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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 19.11.2008
Aktenzeichen: 1 K 686/07
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 65 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung ...

sowie

der ehrenamtlichen Richter ...

und ...

ohne mündliche Verhandlung

am 19. November 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, in welcher Höhe die Kläger Werbungskosten im Zusammenhang mit einer durch Darlehen refinanzierten Sofortrente gegen Einmalzahlung abziehen können.

Die Kläger werden vom Beklagten - dem Finanzamt (FA) - für das Streitjahr 2004 zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt. Einkünfte erzielte im Wesentlichen der Kläger aus nichtselbständiger Arbeit. Darüber hinaus erklärten beide Kläger sonstige Einkünfte aus privaten Rentenversicherungen gegen Einmalzahlung von je 100.000 EUR mit Rentenbeginn am 1. Dezember 2004. Rentenauszahlungen erfolgten in 2004 laut Erklärung noch nicht. Allerdings begehrten die Kläger den Abzug von Werbungskosten im Zusammenhang mit diesen Renten, nämlich für jeden der beiden Kläger einmal "Bankzinsen und -Spesen" in Höhe von je 1.533,21 EUR und von "sonstigen Werbungskosten" in Höhe von je 8.000 EUR. Der zuletzt genannte Betrag setzte sich zusammen aus einem Betrag von 4.500 EUR nicht näher erläuterte "Kosten der Versicherungsgesellschaft" und einem Betrag von 3.500 EUR aus einer Honorarnote eines Vermögensberaters für "Finanzierungsberatung, Fremdwährungskreditbeschaffung, Fremdwährungsmonitoring und Rentenversicherung". Das FA erkannte die "Kosten der Versicherungsgesellschaft" nicht als Werbungskosten an, weil es insoweit von Anschaffungskosten des Rentenbezugsrechts ausging. Vom Honorar des Vermögensberaters erkannte es lediglich 2.000 EUR als Werbungskosten an, also 2% der Darlehenssumme. Nachdem das Einspruchverfahren erfolglos geblieben ist, richtet sich die Klage auf den Abzug der nicht anerkannten Beträge als weitere Werbungskosten.

Mit ihrer Klage tragen die Kläger vor, sie hätten jeweils ein Darlehen bei der XBank AG in Schweizer Franken aufgenommen (152.021,66 CHF - Gegenwert 100.000 EUR) und mit diesem Betrag die Einmalzahlung auf einen Rentenversicherungsvertrag mit der Y- Versicherung AG, Österreich, geleistet, aus der nach dem Streitjahr monatliche Rentenzahlungen erfolgten. Die Tilgung des Darlehens sei auf die Laufzeit von 15 Jahren ausgesetzt. Seine Tilgung sollte bei Fälligkeit durch die Auszahlung aus einer Lebensversicherung bei der <Brit. Vers.Gesellschaft> erfolgen. Auf diese Lebensversicherung erfolgten regelmäßige Prämienzahlungen. Sämtliche Verträge seien über den Finanz- und Versicherungsservice des Herrn A.B. in Linz geschlossen worden, der die Kläger zu diesem Modell beraten und auch den Kreditbetrag vermittelt habe. Da das FA 2% der Darlehenssumme als angemessene Provision für die Vermittlung eines Darlehens anerkenne, seien die weiteren 1,5% nicht unangemessen für die viel aufwändigere Erarbeitung des Konzepts und Abstimmung etwa der Währungsrisiken der englischen Lebensversicherung. Die "Kosten der Versicherung" seien Werbungskosten, weil nur durch Zahlung dieser "Kosten" der Versicherungsvertrag zustande gekommen sei.

