen auch im laufenden Geschäftsbetrieb stattfinden, besteht keine Veranlassung, sie nur wegen einer gewissen zeitlichen Nähe zur Betriebsaufgabe steuerlich zu begünstigen.

Schließlich sammeln sich im zu beurteilenden Fall aufgrund der besonderen Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen mit dem einzigen Auftraggeber geradezu zwingend erhebliche stille Reserven an, die bei einer anderen Ausgestaltung der Verträge über Teilabnahmen etc. längst zu einer Realisation geführt hätten. Damit bestünde im Falle einer Zuordnung der Gewinnrealisation zum Aufgabegewinn die Gefahr einer Steuerumgehung und unzutreffenden Besteuerung. Dies zumal die Arge in einen Verbund mehrerer Firmen eingebunden war und davon auszugehen ist, dass sie großen Einfluss auf die Vertragsgestaltung mit der GmbH hatte und es ihr somit auch frei gestanden hätte, durch die Vereinbarung der Abnahme von Teilleistungen eine Zusammenballung der realisierten Gewinne am Ende des Großprojekts zu vermeiden.

Im Übrigen folgt das Gericht der weiteren Begründung in der EE und sieht von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (entsprechend § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung [FGO]).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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