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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 30.07.2007
Aktenzeichen: 1 K 4887/06
Rechtsgebiete: FGO, AO


Vorschriften:

FGO § 63 Abs. 1 Nr. 2
FGO § 63 Abs. 2
AO § 218 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 4887/06

In der Streitsache

hat das Finanzgericht München, 1. Senat,

als Einzelrichter ...

ohne mündliche Verhandlung

am 30. Juli 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung und ob dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung des eingezogenen Betrages zusteht.

Der Kläger hatte am 31. März 2003 Steuerschulden in Höhe von 4.257,88 EUR. Unter dem 31. März 2003 verfügte die Beklagte - das Zentralfinanzamt München (ZFA) - die Pfändung und Einziehung dieses Geldbetrages unter Beschlagnahme von zwei Konten des Klägers bei der D Bank. Hierauf zahlte der Drittschuldner am 17. April 2003 einen Betrag in Höhe von 750,--EUR an das ZFA. Daraufhin sprach der Kläger persönlich am 24. April 2003 beim ZFA vor und beschwerte sich über die Pfändungsmaßnahmen unter Übergabe eines vom gleichen Tag datierenden Schreibens (wegen des Inhalts des Schreibens wird auf dieses verwiesen: Bl. 8 der Klageakte). Der Kläger misst diesem Schreiben den Erklärungsgehalt eines Widerspruchs zu.

Mit seiner Klage trägt der Kläger vor, die Pfändung sei rechtswidrig gewesen, weil sie Sozialleistungen umfasst habe. Ihm stehe daher ein Anspruch auf Rückzahlung des eingezogenen Betrages zu. Auf die Schriftsätze des Klägers im Klageverfahren wird verwiesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1) festzustellen, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügung ab dem 24. April 2003 unzulässig war,

2) das ZFA zu verurteilen, dem Kläger EUR 750,00 zzgl. Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz ab dem 17. Mai 2003 per Barscheck auszuzahlen,

3) dem ZFA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Das ZFA beantragt

die Klage abzuweisen.

Es verweist auf das nicht durchgeführte Vorverfahren und seine fehlende Passivlegitimation.

Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf die Schriftsätze des ZFA im Klageverfahren verwiesen.

II. Die Klage ist unzulässig.

1. Der Feststellungsantrag des Klägers Zi. 1) ist unzulässig, soweit der Kläger seine Rechte im Wege der Gestaltungsklage hätte verfolgen können (§ 41 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung [FGO]). Eine solche hätte dem Kläger offen gestanden. Der Kläger hat es aber unterlassen, diesen Weg zu beschreiten, indem er nicht innerhalb der Einspruchsfrist des § 355 der Abgabenordnung (AO) Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung eingelegt hat. Damit hat er den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bestandskräftig werden lassen. Das Schreiben vom 24. April 2003, das der Kläger nunmehr als Einspruch verstehen möchte, lässt für einen objektiven Leser nicht erkennen, dass ein solcher Rechtsbehelf eingelegt werden solle. Der Kläger spricht im Betreff von Schadenersatz und Vollstreckung und weist auf die schwerwiegenden Folgen der Pfändung hin. Ein Einspruch ist jedoch darin nicht zu erkennen, weil nicht erkennbar ist, dass ein Rechtsmittel ergriffen werden soll.

Vielmehr ist das Schreiben als Vorbereitung für Verhandlungen mit dem Finanzamt zu verstehen.

Dafür, dass auch der Kläger damals dieses Schreiben nicht als Rechtsbehelf verstanden hat, spricht im Übrigen, dass er über etwa 3 Jahre keine Anstrengungen unternommen hat, um eine Entscheidung über den vermeintlichen Rechtsbehelf herbeizuführen.

2. Auch der Antrag Zi. 2) ist unzulässig.

Der Kläger wendet sich gegen den falschen Beklagten. Ein Verstoß gegen diese Sachurteilsvoraussetzung führt zur Unzulässigkeit der Klage (BFH-Urteil vom 6. März 2000 II B 48/99, BFH/NV 2000, 1112).

Nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 FGO ist die Klage zwar grundsätzlich gegen die Behörde zu richten, die die Leistung unterlassen hat. Das wäre im Streitfall das ZFA, weil der Kläger noch vor seinem Umzug am 15. Juli 2006 (vgl. hierzu das Schreiben des Klägers vom 5. Juli 2006 an das ZFA) unter dem 13. Juli 2006 per Fax erstmals die Zahlung der streitgegenständlichen 750,--EUR gefordert hat. Allerdings ergibt sich aus § 63 Abs. 2 FGO, dass die Klage im Falle eines Zuständigkeitswechsels gegen diejenige Finanzbehörde zu richten ist, die die Einspruchsentscheidung erlassen hat oder im Falle der Untätigkeit im Zeitpunkt der Klageerhebung für den Steuerfall zuständig ist (vgl. hierzu Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO, FGO, § 63 FGO Rz. 44, 49, m.w.N.). Lehnt die Finanzbehörde eine Zahlung ab, so ist die auf Leistung gerichtete Klage wie eine Untätigkeitsklage zu beurteilen. Alleine passivlegitimiert ist damit für die Leistungsklage dasjenige Finanzamt, das im Zeitpunkt der Klageerhebung für die Besteuerung zuständig ist. Das ist nicht das beklagte ZFA, sondern das Finanzamt Ebersberg.

Im Übrigen wäre die Leistungsklage auch unbegründet, weil der Kläger keinen vorherigen Abrechnungsbescheid erwirkt hat. Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen auch die Erstattungsansprüche gehören (§ 37 Abs. 1 und 2 AO), d.h. für ihre Erfüllung im Steuererhebungsverfahren, ist nach § 218 Abs. 1 AO ein entsprechender im Steuerfestsetzungsverfahren ergangener Bescheid. Daraus folgt, dass eine auf Steuererstattung gerichtete Leistungsklage nur dann begründet sein kann, wenn der Erstattungsanspruch durch Bescheid i.S. des § 218 Abs. 1 AO festgesetzt worden ist (BFH- Urteil vom 12. Juni 1986 VII R 103/83, BStBl II 1986, 702). Eine Umdeutung des Zahlungsantrags des Klägers in einen solchen auf Erlass eines Abrechnungsbescheides scheidet aus, weil für einen solchen Abrechnungsbescheid das ZFA nicht passivlegitimiert wäre (siehe oben).

Auch hat der Kläger keine Anspruchsgrundlage substantiiert vorgetragen, aus der sich ein Rückzahlungsanspruch gegen das ZFA ergäbe. Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Finanzamts ist die bestandskräftige Steuerfestsetzung. Selbst wenn die damalige Zahlung des Drittschuldners unter Verstoß gegen Pfändungsbeschränkungen erfolgt wäre, ist kein Anspruch ersichtlich, der heute - 3 Jahre nach der Zahlung - einen Freigabeanspruch begründen könnte. Im Übrigen werden Sozialleistungen über die besonderen Pfändungsschutzvorschriften des Sozialgesetzbuchs I kraft Gesetzes vor einer Pfändung mit Sperrfristen geschützt. Eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die notwendigerweise vor Kenntnis der Geldherkunft auf einem Bankkonto ergeht, ist nicht rechtswidrig, wenn sie diese Beschränkungen nicht ausdrücklich aufführt. Ein nachträglicher Freigabeanspruch, der damals möglicherweise bestanden hätte, hätte sich heute überholt. Eine rückwirkende Freigabe zum nächsten Zahlungstermin ist heute nicht mehr möglich. Im Übrigen hat der Kläger zum damaligen Zeitpunkt entsprechende Pfändungsschutzanträge, die damals gegenüber dem Finanzamt mündlich vorgebracht worden sein mögen, nicht mit den damals offen stehenden Rechtsbehelfen verfolgt. Zum heutigen Zeitpunkt ist dies nach Sinn und Zweck der Pfändungsschutzvorschriften nicht mehr nachholbar.

3. Über den Antrag des Klägers zu Zi. 3) entscheidet das Gericht von Amts wegen.

4. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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