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des ESt-Bescheides für 2004 vom 16. August 2006 und Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung für jeden der Kläger weitere Werbungskosten von je 6.000 EUR bei den sonstigen Einkünften anzuerkennen und die ESt entsprechend niedriger festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hält an seiner Auffassung fest, dass nach der normativen Grundaussage des § 2 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) auch bei den sonstigen Einkünften eine Abgrenzung von Werbungskosten und Anschaffungskosten stattfinden müsse und die streitigen "Versicherungskosten" zu den Anschaffungskosten gehörten. Die Honorarnote des Vermögensberaters enthalte neben der Kreditvermittlung auch andere Leistungen. Die daher erforderliche Aufteilung im Wege der Schätzung orientiere sich an durch Verwaltungsanweisungen und Rechtsprechung bestätigten Erfahrungswerten und sei zutreffend vorgenommen worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des FA vom 10. September 2007 verwiesen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung [FGO]).

II. 1. Die Klage ist zulässig.

Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Streitgegenstand, bei Anfechtungsklagen auch den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung bezeichnen. Außerdem soll sie einen bestimmten Antrag enthalten. Nach § 65 Abs. 2 FGO hat der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter den Kläger aufzufordern, die erforderlichen Ergänzungen innerhalb einer bestimmten Frist vorzulegen, wenn die Klage diesen Anforderungen nicht in vollem Umfang entspricht.

Aus der in § 65 Abs. 2 FGO vorgesehenen Möglichkeit, nachträgliche Ergänzungen der Klageschrift vorzunehmen, lässt sich folgern, dass nicht sämtliche in § 65 Abs. 1 FGO aufgeführten Bestandteile bis zum Ablauf der Klagefrist vorzuliegen brauchen. Bis zu deren Ende müssen vielmehr nur die Erfordernisse beachtet sein, von denen es abhängt, ob ein Schriftstück sich überhaupt als Klageschrift qualifizieren lässt. Darüber hinaus besteht jedoch grundsätzlich die Möglichkeit, die fehlenden Angaben im Rahmen des bis zum Ablauf der Klagefrist gezogenen Klageumfangs zu präzisieren. Zu den Mindestanforderungen, die bereits bis zum Ablauf der Klagefrist vorliegen müssen, damit die Klageschrift als fristwahrende Erhebung einer Klage gewertet werden kann, gehört zunächst die Bezeichnung des Klägers bzw. der Kläger. Dies schließt jedoch nicht aus, dass eine nicht eindeutige Bezeichnung des Klägers entsprechend den für Willenserklärungen geltenden Grundsätzen ausgelegt werden kann. Bei der - nach der Verständnismöglichkeit des Empfängers - vorzunehmenden Auslegung sind zur Bestimmung des in der Rechtsbehelfsschrift genannten Klägers alle dem Finanzgericht und dem FA bekannten oder vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen. Die Klageschrift, mit der eine Anfechtungsklage erhoben wird, muss zwar auch den angefochtenen Verwaltungsakt bezeichnen; es ist jedoch grundsätzlich unschädlich, dies auch noch nach Ablauf der Klagefrist nachzuholen (Urteil des Bundesfinanzhofs [BFH] vom 12. Mai 1989 III R 132/85, BStBl II 1989, 846).

Bei zunächst nicht eindeutiger Angabe darf der Kläger die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes in dem durch den bisherigen Klageinhalt gezogenen Rahmen präzisieren. Nach Ablauf der Klagefrist darf er sich dabei allerdings nur in dem Bereich bewegen, der durch seine am Ende der Klagefrist vorliegenden Angaben, ggf. weiter eingeengt durch späteres Vorbringen, noch offenbleibt. Hat ein Kläger bereits den angefochtenen Verwaltungsakt eindeutig bezeichnet und lässt das bisherige Klagevorbringen nicht erkennen, dass die Klage weitere Anfechtungsgegenstände haben könnte, so ist es dem Kläger nach Ablauf der Klagefrist nicht gestattet, an die Stelle des bezeichneten Verwaltungsaktes oder neben diesen einen anderen Verwaltungsakt als Gegenstand der Anfechtung zu setzen. Eine solche Einschränkung ist im Hinblick darauf geboten, dass für die am Steuerschuldverhältnis Beteiligten jederzeit feststellbar sein muss, ob ein Verwaltungsakt noch nicht unanfechtbar ist, und dass grundsätzlich die bereits einmal eingetretene Unanfechtbarkeit nicht rückwirkend entfallen soll. Solange die von § 65 Abs. 1 FGO geforderte Angabe des Verwaltungsaktes noch nicht gemacht ist, muss die Finanzbehörde damit rechnen, dass beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen sämtliche nach dem Klageinhalt am Ende der Klagefrist, ggf. unter Berücksichtigung späterer Einschränkungen, noch als Anfechtungsgegenstand in Betracht kommende Verwaltungsakte nicht in formelle Bestandskraft erwachsen sind. Hat dagegen ein Kläger den Verwaltungsakt bereits bezeichnet, so steht nach Ablauf der Klagefrist für die Finanzbehörde fest, dass alle anderen Verwaltungsakte, die ebenfalls Gegenstand der Anfechtung hätten sein können, nicht angefochten worden und mithin ggf. unanfechtbar geworden sind. Im Hinblick auf die Rechtssicherheit wäre es nicht erträglich, wollte man einem Kläger auch nach Ablauf der Klagefrist die Möglichkeit einräumen, Verwaltungsakte, bei denen nach Maßgabe des bisherigen Klagevorbringens nicht damit hat gerechnet werden müssen, dass sie angefochten sein könnten, nachträglich zum Gegenstand der Anfechtung zu machen und damit ggf. die formelle Bestandskraft rückwirkend zu beseitigen. Außerdem würden auf diese Weise die für die Klageänderung bestehenden Beschränkungen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 19. Mai 1972 III R 138/68, BFHE 106, 8, BStBl II 1972, 703) um ihre Bedeutung gebracht (BFH-Urteil vom 1. April 1981 II R 38/79, BStBl II 1981, 532).

Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Klage zulässig. Zwar haben die Kläger den Verwaltungsakt hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitraums in der Klageschrift falsch bezeichnet. Durch die weiteren Angaben - insbesondere den Bezug auf die Einspruchsentscheidung mit Datum und Aktenzeichen - lässt sich bei Hinzuziehen derselben ohne weiteres erkennen, dass die Klage gegen den ESt-Bescheid für 2004 gerichtet ist. Dies haben die Kläger innerhalb der gesetzten Frist mit Schreiben vom 30. Juli 2007 klargestellt. Damit ist die Klage gegen den ESt-Bescheid 2004 innerhalb der Klagefrist rechtzeitig erhoben.

2. Die Klage ist nicht begründet.

a) Die vom FA vorgenommene Schätzung der Finanzierungskosten auf 2% der Darlehenssumme als abzugsfähige Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG bei den Einkünften der Kläger aus §§ 22 und 20 EStG ist nicht zu beanstanden.

Das FA ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine eindeutige Aufteilung der Gebühren und Honorare in Werbungskosten und nicht abzugsfähige Anschaffungskosten nicht möglich und der Anschaffungsnebenkostenanteil daher zu schätzen war.

Wie der BFH in seinem Urteil vom 30. Oktober 2001 VIII R 29/00 (BFHE 197, 114, BStBl II 2006, 223; bestätigt durch Beschluss vom 29. Dezember 2006 VIII R 15/05, BFH/NV 2007, 704), auf das zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, näher ausgeführt hat, folgt aus der die Überschusseinkünfte systematisch prägenden Trennung von Einkunfts- und Vermögensebene, dass die unmittelbaren Aufwendungen für den Erwerb von Rentenrechten auch insoweit, als deren Erträge (ganz oder teilweise) der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 1 oder Satz 3 Buchst. a EStG unterliegen, weder als sofort abziehbare (vorweggenommene) Werbungskosten noch als Absetzungen für Abnutzung Berücksichtigung finden können. Vielmehr sind auch die Nebenkosten für den Erwerb der § 22 Nr. 1 EStG unterstehenden Rentenrechte der nicht steuerbaren Vermögenssphäre zuzuordnen (anders die neue Rechtslage nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG i.d.F. des Alterseinkünftegesetzes vom 5. Juli 2004, BGBl. I 2004, 1427; BFH-Beschluss vom 1. Februar 2006 X B 166/05, BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420).

Die Entscheidung darüber, welche Vorgänge dem Bereich der Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten zuzuordnen sind, ist weniger nach rechtlichen, als vielmehr nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu treffen. Nicht die Bezeichnung des Entgelts durch die Vertragsparteien ist hierfür maßgeblich, sondern der tatsächliche wirtschaftliche Gehalt der in Frage stehenden Leistung, wobei von der Sichtweise desjenigen auszugehen ist, der die zu beurteilenden Aufwendungen tätigt (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 16. September 2004 X R 19/03, BFHE 207, 528, BStBl II 2006, 238, unter II.3.c der Gründe).

Voraussetzung für eine genaue Zuordnung ist daher zunächst der Nachweis des vollständigen Inhalts der Provisionsvereinbarungen sowie deren Überprüfung unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Angemessenheit (dazu BFH-Urteil in BFHE 207, 528, BStBl II 2006, 238, unter II.2. der Gründe). Vermag hiernach eine eindeutige Aufteilung der Gebühren nicht zu gelingen, hat die gebotene Aufteilung der Gebühren in Werbungskosten und Anschaffungskosten im Wege der Schätzung zu erfolgen.

Im Streitfall haben die Kläger lediglich eine Honorarnote des Vermögensberaters vorgelegt, aus der sich der Anteil der einzelnen Teilleistungen nicht ergibt. Im Übrigen könnte unter den Bedingungen des Streitfalls die Aufteilung auch nicht willkürlich etwa der Benennung durch die Beteiligten überlassen bleiben. Vielmehr ist die Aufteilung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu treffen. Wenn das FA diese Aufteilung nach einem Prozentsatz der - unter anderem - vermittelten Darlehenssumme ermittelt hat, so ist dies nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidung des BFH in einem vergleichbaren Fall verwiesen, in dem dieser die Berechtigung der Schätzung und diesen Schätzansatz billigt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 704).

b) Hinsichtlich der Bestätigung der Y-Versicherungs AG über die "Verrechnung von Kosten" ist unklar, welche Kosten dies sein sollen und ob der Kläger durch sie wirtschaftlich belastet ist. Sie können sich nach den Verhältnissen im Streitfall nicht auf die Darlehensfinanzierung beziehen, die durch die Xbank erfolgte.

Da die Kläger trotz Ankündigung bereits im Einspruchsverfahren (siehe Schreiben vom 31. Oktober 2006) offenbar nicht in der Lage sind, diese Kosten weiter zu spezifizieren, kommt eine Berücksichtigung als Werbungskosten schon deshalb nicht in Betracht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Versicherung im Rahmen ihrer internen Kalkulation den Betrag von 4.500 EUR nicht dem für Rentenzahlungen verwendbaren rechnerischen Betrag zugeordnet hat, wie es etwa bei - regelmäßig allerdings gezillmerten - Abschlussprovisionen für den bei Vertragsabschluss tätigen Versicherungsmakler der Fall ist. Dann ist dieser Betrag aber von der Einmalzahlung abgezogen worden und mindert lediglich den für Versicherungsleistungen verwendbaren Teil derselben. Es handelt sich in diesem Fall schon nicht einmal um gesonderte Anschaffungskosten der Kläger. Vielmehr wären sie dann in dem gezahlten Einmalbetrag von 100.000 EUR bereits enthalten. Da die Beurteilung durch das FA als Anschaffungskosten - mit der immanenten Annahme, der Betrag wäre zusätzlich gezahlt worden - die Kläger nicht beschwert, ist der angefochtene Bescheid auch insoweit nicht zu beanstanden.

3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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